Protokoll der Sitzung vom 27.08.2020

Im Grunde treffen die Änderungen die Falschen: Jäger, Sportschützen. Wie auch der vorliegenden Antwort der Landesregierung zu entnehmen ist, machen ja alleine diese beiden Gruppen knapp 70 % der erteilten Erlaubnisse aus.

Ich will es deutlich sagen: Dabei handelt es sich um Bürgerinnen und Bürger, die in der überwältigenden Mehrheit mit großer Verantwortung ihre Sportarten betreiben oder nach Bestehen des Jagdscheines, des sogenannten grünen Abiturs, Säule für die nachhaltige Kontrolle des Wildbestandes sind. Jäger leisten in Deutschland einen besonderen Beitrag zum Artenschutz. Sportschützen leben die Traditionen,

die gerade bei uns in Nordrhein-Westfalen und auch in meiner Heimat OWL und Paderborn von herausragender Bedeutung sind.

Kurzum: Das sind keine schießwütigen Irren. Das sind keine schießwütigen Verrückten. Das sind verantwortungsvolle Mitglieder unserer Gesellschaft.

(Beifall von Josef Hovenjürgen [CDU])

Dennoch werden die durch das Änderungsgesetz ein Stück weit benachteiligt. Ich halte das für falsch. Denn durch ein modernes Waffengesetz muss ja die Entwaffnung von Extremisten möglich sein. Wenn man ehrlich ist: Das war es auch vor der Novelle schon. Aber gleichsam darf auch kein legaler Waffenbesitzer unter Generalverdacht gestellt werden. Wie gesagt, den Mehrwert sehe ich nicht.

Aus der Antwort geht hervor: Allein im Jahr 2019 lagen insgesamt 507.415 waffenrechtliche Erlaubnisse vor. Mit 259 von diesen Waffen wurden Straftaten begangen. Das sind – das ist keine Frage – 259 zu viel. Darunter sind auch dramatische Fälle. Aber wenn wir das rational beurteilen: Das ist ein Prozentanteil von 0,001 %.

Ich meine, wir sollten das nicht als Schwerpunkt bei unseren Diskussionen im Schaufenster stehen haben, sondern wir müssen über wirklich wirksame Möglichkeiten diskutieren, wie wir gerade illegalen Waffen in diesem Land begegnen. Wir müssen darüber reden, warum sich viele Bürger überhaupt weiter bewaffnen wollen. In der Antwort auf die Anfrage ist ja auch zu sehen, wie sich die Zahl der Kleinen Waffenscheine weiterentwickelt hat. Darüber müssen wir reden. Wir müssen die Scheinwerfer auf die richten, die eben keine behördliche Waffenerlaubnis haben und trotz Waffenbesitzes gar nicht haben wollen oder auch niemals bekommen sollten, also Extremisten, Terroristen, Kriminelle.

Hartmut Ganzke hat völlig recht: Die Frage nach den Reichsbürgern habe ich auch jedes Mal gestellt, wenn wir uns in den letzten Jahren damit beschäftigt haben. Da müssen wir ran. Ein weiteres Thema sind die sichergestellten illegalen Waffen. Wie gehen wir mit Waffen aus dem 3D-Drucker um? Das sind Punkte, die wir nach meiner Auffassung ganz besonders diskutieren müssen, ebenso Waffen auf dem Schwarzmarkt.

Es gibt viele Themen bei der Waffenrechtsdebatte, über die wir reden müssen, aber wir sollten unsere Jäger und Sportschützen dabei nicht unter Generalverdacht stellen. – Ganz herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Lürbke. – Als nächste Rednerin hat für

die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Frau Abgeordnete Schäffer das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich schließe mich einem meiner Vorredner an, der darauf hingewiesen hat, dass diese Große Anfrage eine Zumutung ist. Ich halte es auch für eine Zumutung, in welcher unsäglichen Weise dieses Thema „Waffenbesitz“ mit der Zuwanderungsdebatte vermengt wird. Das ist meines Erachtens auch eine Zumutung, weil die Polizei hier aus meiner Sicht von ihrer wichtigen Arbeit abgehalten wird, und das ohne nennenswerten Erkenntnisgewinn, den ich aus dieser Großen Anfrage ziehen könnte.

Mir erschließt sich nicht, inwiefern solche Informationen, dass das Polizeipräsidium Aachen im Jahr 2016 eine Pistole der Marke Firebird mit einem Kaliber 9 mm sichergestellt hat oder wie viele Zündnadelrevolver bei der Kreispolizeibehörde Gütersloh registriert sind, uns in der Debatte über die Verschärfung des Waffenrechts irgendwie weiterbringen können. Vielleicht erschließt es sich auch nur denjenigen, die – wie in rechten Kreisen üblich; das muss man hier, glaube ich, schon auch einmal sagen – auch eine besondere Affinität zu Waffen haben.

Die AfD hat ja offenbar versucht, hier Zuwanderer als Personen darzustellen, die besonders viele Straftaten mit Waffen begehen. Das trifft nach diesen Zahlen aber nicht zu. Das ist schon eine wichtige Erkenntnis aus dieser Großen Anfrage. 80 % der Straftaten im Sinne des Waffengesetzes wurden von Deutschen begangen. Bei den Nichtdeutschen kommt die Mehrheit aus dem EU-Ausland. Der Anteil von Geflüchteten ist dabei verschwindend gering. Das ist jetzt hier in der Debatte noch nicht genannt worden. Dass die AfD es nicht aufgegriffen hat, wundert vielleicht nicht, weil es nämlich nicht zu ihrem Weltbild passt.

(Beifall von den GRÜNEN)

Ich will noch eines deutlich sagen, weil hier gerade schon das Thema „legaler Waffenbesitz“ andiskutiert wurde und die Frage, welche Waffen erlaubt sind und für welche Zwecke: Natürlich muss man sagen, dass immer noch unter Verwendung von illegalen Waffen mehr Straftaten begangen werden als mit legalen Waffen. Gleichwohl – das finde ich für die Debatte auch wichtig – hat sich die Zahl der Straftaten mit legalen Waffen immerhin verdoppelt, von 130 Straftaten im Jahr 2018 auf 259 in 2019. Deshalb, finde ich, kann man nicht einfach so wegwischen, dass auch eine Gefahr von legalen Waffen ausgeht.

Ja, es gibt bestimmt verantwortungsvolle Menschen, die einen Waffenschein haben, die Waffen besitzen. Aber ich meine wirklich, man darf die Gefahr von legalen Waffen nicht verharmlosen.

Ich mache das gerne an zwei Beispielen deutlich. Wir waren vor einem Jahr alle entsetzt über den Mord an Walter Lübcke in Kassel, der von jemandem ermordet worden ist, der ganz legal Waffen besessen hat. Genauso wurde das Attentat in Hanau mit legalen Waffen verübt. Das muss man in so einer Debatte mit betrachten.

Wenn die Bundesregierung derzeit davon ausgeht, dass in der Bundesrepublik, also bundesweit, über 900 Rechtsextreme über eine waffenrechtliche Erlaubnis verfügen und dementsprechend sehr wahrscheinlich auch legal Waffen besitzen, dann muss man das zumindest mit in die Betrachtung hineinnehmen. Dann darf man den Besitz von legalen Waffen nicht verharmlosen.

Ganz im Gegenteil: Meines Erachtens gibt es vor diesem Hintergrund gute Gründe für eine strenge Handhabung, was das Thema „Waffen“ angeht.

Wenn ich mir ansehe, wie viele Vor-Ort-Kontrollen tatsächlich stattfinden – das ist natürlich eine personelle Frage; völlig klar –, sind mir das eigentlich zu wenige. Umso wichtiger ist es, dass wir die Debatte hier führen.

Gerade wurde die letzte Waffenrechtsverschärfung angesprochen. Diesbezüglich hatten wir Grüne durchaus noch weiter gehende Vorstellungen, auch in Bezug auf halbautomatische Waffen. Aus unserer Sicht hätte man da auf Bundesebene weiter gehen müssen. Dabei handelt es sich aber um ein Bundesthema, über das wir auf Landesebene gar nicht zu beschließen haben.

Ich will hier aber vor allen Dingen noch einmal sagen – ich denke, das ist auch rübergekommen –: Weder bei illegalen Waffen noch bei legalen Waffen kann und darf man bestreiten, dass von ihnen eine große Gefahr ausgeht. Wir müssen deshalb bei diesem Thema sehr sensibel sein. – Vielen Dank.

(Beifall von der FDP)

Vielen Dank, Frau Kollegin Schäffer. – Als nächster Redner hat für die Landesregierung Herr Minister Reul das Wort.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir haben als Landesregierung natürlich die Aufgabe erfüllt, die Große Anfrage zu beantworten, ohne jedoch bewerten zu können, wie es sich im Einzelnen verhält. Zunächst haben wir all die statistischen Daten vorgelegt, die im Nationalen Waffenregister enthalten sind. Darüber hinaus wurde nach weiteren Daten gefragt, zu denen keine Statistik geführt wird.

Mein Ministerium – das will ich hier schon vortragen – musste erhebliche und außerordentlich qualifizierte Personalressourcen aufwenden, um

die vielen detaillierten Fragen zu beantworten. Diese Beantwortung hat erhebliche Zeit in Anspruch genommen und zahlreiche Kräfte des gehobenen und höheren Dienstes im Ministerium und in den nachgeordneten Behörden wie dem LZPD, dem LKA und den Waffenbehörden über längere Zeit gebunden.

An einigen wenigen Stellen liegt auch kein verwertbares oder zu beschaffendes Datenmaterial vor. In der Antwort der Landesregierung auf die Große Anfrage wird das detailliert beschrieben und erläutert. Ich lade Sie alle ein, sie ganz eingehend zu lesen; denn bei diesem Aufwand wäre es sehr gut, wenn sie ausführlich studiert würde.

Ich möchte an dieser Stelle auch anmerken, dass für die Fragen, die nicht beantwortet werden konnten, zwei Beschäftigte pro Kreispolizeibehörde 48,96 Monate zur Datenerhebung eingesetzt werden müssten. Diese 94 Beschäftigten würden dann gut vier Jahre nichts anderes mehr machen und damit auch keine Straftaten im Bereich des Waffenrechts verhindern können. Das will ich einfach nur als Anregung für künftige Große Anfragen vortragen.

Etwas anderes als diese ganzen Zahlen, der Aufwand und die Frage, welchen Ertrag das bringt, ist dann die Gelegenheit, bei einem solchen Tagesordnungspunkt einige politische Aussagen machen zu können.

Die große Anzahl, die Mehrzahl der letzten schrecklichen Anschläge wurde mit legalen und nicht mit illegalen Schusswaffen verübt. Ich darf daran erinnern: Hanau 11 Tote; Rot am See, 24. Januar 2020, 6 Tote. Ich darf auch an den Anschlag auf den Kasseler Regierungspräsidenten erinnern.

In Deutschland sprechen wir über derzeit 5,4 Millionen Waffen bzw. Waffenteile, die sich im Privatbesitz befinden. In Nordrhein-Westfalen sind es 900.000.

Aus der Sicht unseres Hauses und aus der Sicht des Innenministers, der für die Bevölkerung und für das staatliche Gewaltmonopol verantwortlich ist, muss man auf einige Grundsätze hinweisen.

Waffen gehören nicht in die Hände von Menschen, die damit nicht sorgfältig umgehen; dabei ist es egal, ob das Verbrecher oder andere Menschen sind. Der Kreis der Berechtigten muss darum möglichst klein gehalten werden, und es muss klare Vorschriften zum Umgang mit Schusswaffen geben, deren Einhaltung auch kontrolliert werden muss. Das bedeutet nicht, dass Jäger oder Sportschützen damit unter Generalverdacht geraten.

Mich stört bei dieser Debatte massiv, dass wir uns das nicht differenziert ansehen können. Das Problem ist, dass Waffen, egal, in welchen Händen sie sich befinden, immer zu sportlichen Zwecken benutzt werden können. Sie können aber auch genutzt

werden, um Menschen zu töten. Das findet leider viel zu oft statt.

Die Gründe liegen nicht darin, ob sie illegal oder legal sind. Leider ist das komplizierter. Deswegen müssen wir uns darauf einstellen. Daher hat die Landesregierung auch der Verschärfung des Waffengesetzes zugestimmt.

Mir wird es weiterhin ein großes Anliegen sein, dass wir sehr sorgfältig mit der Waffenrechtsgesetzgebung und der damit zusammenhängenden Kontrolle umgehen. Das gilt, um ein Beispiel zu nennen, für die soeben neu geregelte Einschaltung des Verfassungsschutzes bei den Zuverlässigkeitsprüfungen.

Zum Ersten weisen wir also auf den Aufwand und den Ertrag bei solchen Großen Anfragen hin.

Zum Zweiten empfehle ich uns, die politische Debatte zum Thema „Waffenrecht“ möglichst differenziert zu führen. Waffen sind saugefährlich. Sie sind irre gefährlich. Deswegen muss man aber nicht alle in Misskredit bringen, die mit Waffen umgehen. Diese Unterscheidung muss erfolgen. Diesen Unterschied muss man sich genau ansehen.

(Beifall von der CDU, der FDP und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Minister Reul. – Weitere Wortmeldungen haben wir nicht. Damit schließe ich die Aussprache und stelle fest, dass die Beratung der Großen Anfrage 18 der Fraktion der AfD abgeschlossen ist.

Wir kommen zu:

10 Anforderungen an den Landeshaushalt 2021 –

Ein Haushalt für die Vielen: solidarisch, zukunftsorientiert und gerecht

Antrag der Fraktion der SPD Drucksache 17/10639

Diesen Antrag begründet jetzt für die SPD-Fraktion Herr Kollege Zimkeit.

Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Das ging jetzt etwas schnell. Ich war gerade dabei, mir die wichtigsten kommenden Termine einzutragen, nämlich die Bundesligaspiele von Borussia Mönchengladbach. Ich hoffe aber, dass ich den Übergang jetzt hinbekomme.