Protokoll der Sitzung vom 26.08.2020

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Wir wissen doch jetzt ganz genau: Großveranstaltungen wie Festivals und Jahrmärkte sind noch mindestens bis Ende Oktober verboten. Das ist unter dem Gesichtspunkt des Infektionsschutzes offensichtlich der richtige Weg. Wir wissen auch nicht, wie es im Anschluss weitergeht – ob es weitere Verbote gibt, ob Weihnachtsmärkte möglich sind.

All das empfinden die Schaustellerinnen und Schausteller als existenzbedrohlich. Diese Fragen möchten sie auch gerne beantwortet haben, und zwar politisch beantwortet haben. Sie wollen nicht einfach nur hören: Ja, das wird schon alles irgendwie; bisher ist es ja immer noch gutgegangen.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Zu- ruf von Josef Hovenjürgen [CDU])

Nein, das ist eben nicht der Fall!

Herr Bombis, Sie führen an, dass es diese Pop-upFreizeitparks in größeren Städten in NRW gegeben hat bzw. immer noch gibt. – Es ist sicherlich richtig, dass es sie gegeben hat. Aber die Rückmeldungen, die wir alle bekommen, lauten doch: Das hat durchaus an vielen Stellen funktioniert.

Aber die Verluste, die die Branche durch Corona und durch die Schließung eingefahren haben, konnten dadurch mit Sicherheit nicht ausgeglichen werden. Sie haben nun einmal nicht ein vollwertiges Kirmeserlebnis, wenn Sie irgendwo auf einem großen Parkplatz ein Karussell stehen haben. Das ist eben etwas grundsätzlich anderes als das, was die Menschen schätzen.

Ich war wirklich überrascht – das muss ich ganz ehrlich sagen –, wie wunderbar die Redner der Koalition die Lage darstellen, wie wunderbar in ihrer Welt offensichtlich alles läuft. Denn die Rückmeldungen sind andere. Die Rückmeldung ist ganz klar, dass die Branche diese Lage als existenziell bedrohlich empfindet.

Und es geht noch weiter. Die vergangenen Monate hätten Schaustellerinnen und Schausteller in einem normalen Jahresverlauf natürlich genutzt, um Reserven für den Winter aufzubauen, also für die Zeit, in der sie keine Einnahmen generieren. Diese harte Zeit kommt erst noch. Da brauchen sie Hilfe.

Wir sehen ja auch – die Rückmeldungen sind sehr klar –, dass die bisherigen Hilfen vielen Branchen durchaus geholfen haben. Aber die existenziellen Nöte und die Verluste werden noch länger anhalten.

Darüber hinaus haben wir die Rückmeldung, dass die bisherigen Systeme so offensichtlich nicht funktionieren.

Deswegen ist es richtig, was die SPD heute fordert, dass sie diese Forderung aufgreift und eine spezifische Lösung fordert.

Herr Kollege, es gibt den Wunsch nach einer Zwischenfrage des Abgeordneten Rehbaum.

Die möchte ich jetzt nicht zulassen.

(Zuruf von Bodo Löttgen [CDU])

Lieber Kollege Löttgen, wenn Sie der Debatte vollständig gefolgt wären, hätten Sie mitbekommen, dass der Kollege Rehbaum auch keine Zwischenfragen zulassen wollte. Daher sollten Sie sich das einmal kurz überlegen. Wer zuletzt lacht, lacht nämlich in der Regel am besten.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Es gibt natürlich auch noch andere Bereiche. Wir sprechen immer über die Schaustellerinnen und Schausteller, weil wir uns darunter sehr viel vorstellen können. Aber wir sprechen auch über die ganze Veranstaltungsbranche – von vielen, vielen Tausend Beschäftigten in Nordrhein-Westfalen, die von dieser Lage massiv betroffen sind und auch in Zukunft massiv betroffen sein werden.

(Bodo Löttgen [CDU]: Was haben Sie getan?)

Herr Löttgen, Sie fragen mich jetzt nicht ernsthaft, was wir getan haben, als wir keine Pandemie hatten. Entschuldigung! Wir hatten zwischen 2010 und 2017 nun einmal kein Corona.

(Bodo Löttgen [CDU]: Jetzt!)

Dass wir jetzt gerade nicht in der Landesregierung sind, sollten Sie vielleicht einmal zur Kenntnis nehmen. Im Moment stehen Sie in der Verantwortung, etwas für die Betroffenen, über die wir heute sprechen, zu tun, lieber Kollege Löttgen.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Wir stellen einfach fest, dass diese Lage für viele Tausend Menschen in unserem Land existenziell bedrohlich ist. Wir sehen, dass diese Menschen, die von dieser Lage betroffen sind, uns allesamt die Rückmeldung geben: Wir brauchen Hilfe. Wir brauchen Unterstützung. Das, was ihr bisher gemacht habt, funktioniert nicht.

Die Rückmeldung, die sie heute von dieser Debatte in diesem Landtag bekommen, ist: Na ja; für uns als schwarz-gelbe Koalition wird das schon alles irgendwie hinhauen. Wir wissen noch nicht, wie. Aber es hat immer schon funktioniert. Und wir haben mit Regieren überhaupt nichts zu tun.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Vielen Dank. – Für die Fraktion der AfD hat der Abgeordnete Loose das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der vorliegende Antrag der SPD zur Situation der Veranstaltungsbranche spricht unbestreitbar vorhandene existenzbedrohende Probleme einer ganzen Branche an.

Vielleicht kommt Ihnen dieser Satz bekannt vor, liebe SPD. Das ist ein Zitat aus der Rede von Frau MüllerWitt aus dem Plenum im Juni dieses Jahres. Es wurden lediglich „AfD“ durch „SPD“ und „Reisebüros“ durch „Veranstaltungsbranche“ ersetzt.

Damals haben wir einen Antrag zur Rettung der Reisebüros gestellt, den Sie am Ende leider abgelehnt haben. Sie führten damals an, dass unser Antrag wichtig sei, aber warfen uns doch tatsächlich vor, dass wir die schwierige Situation der Reisebranche für eigene Zwecke nutzen würden.

(Bodo Löttgen [CDU]: So ist das! Genau!)

Ich könnte Ihnen nun das Gleiche vorwerfen, liebe SPD, aber das tue ich nicht, denn schließlich ist es die Aufgabe der gewählten Parteien – das sage ich auch an die Adresse der CDU –, sich um die Sorgen und Nöte der Menschen zu kümmern.

So haben wir es als AfD damals bei den Reisebüros gemacht; so haben Sie es heute für die Schausteller hier gemacht. Sie haben damals leider den Reisebüroantrag abgelehnt, weil er von der AfD kam, und damit die Reisebürobranche leider im Stich gelassen.

Das darf heute bei den Schaustellern nicht passieren. Gerade in dieser schwierigen Zeit müssen parteipolitische Überlegungen hintanstehen.

Noch heute Morgen habe ich mit einem Vertreter des Schaustellerverbandes gesprochen, einem Mann, der inzwischen mit seinem Sohn in siebter Generation die Fahrgeschäfte führt, einem Mann, der bundesweit mit den Schaustellern vernetzt ist.

Dieser Schausteller beklagte, dass die Hilfen der Bundesregierung nach dem Gießkannenprinzip über alle Branchen verteilt werden und die existenzbedrohende Lage der Schausteller nicht berücksichtigt wird.

Gerade die ungewisse Situation bei den kommenden Veranstaltungen – allen voran bei den Weihnachtsmärkten – belastet die Familien der Schausteller besonders stark. Wenn die Weihnachtsmärkte nicht stattfinden – so war seine Prognose –, würden 80 % der Schausteller zum Jahresende Insolvenz anmelden müssen.

Ich weiß nicht, ob das wirklich diese Dimension hat, aber lassen Sie es am Ende 30 oder 40 % sein. Insbesondere die kleineren Schausteller werden betroffen sein. Das wäre ein kultureller Kahlschlag, den wir dann in dieser Branche haben werden.

Zum Dortmunder Weihnachtsmarkt, den er auch anführte, kommen jede Woche 100 Busse mit Besuchern. Die besuchen dann aber nicht nur die Weihnachtsmärkte, sondern auch die Geschäfte. Die halten die gesamte Stadt lebendig.

Bei einer großen Kirmes sind 200 Schausteller zugegen, 200 Familien, die dort auch zum Friseur gehen, die dort auch einkaufen gehen, zum Baumarkt, um mal etwas reparieren zu können. Das alles geschieht durch die Schausteller und hält auch diese Städte am Leben.

Jetzt werden kleinere Kirmesveranstaltungen genehmigt. Ja, Herr Bombis, das ist der Fall; aber man sagte mir, da werde ein Knochen hingeworfen. Das reiche gerade so, um die Kühlschränke zu füllen. In Paderborn am Rande der Stadt reichte nicht einmal das; dort haben die Schausteller noch Geld mitgebracht.

Der Schausteller kann sich jetzt auch gar nicht mehr die Mitarbeiter leisten. Bei ihm funktioniert das, weil die gesamte Familie – der Onkel, der Bruder – zusammensteht und die Fahrgeschäfte aufbaut.

Ich selbst komme gebürtig aus Ibbenbüren. Eine große Innenstadtkirmes ist dort ein Erlebnis, ein Highlight, immer am ersten Wochenende im September. Da kommen auch alle, die weggezogen sind, zusammen, um gemeinsam Kirmes zu feiern. Dann geht man natürlich auch nachher noch in die Kneipen oder auch einkaufen. Dieses Großerlebnis hat man nicht auf diesen kleinen Kirmesplätzen, die jetzt entstehen.

Der Schausteller beklagte auch die Ungleichbehandlung mit anderen Branchen. Er sagte: Wie kann es denn sein, dass im Flugzeug die Leute nur 30 cm Abstand haben? Die tragen zwar eine Maske, aber jeder weiß doch, dass die nach 15 Minuten durchnässt ist und die Viren durchkommen. Dabei gibt es doch von den Schaustellerverbänden ein Konzept, mit dem man das Ganze wieder öffnen kann.

Geben wir den Schaustellern die Möglichkeit, wieder zu arbeiten, um Geld zu verdienen, Geld, das die Familien dringend brauchen. Deshalb haben wir auch die Sorgen aufgegriffen und Ihren guten Antrag, liebe SPD, um die Weihnachtsgeschäfte ergänzt und das Ganze runder gemacht.

Wir reichen Ihnen mit unserem Änderungsantrag die Hand und hoffen, dass wir gemeinsam helfen und auch die Weihnachtsmärkte wieder stattfinden können. – Vielen Dank.

(Beifall von der AfD)

Vielen Dank. – Für die Landesregierung spricht Herr Minister Lienenkämper in Vertretung für Minister Professor Pinkwart.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Zunächst einmal bitte ich um Verzeihung dafür, dass ich etwas zu spät gekommen bin. Ich war das gar nicht mehr gewohnt, dass Sie Ihre Fragen in der Fragestunde so stellen, dass ich nicht zum Einsatz komme.

Deswegen habe ich zugegebenermaßen das Ende derselben in einer anderen Besprechung nicht so beobachtet, wie das wahrscheinlich besser gewesen wäre. Insofern ahne ich, dass Sie wahrscheinlich beim nächsten Mal die Fragen der Fragestunde wieder umstellen werden.

Jedenfalls bin ich jetzt hier und habe eine engagierte Debatte verfolgt, die mir schon Anlass zu einigen grundsätzlichen Vorbemerkungen gibt.