Protokoll der Sitzung vom 17.08.2000

Darangibt es ein kleines Trittbrett. Das ist nämlich die Absenkung von 43 % auf 42 %. Darauf steht Herr Bauckhage. Schauen wir einmal, wo der Motor ist und wer auf dem Trittbrett steht.

(Zuruf des Abg. Creutzmann, F.D.P.)

-So ist das, Herr Creutzmann. Das hört man nicht gern, wenn man draußen steht.

Herr Böhr, ich komme zu Ihren Prophezeiungen. Sie tun so, als sei der gesamte Mittelstand durch diese Steuerreform be

nachteiligt. Das ist· nicht so. Sie haben es schon bei der letzten Aktuellen Stunde nicht verstanden, dass es um einen Prozentsatz ging. Es waren 5 %.

Herr Dr. Gölter, Sie sagen zu Recht, dass es sich um Unternehmen handelt, die eine gewisse Größe haben. Dafür gab es einmal den Vorschlag des Optionsmodells.

(Zuruf des Abg. ltzek, SPD)

Der ist dann auch zerrissen worden. Jetzt gibt es eine weitere Absenkung im Tarifverlauf. Aber der Mittelstand wird im Wesentlichen davon profitieren, dass der Tarifverlauf durch die Absenkung der Eingangssteuersätze wesentlich verändert wurde. Insofern stimmt diese Prognose nicht.

Herr Böhr, wenn Sie von der kalten.Progression reden und dann schwarze Bilder an die Wand malen, dann bekomme ich die kalte Wut. Dann müssen Sie doch einmal sagen: Was kommt denn als Alternative? Kalte Progression? Wollen Sie

·das Einfrieren aller Gehälter?- Das wäre quasi das Einfrieren des Einkommens, und dann gäbe es keine kalte Progression. Ansonsten ist das eine normale Entwicklung im Laufe der Jahre, wenn es eine Einkommenssteigerung gibt, dass sie na

türlieh auch in der Progression ein Stück hochlaufen. Wenn Sie das nicht wollen, und Sie wollen zum Beispiel keine Progression, dann sollten Sie aber auch deutlich machen, wie Sie es dann schaffen wollen, einen permanenten Aufgaben- und Ausgabenabbau des Staates zu bewerkstelligen, um die ge

ringeren Einnahmen zu kompensieren. Dazu habe ich von Ihnen noch keinen Vorschlag gehört.

Ich finde, wenn man sich als Oppositionsführer oder als Frak

tionsvorsitzender einer großen Oppositionsfraktion hierhin stellt; dann kann man nicht nur unken und Kassandrarufe in den Wald-hineinrufen, sondern dann muss man mit konkreten Vorschlägen kommen. Damit waren Sie heute außerordentlich sparsam.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN- Vereinzelt Beifall bei der SPD)

Für die F.D.P.-Fraktion erteile ich Herrn Abgeordneten Kuhn das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Böhr hat hier verkündet, diese Steuerreform hätte den Namen.,Reform" nicht verdient. Dann muss ich sagen, dann habe ich die Reaktion der Öffentlichl

reform völlig falsch eingeschätzt. Ich nehme an, dass Sie das alles verfolgt haben. Die Medien haben übefeinstimmend die Steuerreform, wie sie endgültig mit den Modifikationen verabschiedet wurden, begrüßt. Die Experten waren überwiegend derselben Auffassung: Diese Steuerreform musste jetzt kommen.

Ich bin ganz sicher, dass Ihre Äußerung, die Landesregierung und die sie tragenden Parteien hätten nur aus taktischen Ge

sichtspunkten diese Steuerreform mit auf den Weg gebracht, zurückzuweisen ist..Jch sehe das anders. Wir haben alle genau verfolgt, mit welcher Einstellung, mit welcher Haltung Sie vor der Verabschiedung der Steuerreform in den Verhandlungen agiert haben. Es istjedem aufgefallen, dass Sie die Diskussion gescheut haben, dass Sie bewusst blockiert haben und dass Sie letztendlich daraufgesetzt haben, mögliche1weise in letzter Stunde das zu erreichen, was durch die Koalition in Mainz aufden Weg gebracht wurde.

Dann gibt es eine ganze Reihe Äußerungen von prominenten CDU-Politikern. Es wurde bereits schon von meinen KoJiegen ein Beispiel genannt: Auch Frau Merke I hat mehrfach gesagt: Das hätten wir auch hinbekommen, das war auch unser Ziel.Es ist völlig falsch, zu behaupten, diese Steuerreform würde von der CDU als eine solch miserable Lösung dargestellt. Wenn Sie das hier tun, dann stehen Sir= auch im Widerspruch

zu vielen prominenten Politikern der CDU.

Dann regt mich noch eines auf. Wenn jetzt ohne Erläuterung behauptet wurde, große Kapitalgesellschaften würden von der von den Sozialdemokraten getragenen Bundesregierung einfach so entlastet, dass sei so furchtbar unsozial, dann kam

- men mir die Tränen. Ich muss dann einmal die Freunde von der Sozialdemokratie in Schutz nehmen. Es glaubt doch niemand, dass die Sozialdemokraten aus der Motivation heraus große Kapitalgesellschaften schützen und ihnen Geschenke machen.

(Zurufe von der CDU)

Sie geben sich hier pseudosozial und wissen es besser. Sie

kennen genau die Gründe, nur, Sie sagen sie nicht. Sie kennen genau die Gründe, warum es zu diesen Entlastungen kommt. Es geht um internationalen Wettbewerb, damit auch um Arbeitsplätze und um Konkurrenzfähigkeit. Es geht um den Wirtschaftsstandort in Deutschland. Es ist also völlig falsch, zu behaupten, dass sei eine neokapitalistische An-. wandlung der Sozialdemokraten, dies zu tun. Sie spielen sich als pseudosozialpolitische Retter auf und produzieren eine Situation, die es so nicht gibt. Der IY!ittelstand wird in der Tat entscheidend und erkennbar entlastet. Das ist in Ordnung.

Es ist auch kein Verfall der politischen Kultur, zu der wir nur im Geringsten beigetragen hätten. Zunächst einmal gibt es immer zwei. Greifen Sie sich selbst einmal an die Nase und reden mit. Ihren Parteifreunden. Wir haben in Rheinland-Pfalz ganz bewusstauf jede Kompensation verzichtet. Herr Minister Bauckhage hat es-richtig formuliert. Darauf sind wir auch stolz. Das hat unseren Einfluss so groß gemacht, weil wir nicht wie die Teppichhändler gehandelt haben. Unser Ziel war es, die Steuerreform entscheidend zu verbessern. Sonst

hatten wir kein Ziel. Das hat auch unser politisches Gewicht gestärkt. Dafür bin ich sehr dankbar.

(Vereinzelt Beifall bei F.D.P. und SPD)

Das zum Thema.. Verfall der politischen Kultur".

J:)ie Steuerreform ist nach unserer Einschätzung eine wichtige Etappe vom Volumen her, auch von der Struktur her. Sie hat

· mit Sicherheit Schwächen. Das wird von niemandem bestrit

ten. Ein solches System auf den Weg zu bringen, ohne dass

man auch systematische Mängel erkennen könnte, ist in der Tat äußerst schwierig und fast unmöglich. Es ist aber eine wichtige Etappe, das heißt, wir brauchen neue Ansätze am Tag nach der Steuerreform für weitere Entlastungen, die Sie

kennen. Unsere Vorstellung ist klar. Unser Endziel ist: 15 o/o, 25 % und 35 o/o; dann ist Schluss, so wie Herr Struck das einmal zu Recht gesagt hat. Das ist unser Ziel.

H~rr Kollege Mertes hat mit seiner Beurteilung der Kompen

sation Recht, weil er exakt formuliert hat. Er hat zu Recht gesagt: Diese Ausfälle sind nicht zur gleichen Zeit durch Einnah

men zu kompensieren. Da hat er Recht. Ich weise darauf hin,

dass nach unserer Einschätzung- das ist schon sehr oft gesagt

worden - in der Zukunft die Kompensation einen höheren Stellenwert hat, als die Steuersenkung an sich im Augenblick verursacht.

Im Endeffekt wird die wirtschafliehe Ent\lvicklung dazu führen, dass wir von der absoluten Steuermenge her wesentlich mehr Einnahmen haben werden und damit auch unseren Staathandlungsfähig machen werden. Das ist im-plantiert in unser Ziel, einen weiteren Schritt bis hin zu einer genannten dreigegliederten Steuerreform, die noch einfacber wird, zu vollziehen. Das muss unser Ziel sein. Die nächste Steuerreform muss eine radikale Vereinfachung bringen. Das ist nicht gelungen. Das wird auch zugegeben. Man kann nicht alles auf einm_al machen. Das muss aber das nächste Ziel sein, radikale Vereinfachung, einfache, niedrige Steuersätze, und dann haben wir das Ziel erreicht, um den Wirtschaftsstandort Deutschland wiederfit zu machen.

Die Kompensationen, die in Rheinland-Pfalz aufgebracht werden müssen, sind bekannt. Sie sind mehrfach erläutert worden, auch die Systematik, wie hier kompensiert wird. Wir stellen fest, an der Schätzung brauchen wir nichts zu revidie

ren. Die Schätzung hat Bestand. Das zeigt auch, dass wir eine. solide Finanzpolitik in Rheinland-Pfalz verfolgen. Dazu werden wir morgen noch etwas sagen. -Diese Schätzung hat Bestand.

Die Kompensation wird seriös gewährleistet, und damit sind wir in Rheinland-Pfalz im Gegensatz zu anderen Bundesländern einen Schritt weiter, da wir keinen Nachtragshaushalt brauchen. Dies zeigt, wir haben seriös finanziert. Wir haben die Dimension der Steueraus~älle richtig eingeschätzt. Der Finanzminister hat dies glücklicherweise schon itor sehr langer Zeit deutlich gemacht. Rheinland-Pfalz ist also auf doppelt gutem Weg.

Wir haben diese Steuerreform um eine Mittelstandskomponente ergänzt und haben im Land letztendlich auch eine soli

de Steuerund Finanzpolitik betrieben. Insofern kann -Rheinland-Pfalz mit diesem Ergebnissehr zufrieden sein.

(Beifall der F.D.P. und der SPD)

Ich erteile Herrn Ministerpräsidenten Beck das Wort.

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