Protokoll der Sitzung vom 13.12.2001

Es fehlt auch eine notwendige Umorientierung in eine nachhaltige Wirtschaftspolitik. Ich erspare Ihnen jetzt viele Einzelzahlen. Zwei darf ich Ihnen aber sagen. Das Baseler Forschungsinstitut Prognos kam in einer Studie zu dem Schluss, dass eine Minderung der CO2Emissionen in Deutschland bis zum Jahr 2020 um 40 % nicht nur machbar ist, sondern dass damit auch 200.000 Arbeitsplätze geschaffen werden können. Die rotgrüne Bundesregierung hat mit ihrer eingeleiteten Energiewende im Bereich der erneuerbaren Energien bereits auch für 120.000 neue Arbeitsplätze in diesem Bereich gesorgt. Aber was bleibt davon in RheinlandPfalz? Zank und Streit über die Windenergie in der Koalition und natürlich auch mit der CDU, während andere Bundesländer ihren solaren Frühling feiern.

(Hartloff, SPD: Es ist noch ein bisschen kalt!)

Herr Bauckhage, das wäre ein echtes Betätigungsfeld und ein Erfolgsfeld für einen Minister, der Wirtschaftsund Energieminister ist.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie bleiben aber in diesem Feld auf den ausgetrampelten Pfaden von Herrn Brüderle stecken. Bei Ihnen ist überhaupt keine Bewegung zu erkennen.

Meine Damen und Herren, Haushalt ist nicht nur Zahlen, sondern Haushalt ist auch immer Prioritätensetzung in der Politik. Bereits bei der Regierungserklärung im Mai hatten wir scharf kritisiert, dass die konkreten Integrationsangebote und die konkrete Antidiskriminierungspolitik in diesem Land und unter dieser Regierung zu kurz kommen. Heute stelle ich fest, die Regierungserklärung war noch Lyrik zu dem, was im Haushaltsentwurf in diesem Bereich an Prosa geboten wird.

An diesem rechnerischen Zahlenwerk und der Art und Weise, wie Sie dort das Geld einsetzen, erkennt man doch, was von dieser Regierungslyrik noch stehen kann. Genau dort wird dann auch berechenbar, dass in dem gesamten Bereich Integrationsangebote und in der Diskriminierungspolitik riesige Defizite im Regierungshandeln bestehen. Das ist so, als ginge die aktuelle Diskussion um das Zuwanderungsgesetz an diesem Haushaltsentwurf gerade einmal vorbei. Es stehen zweimal 100-Euro-Beträge in diesem Haushaltsentwurf – mehr aber nicht. Ich weiß noch, dass in diesem Hause alle der Aussage im Süssmuth-Bericht zugestimmt haben, dass nämlich eine neue Integrationspolitik gestaltet werden muss, eingebettet in ein integrationspolitisches Gesam tkonzept, angelegt als Querschnittsaufgabe, die die Bedürfnisse der Aufnahmegesellschaft und der Zuwanderer gleichermaßen berücksichtigt.

Ich sage Ihnen: Zu dieser Politik gibt es gar keine Alternative. Ich erinnere Sie nur an das, was an Straßenschlachten und Unruhen in diesem Sommer in Nordengland stattfand. Das wäre eine Alternative, wenn man nicht diesen Weg geht. Deswegen ist es so wichtig, tatsächlich Integrationsbemühungen in diesem Land zu verstärken. Das, was Sie im Haushalt anbieten, ist kläglich. Sie wissen genau, dass Sie bis zum Juni 2003 die Antidiskriminierungsrichtlinie der EU umsetzen müssen. Wer soll das tun, steuern und koordinieren, wenn nicht die Ausländerbeauftragte? Aber die Ausländerbeauftragte verfügt seit dem Jahr 2000 über den gleichen Personalstand, über die gleiche Kompetenz und keine bessere Ausstattung, um genau diese riesige Leistung, die vor ihr liegt, die sie anpacken muss, bewältigen zu können.

Wir drängen genau deshalb auf ein politisches Signal, Herr Beck. Wir wollen, dass die Antidiskriminierungsrichtlinie der EU hier umgesetzt wird. Wir wollen, dass dieses Land sich auf diese Umsetzung konzeptionell und personell vorbereitet.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Deswegen wird das ein Teil und ein Schwerpunkt uns erer Haushaltsänderung und unserer Vorschläge werden. Wir müssen Vorbereitungen treffen, um eine solche Arbeit in Rheinland-Pfalz zu machen. Ohne diese Perspektive bleibt Ihr Haushalt für 8 % bis 10 % der Menschen, nämlich die, die nicht Deutsche sind – da haben wir eine steigende Tendenz – ein Zahlenwerk; für diese Menschen bleibt dieser Haushalt uninteressant.

Ich will ein weiteres Thema nur kurz berühren. Wir werden es an anderer Stelle diskutieren müssen. Das Thema, das vor einem Jahr die meisten beschäftigt hat, wurde vom Finanzminister gestern mit keinem Wort

erwähnt. Ich denke an den Verbraucherschutz. Da kommen Sie nicht überein. Da zerreiben Sie sich zwischen den unterschiedlichen Zuständigkeiten, nicht nur in den Ressorts, sondern auch in dem Landesunters uchungsamt. Das soll die Verbraucherschutzbehörde dieses Landes sein. Auch da darf Frau Conrad, auch da dürfen Herr Gerster und Herr Bauckhage hineinregieren und sich einm ischen.

Es gibt gerade im Lebensmittelbereich, in dem es auf den Verbraucherschutz gerade nach der BSEDiskussion, die noch nicht vorbei ist, ankommt, riesige Defizite. Es gibt zu wenig Planstellen für Lebensmittelkontrolleure. Es gibt kein Qualitätsmanagement in diesem Bereich. Es gibt eine schlechte Ausstattung der Lebensmittelkontrolle, die weder modern noch ausreichend ist. Es gibt keine landeseinheitliche EDV, und so weiter und so fort.

Frau Conrad, in den ersten hundert Tagen wollten wir Sie in Ruhe lassen, und das haben wir auch getan. Aber jetzt müssen Sie in diesem Bereich wirklich loslegen. Sie müssen Boden gewinnen zum Nutzen der Verbraucherinnen und Verbraucher, und da denke ich weit über den Bereich der Lebensmittel und des Ernährungsbereichs hinaus. (Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wo bleibt die Initiative der Landesregierung zur Verbraucheraufklärung und zum Verbraucherschutz bei Mobilfunktelefonen? Wo bleibt die Verbraucheraufklärung bei der privaten Altersvorsorge? Wo bleibt Ihr Engagement? – Es ist nichts von Ihnen zu hören. Die Konkurrenz, die Sie sich gegenseitig liefern, wird Sie auch gegenseitig behindern.

Meine Damen und Herren, der Haushalt ist auch ein Zahlenwerk, und deshalb muss ich am Ende auch noch etwas zu den Zahlen sagen. Dieser Haushalt ist ein Haushalt ohne Nachhaltigkeit und ohne Generationenbilanz.

Ich kann Ihnen nur empfehlen, das Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundesministerium für Finanzen, das gerade Anfang Dezember erschienen ist und den Namen „Nachhaltigkeit in der Finanzpolitik – Konzepte für eine langfristige Orientierung öffentlicher Haushalte“ trägt, zu lesen. Herr Kuhn, ich glaube, wenn Sie sich dieses Gutachten einmal zu Gemüte führen würden, dann würde Ihnen manches aus Ihrem Haushalt um die Ohren fliegen.

Ich habe mich bei der Lektüre Ihres Haushaltsentwurfs gefragt, was haben eigentlich die Landesregierung und Harald Juhnke gemeinsam? Meine Damen und Herren, ich sage es Ihnen: Trotz immer wiederholter öffentlicher Abstinenzversprechen nimmt diese Landesregierung wieder einen Schluck aus der verlockenden Pulle, nämlich aus der Schuldenpulle.

Es folgt, was folgen muss:

(Hartloff, SPD: Ein exzellenter Auftritt!)

Euphorie, ein unsicherer Gang, der Kater und schließlich der Absturz.

Herr Kuhn, in der Politik heißt das, öffentlich zur Schau getragene Personalquerelen, Demütigungen und vielleicht bei einem Martini die Flucht von der Bühne. Ich will das Bild gar nicht weiter ausweiten, nicht um leere Flaschen und nicht um leere Versprechungen.

Aber ich sage Ihnen, Ihr haushaltspolitisches Kartenhaus mit immer neuen Wahlversprechungen steht vor dem Einsturz. Tag für Tag versprechen Sie neue Straßen, jedes Jahr ein neues Flughafenkonzept, ein 50Millionen-Museum im Norden des Landes und Millionen für den Stararchitekten.

Steht ein Ballsportverein zu Saisonbeginn im oberen Tabellendrittel, dann gibt es gleich - wie soll es anders sein in diesem Land - Millionen für ein neues Fußballstadion oder für eine Basketballhalle. Stottert der Opelmotor einmal, dann gibt es wieder neue Millionensubventionen. Meine Damen und Herren, Herr Kuhn, da sich die Völlertruppe nicht qualifizieren muss, kommt sie vielleicht 2006 auch bis Kaiserslautern. Nur, ob Sie dann noch und ob Sie, Herr Beck, und ob Sie, Herr Bauckhage, dann noch auf der Tribüne sitzen, das wage ich zu bezweifeln.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Ministerpräsident Beck: Kann sein, dass ich vorher sterbe, ansonsten aber habe ich das Recht, dorthin zu gehen, in welcher Funktion auch immer! Das geht Sie nichts an! Jetzt reicht es wirklich!)

Meine Damen und Herren, der Haushalt und damit auch Ihre Wahlkampfschlager Ganztagsschule und Straßenbau stehen - da konnte sich Herr Mittler noch so anstrengen - auf tönernem Fundament.

Sicherheitshalber lassen Sie abschreiben. Die Schulden auf dem öffentlichen Bierdeckel gehen schon weit über das hinaus, was verfassungsrechtlich gedeckt ist. Herr Mittler, wer wie Sie die Verfassungsmäßigkeit des eigenen Haushalts so beschwört, wie Sie es gestern getan haben, dem muss schon ganz schön die Muffe gehen.

Sie betreiben doch eine Verlagerung der Schuldenaufnahme quasi von der öffentlichen Theke zurück hinter die private Wohnzimmergardine. Es wird kein Schleier gelüftet, so wie Sie es gestern gesagt haben, Herr Mittler. Im Gegenteil, Sie hängen dicke Stores auf. Kein Abgeordneter und kein Verwaltungsrat soll dahinter schauen können, wenn Herr Bauckhage oder Herr Eggers immer neue Magistralen teeren oder neue Flugplätze bauen.

(Creutzmann, FDP: Das ist doch wieder falsch, was Sie sagen! Das wissen Sie doch ganz genau, Frau Thomas, dass es die Unwahrheit ist!)

Kein Abgeordneter soll dahinter blicken, Herr Creutzmann. Sie wissen das, und Sie haben die Diskussionen erlebt.

Herr Mittler, ich bleibe dabei, dass Sie mit der Behauptung, Ihr Haushaltsentwurf sei verfassungsfest, das

Parlament und die Öffentlichkeit hinters Licht führen wollen; denn Sie rechnen in Ihrem Haushaltsentwurf die Einnahmen schön und die Ausgaben herunter.

Herr Mittler, darüber werden wir uns im Detail noch streiten, und deshalb gebe ich Ihnen nur einmal die Haushaltsrisiken im Schnelldurchgang an, da wir davon in großen Bereichen von Ihnen gestern kein Wort gehört haben.

Nach der Steuerschätzung im November für das Jahr 2002 waren Steuermindereinnahmen von 178 Millionen Euro angegeben. Von Ihnen wurden für das Jahr 2002 146 Millionen Euro veranschlagt. Ihr Puffer zu dem Verfassungsdeckel durch das Investitionsvolumen beträgt nach Ihren Angaben für den Haushalt 2002 gerade einmal 30 Millionen Euro. Schon allein die Differenz zwischen dem Ergebnis der Steuerschätzung und Ihrer eigenen Veranschlagung frisst diesen Puffer schon auf.

Sie haben es gestern selbst gesagt, Sie unterlegen Ihre Einnahmeschätzung noch mit einem prognostizierten Wirtschaftswachstum von 1,2 %. Das Sachverständigengutachten, auf das Sie sich gestern an anderer Stelle berufen haben, geht gerade einmal von 0,7 % aus.

(Kuhn, FDP: Das sind Prognosen! – Staatsminister Mittler: Darauf habe ich mich nicht berufen!)

Doch, Sie haben sich natürlich darauf berufen, als Sie über die automatischen Stabilisatoren gesprochen haben, Herr Mittler.

Aber wir können jetzt natürlich jeden Tag in einer anderen Zeitung, im „Handelsblatt“, in der „Financial Times“ und in welche wir sonst noch reinschauen können, neue Prognosen lesen. Nur, ich finde, Sie sollten sich einmal festlegen, worauf Sie sich berufen: auf die Steuerschätzung, auf das Sachverständigengutachten oder auf irgendetwas.

(Staatsminister Mittler: Habe ich doch gesagt!)

Aber Sie können sich nicht dauernd hin- und herbewegen.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dann gibt es auch jede Menge Haushaltsrisiken.

Was Sie nicht mit eingerechnet haben, worauf Sie aber gestern hingewiesen haben, ist, dass das Land Rheinland-Pfalz natürlich durch das Ergebnis aus dem Vermittlungsausschuss von vorgestern, also zu dem Unternehmensteuerfortentwicklungsgesetz, in dem steuerliche Entlastungen für die mittelständischen Unternehmen beschlossen wurden, Steuermindereinnahmen hat, die auch nicht in den Kleidern stecken bleiben. Diese Mindereinnahmen bedeuten nicht nur ein paar Groschen für das Land, sondern auch dort werden wir Ausfälle haben.

Das Risiko der Rückzahlung von den 2 Milliarden DM von Niedersachsen aus dem Länderfinanzausgleich haben Sie erwähnt, aber auch nicht veranschlagt.

Nach den Angaben Ihres Staatssekretärs steckt in der globalen Mehreinnahme auch bereits ein ordentlicher Batzen erwarteter Einnahmen aus den geplanten stillen Einlagen des Wohnungsbauvermögens des Landes. Ich weiß nicht, wie viel Sie veranschlagt haben, aber Sie haben zumindest gesagt, dass es mit enthalten sei. Aber es handelt sich hierbei um ein Geschäft, das noch gar nicht steht, das noch gar nicht in trockenen Tüchern ist und das noch mit vielen Fragen belastet ist.

(Hartloff, SPD: Das unterliegt doch verschiedenen Parametern!)

Herr Mittler, vielleicht können Sie, falls Sie sich heute noch einmal zu Wort melden, in diesem Zusammenhang auch erklären, warum im Haushaltsgesetz in diesem Zusammenhang 1,8 Milliarden Euro thematisiert sind. Bisher sind die Fraktionen, auch nach Informationen im Haushaltsausschuss, davon ausgegangen, dass es sich um 1,8 Milliarden DM handelt. Diesbezüglich bestehen also noch Unsicherheiten und Unklarheiten, die doch etwas mehr Worte bedürfen, als Sie gestern darauf verloren haben. Sie haben nämlich nichts dazu gesagt.

Ich bezweifle auch, dass die Veranschlagung der globalen Personalmehrausgaben für Lohn- und Gehaltsabschlüsse angemessen ist. Als Sie gestern dargestellt haben, dass das, was über den neuen VBL-Beschluss, also die zusätzliche Übernahme von Kosten durch die Länder, auch von Rheinland-Pfalz, schon in diesem Topf enthalten ist, habe ich mir die Mühe gemacht nachzuprüfen, ob Sie Ihren Ansatz erhöht haben. Aber er steht noch auf der Position, auf der er stand, als Sie am 30. Oktober den Haushalt der Öffentlichkeit vorgestellt haben.

Herr Mittler, insofern haben Sie in diesem Punkt gestern den Mund nicht nur sehr voll genommen, sondern Sie haben dem Parlament auch nicht die Wahrheit gesagt.

(Zuruf von der SPD: Gut, dass Sie so bescheiden sind!)