Protokoll der Sitzung vom 13.03.2002

Entschuldigen Sie, das ist doch doppelzüngig, wenn ich keinen finanzwirksamen Antrag stelle, aber nach außen sage, wir haben einen Antrag gestellt, damit es den Kommunen wieder besser geht. Dann müssen Sie auch sagen, mit welchem Geld und vor allen Dingen, zu wessen Lasten, meine Damen und Herren.

(Beifall der SPD und der FDP)

Diese Überraschung hat uns die Frage nahe gelegt: Ist das jetzt das letzte Wort der CDU? Sind diese Änderungsanträge der CDU für die nächste Zeit das Politikprogramm? – Denn wenn man das nachrechnet – Herr Mertes hat es heute Morgen vorgetragen –, dann kommt man auf eine schöne Summe, und alles, was heute diskutiert worden ist, wird natürlich ad absurdum geführt. Dann werden wir zu gegebener Zeit Ihre großen Sparschwüre noch einmal auf den Prüfstand stellen.

Bleibt es dabei, dass Sie Forderungen aufstellen, sie aber im Haushalt nicht absichern, also nicht bezahlen wollen, dann können wir das öffentlich darstellen. Was Sie selbst nicht darstellen konnten, ist eine konsequente Politik im Sinn der Bürgerinnen und Bürger.

(Zuruf von der CDU)

Kümmern Sie sich lieber um den Wahlkreis.

(Unruhe bei der CDU)

Nicht ein Bruchteil der Forderung, mit der Sie uns in der Vergangenheit und heute konfrontiert haben, schlägt sich in den Haushaltsansätzen nieder. Das wäre nicht so schlimm, wenn Sie mit dieser Politik der Doppelzüngigkeit aufhören würden, was ganz einfach ist.

Meine Damen und Herren, Sie brauchen nur zu sagen, liebe Wählerinnen und Wähler, das war unser Wahlprogramm. Wir haben es überzogen, es ist zu teuer. Wir verabschieden uns davon, wir müssen jetzt sparen. Wir reichen der Mehrheit die Hand, sparen mit ihr und stampfen unser Wahlprogramm ein.

Aber nein, Sie wollen beides. Sie wollen die Obersparer sein, und Sie wollen diejenigen sein, die die Wohltaten verteilen. Das geht nicht, und es ist auch keine Politik mit Konturen; eine Amöbe hat mehr Konturen als Ihre Politik, meine Damen und Herren. Aber Politik braucht Konturen.

(Beifall der SPD)

Herr Böhr sagte heute Morgen, mit dem Euro sei jetzt alles anders, es sei jetzt alles miteinander verbunden, als wäre es neu, dass die öffentlichen Haushalte schon immer wie kommunizierende Röhren miteinander verbunden waren und dass, wenn in irgendeinem Bereich, sei es im Bund, im Land oder in der Kommune, Haushaltsdefizite entstanden sind, diese nicht auch mit den anderen zu tun hatten. Die Rheinland-Pfälzerinnen und Rheinland-Pfälzer wissen natürlich, wie das ist.

(Glocke der Präsidentin)

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Schmidt?

Vielen Dank. Herr Kollege, sind Sie sich darüber im Klaren, dass Kollege Böhr über die Einhaltung der Konvergenzkriterien gesprochen hat, die es natürlich noch nicht seit 100 Jahren gibt?

(Heiterkeit bei der CDU - Lelle, CDU: Das weiß er nicht! – Zuruf des Abg. Pörksen, SPD)

Aber, hochverehrte Frau Schmidt! Selbstverständlich bin ich mir darüber im Klaren. Aber vielleicht haben Sie

Ihrem Fraktionsvorsitzenden nicht richtig zugehört. Er hat gesagt, es sei nun alles anders, und dies treffe auch für die Finanzbeziehungen der unterschiedlichen Ebenen zu.

Ich sage Ihnen aber, das war früher schon so. Ich erlaube mir nun – ich hätte es beinahe vergessen; Gott sei Dank haben Sie mir noch einmal die Chance dazu gegeben –, darauf hinzuweisen, dass unser Finanzproblem darin besteht, dass in den letzten zwei Jahrzehnten – ich möchte Ihnen jetzt ersparen zu sagen, wer zu dieser Zeit regiert hat – die exorbitanten Haushaltsdefizite im Bund entstanden sind, die sich wie kommunizierende Röhren auf die Länder und damit auch auf die Kommunen ausgewirkt haben.

(Beifall der SPD – Zurufe der Abg. Jullien, Billen und weiterer Abgeordneter der CDU)

Meine Damen und Herren, dennoch wissen die Rheinland-Pfälzerinnen und Rheinland-Pfälzer, wofür die Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten auch im Bund stehen. Ich möchte Sie an zwei wichtige Säulen erinnern.

Ich möchte Sie an die Familienpolitik erinnern, die wir trotz und mit der Steuerreform auf den Weg gebracht haben. Ich möchte Sie daran erinnern, dass wir die Familien gefördert haben, 56 Milliarden Euro in die Familienkassen gebracht haben und dadurch weniger Steuereinnahmen haben

(Jullien, CDU: Freibetrag für Alleinerziehende weg!)

und dennoch die zweite Säule, nämlich die Konsolidierungspolitik, auch weiterhin erfolgreich betreiben. Dafür steht der Name Hans Eichel nicht von ungefähr, und dies trotz der katastrophalen Situation, die er vor vier Jahren im Bund angetroffen hat.

Herr Böhr sprach heute Morgen vom Haushaltsnotstand. Den Haushaltsnotstand haben wir vor vier Jahren in Bonn bzw. Berlin angetroffen, meine Damen und Herren.

(Jullien, CDU: 44 Milliarden Gesamt- verschuldung! Das ist doch die Realität! 44 Milliarden!)

Herr Jullien, aber die Probleme, die es natürlich auf der Einnahmenseite auch für das Land Rheinland-Pfalz gibt, verschweigen wir nicht. Wir sagen doch nicht, wir hätten keine Probleme. Aber wir lassen uns nicht krank reden. (Beifall der SPD und der FDP)

Natürlich haben auch wir keinen Dukatenesel. Natürlich haben auch wir keine Hellseherfähigkeiten. Deshalb beobachten wir sehr genau die Einnahmen. Der Wunsch eines jeden Haushaltspolitikers oder einer jeden Haushaltspolitikerin sind kontinuierliche und leicht prognostizierbare Einnahmen. Aber das gibt es eben nicht.

Wir erliegen einem solchen Wunschdenken nicht. Unsere Steuereinnahmen sind abhängig von der Wirtschafts

entwicklung, und deshalb ist eine Vorhersage für die Einnahmenentwicklung in der heutigen Zeit schwieriger denn je.

(Zuruf des Abg. Jullien, CDU)

Wer kennt schon die künftige konjunkturelle Situation? Wer kennt schon die Auswirkungen der Veränderung des Steuerrechts? Sie vielleicht, Herr Jullien?

(Jullien, CDU: Der rheinland-pfälzische Finanzminister! 600 Millionen Euro in 2004!)

Sie tun immer so, als wüssten Sie alles, dabei reden Sie jedes Mal das Gleiche daher. Herr Jullien, was uns bleibt und was auch Ihnen bleiben sollte, ist, gewissenhaft zu rechnen und gewissenhaft zu schätzen. Nichts anderes verlangt im Übrigen die Landeshaushaltsordnung.

Dieser Doppelhaushalt ist sorgfältig aufgestellt, und wir hoffen, die künftige Entwicklung richtig eingeschätzt zu haben.

(Zuruf des Abg. Dr. Altherr, CDU)

Aber wir werden uns natürlich im Haushaltsvollzug auch darauf verständigen, dies zu kontrollieren und gegebenenfalls auch auf Veränderungen zu reagieren. Ich hoffe, dass Sie ebenfalls mit dabei sind.

In dieser unsicheren ökonomischen Gesamtlage stehen alle Schätzer vor Problemen, und es gibt weiterhin viele Fragezeichen hinter allen Prognosen. Wie entwickelt sich der Ölpreis? Wann verbessert sich die Konsumstimmung der Verbraucherinnen und Verbraucher? Ist die Talsohle der Konjunktur in den USA erreicht?

(Jullien, CDU: Warten wir auf den 22. September! Dann ist alles erledigt! – Zuruf der Abg. Frau Schmidt, CDU)

Verehrte Frau Schmidt, das sind Fragen, die sich wie immer und so auch jetzt auf unseren Haushalt auswirken.

(Frau Schmidt, CDU: Er hat es immer noch nicht verstanden!)

Wichtig ist, dass Sie es verstanden haben.

Wir stellen unseren Haushalt später als die anderen Länder auf. Dies ist ein großer Vorteil. Deswegen sind wir mit vielen Zahlen auf einer sichereren Seite als andere Bundesländer. Aber das hat natürlich auch eine Folge.

Wir haben die Ergebnisse der Steuerschätzung im November im Gegensatz zu vielen anderen Haushalten, die in der Bundesrepublik beschlossen worden sind, bereits berücksichtigt. Da diese Steuerschätzung schlecht war, müssen unsere Daten folgerichtig im Vergleich eine höhere Nettoneuverschuldung aufweisen als anderswo. Was die CDU also gern als Skandal verkaufen möchte, hat eine einfache und auch ehrliche Erklärung.

Natürlich ist auch unsere Steuerkraft nicht vergleichbar mit der manch anderer Bundesländer wie beispielsweise Nordrhein-Westfalen oder Hessen.

(Zuruf der Abg. Jullien und Lelle, CDU)

Sie wissen auch, dass Rheinland-Pfalz keine Metropolen wie Köln oder Frankfurt besitzt. Sie scheinen dies aber immer auszublenden. Umso wichtiger ist es, sich die wirtschaftliche Entwicklung des Landes näher anzusehen. In diesem Bereich haben wir viele positive Botschaften zu vernehmen, über die Sie natürlich gern hinweggehen.

Eurostat weist den Bereich Rheinhessen-Pfalz als einen der Hightech-Spitzenreiter im Bereich der Hochtechnologiebranchen des verarbeitenden Gewerbes aus. Nach Stuttgart und Karlsruhe liegen wir bei der Beschäftigtenzahl in der Spitzengruppe innerhalb der EU. Zwei von bundesweit 18 ländlichen Räumen mit besonderer Entwicklungsdynamik liegen in Rheinland-Pfalz. Sie sehen also, auch wenn man versucht, es ständig schlechtzureden: Dieses Land hat ökonomische Stärken und, vor allen Dingen, es nutzt sie auch.

Damit korrespondiert auch unsere Auffassung zur Investitionsquote, die Sie gern so polemisierend ansprechen. Was wir in der aktuellen Situation nicht gebrauchen können, sind hektische Manöver an dieser Front.

Wir wollen das Volumen der Investitionen möglichst halten. Alles andere würde zu einer Verunsicherung der Investoren insbesondere im Bausektor führen. Unsere Investitionsquote einschließlich der Landesbetriebe von 12 und 11,5 % in den nächsten beiden Jahren kann sich sehen lassen. Wir liegen damit in der Spitzengruppe der Bundesländer. Dies möchte ich noch einmal betonen.