Protokoll der Sitzung vom 27.08.2020

9 Straftaten mit legalen und illegalen Waffen: Auf

welcher Grundlage wird das Waffenrecht verschärft?

Große Anfrage 18 der Fraktion der AfD Drucksache 17/8210

Antwort der Landesregierung Drucksache 17/9883

Ich eröffne die Aussprache und erteile für die Fraktion der AfD Herrn Abgeordneten Tritschler das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn man über das Thema „Waffen in Deutschland“ spricht, hilft es vielleicht, sich über die Entstehungsgeschichte unseres heutigen Waffenrechts im Klaren zu sein.

August Bebel und Karl Liebknecht, die Gründerväter der deutschen Sozialdemokratie, setzten sich beispielsweise im deutschen Kaiserreich dafür ein, dass sich die breite Masse des deutschen Volkes bewaffnen darf. Sie misstrauten dem Obrigkeitsstaat und den Organen und sahen in einer breiten Bewaffnung des Volkes den besten Schutz vor Tyrannei.

Die weitere deutsche Geschichte sollte ihnen recht geben. Es waren insbesondere die Nationalsozialisten, die unmittelbar nach der Machtergreifung begannen, weite Teile der Bevölkerung zu entwaffnen. Es begann mit den Juden schon 1933 und wurde nach und nach auf weite Teile der Bevölkerung ausgeweitet.

In der Nachkriegszeit kehrte man in Westdeutschland zu einem einigermaßen liberalen Waffenrecht zurück, während das SED-Regime im Osten lieber ein unbewaffnetes Volk unterdrückte und privaten Waffenbesitz quasi abschaffte.

Seither ist das Waffenrecht zunächst im Westen und dann im wiedervereinigten Deutschland immer wieder verschärft worden. Legalwaffenbesitzer stehen inzwischen unter Generalverdacht und müssen schon bei kleinsten Vergehen um ihre Genehmigung fürchten. Ja, es reicht sogar, wenn man Onlinepetitionen unterschreibt, die der Regierung nicht gefallen.

Die EU-Waffenrichtlinie, die den Anstoß für die letzte Verschärfungswelle lieferte, ist für die Waffenpolitik der letzten Jahre exemplarisch. Erst wird ein Anlass gefunden, der die Menschen in Angst versetzt. Im konkreten Fall waren es die islamistischen Terroranschläge auf die Brüsseler U-Bahn und den Brüsseler Flughafen.

Zur Erinnerung: Die Täter konnten, obwohl sie den Sicherheitsbehörden bekannt waren, wochenlang unbehelligt kreuz und quer durch Europa fahren und im Gepäck Sprengstoff und AK-47-Gewehre, also Kalaschnikows, mitführen – Waffen, für die die Täter natürlich nirgends eine Erlaubnis hatten; es waren also illegale Waffen.

Diese Anschläge, die – man muss es noch einmal betonen – mit illegalen Waffen durchgeführt wurden, waren der Anlass, die Rechte der Legalwaffenbesitzer wieder einmal zu beschneiden. Das ist symptomatisch, und deshalb haben wir die nun mit einiger Verspätung beantwortete Große Anfrage gestellt.

Herzlichen Dank vonseiten meiner Fraktion an die Beamten und Mitarbeiter der Landesregierung, die an der Auswertung beteiligt waren. Das soll allerdings nicht heißen, dass die Antwort an sich

umfassend, vollständig oder zufriedenstellend war – im Gegenteil. Aber dazu komme ich gleich noch.

Was sich aus der leider etwas knappen Beantwortung an manchen Stellen ablesen lässt, ist für uns zwar nicht überraschend, aber doch bemerkenswert. Legalwaffenbesitzer – davon gibt es in NordrheinWestfalen ganze 500.000 – spielen in der Kriminalitätsstatistik überhaupt keine Rolle. Zieht man die Besitzer des Kleinen Waffenscheins, der ja relativ freihändig vergeben wird, ab, kam es in den letzten drei Jahren im Schnitt zu jeweils 110 Straftaten und keineswegs immer zu schweren Straftaten. Das ist ein winziger Bruchteil der Straftaten, die mit illegalen Waffen begangen werden.

Das ist auch kein Wunder; denn unsere Grenzen sind bekanntlich sperrangelweit offen für Drogen, Menschen und auch Waffenhändler. Wir wissen nicht genau, was da jeden Tag ins Land kommt, aber wir können es manchmal erahnen. Denn ab und zu finden ja Grenzkontrollen statt – meistens dann, wenn die Politik Angst um sich selbst hat, wie zum Beispiel beim G20-Gipfel in Hamburg.

Jedes Mal, wenn solche Kontrollen stattfinden, findet die Polizei, die keineswegs jedes Auto durchsucht, unzählige Schusswaffen – neben Drogen, gesuchten Verbrechern und illegalen Migranten. Darüber breitet man dann schamvoll einen Mantel des Schweigens, macht weiter wie bisher, und die Kalaschnikows, Granatpistolen, Kriegswaffen und Ähnliches, was in der Beantwortung der Anfrage vorkommt, kommen weiter ungehindert ins Land.

Wer hingegen Jäger ist und kein Terrorist, wer Sportschütze ist und kein Berufskrimineller, darf auf so viel Großzügigkeit nicht hoffen. Da wird mit aller Härte des Gesetzes und darüber hinaus gegängelt und verboten. Es reichen kleinste Verfehlungen oder auch schon mal ein regierungskritischer Kommentar im Internet.

Wir kennen das von SPD und Grünen seit Jahren. Da standen Jäger und Sportschützen schon immer unter Generalverdacht und wurden nach allen Regeln der Kunst – zuletzt durch das berühmte Remmel’sche Jagdgesetz – an die Kandare genommen. CDU und FDP haben hingegen jahrelang ein bisschen Widerstand simuliert. Aber irgendwie geht es dann doch immer weiter in die gleiche Richtung. Da wird munter mitgemacht, und CDU-geführte Behörden drangsalieren unbescholtene Legalwaffenbesitzer inzwischen auch nach allen Regeln der Kunst.

Von der FDP, deren Chef beim Erwerb des Jagdscheins ja gar nicht genug Selfies von sich posten konnte, kommt bestenfalls noch ein bisschen symbolischer Widerstand – und auch das nur, wenn man in der Opposition ist.

Wahrscheinlich klaffen in der Antwort der schwarzgelben Landesregierung deshalb auch auffällige

Lücken. Es wäre doch ausgesprochen interessant, einmal zu wissen, wie viele Straftaten mit Legalwaffen, also durch Notwehr oder Nothilfe, abgewendet werden konnten. Aber das zu ermitteln ist Ihnen, so schreiben Sie, zu aufwendig. Warum nur? Könnte sich vielleicht herausstellen, dass Legalwaffen am Ende mehr Straftaten verhindern, als mit ihnen begangen werden?

Die Frage ist doch, warum Sie, wenn Sie so viel nicht wissen und nicht ermitteln können, wie Sie in Ihrer Antwort immer wieder schreiben, immer weiter an der Verbots- und Gängelungsschraube drehen. Die Zahlen, die Sie geliefert haben, rechtfertigen jedenfalls beim besten Willen keine Verschärfung des Waffenrechts.

Meine Damen und Herren von den Altparteien, Sie misstrauen den Bürgern grundlegend. Für Sie ist das Idealbild offenbar ein wehrloser Bittsteller, dem Sie nach Gutsherrenart vielleicht eine Genehmigung erteilen oder auch nicht.

Wir dagegen glauben an freien Bürgersinn, an das Verantwortungsbewusstsein der Menschen, wie es die erfreulichen Ergebnisse dieser Anfrage noch einmal eindrucksvoll unter Beweis gestellt haben. Damit knüpfen wir an die beste Tradition deutscher Demokratie an, während die Verbieter und Entwaffner vielleicht mal überlegen sollten, in wessen Tradition sie stehen. – Vielen Dank.

(Beifall von der AfD)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Tritschler. – Als nächster Redner hat für die CDU Herr Abgeordneter Golland das Wort. Bitte sehr, Herr Kollege.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die über 1.000-seitige Antwort auf die Anfrage der AfD zeigt, wie intensiv und sensibel dieses Thema von unserer Landesregierung behandelt wird. Bis an die Grenze des Zumutbaren sind fast alle Fragen beantwortet und Sachverhalte dargestellt worden.

Die wichtigste Erkenntnis ist, dass Waffen in der Hand der Falschen sehr gefährlich sind und enormen Schaden anrichten können – egal, ob sie legal oder illegal erworben, besessen oder eingesetzt werden. Daher ist es richtig, mit der Verschärfung des Waffenrechts gemäß der EU-Waffenrichtlinie die Verbreitung und Nutzung tödlicher Waffen zu reduzieren und zu kontrollieren.

Dabei wissen wir, dass die große Mehrzahl von Jägern, Sammlern und Sportschützen einwandfrei, verantwortungsvoll und sorgsam mit ihren Waffen umgeht. Dies soll auch zukünftig ermöglicht sein.

(Beifall von Josef Hovenjürgen [CDU])

Wir werden die Auswirkungen der Waffenrechtsnovelle analysieren und bewerten. Für politische Instrumentalisierung taugt das Thema jedenfalls nicht. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der CDU)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Golland. – Als nächster Redner hat für die Fraktion der SPD Herr Kollege Ganzke das Wort. Bitte sehr, Herr Abgeordneter.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bei der Vorbereitung auf Reden, in denen es um Große Anfragen geht, frage ich mich immer, was mir diese Große Anfrage an Mehrwert gibt.

Ich würde sagen, der erste Mehrwert bzw. die erste Information war hier: In Nordrhein-Westfalen gab es im Jahr 2019 941.256 Waffen – unter anderem fünf Zündnadel-Flinten, eine Stein-/Radschloss-Doppelbüchse und neunzehn sogenannte Schrotdrillinge. Das ist der erste Aspekt.

Das Zweite gibt mir, so muss ich sagen, möglicherweise einen Ansatzpunkt für die Diskussion im Innenausschuss: Im Jahr 2019 gab es in NordrheinWestfalen 6.424 sichergestellte illegale Waffen. – Das sind rechnerisch ungefähr 17 bis 18 Waffen, die jeden Tag sichergestellt werden.

Nun gehe ich davon aus, dass bei diesen Zahlen wahrscheinlich auch die Flinte von Oma oder Opa auf dem Speicher dabei war, weiß aber eben auch, dass das ein Aspekt ist, der möglicherweise eines Berichts oder einer Diskussion im Innenausschuss bedürfen könnte.

Obwohl ich nicht immer mit dem Bundesinnenminister einer Meinung bin, habe ich bei der Vorbereitung dieser Rede kurz einen Blick auf die Internetseite des Bundesministeriums des Innern geworfen. Dort steht – ich zitiere mit Erlaubnis der Frau Präsidentin –:

„Die Frage, wer Umgang mit Waffen oder Munition haben darf, ist für die öffentliche Sicherheit und Ordnung von zentraler Bedeutung. Deshalb gibt es in Deutschland ein komplexes Waffenrecht, das den privaten Erwerb und Besitz von Waffen reglementiert.“

Da muss ich Ihnen sagen: Das ist gut so.

Letzte Anmerkung: Ich hätte mir – vor dem Hintergrund, dass Waffen nicht in jedermanns Hände gehören – noch eine Antwort darauf gewünscht, ob möglicherweise alle bekennenden Reichsbürger, die die Existenz dieses Staates ablehnen, nicht mehr in Besitz einer Waffe sind und ob da Waffenbesitzkarten

widerrufen worden sind. – Danach wurde bei dieser Großen Anfrage aber leider nicht gefragt. Das wäre eine spannende weitergehende Information gewesen, die ich gerne gelesen hätte.

Vor diesem Hintergrund nehmen wir diese beantwortete Große Anfrage zur Kenntnis. – Ich bedanke mich bei Ihnen für die Aufmerksamkeit. Vielen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Ganzke. – Als nächster Redner hat für die Fraktion der FDP Herr Abgeordneter Lürbke das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Schaut man sich die Antwort auf die Große Anfrage – viele Zahlen, über 1.000 Seiten – an: was ein Konvolut an Daten! Deswegen vorweg der Dank an das Innenministerium und vor allem die Beamtinnen und Beamten in den datenerhebenden Behörden – das zusammenzustellen ist wirklich eine wahre Leistung. Also: vielen Dank dafür.

Ganz grundsätzlich zu dem Thema: Ich mache keinen Hehl daraus, dass ich nicht hundertprozentig damit zufrieden bin, wie durch das Dritte Waffenrechtsänderungsgesetz der Bundesregierung die 2017 geänderte EU-Feuerwaffenrichtlinie in nationales Recht umgesetzt wurde. Ich glaube, statt einer moderaten Ausgestaltung im Sinne der EU-Richtlinie – das kann man festhalten – ist das deutsche Waffenrecht jetzt so streng wie in keinem anderen Mitgliedsstaat. Ob das mit diesen Maßnahmen wirklich so einen Mehrwert hat, wage ich ein Stück weit zu bezweifeln.

Ich bitte darum, das nicht falsch zu verstehen. Ich bin immer sehr dabei, im Einklang mit Freiheit und Sicherheit konsequent und vor allem zielgerichtet Maßnahmen zur Steigerung der inneren Sicherheit herbeizuführen. Absolut d’accord. Aber mit dieser Änderung auf Bundesebene hat das in meinen Augen nicht geklappt. Denn die dortigen Änderungen haben im Kampf gegen Extremismus und schwere Kriminalität, glaube ich, keinen echten Mehrwert.

Im Grunde treffen die Änderungen die Falschen: Jäger, Sportschützen. Wie auch der vorliegenden Antwort der Landesregierung zu entnehmen ist, machen ja alleine diese beiden Gruppen knapp 70 % der erteilten Erlaubnisse aus.