Protokoll der Sitzung vom 13.03.2002

(Creutzmann, FDP: Ach wo!)

Sie haben befristetet Baugenehmigungen gefordert. Was heißt das denn jetzt schon wieder?

(Creutzmann, FDP: Das verstehen Sie nicht!)

Wenn es um bestimmte Industrieanlagen und andere Dinge geht, hätte ich gern einmal in Ihrem Forderungskatalog, dass Sie von Befristungen reden. Tatsächlich sind Sie sich nicht einig, was Sie machen sollen, ob Sie als FDP in diesem Land diesem Hardcore-AntiWindenergiekurs Ihrer Kollegen in NRW folgen sollen oder sich vielleicht doch lieber in modernistischem Gewand zeigen und diesen Bereich der erneuerbaren Energien in Rheinland-Pfalz verankern wollen.

Wir sind dafür, dass wir die Programme, die auf Bundesebene angesetzt werden, und die Impulse, die von Rotgrün auf Bundesebene kommen, mit ergänzenden Programmen verstärken und dieses Potenzial für Rheinland-Pfalz nutzen.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Damit verbunden wollen wir auch eine Offensive bei den Energiesparmaßnahmen. Wir wollen dafür ein Anreizprogramm. Das sichert Arbeitsplätze im Bau- und Handwerksbereich an vielen Stellen deutlich besser als die Programme, die im Wirtschaftsministerium aufgelegt werden. Wir wissen, dass die LBB dort für öffentliche Gebäude einen kleinen Start macht. Ich sage Ihnen: Wenn es um Energiesparen und Innovationen in diesem Bereich geht, reicht dies nicht. Es fehlt der überzeugende Durchbruch, dass wir es auch im Privatbereich und in öffentlichen Institutionen machen, die nicht im Landeseigentum sind. Dazu dient unter anderem auch das von uns vorgeschlagene Investitionsprogramm, das die ISB für Kommunen auflegen soll. 75 Millionen Euro, die für besonders zinsgünstige Kredite für Sachinvestitionen, insbesondere für den Schulbau, aber auch für die Sanierung von Kindertagesstätten vorgesehen sind, sichern die Investitionstätigkeit in den Kommunen. Das wäre ein sinnvolles Engagement der ISB und in vielen Bereichen die wirksamere Förderung als die x-te Neuauflage eines ISB-eigenen so genannten Innovationsprogramms.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es wäre auch ein Ausgleich für die Investitionen oder die mangelnde Investitionstätigkeit der Kommunen, die Sie verursachen, weil Sie die Leistungen, die die Kommunen aus dem Landeshaushalt erhalten, pro Jahr um 70 Millionen Euro zusammengestrichen haben.

Meine Damen und Herren, ich will Ihnen weitere Bereiche im Umweltbereich aufzählen. Wir wollen nicht, dass der Natur- und Landschaftsschutz die Spardose im Haushalt des Umweltministeriums ist. Wir wollen nach vorn gehen, wenn es um Bodenschutzmaßnahmen und die Beseitigung von Altlasten geht. Das sind Aufgabenbereiche, die – wie hat es Herr Mertes vorhin so schön gesagt – man schnell einmal streichen kann, weil man sie in der Umsetzung der einzelnen Maßnahme nicht erkennt. Erst eineinhalb Jahre später in der Haushaltsrechnung sieht man, dass das Geld in diesen wichtigen und verantwortungsvollen Bereichen nicht ausgegeben wurde, sondern in andere Töpfe geflossen ist.

Das wollen wir nicht. Hier sehen wir das Land in der Verpflichtung. Wir wollen nicht hundert Jahre warten, bis wir Schritte weitergekommen sind. Wir wollen in den nächsten zwei Jahren forsch nach vorn gehen.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Bauckhage, wir haben im vergangenen Jahr schon manche verbraucherschutzpolitischen Debatten geführt. Ich muss feststellen, diese waren bei Ihnen leider ohne jeden durchschlagenden Erfolg. Sie haben auch diesen Haushalt nicht genutzt, um Verbraucher- und Verbraucherinnenschutz inhaltlich und organisatorisch auszuweiten, indem Sie zum Beispiel auf die Gefahren von ESmog, die gesundheitliche Vorsorge, den Bereich der Geldanlagen, die Altersabsicherung, den E-Commerce, den Energie- und Wassermarkt sowie neue Medien hingewiesen haben. Das alles zählt zum Verbraucherschutz. Es geht nicht nur um die Ernährung, auch wenn das im letzten Jahr im Vordergrund gestanden hat.

Wir wollten und haben auch vorgeschlagen, diesem Wirrwarr, der in der Landesregierung besteht, mit einer eindeutigen Prioritätensetzung für den besten Anwalt von Verbraucherinteressen, nämlich für die Verbraucherzentrale, gegenzusteuern.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Deswegen schlagen wir vor, diese unabhängige Verbraucherzentrale mit deutlich mehr Mitteln auszustatten und ihr insbesondere Mittel zur Verfügung zu stellen, damit sie gemeinsam mit den Akteuren, den Erzeugern und Erzeugerinnen, den Produzierenden und den zuständigen Ministerien eine Kampagne zugunsten von mehr Lebensmittelqualität und angemessenen Erzeugerpreisen ausgestalten soll. Wir wollen gezielt diese Kampagne und die Verantwortung auch in die Hand der Verbraucherzentrale legen.

Dass dafür dann die Mittel für die Verbraucherschutzbeauftragte gestrichen werden, werden Sie verstehen. Sehen Sie es auch als notwendig an. Das ist für uns ein Klebestreifen über einen großen wunden Fleck dieser Landesregierung, dass Sie es nämlich zwischen den Ministerien, zwischen den Koalitionären nicht hinbekommen, eine tatsächliche Bündelung der Zuständigkeiten für den Verbraucherschutz umzusetzen und einzuführen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Vizepräsident Dr. Schmidt übernimmt den Vorsitz)

Meine Damen und Herren, Herr Mertes wollte über die Zukunft des Landes reden. Er hat auch einiges über die Frage, wie wir denn Bildung in diesem Land in den nächsten Jahren gestalten, gesagt. Er hat es auch auf den PISA-Schock bezogen. Er hat aber auch gesagt, wir in Rheinland-Pfalz haben eigentlich schon viel früher angefangen, das alles zu verbessern. Ich warne davor, die PISA-Ergebnisse, wenn sie auf die einzelnen Bundesländer heruntergebrochen werden, zu einem engeren Vergleich heranzuziehen. Ich bin überzeugt, es taugt nicht, zwischen denen, die auf dem zehnten, auf dem elften, auf dem zwölften Platz sind, um kleine Punktunterschiede zu ringen. Ich kann Ihnen aber nur eins sagen: Wir müssen uns in dieser Frage tatsächlich in diesem Land und über die Landesgrenze hinaus für ein Bündnis für Bildung engagieren. Wir brauchen keinen Rückfall in alte Strukturdiskussionen zusammenzutun.

(Zuruf des Abg. Lelle, CDU)

Herr Mertes braucht schon einen kleinen Zwischenruf von Herrn Nils Wiechmann, um die Schwierigkeiten, die zwischen den Koalitionspartnern bestehen, schön zu überspielen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Zuruf des Abg. Schweitzer, SPD)

Wir brauchen auch kein „Weiter so“ wie in den letzten zehn oder in den letzten 50 Jahren. Wir brauchen tatsächlich neue Bedingungen für die innere Reform von Schule, für die innere Reform von Bildung. Das geht

ohne eine deutliche Schwerpunktsetzung innerhalb des Haushalts nicht.

Meine Damen und Herren, innere Schulreform: Schauen wir uns einmal an, was die Spitzenreiter bei PISA geleistet haben und wodurch sie es geleistet haben. Schauen wir doch nach Skandinavien.

(Zuruf des Abg. Lelle, CDU)

Schauen wir uns an, dass genau diese Länder in der Lage waren, zu diesen besseren Ergebnissen zu kommen, weil in ihren Staaten – ich zitiere noch einmal aus einer Dokumentation in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ – die Lernergebnisse im Mittelpunkt stehen und nicht die Lernprozesse und schon gar nicht die Frage, wie die einzelnen Schulen gegliedert sind, wie sie organisiert sind oder dass sie sich in jahrelangen Schulstrukturdebatten erschöpfen.

Finnland, der Spitzenreiter in weiten Teilen der PISAErgebnisse, überlässt die Ausgestaltung der Lehrpläne im Detail den Schulen und legt zentral nur die Bildungsziele fest. Sie haben dort eine andere Struktur und eine andere Verantwortlichkeit in den Schulen. Herr Kuhn, dann kommen wir vielleicht schon auf die Differenzen, die bestehen; denn die Schulen in Finnland haben nicht die Möglichkeit, zu sagen: „Dieser Schüler oder diese Schülerin passt eigentlich nicht so gut in unser Konzept, und wir geben ihn aufgrund schlechter Leistungen einfach eine Stufe nach unten oder in eine andere Schule“, sondern dort besteht die Verpflichtung, dass Schulen für die Leistungsdefizite ihrer Schüler selbst aufkommen müssen, sie selbst ausgleichen müssen und schwächere Schüler nicht immer an die nächstniedrigere Schulform abschieben können. Dieses Problem besteht nach wie vor bei uns. Es besteht in Ihrem Bestreben und mit Ihrer Schwerpunktsetzung – die FDP hat sich das auf die Fahne geschrieben –, noch frühere Auswahl von Hochbegabten zu betreiben, das Schulsystem noch weiter aufzugliedern. Natürlich leisten Sie mit dieser Entwicklung diesem Vorgehen Vorschub. Das ist genau die falsche Konsequenz nach PISA.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, ich will Ihnen das noch einmal kurz in Zahlen sagen, wie das bei der FDP und ihrer Konzentration auf die Hochbegabten ist. Sie wissen, dass wir die Auffassung teilen, dass unterschiedliche Begabungen, niedrigere Begabungen, aber auch Hochbegabungen, früh erkannt werden müssen und früh individuell gefördert werden müssen. Wir sagen nur, sie müssen integriert gefördert werden, und wir müssen an einem frühen Zeitpunkt beginnen, diese Begabung zu erkennen, nämlich bei dem einzelnen Lehrer, bei der Lehrerin. An der Diagnosefähigkeit vieler Lehrerinnen und Lehrer fehlt es häufig.

Aber wenn wir davon ausgehen, dass Rheinland-Pfalz rund eine halbe Million Schülerinnen und Schüler hat, nach Angaben vieler Forschungsergebnisse man von 2 % Hochbegabten ausgehen kann, dann reden wir vielleicht von rund 10.000 hoch begabten Schülerinnen und Schülern. Nur mit Ihrem Ansatz, Herr Kuhn, kümmern Sie sich vielleicht mit den nächsten Klassen, die

Sie in Kaiserslautern oder Trier einrichten, vielleicht um 100, vielleicht um 200 dieser Schülerinnen und Schüler; das sind 0,05 %. Das reicht nicht aus, wenn wir über Begabtenförderung, über individuelle Begabtenförderung reden wollen. Wir müssen dafür sorgen, dass diese Ansätze, die Ausstattung aber auch die Kompetenz und die Fähigkeiten in den einzelnen Schulen liegen. Ich bin fest davon überzeugt, dass Ihr Konzept gerade das Gegenteil in Gang setzen wird.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich will Ihnen sagen, was es heißt, in diesem Bereich auch einen Schwerpunkt im Haushalt zu setzen. Wir schlagen vor, dass wir die Mittel, die Sie vorgesehen haben, im Haushalt um 60 Millionen Euro verstärken. Die nehmen wir nicht an der Schuldenbank oder bei der nächsten Bank auf. Das finanzieren wir gegen. Wir streichen dafür natürlich andere Mittel, weil wir aber auch andere Prioritäten setzen und sagen: Die Zukunft dieses Landes liegt nicht auf der Straße, sondern sie liegt in den Köpfen unserer Kinder und Jugendlichen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dafür wollen wir Investition betreiben. Dafür wollen wir 20 Millionen Euro für eine bessere Unterrichtsversorgung in allen Schularten machen. Das ist nämlich eine Voraussetzung für eine innere Schulreform, dass wir tatsächlich den Unterrichtsausfall reduzieren, dass wir Möglichkeiten, Zeit und Fähigkeiten verbessern. Wir schlagen Ihnen vor, die Autonomie, die Eigenständigkeit, die Gestaltungsmöglichkeit in den einzelnen Schulen mit einem Fortbildungsbudget zu befördern, den Schulen tatsächlich mehr Verantwortung und mehr Gestaltungsmöglichkeiten an die Hand geben.

Wir legen ein besonderes Augenmerk auf die berufsbildenden Schulen. Das hat Herr Böhr auch angesprochen, allerdings ohne jede Konsequenz für den Haushalt. Wir sind der Meinung, dass wir bei den berufsbildenden Schulen genau aus dem Grund, weil sie in den vergangenen Jahren den meisten Unterrichtsausfall hatten, weil wir im länderweiten Vergleich die schlechtesten Zuweisungen an Unterrichtsstunden, an Lehrer-SchülerVerhältnis haben, noch einmal besondere Anstrengungen vornehmen müssen.

Wir haben im Schulbereich sowie in vielen anderen gesellschaftlichen Bereichen einen zentralen Punkt, den wir besser ausstatten wollen, den wir auch mit Mitteln deutlich verstärken wollen; das ist alles, was in die Integration von Migranten, von ausländischen Kindern fließen muss. Wir wollen den Deutschunterricht für Einwandererkinder an Schulen deutlich verbessern. Mit den 200.000 Euro, die die Landesregierung dafür vorgesehen hat, werden Sie nicht sehr weit kommen. Wir müssen vor allen Dingen in diesem Bereich noch eine Stufe früher anfangen, im Kindertagesstättenbereich. Deswegen haben wir ein entsprechendes Programm für die Sprachförderung aufgelegt. Dies ist mit 5 Millionen Euro in den nächsten beiden Jahren ausgestattet. Damit ist in den Kindertagesstätten dann aber tatsächlich auch einiges zu leisten und einiges machbar.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Hochschulen, Fachhochschulen und Universitäten können Entwicklungskernpunkte für das Land und einzelne Regionen sein. Wir können sehen, dass dort in den vergangenen Jahren über den Aufbau der verschiedenen Fachhochschulen im Land Gutes in Gang gesetzt wurde.

Herr Mertes hat heute, als er auf die Initiativen dieser Landesregierung zu sprechen kam, zu Recht mehrfach auf die Vergangenheit zurückgegriffen. Er hat gesagt, das haben wir in Bewegung gesetzt. Das macht deutlich, dass in den vergangenen Jahren, auch in dieser Konstellation, das eine oder andere in Bewegung gesetzt wurde. Nur jetzt läuft es aus, und es folgt nichts nach.

(Dr. Schiffmann, SPD: Wie, das läuft aus?)

Es gibt keine Innovation in diesem Bereich. Ich will Ihnen das anhand der Universitäten und Fachhochschulen deutlich machen. Sie deckeln dort die Ausgaben. Sie machen einen Schnitt und lassen das, was Sie an Input geben – entsprechend dem Bedarf der Hochschulen –, nicht mehr mitwachsen.

Sie streichen wichtige Maßnahmen. Ich will Ihnen ein Beispiel anführen. Das, was es an Tutorienprogrammen mit Landesmitteln gefördert gab, stellte tatsächlich eine ganz konkrete Hilfestellung zur Verbesserung der Lehre an den Universitäten dar. Die Mittel hierfür entfallen nun.

Sie bereiten sich in diesem Haushalt auf die zukünftigen Aufgaben in Fachhochschulen und Universitäten nicht vor. Wir brauchen gut ausgebildete junge Menschen, wir brauchen mehr junge Menschen, auch mit akadem ischen Abschlüssen, und wir wollen sie.

Es werden in den nächsten Jahren mehr junge Menschen in die Universitäten und Fachhochschulen hineinströmen. Hierbei handelt es sich um die jungen Menschen, die in den vergangenen Jahren so unschön als „der Schülerberg“ beschrieben wurden. Sie verlassen die Schulen, s uchen Ausbildungs- und Studienplätze.

Wir wissen, dass die Zahl der Studierenden in den nächsten Jahren – bis 2008 – ansteigen wird; dazu gibt es Prognosen von der Kultusministerkonferenz. Danach werden diese Zahlen noch über viele Jahre auf einem hohen Niveau verharren.

Die besten Steuerungsmodelle helfen jedoch nicht, wenn man die Universitäten nicht mit den Mitteln ausstattet, die sie für Lehre und Forschung mit diesen und für diese jungen Menschen organisieren und zur Verfügung stellen müssen.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Schauen Sie sich die Situation in den Universitäten an. Wenn Sie zu Beginn oder im Verlauf des letzten Semesters in Koblenz oder Landau waren, konnten Sie feststellen, dass ein Miniboom von Lehramtsstudierenden zu einem Zusammenbruch des Lehrsystems geführt hat. Es gab nicht genug Personal und nicht genug Räume. Die Studenten saßen auf den Betonstufen.

Wenn Sie diesen Kurs beibehalten, wird sich diese Situation auch in anderen Universitäten einstellen – nicht in jedem Fach, aber in den Fächern, die gefragt sind, und in all den Fächern, für die wir ganz konkret für die Entwicklung in diesem Land die jungen Menschen in den Universitäten haben und halten wollen.