Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Letzte Woche hieß es, dass sich RWE überlegt, einen Antrag zu stellen, die Laufzeiten von Biblis A und Biblis B zu verlängern. Wir können uns natürlich in Rheinland-Pfalz fragen: Haben wir damit etwas zu tun, oder haben wir damit nichts zu tun?
Ich will von vornherein sagen, wir haben etwas damit zu tun, da Biblis A und Biblis B, die Atomreaktoren im hessischen Teil der Bundesrepublik Deutschland, natürlich näher an Rheinland-Pfalz stehen als an jedem anderen Bundesland. Natürlich ist Rheinland-Pfalz davon betroffen, wenn in Biblis etwas passieren würde. Das hoffen wir natürlich nicht, aber wenn etwas passieren würde, wäre Rheinland-Pfalz das am meisten betroffene Bundesland, meine Damen und Herren.
Deswegen ist es auch wichtig, dass wir im Landtag über diese Problematik diskutieren. Deshalb ist es auch wichtig, dass wir vom Landtag aus eine eindeutige Botschaft nach Hessen senden, dass wir nicht wollen, dass Biblis A und Biblis B in ihren Laufzeiten verlängert werden. Wir müssen nach Hessen die Botschaft senden, dass wir aus bestimmten Gründen nicht wollen, dass diese Atomkraftwerke länger laufen, weil es unsichere Atomkraftwerke sind.
Gerade Biblis A hat über 700 Störfälle hinter sich. Gerade Biblis A hat keine Notstandswarte. Das heißt, wenn dort etwas passiert, kann man den Reaktor nicht von außen herunterfahren. Man kann ihn nicht abschalten. Das heißt, Biblis A ist nicht nur einer der ältesten Reaktoren in der Bundesrepublik Deutschland, sondern auch einer der unsichersten.
Meine Damen und Herren, diesen Reaktor muss man so schnell wie möglich abschalten, deswegen auch in der vereinbarten Zeit des Atomkonsenses. Es war von vornherein klar, dass Biblis A nicht länger laufen soll, weil es so unsicher ist, und im Jahr 2007, jetzt aktuell im Jahr 2008, Biblis A allerspätestens abgeschaltet werden muss.
Meine Damen und Herren, ich kann nun auch sagen, wir sind in dieser Frage bestimmt nicht im Dissens mit der Umweltministerin von Rheinland-Pfalz, soweit ich das gelesen habe. Man kann sich dann fragen, warum wir das hier machen. Die Frage ist, wie die FDP und die CDU im Land Rheinland-Pfalz dazu stehen, dass wir, die atomkraftfrei sind und nur noch den Schrottreaktor Mülheim-Kärlich abreißen müssen, uns auch für die Abschaltung des Reaktors Biblis A einmischen müssen.
In Hessen beispielsweise sagt die FDP ganz klar, der Reaktor soll länger laufen. Koch sagt sogar in Hessen, man soll neue Atomkraftwerke bauen. Er sagt natürlich nicht wo. Er ist klug genug, dies in der kommunalen Wahlkampfzeit nicht zu sagen. Aber die FDP hat explizit RWE aufgefordert, die Verlängerung zu beantragen. Ich halte eine solche Aufforderung und dieses Verhalten für völlig unverantwortlich. Das muss von diesem Landtag auch so gesagt werden.
Leider ist Rheinland-Pfalz nicht ganz unschuldig daran, dass Biblis B wahrscheinlich viel länger laufen kann als ursprünglich vorgesehen. Restlaufzeiten von MülheimKärlich, gegen die wir immer waren, denn MülheimKärlich ist nach der Auffassung der Grünen ein Schwarzbau und hätte deswegen gar nicht in die Atomverhandlungen mit hineinkommen dürfen, werden nun auf Biblis B angerechnet werden können. Das war auch mit Ihr „Verdienst“, Herr Ministerpräsident. Das heißt, Biblis B kann einige Jahre länger laufen, weil wir in Rheinland-Pfalz den Reaktor dann in die Verhandlungen eingebracht haben. Ich halte auch das nicht für richtig. Wir haben das damals immer wieder gesagt. Deswegen muss die Landesregierung darauf drängen, dass auch diese Restlaufzeiten von Mülheim-Kärlich nicht in Biblis B verrechnet werden, sondern dass möglichst bald beide Reaktoren, die in Biblis B stehen, die nicht sichere Reaktoren sind, abgeschaltet werden können.
Zu der Problematik und zu der akuten Gefahr kommt natürlich dazu, dass keiner weiß, wohin der Atommüll überhaupt verbracht werden kann und soll. Es wäre deswegen garantiert nicht sinnvoll, Atomkraftwerke länger laufen zu lassen, weil dann noch mehr Atommüll entsteht, der momentan überhaupt keinen Entsorgungsweg hat. Atommüll wird über Jahrtausende hinweg strahlen und gefährlich sein.
Solange es keine Lösung für die Entsorgung gibt, ist eine verlängerte Laufzeit von Atomkraftwerken absolut unverantwortlich.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Braun, es war natürlich schon klar, warum Sie diese Aktuelle Stunde mit diesem Thema beantragt haben. Sie meinen, Sie könnten den Versuch unternehmen, einen Dissens zwischen den Koalitionsparteien herstellen.
Nehmen Sie doch einfach einmal zur Kenntnis, wir sind zwei eigenständige Parteien und zwei eigenständige Fraktionen, die eine Koalition vereinbart haben, die gut läuft. Sonst bräuchten Sie das Theater gar nicht zu machen. Wir erlauben uns auch, in Einzelfragen unterschiedlicher Auffassung zu sein, was ich in der Demokratie ganz wichtig finde. Das muss eine Demokratie aushalten, davon lebt auch eine Demokratie.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, nur gut einen Monat nach Abschluss einer mehrmonatigen Generalüberholung häufen sich im südhessischen Atomkraftwerk Biblis B bereits wieder die Defekte. Am Mittwoch letzter Woche meldet das hessische Umweltministerium die Funktionsstörung einer Pumpe. Das für das Not- und Nachtkühlsystem zuständige Aggregat sei aber nach dem Austausch einer Elektronikkarte wieder verfügbar gewesen.
Die defekte Pumpe bedeut bereits die dritte Störung innerhalb der vergangen drei Wochen. Anfang Februar waren eine Funktionsstörung an einem Ventil und ein Rohrleitungsleck aufgetreten.
Der zuständige hessische Umweltminister hat kürzlich erklärt, ein Mehr an Laufzeit gebe es nur dann, wenn zusätzliche Investitionen die Sicherheit gewährleisten würden. Wir alle wissen, dass Milliardenbeträge erforderlich sind, um auf- oder nachzurüsten. Das ist in einer überschaubaren Zeit überhaupt nicht leistbar.
Herr Kollege Braun hat eben auch schon darauf hingewiesen, Biblis A und B haben keine von außen zu steuernde Notstandswarte. Wenn wirklich etwas passieren würde, könnte man überhaupt keine Einwirkungen vornehmen.
Wichtig ist mir auch, noch einmal darauf hinzuweisen, das jetzt eingebaute Sicherheitssystem wurde nur unter der Bedingung akzeptiert, dass Biblis A spätestens 2008 vom Netz geht, Biblis B dann ein Jahr später. Wir wussten also damals schon beim Atomkonsens, dass es Probleme gibt. Das System wurde nur deshalb akzeptiert, weil die Zusage gegeben wurde, dass dieses Werk dann vom Netz genommen wird.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, die SPDLandtagsfraktion steht zum Atomskonsens und sieht keinerlei Veranlassung, diesen aufzuweichen oder sogar zu verlassen.
Mit Genehmigung der Frau Präsidentin möchte ich gern aus einem Kommentar aus der „Frankfurter Rundschau“ vom 13. Februar 2006 zitieren. Dort heißt es: „Hätten die alten Römer die Atomkraft beherrscht, dann müssten wir uns heute noch mit ihren gefährlich strahlenden Hinterlassenschaften herumplagen. Die Römer hätten sie nämlich nach dem Standard ihrer Zeit verbuddelt, vermutlich am Rand ihres Reiches irgendwo am Limes. Das Gedankenspiel zeigt, die Atomkraft birgt unabsehbare Gefahren noch Generationen später. Es wäre unverantwortlich, unseren Nachfahren diese Zeitbombe zu hinterlassen“.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, deshalb muss dieser Pannenreaktor Biblis endlich abgeschaltet werden.
Wir in Rheinland-Pfalz haben eine Antwort auf die Fragen im Energiebereich. Unsere Antwort lautet: Wir setzen auf Energieeinsparung. Wir setzen auf effiziente Technologien, und wir setzen auf heimische und erneuerbare Ressourcen. Dies führt zu mehr Unabhängigkeit von den Weltmärkten. Es verbindet Klimaschutz mit Energiesicherheit unter Schaffung von Arbeitsplätzen.
Zum Abschluss möchte ich sagen, wenn Herr Kollege Koch in Hessen den Bau neuer Atomkraftwerke fordert, dann soll er aber auch wirklich sehr zeitnah erklären, wo das bei ihm sein soll.
Wir Sozialdemokraten sind auf jeden Fall über den Atomkonsens und über den Ausstieg froh und wollen, dass Biblis endlich vom Netz geht.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich möchte zu Beginn zwei Feststellungen treffen: Die Sicherheit eines Wirtschaftsstandorts Deutschland hängt auch von einer langfristig gesicherten Energieversorgung ab.
Meine Damen und Herren, wenn ich das weiß und mir bekannt ist, dass wir mit Sicherheit dann in dem Zusammenhang über Atomenergie diskutieren müssen, dann gilt auch eine zweite Feststellung.
Dieser Sicherheit steht voran, sie mit einer verantwortbaren Sicherung des Wirtschaftsstandorts und einer verantwortbaren bestmöglichen Sicherheit an Leib und Leben zu gewährleisten. Meine Damen und Herren, ich unterstelle dies einmal jedem, zumindest hier im Saal.
Wenn von der Sicherung der Energieversorgung gesprochen wird und dies durch den Bezug von Energie aus anderen Ländern, anderen Systemen und anderen Anforderungen an Sicherheit zu decken ist, dann ist es nur logisch, wenn über den Bezug aus deutschen Kernkraftwerken heute, morgen und übermorgen immer wieder eine Diskussion entbrennt. Das wird uns noch lange begleiten.
Wir haben nämlich – auch das ist festzustellen – immer in der Betrachtung dessen, was weltweit auf diesem Markt geschieht, die sichersten Kraftwerke der Welt und werden, sollte sich vertraglich nichts ändern, ohne Not Kraftwerke abschalten und bei offenem Markt billigen Atomstrom aus dem Ausland beziehen. Auch das ist nun einmal einfach Fakt.
Meine Damen und Herren, mit mehr Sicherheit für die Bevölkerung hat das auch nichts zu tun. Rotgrün hat – auch das gilt es in dieser Debatte nüchtern festzustellen – mit Kraftwerksbetreibern einen Kraftwerklaufzeitvertrag abgeschlossen. Das wurde eben schon angesprochen. Mit diesem Vertrag können zu produzierende Strommengen von einer Anlage auf andere Anlagen übertragen werden. Das ist einfach einmal faktisch so hinzunehmen. Die theoretisch zu produzierende Strommenge – auch das ist eben schon gesagt worden – von Mülheim-Kärlich wurde unter anderem so zu einer Verlängerung anderer Anlagen genutzt. Das ist verrechnet worden. Herr Kollege Dr. Braun hat darauf hingewiesen. Andere Anlagen laufen also wegen der Stilllegung in diesem Land länger. So viel auch zu der Doppelmoral, wenn man über Sicherheitsaspekte insgesamt debattiert und diskutiert, meine Damen und Herren.
Das ist auch eine Doppelmoral. Diese Doppelmoral trägt auch die Unterschrift der GRÜNEN im Bund. Das ist ohne Frage so.