Protokoll der Sitzung vom 24.01.2002

Gerade wenn wichtige Ergebnisse wie Wahlen anstünden, müsste auch automatisch vom Lehrplan abgewichen und diese wichtigen Ereignisse aktiv und interessant im Unterricht aufbereitet werden. Wir kennen die Shell-Studie. Die hatten wir das letzte Mal auch schon als Beispiel für die Diskrepanz gerade zwischen Parteien und Politik und Schülerinnen und Schülern. Wir kennen die Wahlbeteiligung bei den Erst- und Jungwählern bei den letzten Landtagswahlen.

Mit dem vorliegenden Antrag „Schülerwahlen“ – das wird sicher gleich wieder die Kritik sein – ist sicherlich nicht alles getan, um diese Missstände zu beseitigen und den Wert und das Ansehen von Demokratie bei jüngeren Menschen auf den Stand zu heben, den wir für unser Gemeinwesen in Zukunft brauchen. Allerdings gehen wir hiermit einen Weg, der bereits umfassend evaluiert worden ist, der deutlich gezeigt hat, dass mit diesem Weg Schülerinnen und Schüler auch sehr deutlich zu motivieren sind, sich auch selbst um politische Inhalte zu kümmern, zu Hause auch aufgrund dieses Geschehens in der Schule stärker über Politik diskutiert wird und insgesamt das Thema „Demokratie und Wahlen“ deutlich positive Effekte erfährt.

Das Interesse für demokratische Mitwirkung und Mitverantwortung wird durch so etwas erwiesenermaßen dort gehoben, wo diese Schülerwahl schon stattgefunden hat. Der Verein „Kumulus e. V.“ wird anlässlich der Bundestagswahl eine Internet-Wahl mit bundesweit ausgewählten Projektschulen durchführen. Rheinland-Pfalz wird daran – soweit ich weiß – mit 15 Schulen teilnehmen können. Gleichzeitig werden Unterrichtsmaterialien zur Vorbereitung dieser Internet-Wahl gemeinsam mit der Bundeszentrale für politische Bildung zur Verfügung gestellt. Wir meinen aber, dass es auch wichtig ist, dass wir gegebenenfalls auch noch rheinland-pfalzspezifische Unterrichtsmaterialien zur Verfügung stellen, je nachdem, wie die Materialien dieses Vereins und der Bundeszentrale aussehen werden, und dass es vor allem wichtig ist, dass jede Schule die Möglichkeit haben sollte, eine simulierte Wahl durchzuführen und auch auf solche Materialien zurückzugreifen.

Wir wissen, dass einige Schulen schon so etwas machen. Das wird Herr Lelle wieder anführen, wie immer. Wir wissen aber auch, dass einige Schulen das nicht tun. Wir möchten es den Lehrerinnen und Lehrern erleichtern, das Thema „Wahlen“ aktiv und interessant im Unterricht aufzugreifen. Wir glauben, dass wir damit einen guten Schritt weiterkommen auf dem Weg hin zu mehr politischem Engagement und Grundverständnis und auch Begeisterung für Demokratie bei Jugendlichen.

Wie gesagt, das ist ein evaluierter Weg. Wir würden uns sehr freuen, wenn Sie diesen Schritt – ich nenne es

bewusst noch einmal einen Schritt – mit uns mitgehen könnten und den vorliegenden Antrag unterstützen würden.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der SPD)

Für die CDU-Fraktion erteile ich Herrn Abgeordneten Lelle das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Hintergrund dieses Antrags sind ohne Zweifel Berichte über das Wahlverhalten von Jungwählern bzw. Wahlenthaltung von Jungwählern. Das Problem ist sicherlich ernsthaft zu diskutieren und Lösungen zuzuführen. Aber durch diesen FDP-Antrag wird dieses Problem in keinster Weise gelöst.

(Kuhn, FDP: In keinster Weise?)

In keinster Weise, Herr Kuhn.

Erlauben Sie mir zunächst einen grundsätzlichen Hinweis. Kinder und Jugendliche haben aus Gründen der Praktikabilität und zum eigenen Schutz nicht die vollen Rechte der Erwachsenen. Daraus ergeben sich ohne Zweifel Grenzen der Partizipation. Der FDP-Antrag versucht aber, diese Grenzen zum Schaden der Jugendlichen zu verwischen. Deshalb lehnen wir diesen Antrag ab.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Unsere Ablehnung erfolgt, weil der Antrag erstens die Ursachen der Politikferne der jungen Menschen in keinster Weise – ich wiederhole: in keinster Weise – überwindet.

(Kuhn, FDP: Nicht übertreiben!)

Er ist zweitens im Ansatz schon falsch, weil nach bekanntem und falschem Muster reagiert wird. Ein Problem taucht auf. Sofort wird der Schule der Auftrag entsprechend erteilt.

(Kuhn, FDP: Angeboten! – Frau Morsblech, FDP: Das stimmt doch gar nicht!)

Die Schule hat zu reagieren, und letztendlich ist dann die Schule auch wieder schuld, wenn das Ziel nicht erreicht wird.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Wir lehnen diesen Antrag drittens ab, weil er inhaltlich überflüssig ist, meine Damen und Herren; denn die Lehrpläne für Sozialkunde beinhalten schon genau das, was Sie anstreben, Frau Morsblech: die Behandlung der Wahlen, die Regierungsform.

Wir wissen viertens, dass die Schulen dieser Verpflichtung auch tatsächlich nachkommen. Gerade eine anstehende Bundestagswahl ist für die Schulen und für die Lehrer eine gute Gelegenheit, den aktuellen Anlass aufzugreifen und ihm gerecht zu werden. Wir Abgeordneten spüren das auch und erleben es, wenn Schüler auf uns zukommen, um Wahlprogramme oder andere Informationen bezüglich der Wahl zu bekommen.

(Frau Morsblech, FDP: Ja, wer das gern macht, macht das auch!)

Wir wissen auch, dass in vielen Schulen in RheinlandPfalz auch solche Schülerwahlen im Rahmen des Sozialkundeunterrichts durchgeführt werden.

Wir lehnen den Antrag fünftens ab, weil die politische Partizipation oder Zufriedenheit mit dem parlamentarischen System durch diesen Antrag nicht erreicht wird.

Sechstens ist die Frage berechtigt, welchen Sinn es macht, solche Schülerwahlen beispielsweise – so wie Sie das fordern – schon in der fünften und sechsten Klasse an weiterführenden Schulen durchzuführen. Das überfordert ganz eindeutig die Schülerinnen und Schüler dieses Alters.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zu meiner Ausgangsbemerkung zurückkommen. Es geht um den Zugang junger Menschen zur Politik. Wenn wir uns damit ernsthaft auseinander setzen, dann ist meiner Meinung nach Folgendes notwendig:

1. Die Politik muss Jugendliche und ihre Anliegen ernst nehmen und sich mit ihren Problemen beschäftigen und auseinander setzen.

(Kuhn, FDP: Richtig!)

2. Die Interessen Jugendlicher müssen bei kommunalen Planungsvorhaben entsprechend berücksichtigt werden.

(Kuhn, FDP: Richtig!)

3. Dort, wo wir Jugendräte, Parlamentsräte, haben, müssen wir den Jugendlichen eigene Entscheidungsbefugnisse zugestehen.

(Kuhn, FDP: Wer hat das denn gemacht?)

4. Damit einher gehend müssen wir ihnen auch die nötigen eigenen Etatmittel zubilligen.

(Frau Morsblech, FDP: Sie waren doch dagegen!)

Gerade diese Woche war von den Schülerbeiräten auch ein entsprechender Artikel in der Zeitung, in dem darauf hingewiesen worden ist, dass einiges nicht in Ordnung ist und nicht stimmt.

(Frau Spurzem, SPD: Ich kann mich daran erinnern, dass das die CDU damals abgelehnt hat!)

5. Wir, die Politiker und die Politik, müssen auf die Jugend zugehen. Wir müssen den direkten Kontakt mit den Jugendlichen suchen, beispielsweise in den Jugendhäusern und im Jugendtreff. Wir müssen uns möglicherweise auch persönlich in den Sozialkundeunterricht einbringen, das Angebot an die Schulen machen und die Ergebnisse des Schülerparlaments, das auch bei uns in diesem Raum durchgeführt wird, anschließend in den Fraktionen ernsthaft aufgreifen und diskutieren.

Ich denke, das sind Beiträge, die bewirken würden, dass die Politikferne von Jugendlichen abnehmen könnte.

(Glocke des Präsidenten)

Herr Präsident, ein letzter Satz.

Wir sagen eindeutig Ja zu ernsthafter Auseinandersetzung mit dieser Problematik, aber wir sagen Nein zu Effekthascherei.

(Beifall der CDU)

Ich erteile Herrn Abgeordneten Fuhr das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Lassen Sie mich mit der persönlichen Bemerkung beginnen, dass es seit meiner Zeit hier im Parlament, seit Mai, der erste Antrag war, bei dem ich die Freude hatte, diesen für meine Fraktion und meinen Arbeitskreis von der Einbringung über die Debatte im Ausschuss bis hin zur abschließenden Beratung im Plenum zu begleiten.

(Zuruf aus dem Hause)

Danke schön.

Es ist schon eine interessante Erfahrung bei einem solchen Antrag, wie am Anfang sich alle in Übereinstimmung gegenseitig in die Arme fallen, wenn man sagt, die Distanz zwischen Politik und Jugendlichen ist so groß, und man sich gegenseitig lobt, dass es sehr wichtig ist, dass man die Enquete-Kommission zu Jugend und Politik einsetzt.

(Lelle, CDU: Da waren wir uns einig!)

Ich sage, da waren wir uns einig.

Es geht auch darum, wieder das Interesse und die Freude von Jugendlichen an Politik zu wecken.

Dann sieht man dieses grundsätzliche Ziel. Es gibt einen Antrag, der versucht, einen Punkt, einen neuen Aspekt in diese Debatte, in die ganze Entwicklung einzubringen. Dann wird er durchgängig von Anfang bis Ende mit alten Argumenten abgelehnt. Warum? – Das ist mir nicht ganz nachvollziehbar. Wir haben jetzt so lange und intensiv über diesen Antrag beraten. Anscheinend wollen Sie bis heute den wesentlichen Punkt, der für diesen Antrag