Protokoll der Sitzung vom 26.08.2020

Aus unserer Sicht hätte dieser überholte Antrag hier heute nicht mehr behandelt werden müssen. Wir lehnen ihn aber auch nicht ab, da er ja ursprünglich eine durchaus berechtigte Kritik enthielt. Wir werden uns dazu enthalten, ebenso zum Entschließungsantrag. – Vielen Dank.

(Beifall von der SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin. – Für die Fraktion der FDP hat die Abgeordnete Frau Schneider das Wort.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Diskussion über den Gesetzentwurf zur Intensivpflege hat gezeigt, wie wichtig gesamtgesellschaftliche Debatten und öffentlicher Protest sein können, wenn eine Bundesregierung inakzeptable Vorschläge macht. Betroffene haben fast ein Jahr lang gezittert, nachdem der ursprüngliche Entwurf bekannt worden war.

Die gesetzlichen Formulierungen hätten faktisch dazu geführt, dass die Krankenkassen berechtigt gewesen wären, aufgrund eines Kostenvorbehalts und einer Teilhabeprüfung durch den Medizinischen Dienst beatmungspflichtigen Menschen das Recht auf eine freie Wohnortwahl zu nehmen. So haben Menschen mit Intensivpflegebedarf in der Angst gelebt, künftig gegen ihren Willen in einem Heim untergebracht zu werden. Mir als Liberale ist es absolut unverständlich, dass derartige Vorschläge überhaupt in einem Bundesministerium zu Papier gebracht wurden.

(Beifall von der FDP und den GRÜNEN)

Am Ende ist die GroKo in Berlin den Betroffenen und ihren Verbänden aber doch noch entgegengekommen. So wurden etliche Verbesserungen erreicht, zum Beispiel bei der finanziellen Anpassung zwischen ambulanter und stationärer Versorgung. Auch das Damoklesschwert des Heimzwangs wurde entschärft. Es ist aber noch nicht ganz stumpf.

Das Recht auf eine unabhängige Lebensführung darf aus unserer Sicht nicht eingeschränkt werden. So soll zwar jetzt den berechtigten Wünschen der Menschen entsprochen werden. Aber noch immer soll die Sicherstellung der medizinischen und pflegerischen Versorgung durch den Medizinischen Dienst überprüft werden.

In der UN-Behindertenrechtskonvention steht allerdings nicht, dass das Recht, selbst zu bestimmen, wo man lebt, davon abhängt, dass man einen berechtigten Grund dafür nennt und die Versorgungs

sicherheit von den Kostenträgern regelmäßig überprüft wird.

(Beifall von der FDP und den GRÜNEN)

Trotz aller Fortschritte sehen wir als Freie Demokraten das vor der Sommerpause im Bundestag verabschiedete Gesetz weiterhin kritisch. Es gilt, die weitere Entwicklung und die praktische Umsetzung aufmerksam zu beobachten.

Wenn Kassen beatmungspflichtige Menschen gegen ihren Willen in die stationäre Versorgung drängen wollen, dann muss dies auch gerichtlich überprüft werden. Die Grundsätze der UN-Behindertenrechtskonvention und das im Grundgesetz garantierte Selbstbestimmungsrecht müssen gewahrt bleiben.

(Beifall von der FDP)

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, zum Schluss noch einige Worte zum eingereichten Entschließungsantrag der Grünen:

Wer meine vorherigen Ausführungen verfolgt hat, der erkennt, dass wir bei der inhaltlichen Bewertung nicht weit auseinanderliegen. Die Forderungen gehen jedoch an der politischen Realität vorbei. Es handelt sich nicht um ein zustimmungspflichtiges Gesetz, sodass die Macht des Bundesrates in dieser Frage sehr überschaubar ist. Angesichts der Mehrheitsverhältnisse ist auch nicht unbedingt zu erwarten, dass ein Antrag auf Anrufung des VA eine Mehrheit finden könnte. Wir werden ja in den nächsten Wochen sehen, ob Länder mit grüner Regierungsbeteiligung wie beispielsweise Hessen hier aktiv werden.

Die NRW-Koalition hält es für sinnvoller, statt jetzt Initiativen ohne Erfolgsaussichten zu starten, anhand konkret bei der Umsetzung festgestellter Probleme Korrekturen vorzunehmen. – Ich danke Ihnen.

(Beifall von der FDP)

Vielen Dank. – Für die Fraktion der Grünen hat der Kollege Mostofizadeh das Wort.

Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich kann Frau Kollegin Schneider in allen Punkten – bis auf den letzten Schlenker – nur zustimmen. Ich möchte das auch noch einmal sehr deutlich machen.

Wir reden über Menschen, die – das ist die Ausgangslage – seit Jahren zu Hause leben, ein normales, übliches Leben führen und zur Arbeit gehen. Zum Teil gehen sie hochrangiger Beschäftigung nach – bis hin dazu, dass sie Hochschulprofessoren sind. Selbst wenn sie ganz einfache Arbeiterinnen und Arbeiter sind, spielt das keine Rolle. Das Selbstbestimmungsrecht der Menschen darf nicht von der

Kassenlage einer jeweiligen Krankenkasse abhängen.

Das war die Ausgangslage, mit der der Gesetzentwurf des Bundes ins Rennen gegangen ist. Das ist meine erste Bemerkung. Das schreiben wir auch ganz dezidiert in den Antrag hinein. Die Ausgangslage hat sich massiv verändert. Das ist auch völlig korrekt von den Kolleginnen und Kollegen dargestellt worden. Deswegen haben wir auch diesen Entschließungsantrag formuliert.

Sowohl der Kollege Preuß als auch die Kollegin Schneider – Herr Preuß mit einer anderen Interpretation – haben die entscheidenden Sätze zitiert. Es geht an dieser Stelle nämlich darum, dass ausgerechnet der Betroffene die Sicherstellung markieren soll, nicht etwa die Krankenkasse oder der Staat als Erbringer.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es kann doch wirklich nicht unser Ernst sein, dass wir der Auffassung sind, dass diejenigen, die auf diese Leistung angewiesen sind, selbst nachweisen sollen, dass das zu Hause funktioniert. Das ist mit der UN-Behindertenrechtskonvention absolut nicht vereinbar. Das werden wir auch sehr klar hier wieder sagen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Inhaltlich – das muss man einräumen; herzlichen Dank auch an die Landesbehindertenbeauftragte – gab es klare Worte in dieser Auseinandersetzung. Es ist sehr klar formuliert worden, dass der erste Gesetzentwurf nicht nur nicht akzeptabel war, sondern wirklich ein harter Einschnitt in unsere Menschenrechtspolitik darstellt.

Ich komme zum Antrag. Ja, Frau Kollegin, man kann der Auffassung sein, dass wir das im Bundesrat im Zweifel nicht mehr hinkriegen. Aber hier ein Signal auszusenden, das deutlich macht, dass NordrheinWestfalen nach wie vor der Auffassung ist, dass dieser Teil zu ändern ist, halten wir für richtig. Insofern erhalten wir auch unseren Entschließungsantrag aufrecht.

Trotzdem will ich ein positives Signal hinter diese Debatte stellen. Es hat sich gelohnt, zu kämpfen. Es hat sich gelohnt, sehr deutlich zu machen, dass wir mit einer solchen Politik nicht einverstanden sind. Wir werden dann an geeigneter Stelle gerne auch, wenn die anderen das mit beobachtet haben, erneut eine Initiative ergreifen. Wir werden sicherlich nicht Jahre darauf waren, sondern sehr schnell reagieren.

Das ist ja auch wichtig, Herr Gesundheitsminister. Es kann doch nicht sein, dass man das berechtigte Ansinnen der Qualitätskontrolle in der Frage der Intensivbehandlung zum Anlass nimmt, die Beweislast umzukehren und den Menschen die Kosten vor die Füße zu kippen.

Deswegen appelliere ich noch einmal an Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen: Ja, wir haben zur Kenntnis genommen, dass der Gesetzentwurf sich geändert hat. Ja, wir haben es in unserem Entschließungsantrag genauso formuliert. Deswegen ist meine Bitte: Stimmen Sie diesem zu!

Ansonsten wünsche ich Ihnen noch einen schönen Abend. – Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vielen Dank. – Als nächster Redner spricht für die AfD Herr Dr. Vincentz.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Es ist eigentlich schon alles gesagt, nur noch nicht von jedem. Ich teile die Rechtseinschätzung der Kollegen Preuß und Lück. Ich denke, dass der jetzt vorliegende Gesetzentwurf im Prinzip viele Schwächen des Referentenentwurfs ausgebügelt hat. Wie ich finde, gibt es dementsprechend keinen größeren Redebedarf.

Ich verstehe allerdings sehr wohl die Intention der Grünen, die vorgenommenen Änderungen jetzt als eigenen Geländegewinn zu verkaufen. Das ist eine klassische Situation wie bei Indiana Jones. Ich meine, es hieß „Die Jagd nach dem heiligen Gral“; da müsste Nic Vogel mich jetzt korrigieren. Der Output wäre dort mit oder ohne Indiana Jones derselbe gewesen. Der Output wäre hier auch mit den oder die Grünen derselbe gewesen.

Es ist nett, dass wir darüber zu später Stunde noch einmal sprechen. Aber es hätte hier überhaupt keinen Antrag gebraucht. Der Referentenentwurf ist überarbeitet worden. Alles ist gesagt. – Vielen Dank.

(Beifall von der AfD)

Vielen Dank. – Für die Landesregierung hat Minister Laumann das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will es auch kurz machen. Es ist viel darüber geredet worden, dass wir erst einen Referentenentwurf hatten und dass der Gesetzentwurf jetzt – das ist mittlerweile ja schon der dritte Entwurf – viel besser geworden ist.

Man muss aber zugeben – alle Entwürfe haben den Geist des Gesundheitsministeriums gehabt –, dass wir natürlich auch intensiv zu pflegende Menschen haben, die in unwürdigen Verhältnissen gepflegt werden.

Es geht bei diesem Antrag im Wesentlichen darum, die Qualität der Pflege zu verbessern. Beim ersten

Gesetzentwurf ist einiges offengeblieben, was dann zu vielen Ängsten geführt hat und auf das wir auch alle angesprochen worden sind.

Ich finde den jetzt vorliegenden Gesetzentwurf deswegen so gut, weil er einerseits diese Ängste herausgenommen hat, aber andererseits auch klare Qualitätskriterien für Intensivpflege vorgibt, egal, an welchem Wohnort sie vorgenommen wird.

Außerdem ist klar, dass es das Ziel der Beatmungspflege ist, möglichst viele Menschen wieder von der Beatmung zu entwöhnen. Es hat Fälle gegeben, auch in Nordrhein-Westfalen, bei denen der eine oder andere Anbieter kein großes Interesse an dieser Entwöhnung hatte.

Deswegen meine ich, dass dieser Gesetzentwurf auf der einen Seite die Selbstbestimmung weiterhin ermöglicht und auf der anderen Seite die Qualität, insbesondere in der Beatmungspflege, erheblich verbessern wird. Das wurde auch höchste Zeit. – Schönen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vielen Dank, Herr Minister. – Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Daher schließe ich die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung, und zwar erstens über den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drucksache 17/7902. Der Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales empfiehlt in Drucksache 17/10660, den Antrag Drucksache 17/7902 abzulehnen. Wir kommen somit zur Abstimmung über den Antrag selbst und nicht über die Beschlussempfehlung. Wer möchte hier zustimmen? – Das sind die Grünen. Wer stimmt dagegen? – Das sind CDU, FDP und AfD. Wer enthält sich? – Das ist die SPD. Der Antrag Drucksache 17/7902 ist mit dem festgestellten Abstimmungsergebnis abgelehnt.

Wir stimmen zweitens über den Entschließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drucksache 17/10732 ab. Wer möchte hier zustimmen? – Das sind die Grünen. Wer stimmt dagegen? – Das sind CDU, FDP und AfD. Wer enthält sich? – Das ist die Fraktion der SPD. Damit ist der Entschließungsantrag Drucksache 17/10732 abgelehnt.

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