Protokoll der Sitzung vom 17.08.2000

Ich frage die Landesregierung:

1. Warum wurde das die Rechtsaufsicht über die Kassenärztliche Vereinigung Rheinhessen führende Ministerium für Arbeit, Soziales und Gesundheit bezüglich des Verdachts

des Honorarbetrugs eines Vorstandsmitglieds erst am 1. August 2000- nach öffentlicher Berichterstattung - mit der Aufforderung tätig, der Beschuldigte möge seine Aufgaben als Vorstandsmitglied für die Kontrolle der Hono

rarabrechnungen ruhen lassen, obwohl die Tatsache der Anklageerhebung durch die Staatsanwaltschaft und de

ren Gründe dem Ministerium bereits seit langem bekannt waren?

2. Wie beurteilt die Rechtsaufsicht führende Behörde die Tatsache, dass der Vorsitzende des Laborausschusses der. Kassenärztlichen Vereinigung Rheinhessen bereits rechtskräftig wegen Abrechnungsbetrugs im Laborbereich verurteilt wurde?

3. Wie bewertet. die Landesregierung die erklärte Absicht von Vorstandsmitgliedern der Kassenärztlichen Vereinigung, offensichtliche Betrugsfälle lediglich intern zu lösen, statt diese den Justizbehörden zu übergeben?

4. Sieht sich die Landesregierung durch den vorliegenden Fall in ihrer Auffassung bestärkt, dass die Strukturder Kas

senärztlichen Vereinigungen dringend einer Reform hin zur professionellen Geschäftsführung bedarf, wie dies im vergangeneh Jahr von der Bundesgesundheitsministerin vorgeschlagen wurde,·und ggf., was wird die Landesregierung dazu unternehmen?

Nun trägt Herr Abgeordneter Klaus Hammer seine Mündliche Anfrage vor:

Ich frage die Landesregierung:

1. Was hat sie im Rahmen ihrer Rechtsaufsicht unternom

men, als sie die Hintergründe der durch die Staatsanwaltschaft veranlassten Hausdurchsuchung erfahren hat?

2. Wie beurteilt sie den derzeitigen Stand der Angelegen

3. Wie bewertet sie das Instrument der Rechtsaufsicht über die Kassenärztlichen_Vereinigungen?

4. Hält sie aus rechtlicher Sicht eine Begleitung der staatsan

waltschaftliehen Ermittlungen durch rechtsaufsichtliche Aktivitäten für notwendig?

Für die Landesregierung ant\1vortet Staatsminister Gerster.

Herr Präsident, meine Damen und Herren!· Ich beantworte - die Fragen der Abgeordneten Frau Bill wie folgt:

Zu Frage 1: Nach den Vorschriften des SGB V führt-das Ministerium für Arbeit, Soziales und Gesundheit die Aufsicht über die Kassenärztlichen Vereinigungen. Diese Aufsichterstreckt sich auf die Beachtung von Gesetz und sonstigem Recht. Zum sonstigen Recht gehört auch die Satzung d_er Kassenärztli

cben Vereinigungen. Diese Satzung der Kassenärztlichen Vereinigung Rheinhessen -enthält folgende Bestimmung: -,,Das Amt eines Mitgliedes eines Organs endet-_durch Tod, durch Niederlegung des Amtes, durch. Verlust oder Wechsel der or

dentlichen oder außerordentlichen Mitgliedschaft, durch Verlust oder Beschränkung der Geschäftsfähigkeit, mit der -rechtskräftigen Verurteilung wegen schwerer strafrechtlicher

- oder sittlicher Verfehlungen."

ln dem von Ihnen zitierten Fall geht es um den Verdacht des Abrechnungsbetrugs eines Vorstandsmitglieds der Kassenärztlichen Vereinigung Rheinhessen. Für diesen Fall sieht die Satzung keinen Amtsverlust vor. Das Ministerium hatte also

·als Aufsichtsbehörde zunächst keine Veranlassung, gegen

über der Kassenärztlichen Vereinigung Rheinhessen tätig zu -werden, als diese zunächst_ an ihrem Vorstandsmitglied fest

hielt, zumal Ermittlungen oft jahrelang gehen unä auch im strafrechtlichen Sinne ergebnislos enden.

Gleichwohl war es geboten, vonseiten des Ministeriums zu der Angelegenheit Stellung zu nehmen, weil und als öffentlich der Eindruck entstanden war, die Kassenärztliche Vereini- gung Rheinhessen wolle sich vom Gesundheitsminister vor staatsanwaltschaftUchen Ermittlungen schützen lassen. Es gab da etwas missverständliche öffentliche Äußerungen und auch Briefe. Die Kassenärztliche Vereinigung wurde darauf hingewiesen, dass sie sich als Körperschaft des öffentlichen Rechts mit Selbstverwaltung nicbt im rechtsfreien Raum bewegt. Die Bedeutung der Unschuldsvermutung zugunsten

- des_ beschuldig!en Arztes wurde ausdrücklich anerkannt. Es

wur~e aber außerhalb der Rechtsaufsicht, und zwar.durch mich, der Rat erteilt, eine vorläufige Maßnahme zu erweifen und dem beschuldigten Vorstandsmitglied nahezulegen, auf seine Ämter zu verzichten bzw. ihn während der Ermittlungen von seinen Ämtern, vor allen Dingen der Vorstands- und Prüftätigkeit, zu entbinden.

Es sollte selbstverständlich sein, dass ein Arzt, der im Verdacht steht, sel_bst nicht ordnungsgemäß abgerechnet zu ha- _ ben, nicht fürdie Kontrolle der Abrechnungen anderer" Kas

senärzte eingesetzt wird. Dafür sollte eigentlich schon die in-_ terne Kultur· einer solchen öffentlich-re

zogen und seine Ämter zum RIJhen_gebracht.

Zu Frage 2: Diese Frage geht zunächst auch an die Rechtsauf~ sieht im formellen Sinn. Das ist das Ministerium und vor allen

Dingen seine entsprechende Abteilung 2 für Sozialversicherung. Selbstverwaltungsorgane der Kassenärztlichen Vereini

gung sind die Vertreterversammlung und der _Vorstand. Die beiden eben genannten Gremien haben Organcharakter. Neben den von den Kassenärztlichen Vereinigungen unabhängigen Ausschüssen der gemeinsamen Selbstverwaltung sind bei den Kassenärztlichen Vereinigungen weitere _F.achausschüsse eingerichtet. Hierzu gehört auch die Laborkommission. Diese Fachausschüsse haben gewissermaßen beratenden Charakter. Es handelt sich um ein Gremium von Sachver

ständigen, das die· Fachkunde von Laborärzten beurteilt, die höherwertige Laboruntersuchungen erbringen wollen. Diese Sachverständigentätigkeit ist im Zusammenhang mit dem Vorwurf des Abrechnungsbetrugs anders zu bewerten als der Vorsitz im Prüfungsausschuss. Mit anderen Worten, es gibt überhaupt keinen Zusammenhang mit Abrechnungsehrlichkeit- wie ich einmal umgangssprachlich sagen möchte-, son

dern es geht ausschließlich um die Bewertung der labortech

nischen Qualifikation von ärztlichen Antragstellern.

Zu Frage 3 - Wie bewertet die La-ndesregierung die erklärte Absicht von Vorso;andsmitgliedern der Kassenärztlichen Vereinigung, offensichtliche Betrugsfälle lediglich intern zu lösen, statt diese den Justizbehörden zu übergeben? -: Frau Abgeordnete- Bill, diese Frage bezieht sich offenbar auf ein Rundschreiben der KV Rheinhessen an ihre-Mitgliedervom April1994- also einige Jahre alt- im Zusammenhang mitdem Abschluss einer Vereinbarung über die Prüfung der Abrech

nung auf Rechtmäßigkeit durch Plausibilitätskontrollen.

ln diesem Rundschreiben ist wörtlich ausgeführt:.,Der Abschluss dieser Vereinbarungen ist nicht zuletzt a!s Sigr)al an Politik, Vertragspartner und Staatsanwaltschaft zu verstehen,

d_ass die Kassenärztliche Vereinigung Rheinhessen als Selbstverwaltungskörperschaft Zusammen mit den Vertragspartm!rn in der- Lage ist, Unstimmigkeiten bei ärztlichen Abrechnungen ohne Staatsanwaltschaft und Gerichte zu klären."

Die Vorschrift über Plausibilit3tskontrollen wurde mit dem Gesundheitsreformgesetz-von 1988 neu in das Kassenarztrecht eingefügt. Hier geht es, wie der Name schon sagt, um

die Prüfung der Plausibilität von Abrechnungen - also in ei

nem Vorstadium- vor mÖglichen- ich sage jetzt einmal- Verdachtsmomenten, dass eine Abrechnung rechtlich· fragwürdig ist. Im Vorstadium soll überprüft werden, ob das Bil

tersuchungen zunächst nicht angezeigt sind - Plausibilitäts

kontrolle.