Protokoll der Sitzung vom 15.09.2005

Damit lag der Anteil der Studierenden im Probestudium bei 0,35 %, eine Prozentzahl, die sich mit einem erleichterten Hochschulzugang steigern lässt, ohne dass es dabei zu Qulitätseinbußen käme.

Führt man sich jetzt vor Augen, dass viele, insbesondere technische Ausbildungsberufe, heute mehr denn je, fachspezifisches Wissen und den Umgang mit ihm beinhaltet, vor allem wenn diese Ausbildung bis zur Meisterprüfung durchlaufen wird, so erscheint es uns angebracht, dass der Hochschulzugang für besonders qualifizierte Berufstätige weiter geöffnet wird und hierbei dann insbesondere der fachbezogene Zugang von Meisterinnen und Meistern an Fachhochschulen von den derzeit bestehenden Voraussetzungen befreit wird.

Aber auch die Regelungen für den Zugang besonders Qualifizierter zu einem Universitätsstudium sollen unter Berücksichtigung der Unterschiedlichkeiten der Hochschularten angepasst werden.

(Beifall bei der SPD)

Damit kommen wir zu dem Alternativantrag der GRÜNEN, wobei ich eigentlich angenommen hätte, dass wir in der politischen Zielsetzung sehr großen Konsens haben, aber in der Art und Weise Ihres Antrags muss ich sagen, diesem Antrag werden wir nicht zustimmen können.

Sowohl Ihre Zielsetzung als auch Ihre Begründung ist meiner Ansicht nach nicht differenziert genug. Eine Gleichwertigkeit der Hochschulen ist nicht gleich die Gleichartigkeit der Hochschulen. Ihrer Forderung, dass es gleich mit einem Kamm geschoren wird, werden wir uns nicht anschließen können.

Ihr Begründungsanteil lässt vermuten, dass Sie sich nicht genau in Kenntnis gesetzt haben, wie die derzeitige Praxis gut funktioniert, dass wir derzeit schon jede

Menge Meisterinnen und Meister haben, die an die Hochschulen gehen.

(Vizepräsidentin Frau Grützmacher übernimmt den Vorsitz)

Das ist eine erfolgreiche Zahl. Ich habe es vorhin vorgetragen.

Ich möchte nun aus Ihrem Antrag zitieren: „Während jedem Abiturienten bzw. jeder Abiturientin prinzipiell jeder Studiengang offen steht, traut die Landesregierung in Rheinland-Pfalz hoch qualifizierten Berufstätigen oder Meisterinnen und Meistern bislang nicht zu, eine eigenverantwortliche Entscheidung für ein mehrjähriges, selbst finanziertes Studium treffen zu können.“

(Schweitzer, SPD: Das ist Quatsch!)

Das verstehe ich wirklich nicht. Wir haben vorhin die Zahl von 328 Leuten vom Wintersemester 2004/2005 genannt. Ich denke, für diesen Antrag fehlt einfach die Basis. (Beifall der SPD und der FDP)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, mit dieser Öffnung entsprechen wir auch einem großen Anliegen der Handwerkskammern,

(Glocke der Präsidentin)

die in Gesprächen der vergangenen Monate um einen erleichterten Hochschulzugang für beruflich Qualifizierte gebeten haben. Ich begrüße es außerordentlich, dass auch an dieser Stelle die gute Zusammenarbeit von Handwerk und Politik in Rheinland-Pfalz deutlich wird.

(Beifall der SPD und der FDP)

Es liegt ein Alternativantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vor. Zur Begründung hat Frau Ise Thomas von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN das Wort.

Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen aus den Regierungsfraktionen! Liebe Frau Schleicher-Rothmund, in der Zielsetzung sind wir gar nicht so weit auseinander. Wenn es um die Gleichwertigkeit von allgemeiner und beruflicher Bildung geht, und wenn es darum geht, in diesem Bereich weitere Schritte in Rheinland-Pfalz voranzugehen, sind wir durchaus auf einer Ziellinie.

Aber ich kann überhaupt nicht begreifen, weshalb ein Gesetzgeber, also wir als Parlament, nicht die Konsequenz zieht und in der Kompetenz des Landtags das Hochschulgesetz des Landes ändert, sondern stattdessen einen Antrag schreibt, in dem die Regierungskoalition die Landesregierung auffordert, die Voraussetzungen

dafür zu schaffen. Die Regelung, die wir vornehmen können, wenn wir eine Gleichwertigkeit von allgemeiner und beruflicher Bildung wollen und wenn dies auch in den Zugangsmöglichkeiten zu den rheinland-pfälzischen Hochschulen abgebildet werden soll, könnte ganz einfach getroffen werden. Andere Bundesländer haben es vorgemacht.

Bislang gilt in Rheinland-Pfalz, dass Meisterinnen und Meister, die ihren Abschluss nicht mit „gut“, also mit einer zwei, vorgelegt haben, eine spezielle zusätzliche Prüfung ablegen müssen und ein Probestudium machen können. Es gibt Bundesländer, die entsprechende Regelungen in ihren Hochschulgesetzen vorgenommen haben und die die Zugangsvoraussetzungen zur Hochschule dergestalt geändert haben – dies haben wir auch in unserem Antrag vorgeschlagen –, dass zu einem Studium an einer Hochschule auch berechtigt ist, wer eine Meisterprüfung abgelegt, einen Bildungsgang zur staatlich geprüften Technikerin und zum staatlich geprüften Techniker oder zur staatlich geprüften Betriebswirtin oder zum staatlich geprüften Betriebswirt abgeschlossen hat.

Das wäre eine ganz einfache Lösung. Sie von den Regierungsfraktionen hätten darauf zurückgreifen können, vorausgesetzt, dass Sie nicht darauf bestehen, dass in Anbetracht der Zunahme der Bachelor- und Masterstudiengänge auch an den Hochschulen in Rheinland-Pfalz für Meisterinnen und Meister oder für ähnlich Qualifizierte an allen Hochschulen des Landes kein Zugang zu einem Bachelor-Studium ermöglicht wird. Mir leuchtet wirklich nicht ein, weshalb Sie in Ihrem Antrag, den Sie formuliert haben, Unterscheidungen vornehmen wollen; denn wir sind der Überzeugung, dass diejenigen, die sich zu einem solchen Studium entscheiden, dann auch entscheiden können sollen, ob sie ein entsprechendes Studium an einer Fachhochschule oder an einer Universität absolvieren wollen.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich sehe, dass Ihr Antrag eher Fragen aufwirft. Das ist bei einem eigentlich sehr begrenzten Gegenstand, den Sie neu regeln wollen, schon ein wirkliches Kunststück.

Ich verstehe auch nicht, weshalb Sozialdemokraten solche Vorhaben in dieser Form angehen und nicht wirklich zupacken und die Hürden, die vorgesehen waren, nämlich das Probestudium oder die zusätzlich zu absolvierende Prüfung, reduzieren, bevor diese Menschen mit der beruflichen Bildung und dem entsprechenden Abschluss an die Hochschule kommen, weil es ganz aktuell auch Bestrebungen auf Bundesebene gibt, über verschiedene Modellvorhaben berufliche Kompetenz für das Hochschulstudium zu nutzen. Es gibt ganz aktuell eine Verlautbarung aus dem Bundesministerium für Bildung und Forschung, in der Frau Bulmahn darlegt, dass 5,3 Millionen Euro an europäischen Mitteln, aber auch an Bundesmitteln dafür verwendet werden sollen, dass Fähigkeiten aus der beruflichen Aus- und Weiterbildung und aus der Berufspraxis an den Hochschulen über ein europäisches Leistungspunktesystem umgerechnet werden können, damit diese Leistungen auch für das Absolvieren eines Studienganges anerkannt werden können.

Wenn von der Bundesebene einerseits diese Bemühungen bestehen – leider nicht an rheinland-pfälzischen Hochschulen, sondern an Hochschulen in anderen Bundesländern –, dann kann man in diesem Bundesland schon lange so weit gehen, gleichzuziehen und für besonders qualifizierte Berufstätige die Möglichkeit zu eröffnen, einen Studiengang zu ergreifen. Es muss auch nicht unbedingt ein Studiengang im gleichen Fach sein. Warum sollte jemand, der einen technisch orientierten Handwerksberuf erworben hat, den Meister erworben hat und entsprechende Berufspraxis hat, sich nicht dafür entscheiden, ein betriebswirtschaftliches Studium abzulegen, weil er dies in der Kombination gut für sein zukünftiges berufliches Engagement entwickeln kann?

(Glocke der Präsidentin)

Ich kann überhaupt nicht verstehen, warum Sie nach wie vor solche Begrenzungen vorsehen, es sei denn, es fehlt Ihnen der Mut, die Hochschulen tatsächlich auch für besonders beruflich Qualifizierte zu öffnen.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, ich möchte noch Gäste im rheinland-pfälzischen Landtag begrüßen, und zwar Rotarier aus dem Donnersbergkreis. Herzlich willkommen im rheinland-pfälzischen Landtag!

(Beifall im Hause)

Das Wort hat Herr Abgeordneter Kuhn.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich möchte zunächst ein Wort zum Verfahren sagen. Der in diesem Antrag geäußerte Wunsch oder die politische Forderung der beiden Regierungsfraktionen wird die entsprechenden Konsequenzen in der Exekutive haben. Es bedarf keines Gesetzgebungsverfahrens, sondern es ist untergesetzlich zu regeln. Insofern ist das Verfahren klar. So, wie ich Herrn Wissenschaftsminister Professor Dr. Zöllner kenne, wird es auch keinen Dissens in dieser Frage geben.

Meine Damen und Herren, die FDP-Fraktion unterstützt nachdrücklich und von ganzem Herzen die Gleichwertigkeit der allgemeinen und der beruflichen Bildung. Rheinland-Pfalz hat in den vergangenen Jahren bereits entsprechende Maßnahmen ergriffen, um die Gleichwertigkeit besonders zu befördern. Bereits seit dem Wintersemester 1996/1997 können qualifizierte Berufstätige ohne Abitur bzw. ohne Fachhochschulreife unter bestimmten Voraussetzungen an den Hochschulen des Landes studieren. Das ist inzwischen eine recht große Zahl. Wir reden nicht nur von ein paar Studierenden, sondern die Zahl wächst ständig. Insofern ist auch die Änderung, die wir vorschlagen, schon von politischer Bedeutung.

Mit der Einführung der Dualen Oberschule im Schuljahr 1996/1997 wurde ein gleichwertiger, berufsorientierter

und nach oben offener Bildungsgang als attraktive Alternative zum Gymnasium geschaffen. Durch die Novellierung des rheinland-pfälzischen Schulgesetzes im Jahr 2004 und die darin geregelte Reform der berufsbildenden Schulen, insbesondere durch die Einführung der zum allgemeinen Hochschulzugang führenden Berufsoberschule II, wurde die Gleichwertigkeit weiter vorangetrieben.

Meine Damen und Herren, der Ihnen vorliegende Antrag der Fraktionen von SPD und FDP, den Hochschulzugang für besonders qualifizierte Berufstätige weiter zu erleichtern, ist in der Tat ein wesentlicher Schritt. Dem Grundsatz der Gleichwertigkeit von beruflicher und allgemeiner Bildung muss auch im Hochschulzugangsrecht noch besser entsprochen werden.

Dafür spricht auch, dass viele, insbesondere technische Ausbildungsberufe, heute mehr denn je fachspezifisches wissenschaftliches Wissen und den Umgang mit ihm beinhalten, besonders, wenn sie bis zur Meisterprüfung durchlaufen werden.

Derzeit ist in Rheinland-Pfalz für eine fachbezogene Studienberechtigung an der Universität eine Hochschulzugangsprüfung abzulegen oder ein Probestudium mit umfassender vorausgehender Beratung zu absolvieren. Wer als qualifizierter Berufstätiger ohne Abitur ein Studium an einer Fachhochschule aufnehmen möchte, kann sich um Zulassung zu einem Hochschulstudium mit anschließender Eignungsfeststellung bewerben. Meistern und Personen mit vergleichbarem Abschluss, die diesen Abschluss mit mindestens gutem Ergebnis abgeschlossen haben, wird die fachbezogene Studienberechtigung bisher ohne Probestudium erteilt.

Meine Damen und Herren, diese Hürden, die wir bisher immer noch hatten, sind nach unserer gemeinsamen Auffassung nicht mehr notwendig.

(Vereinzelt Beifall bei der FDP)

Wir vertrauen auf die Entscheidungskraft derjenigen Menschen, die diesen beruflichen Werdegang hinter sich gebracht haben. Es sind hoch qualifizierte Menschen, die im Übrigen in vielen Dingen einem Abiturienten sogar überlegen sind. Dies bedeutet nicht unbedingt das fachliche Wissen in bestimmten allgemein bildenden Bereichen, was aber die Gesamtqualifikation anbelangt, muss man oft wirklich den Hut ziehen. Meine Damen und Herren, insofern ist es nach unserer Einschätzung nicht mehr notwendig, diese Hürden zu belassen. Es geht in der Tat auch um ein Stück Freiheit und Vertrauen in das Individuum, das in der Lage ist, seinen beruflichen Weg und seinen Bildungsweg selbst zu bestimmen.

(Beifall der Abg. Frau Morsblech, FDP)

Insofern sind wir im Übrigen auch sicher und haben nicht nur die gute Hoffnung, dass der Wissenschaftsminister dies auch so sieht. Frau Thomas, dann wird dies auch sehr schnell umgesetzt werden.

Ich bedanke mich.

(Beifall bei FDP und SPD)

Ich erteile Frau Abgeordneter Kohnle-Gros das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Zöllner hat mir eben zugerufen, ich hätte noch ein bisschen mehr Zeit zum Nachdenken gehabt. Vor allem schadet es nichts, wenn man zuhört, was die anderen sagen.

Vielleicht sollte ich, wie ich das öfter mache, die Gesamtbewertung aus unserer Fraktion zu dem Thema an den Anfang stellen. Sie werden nicht überrascht sein, zumindest diejenigen, die uns auf diesem Feld länger beobachten, dass wir gern bei der gesetzlichen Gestaltung dieser Regelung mitdiskutieren würden. Wir halten es vom Grundsatz her für richtig, was beantragt worden ist. Wir haben es selbst ein Stück weit zum Ausdruck gebracht. Frau Schleicher-Rothmund hat auch aus meiner Anfrage an die Landesregierung zitiert und gesagt, was ich auf die Fragen, die ich zu diesem Themenkomplex gestellt habe, als Antwort bekommen habe.