Meine Damen und Herren, ich wage auch eine Prognose. Wir stehen nicht hinter Herrn Kuhn zurück. Ich bin überzeugt davon, dass sie am Ende dieses Haushaltsjahres – Sie dürfen mich gern beim Wort nehmen; wenn das anders ist, entschuldige ich mich hoch offiziell – über der geplanten Nettokreditaufnahme liegen werden.
Sie werden Haushaltskreditaufnahmeermächtigungen oder anderes nehmen. Sie werden diese Punktlandung nicht schaffen. Das zeigen schon alle Rückmeldungen aus den Ressorts nach der ersten so genannten Sparrunde, die noch nicht erfolgreich abgeschlossen, sondern nur auf dem Papier aufgedröselt ist.
Ich will noch etwas zu der Einnahmensituation sagen. Herr Mittler hat gesagt, sie sei schlecht. Ich möchte noch einmal die Größenordnung nennen. Im Mai liegen wir 550 Millionen unter den Einnahmen vom Mai 2001. Die Landesregierung geht davon aus, dass wir für das gesamte Jahr 300 Millionen mehr bekommen. Die Differenz ist sehr schlecht.
Natürlich hoffe ich auf günstigere wirtschaftliche Entwicklungen. Es muss schon ganz schön viel passieren, dass Sie diese Differenz aufnehmen. Ich bin mir nicht sicher, ob das, was Sie angelegt haben, tatsächlich ausreicht.
Deswegen fordere ich in dieser Debatte einen Nachtragshaushalt. Auch aus den vergangenen Erfahrungen habe ich begründete Zweifel, dass Sie es in der Regierung mit alleinigen Einsparmaßnahmen schaffen.
Meine Damen und Herren, Herr Kuhn hat versucht, diese Argumentation im Antrag zu unterlaufen oder zu widerlegen. Das ist ein Antrag und kein juristisches Gutachten. Ich bin in einer Antragsbegründung überhaupt nicht darauf angewiesen, alles abzuwägen, sondern ich suche mir natürlich im wissenschaftlichen Raum Unterstützung für meine Forderung.
Selektiv oder nicht? Ich bin nicht die Präsidentin des Verfassungsgerichtshofs, sondern Vorsitzende einer Fraktion.
Wenn es um das Argument des Ministerpräsidenten geht, sei angemerkt, natürlich kenne ich die Entscheidung des Staatsgerichtshofs in Berlin. Natürlich weiß
ich, dass die formuliert haben, 2,29 % globale Minderausgabe kann noch mit der Verfassung vereinbar sein. Ich will Ihnen auch einmal sagen: Rechnen Sie doch einmal nach. 300 Millionen globale Minderausgaben und das, was Sie sich an Haushaltungssperren und Bewirtschaftungsauflagen gegeben haben. 300 Millionen sind deutlich mehr als die 2,29 % der bereinigten Ausgaben. Deswegen habe ich diese Entscheidung gar nicht aufgeführt. Wir liegen nämlich deutlich drüber. Deswegen kann es in der Form nicht gelten.
Wenn Sie Gewissheit haben wollen, dann werden Sie das hier nicht in Pro und Kontra erhalten, sondern dann werden Sie das nur durch eine Entscheidungsfindung des Verfassungsgerichtshofs herbeibeiführen können. Herr Kollege Kuhn, ansonsten können wir uns trefflich streiten, wer dann in dem Zitieren irgendwelcher Wissenschaftler überzeugender ist. Natürlich ist das eine politische Diskussion, eine verfassungspolitische und nicht allein eine verfassungsrechtliche.
Ich will Ihnen nur sagen, wenn Sie das, was Sie mit Ihrer globalen Minderausgabe angefangen haben, so weiterführen wollen in einer solchen Uneinigkeit – wir sehen, die FDP meldet nach draußen, wir können nicht mehr sparen, macht ihr das einmal –, dann teilen Sie das Schicksal mit Ramelow und Totti. Dann bekommen Sie die gelbrote Karte am Ende dieses ganzen Spiels.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Mertes, das war kein ungeschickter Ablenkungsversuch. Ich will niemandem zu nahe treten, aber die einzige Rede aus dem Lager der Opposition, von der ich glaube, dass sie einer Auseinandersetzung lohnt, ist die, die der Herr Kollege Mertes hier gehalten hat. Ich gestehe ganz offen, ich hätte es genauso versucht. Aber wenn ich es versucht hätte, wäre es genauso schief gegangen, wie es bei Ihnen schief gegangen ist; denn dieser Ablenkungsversuch gelingt nur, wenn man einer Strategie folgt, die nicht neu ist und die wir alle gelegentlich gern anwenden: Man baut sich seinen Pappkameraden erst selbst, um dann heftig gegen ihn anzukämpfen. So haben wir das jetzt den ganzen Vormittag hier erlebt von den Sprecherinnen und Sprechern der Koalitionsfraktionen, meine Damen und Herren.
Das, wogegen Sie anrennen, ist gar nicht unser Thema. Der Herr Ministerpräsident stellt sich staatstragend hier hin und sagt: Wir mussten doch unsere Verantwortung
wahrnehmen ob dieser unerwarteten Steuermindereinnahmen. – Das Problem ist, sie waren nicht unerwartet. Das Problem des rheinland-pfälzischen Landeshaushalts und das Problem des rheinland-pfälzischen Landtags ist, dass die Koalitionsfraktionen zu einem Zeitpunkt einen Haushalt verabschiedet haben, als die Steuermindereinnahmen nicht unerwartet, sondern erwartet waren. Sie waren bekannt.
Deswegen hat es jetzt überhaupt keinen Sinn, quer durch die Republik zu zitieren, wer alles für Haushaltssperren ist. Wir waren auch schon für Haushaltssperren. Wir werden auch in Zukunft wieder für Haushaltssperren sein. Nur gegen eines sind wir, ein Parlament zu verhöhnen, indem man erst einen Haushalt verabschiedet, von dem man am Tag der Verabschiedung ganz genau weiß, dass er nicht auf tönernen Füßen, sondern auf gar keinen Füßen steht. Das ist das Problem.
Deswegen will ich in zwei Bemerkungen diese Debatte noch einmal zusammenfassen, damit die Pappkameraden einmal aus dieser Diskussion verschwinden.
Herr Kollege Weiland hat noch einmal den Terminablauf an ein paar wirklich bemerkenswerten Ereignissen dargestellt. Ich will das nicht noch einmal zusammenfassen, aber dieser zeitliche Ablauf der letzten Haushaltsberatungen ist hoch spannend.
Innerhalb von 14 Tagen rechnen Sie die Nettoneuverschuldung dreimal neu. Dazu muss man erst einmal in der Lage sein. Wir haben heute Morgen schon etwas vom Finanzminister über Einsichtsgewinne durch Zeitungslektüre gehört. Ich weiß nicht, wodurch diese Einsichtsgewinne verursacht waren, aber eine Differenz von 216 Millionen Euro ist für unseren Landeshaushalt nicht gerade eine Kleinigkeit. Dann geht es weiter.
Das Problem ist, dass wir am 15. März einen Haushalt verabschiedet haben. Dem war schon vorangegangen Ihre Runde der Finanzminister der A-Länder – also der sozialdemokratisch regierten Länder – mit dem Bundesfinanzminister und eine Erstinformation über das, was die Bundesrepublik Deutschland nach Brüssel als Zus age signalisiert hatte.
(Zuruf des Staatsministers Mittler – Jullien, CDU: Das ist noch schlimmer! – Heiterkeit bei der CDU)
Sehen Sie, noch früher. An Ihrer Stelle hätte ich auf diesen Zwischenruf nun wirklich verzichtet. Bravo! Das war jetzt 2 : 0 durch Ihr Eigentor. Mit meiner Argumentation steht es 1 : 0 und mit Ihrem Eigentor 2 : 0.
Sechs Tage später tagt der Finanzplanungsrat. Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Zahlen waren vor der Verabschiedung bekannt. Sechs Tage – das ist noch nicht einmal eine Woche – nach der Verabschiedung beschließt die Landesregierung eine Ausgabensperre.
Sie erwarten doch nicht im Ernst, dass man dann noch einen Hauch von Ernsthaftigkeit einer solchen Finanzpolitik unterstellt. Drei Wochen später wird eine Bewirtschaftungsauflage verfügt. 28. Mai: Bewirtschaftungsauflage wird durch Kabinettsbeschluss in eine Ausgabensperre umgewandelt, und zu den 131 Millionen Bewirtschaftungsauflage werden weitere 100 Millionen Euro zusätzliche Bewirtschaftungsauflage gemacht. – Wir sprechen über einen Zeitraum von sechs Wochen nach der Verabschiedung des Haushalts. Meine sehr verehrten Damen und Herren, dann kann doch keiner mehr bestreiten, dass Sie atemlos der Wirklichkeit hinterher laufen.
Frau Kollegin Thomas hat eben sinngemäß festgestellt, dass Sie Schiffbruch erlitten hatten. Natürlich haben Sie Schiffbruch erlitten; das wird auch nichts mehr mit der Finanzpolitik in Rheinland-Pfalz. Sie haben gar nicht mehr die innere Kraft. Sie verwenden Ihre innere Kraft, um diese Pappkameraden aufzubauen, statt endlich einmal Kontur in die Finanzpolitik zu bringen. Diese sucht man seit Jahr und Tag verzweifelt.
Jetzt komme ich, weil die Zeit abläuft, zu einer knappen letzten und zweiten Bemerkung. 67 Millionen globale Minderausgabe allein schon im Haushalt wäre eine eigene Erörterung wert. Dann kommen die 131 Millionen, dann kommen weitere 100 Millionen, also zusammen rund 300 Millionen Euro. Jetzt sagen Sie: Na gut, das kann man alles über Haushaltssperren machen. – Natürlich kann man das alles über Haushaltssperren machen. Sie zeigen, dass man es machen kann. Das ist aber nicht der Punkt. Der Punkt ist, wie viele Schritte Sie noch vor dem Hintergrund all dessen planen, was Sie in der Vergangenheit entschieden haben, um diesem Parlament systematisch, Schritt für Schritt, Teile seiner Zuständigkeit zu entziehen. Das ist die entscheidende Frage.
Wir werden darüber eine Debatte nach den Sommerferien führen müssen. Ich habe mir das einmal überschlägig aufgeschrieben: DIZ, LBB, LSV, Uniklinik, Forstbetriebe. – Wenn ich das alles zusammennehme, diese 500 Millionen und dann dazu jetzt diese 300 Millionen Euro, komme ich zu 800 Millionen Euro. Das sind 1,6 Milliarden DM überschlägig. Meine Damen und Herren, das ist weit mehr, als der Landeshaushalt Rheinland-Pfalz im Jahr durch nicht festgelegte Ausgaben überhaupt Verfügungsmasse und politischen Spielraum hat. Dann kann mir doch kein Ministerpräsident erklären,
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Sie haben an der Wortwahl nicht nur in der heutigen Sitzung, sondern auch in den zahlreichen Presseerklärungen eines merken können: Da war nicht nur von Fälschung, von Kriegserklärung, von Verhöhnung des Parlaments, jetzt zuletzt durch Herrn Kollegen Böhr, die Rede, sondern es gab auch böseste Mutmaßungen, wozu diese Landesregierung keine Kraft mehr hätte, was sie alles nicht mehr könnte, Verteilungskämpfe in der Koalition, keine Rückendeckung des Ministers durch den Ministerpräsidenten.