Protokoll der Sitzung vom 11.05.2000

schauliches Beispiel. ln ldar-Oberstein gab es 1996 zwei Beratungseinrichtungen, Diakonisches Werk und Caritas als Träger. Die Caritas hatte im Jahr 1996 51 Beratungen. Im Juni 1997 gründete sich eine "Pro-Familia"-Beratungsstelle. Der Anteil der Beratungen sank bei der Caritas noch im gleichen Jahr auf 37 Beratungen, im Jahr darauf auf 16. "Pro Familia" dagegen verzeichnet im ersten halben Jahr 30 Beratungen, im darauf folgenden Jahr 111. Solche Zahlen lassen überhaupt keinen Zweifel zu, wohin sich die Trägerlandschaft entwickeln muss.

Deshalb ist es für uns GRÜNE überhaupt nicht_einsichtig, warum die Landesregierung für die Region Speyer, in der die ka

tholische Kirche bereits aus der Schwangerenberatung auf gesetzlicher Grundlage ausgestiegen ist, den Anforderungen von "Pro Familia" so wenig Rechnung trägt. "Pro Familia"

hat nämlich ein Angebot unterbreitet, mit zwei Personalstellen eine Beratungsstelle in Pirmasens zu eröffnen. Zwei Bera

tungsstellen sind Ihnen schon zu viel.

Für potenzielle katholische Laienorganisationen allerdings halten Sie drei Stellen vor, obwohl deren Eigenmittelaufkommen unklar ist. Das geht mir überhaupt nicht in den Kopf. Mich interessiert einmal, wie dies inzwischen aussieht.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dies ist meine Information zumindest vor zwei Wochen gewesen. Vielleicht hat sich diesbezüglich in der Zwischenzeit etwas getan.

Ich möchte noch einmal -auf die Eigenmittel zurückkommen. Der trotz großem Wehklagen immer noch relativ stabile finanzielle Hintergrund vor allem der katholischen Kirche ist natürlich ein Grund fürdie außergewöhnlichen Bemühungen der Landesregierung zur Erhaltung des katholischen Beratungswesens. Es warfürdas Land eben billig.

Herr Beck, Sie vergeben aber mit dem starren Blick auf die Finanzen jegliche Steuerungsmöglichkeit.

(Ministerpräsident Beck: Sie irren, was die Motive angeht, wie so häufig!)

So trägt das Land 35 % und die Kreise 25 % bis 35%. Den erheblichen Rest, also bis zu 30 %, müssen die Träger aus Eigenmitteln aufbringen.

Ich nenne das Beispiel Hachenburg. Dort möchte "Pro Familia" seit langem eine Beratungsstelle eröffnen, die nach Ge

setz auch notwendig wäre. Aber der CDU-Landrat will keine nicht konfessionelle Einrichtung.

(Schweitzer, SPD: Es gibt überhaupt keinen Antrag!)

Da er mit zahlt, kann er auch nacti der jetzigen Lage mit ent

scheiden. Also wird es im Westerwald auch weiterhin keine nicht konfessionelle Beratungsstelle geben, ungeachtet des

sen, was die Frauen wollen.

(Schweitzer, SPD: Es liegt gar kein Antrag vor!)

Genauso sieht es in der Region Eifel aus. Das Land müsste sich durchringen- das ist unser Anliegen-, endlich eine neue ge

setzliche Grundlage für die Beratung zu schaffen, wobei das.Land die Finanzierung der Beratungsstellen zu 90 % über

nimmt. Dann kann sie noch über Zuschüsse verhandeln. Nur so kann das Land aus unserer Sicht dem Pluralitätsange bot, wie es das Gesetz vorschreibt, de facto nachkommen.

Herr Beck, das käme, wohl gemerkt, allen, dem weltanschaulich Unabhängigen, der längst nicht so finanzstarken evangelischen Kirche und sogar den potenziellen katholischen Laienorganisationen zugute und würde das Land sicherlich nicht in den finanziellen Ruin treiben.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN- Ministerpräsident Beck: Nennen Sie doch einmal die Größenordnungen!)

-Das kann nicht zu viel dafür sein, dass Sie sich an Recht und Gesetz halten. (Ministerpräsident Beck: Wieviel ist es denn?)

-Es gibt ein Bundesgesetz, an das Sie sich zu halten haben. Ich

muss Ihnen nicht die Zahlen nennen. Sie können doch nicht von Finanzen abhängig machen, ob Sie sich an die Gesetze

halten. (Ministerpräsident Beck: Unglaublich!)

Ansonsten werden die Landräte weiterhin bestimmen, was unter Pluralität zu verstehen ist. Das kann wohl nicht Ihr Ansinnen sein.

(Ministerpräsident Beck: Wir haben es doch!)

Das ist ein Vorschlag.zur Güte, Herr Beck. Ich-denke, es kann nicht angehen, dass Sie sich nur an den Bedürfnissen der katholischen Klientel ausrichten. Das geht einfach nicht. Dieser Vorschlag jedoch gibt allen die Möglichkeit, sich Z\J finanzieren und auch die nötigen Eigenmittel d~for zu haben.

Meine Damen und Herren von SPD und F.D.P., Sie haben jetzt die Chance, die Schieflage in der Beratungslandschaft, das Ergebnis von 40 Jahren CDU-Regierungshandeln, zu korrigieren. Sie haben sich von den Bischöfen in Rheinland-Pfalzsehr lange hinhalten lassen. Nun beginnt die Wahlkampfzeit, und da wollen Sie die katholische Kirche natürlich niaht verprel

len.

Untersch~tzen Sie aber nicht, Wie viele Frauen und wie viele aufgeklärte Männer Sie auf der anderen Seite mit einer solchen Politik verprellen. Sie- wollen nämlich endlich das geschlechterdemokratische Element in der Beratungslandschaft gefördert sehen und nicht das patriarchalische katholische Element, das uns der Papst und die Bischöfe in der Scheindebatte einmal wieder i_n seiner ganzen Unerbittlichkeit vorgeführt haben.

Meine Damen und Herren von SPD und F.D.P., setzen Sie die Linie fort, die Sie 1991 nach dem Regierungswechsel begon~ nen haben, und lassen Sie sich nicht von der katholischen Kirche vom rechten Weg abbringen.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich erteile der Abgeord~eten Frau Ejsner das Wort.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Fraktionen der SPD und F.D.P. haben im Januar 1998, als erste

Signale aus Rom kamen und deutlich machten, dass die katholische Schwangerenkonfliktberatungsstellen keine Beratungsscheine mehr ausstellen· dürfen, mit einem Entschließungsantrag hervorgehoben, dass wir uns für die Sicherung der wohnortnahen Beratungsstellen im pluralen System mit allem Nachdruck einsetzen werden. Allerdings wurde auch ganz deutlich gesagt, dass die Beratung den bundesgesetzliehen Vorgaben entsprechen muss. Das bedeutet, dass neben einer umfassenden Konfliktberatung auch die Ausstellung eines Beratungsscheins gewährleistet ist.

Unser heutiger Antrag macht ebenfalls deutlich, dass wir es - für wichtig halten, das plurale System zu erhalten. Die Anträge der CDU unterscheiden sich inhaltlich nicht wesentlich von den Anträgen der Fraktionen der SPD und der F.D.P., die in den vergang~nen zwei Jahren gestellt wurden.

Die Landesregierung hat seit Januar 1998 mehrfach die Beratungslandschaft in Rheinland-Pfalz aufgrundvon Kleinen Anfragen vonseitender CDU und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und einer Großen Anfrage der CDU ausführiich dargestellt. Das kann jeder nachlesen.

Festzuhalten ist in diesem Zusammenhang; dass die Ausgaben für die Schwangeren- und die Schwangerenkonfliktbera-tung kontinuierlich gestiegen sind. Während 1990 bei der damaligen Landesregierung die Ausgaben noch bei 1 ;25 Millionen DM lagen, sind sie mittlerweile auf 4,2 Millionen DM ge

stiegen, und im Jahr 2001 wird mit 5 Millionen DM gerechnet.

Ich will damit deutlich machen, wie nachdrücklich die Landesregierung und insbesondere auch Ministerin Dr. Rose Götte

hinter der bundesgesetzliehen Regelung stehen und die Sor

gemund Nöte der Frauen in Konfliktsituationen aufgreifen.

(Beifall der SPD und der F.D.P.)

Meine Damen und Herren, es geht hierbei nicht allein um die Schwangerenkonfliktberatung und den Erwerb des Beratungsscheins. So einfach ist doch die Sache nicht. Es muss ein ganzes Spektrum an menschlicher Fürsorge abgedeckt werden. Hierzu gehört unter anderem die Stärkung der Frau gegenüber Dritten, wenn beispielsweise sie das Kind will undder Partner nicht, das Aufzeigen der rechtlichen Möglichkeiten, beispielsweise auch im Arbeitsleben, wenn das Kind erwünscht ist, Aufklärung darüber, welche staatlichen Zuschüsse möglich sind, Nachsorge bei Frauen, die die Abtreibung

nicht verkraften und Hilfe beim Gang z.u den Ämtern. Es gibt noch viele weitere Dinge.