Protokoll der Sitzung vom 24.01.2002

Die größte Problematik zeigte sich bei der Anzahl der Überschreitungen der maximal zulässigen Arbeitszeit von täglich zehn Stunden. In 31 von 45 Kliniken wurde die maximal zulässige Arbeitszeit überschritten.

(Dr. Altherr, CDU: Herr Dr. Schmitz, hören Sie gut zu!)

Auch die tarifvertraglichen Regelungen, die die Zulässigkeit einer Beschäftigung im Anschluss an den Bereitschaftsdienst beinhalten, wurden in 8 Fällen nicht beachtet. Um das sehr deutlich zu sagen, das ist nicht hinzunehmen. Das macht auch klar, dass die Klagen ihre Berechtigung haben, auch wenn die Dimension der Klagen unter Umständen nicht immer mit objektiven Entwicklungen verbunden ist.

Wir haben die Gewerbeaufsicht deswegen gebeten, Beratungsgespräche zu führen. Darüber hinaus gibt es eine Arbeitsgruppe „Arbeitszeit in Krankenhäusern“ im Ministerium mit allen Beteiligten, die die Konsequenzen aus diesen Untersuchungen ziehen soll. Wir werden Ihnen in wenigen Monaten den Schlussbericht dieser Untersuchung vorlegen. Zum 1. Juli 2002 ist dieser Bericht zugesagt. Sie bekommen dann den Bericht über die Einhaltung des Arbeitszeitgesetzes in den Krankenhäusern.

Ohne jeden Zweifel gibt es Probleme, aber wir müssen damit so umgehen, dass wir die Probleme lösen und nicht durch ein Überziehen in der öffentlichen Darstellung Barrieren aufbauen, die dann nicht mehr zu überwinden sind.

Ich kann auch keinem angestellten Arzt im Land raten, sich dem vom Marburger Bund angedrohten Computerstreik anzuschließen. Das wäre eine Pflichtverletzung, die man nicht hinnehmen könnte. Ich würde kein Krankenhaus daran hindern, dies disziplinarisch und rechtlich in aller Konsequenz zu ahnden. Das geht nicht.

(Beifall bei SPD und FDP)

Der Marburger Bund sollte sich deshalb auf eine Linie besinnen, die ihn auch als Partner seriös und verhandlungsfähig erhält.

Meine Damen und Herren, diese Linie des Landes Rheinland-Pfalz ist von der Gesundheitsministerkonferenz im November des vergangenen Jahres einstimmig beschlossen worden. 16 Länder haben unserem Antrag, den wir eingebracht haben, zugestimmt. An dem Ergebnis 16 zu 0 sehen Sie, dass die Problemlage in allen Ländern ähnlich eingeschätzt wird. Ich beteilige mich durchaus auch an einer Kritik, dass sich der Bund mit der Überprüfung des europäischen Urteils zu viel Zeit

lässt. Ich bin mit Ihnen sofort dabei, wenn es darum geht, in einem Rahmen, den wir gemeinsam verantworten und gestalten können, das Problem zu lösen, aber nicht mit Maximalforderungen, die nicht einmal umgesetzt werden könnten, wenn wir das Geld, das wir dafür nicht zur Verfügung haben, bereitstellen könnten.

Vielen Dank. (Beifall bei SPD und FDP)

Auf der Zuschauertribüne begrüße ich als Gäste Sem inarteilnehmerinnen und Seminarteilnehmer aus dem Weiterbildungszentrum Ingelheim sowie Jugendliche aus Rheinhessen. Herzlich willkommen im Landtag!

(Beifall im Hause)

Zu einer Kurzintervention erteile ich Herrn Abgeordneten Dr. Rosenbauer das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Da ich eben keine Frage stellen durfte, muss ich nun eine Kurzintervention machen. Herr Minister Gerster, Sie haben eben ausgeführt, es gebe an den Krankenhäusern Zeiten mit Überbesetzungen, in denen die Ärzte eigentlich nicht vorgehalten werden müssten. Da frage ich mich, ob Sie wirklich die Situation gerade an mittleren und kleineren Krankenhäusern kennen.

Wissen Sie, dass nachts zum Beispiel in einem Haus mit einer chirurgischen und einer inneren Abteilung und mehreren Belegabteilungen ein Assistenzarzt in der Chirurgie und ein Assistenzarzt in der Inneren Abteilung anwesend ist? Einer von ihnen besetzt dann noch die Stelle des Notarztes, sodass im Haus nur noch ein Arzt für alle Abteilungen vorhanden ist, dies auch noch fachfremd. Wissen Sie eigentlich, wie viele Häuser mittlerweile mit abteilungsübergreifenden Nachtdiensten arbeiten, um das überhaupt bewältigen zu können? Diese Frage wollte ich Ihnen eben stellen, ich mache es nun über das Instrument der Kurzintervention.

Sie haben eben Zahlen genannt. Bei einem Rückgang muss man natürlich die Fallzahlen nennen. Vor allem ist dabei die Angabe wichtig, ob sich Ihre Zahl von 4,5 nur auf die Ärzteschaft oder mit auf das Pflegepersonal bezogen hat.

Eben wurde hier das Stichwort DRG genannt. Die Analyse ist völlig falsch. DRG wird mehr Problematik mit sich bringen, weil sich die ganze Sache mehr in die Funktionsräume verlagern wird und gerade diese personalintensiv sind. (Beifall bei der CDU)

Zu einer weiteren Kurzintervention erteile ich Herrn Abgeordneten Dr. Enders das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Minister Gerster, ich bin froh, dass Sie für das Thema sens ibel geworden sind. Es bedurfte einer ganzen Reihe von Kleinen Anfragen, die in der Diktion der Antworten noch anders waren. Das ist anders geworden und jetzt auch klar herausgekommen.

Ich muss aber betonen, was Herr Dr. Rosenbauer eben gesagt hat. Das Bild, das Sie von einer Klinikarzttätigkeit haben, stimmt nicht. Ich empfehle Ihnen dringend, einmal zu hospitieren. Ich meine dies nicht als Scherz. Sie werden ein Bild davon bekommen, das man in der Öffentlichkeit nicht erwartet. Dort werden zum Beispiel Arbeiten ausgeführt, die tagsüber liegen bleiben. Sie müssen im Bereitschaftsdienst gemacht werden. Sonst werden Arztbriefe erst nach drei bis vier Wochen geschrieben. Es sind kurzfristige Präsenzen erforderlich. Da muss man manchmal zwanzig Minuten arbeiten und nach einer Stunde wieder nach den Patienten schauen. Das sind alles Dinge, die man einmal erleben sollte.

Ich bin übrigens vor einigen Jahren aus dem Marburger Bund ausgetreten, weil ich mich von Ihrem Parteifreund Montgomery nie optimal vertreten fühlte.

(Staatsminister Gerster: Das kann ich verstehen!)

Zu einer Erwiderung erteile ich Herrn Staatsminister Gerster das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich betone noch einmal, dass wir jetzt nicht die unterschiedliche Situation an verschiedenen Häusern aufarbeiten können. Es gibt aber diese sehr unterschiedlichen Situationen. Es gibt Häuser, die gut organisiert sind. Vielleicht sollte man sich einmal die Mühe machen, genau zu schauen, warum es dort gut läuft.

Herr Kollege Dr. Rosenbauer, Sie haben gefragt, wie die Belastungszahlen zu interpretieren sind. Es sind die Belastungszahlen für das ärztliche Personal, die ich genannt habe, also eine Reduzierung bezogen auf die Pflegetage von Vollkräften zu Pflegetagen von 6,8 im Jahr 1991 auf 4,5 im Jahr 2000.

Ich möchte eine letzte Bemerkung anfügen. Wenn die Einführung des Fallpauschalensystems das Ergebnis haben wird, das es haben soll, dann werden wir im Krankenhaussektor Kapazitäten deutlich zurückschneiden. Bis zum Jahr 2007 werden die Fallpauschalen in allen Häusern ohne Einschränkungen – nur mit gewissen Zu- und Abschlägen – eingeführt sein. Alles, was wir gemeinsam auf mittlere Sicht anlegen, zum Beispiel auch die Gestaltung der Nachwuchsgewinnung, muss darauf gerichtet sein, diese künftigen Strukturen, die gegenüber heute deutlich reduziert sein werden und sein

müssen, zu berücksichtigen. Das, was wir machen, muss kurz- und mittelfristig mit der Entwicklung zusammenpassen, die die Politik für das stationäre Gesundheitswesen für notwendig hält. Das meine ich jetzt parteiübergreifend.

Für die weitere Debatte stehen den Fraktionen noch zusätzlich zwei Minuten Redezeit zur Verfügung, da Herr Gerster seine Redezeit um zwei Minuten überzogen hat.

Ich erteile nun Herrn Dr. Rosenbauer das Wort. – Sie haben noch sechs Minuten Redezeit zur Verfügung.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte noch einmal auf die Zahlen zurückkommen. Herr Gerster, Sie haben die Zahlen pro Pflegetag genannt. Das ist sehr nett. Wir haben innerhalb von zehn Jahren eine Verkürzung der Pflegetage von vier Tagen. Das muss man auf die Fälle beziehen. Von 1991 bis zum Jahr 2001 haben wir allein in Rheinland-Pfalz 100.000 Fälle mehr gehabt, die behandelt werden mussten. Man muss immer die Bezugsgröße nennen und fixieren.

Ich komme zurück zu den Arbeitszeiten. Es gibt kaum ein Thema, um das so viel herumgeredet wird, wie die Arbeitszeiten. Dabei ist die Situation vor Ort eindeutig und ziemlich klar. In vielerlei Orten wird permanent gegen die Arbeitszeitverordnung verstoßen, wie durch die Zahlen belegt wurde. Junge Assistenzärzte stehen erheblich unter Druck. Es besteht ein erhebliches Risiko für die Patienten. Herr Minister Gerster, Hauptproblem ist nicht eine gescheite Arbeitszeitorganisation. Hauptproblem ist die Finanzierung dieser Stellen. Hauptproblem ist das Budget der Häuser.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Herr Gerster, gerade bei diesen Problemen eiern Sie genauso herum wie alle anderen. Die Problematik ist klar. Die Lohnnebenkosten stehen auf dem Höchststand. Die Beitragssätze klettern und klettern auf einen Höchs tstand. Die Krankenhausbudgets sind ausgelutscht.

(Staatsminister Gerster: Was wollen Sie?)

Deshalb können keine Stellen geschaffen werden.

(Staatsminister Gerster: Was wollen Sie?)

Es ist wichtig zum Standpunkt zu kommen.

Heute liegen zwei Anträge vor. Wir wollen noch einmal auf die Anträge zurückkommen, die eigentlich Gegenstand der Diskussion sind. Für die CDU-Fraktion können wir sagen, wir stimmen dem Antrag des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zu, weil er die zurzeit möglichen und notwendigen Schritte zusammenfasst und klar wie

dergibt, wobei ich nicht näher auf die Begründung eingehen möchte, weil wir dort unterschiedliche Schwerpunkte legen.

Es gibt noch diesen tollen Antrag der SPD und FDP. Wie lautet immer die große Aufforderung an die Oppositionsparteien? Legen Sie Konzepte und Anträge vor. Jedes Mal dann, wenn genau dies geschieht, weichen Sie aus und machen manchmal den Parlamentarismus zur Farce. Alfred Herrhausen hat einmal gesagt: „Sagen, was man denkt und tun, was man sagt.“ Das trifft bei Ihnen wahrlich nicht zu.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Bei Ihnen ist es umgekehrt, Sie sagen, was Sie denken, und tun so, als hätten Sie ständig etwas Neues zu sagen, aber Sie bewegen nichts. Sie reden von Konsens, Mitsprache, Beteiligung, von Vorschlägen der Opposition. In dem Moment, in dem das alles von den Oppositionsparteien vorgetragen wird, wischen Sie die Anträge mit fadenscheinigen Gründen weg.

Ihnen ist nichts zu peinlich, um Anträge der Oppositionsparteien abzuwehren. Der Antrag mit der Drucks achennummer 14/432 ist wieder ein Beispiel dafür. Ich gebe Ihnen eine Kostprobe über den Inhalt des Antrags. Hier lautet es: „Der Landtag fordert die Landesregierung auf, die seit 14. August 2001 laufende Schwerpunktaktion ‚Arbeitszeit in Krankenhäusern‘ durch die Gewerbeaufsicht auszuwerten und über die gewonnenen Erkenntnisse zeitnah zu berichten.“ Das ist toll, das ist sehr konkret. Wir müssen die Landesregierung auffordern, alltägliche Arbeiten zu machen. Ich frage mich, womit den Leuten geholfen wird. Auf die arbeitszeitorganisatorischen Gründe will ich gar nicht weiter eingehen. Es gibt mehrere dieser Beispiele in diesem tollen Antrag.

In Ihrem Antrag ist nicht ein konkreter Punkt enthalten, der das Problem wirklich anpackt. Es sind lediglich Aufforderungen zur Informationssammlung, Gesprächsführung usw. Wenn es konkret wird, weichen Sie aus. Das kann eigentlich nicht richtig sein.

Der Antrag des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ist sehr konkret gefasst. Er wird von Ihnen mit einem wachsweichen Gegenantrag überlagert, um sagen zu können, wir haben selbst etwas gemacht. In der Sache bewirkt er nichts. So werden wir dem Problem nicht gerecht, meine Damen und Herren.

Herr Gerster, natürlich ist das Problem nicht einfach. Sie nennen das Urteil des Europäischen Gerichtshofs als für uns nicht zutreffend und den Antrag, den Sie im Bundesrat eingebracht haben, als wichtig, dass es schneller verwirklicht werde, als wir alle glauben. Wenn man die enthaltenen Texte liest, ist jedem klar, dass es so kommen wird. Es bleibt ein Problem der Finanzierung. Das hat nichts mit arbeitstechnischen Dingen zu tun. Mittlere und kleinere Häuser haben einfach nicht das Budget für dieses Personal. Ich weiß, wie es zugeht. Da müssen wir Lösungen finden. In dem Punkt gebe ich Ihnen Recht. Man kann die Sache nicht allein lösen. Wir brauchen dringend eine große Gesundheitsreform, um endlich die Weichen wieder in die richtige Richtung zu stel

len und den Patienten zu helfen, Ihnen die Sicherheit zu geben, die sie benötigen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Ich erteile Herrn Abgeordneten Marz das Wort. – Ihnen stehen noch sechs Minuten Redezeit zur Verfügung.