Protokoll der Sitzung vom 20.06.2002

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich denke, es ist gut, wenn wir uns noch einmal vergewissern, worüber wir heute hier überhaupt miteinander diskutieren. Herr Ramsauer, es geht hier heute nicht darum, der Landesregierung vorzuwerfen, dass es Haushaltsprobleme gibt. Das kann man bei anderer Gelegenheit tun. Hier geht es heute darum, wie die Landesregierung mit diesen großen Haushaltsproblemen umgeht. Der Umgang der Landesregierung mit diesen Haushaltsproblemen hat mich in den letzten Tagen etwas an den Schweizer Kabarettisten Emil erinnert, der einmal in einem seiner Stücke, das ich vor einiger Zeit hier im Mainzer Unterhaus gesehen habe, einem besorgten Anrufer, der gerade eine Zeitbombe gefunden hat, auf die Frage,

(Mertes, SPD: Ah! Tolles Stück!)

was er denn nun tun solle, geantwortet hat: Legen Sie doch ein Kissen drauf, damit Sie das Ticken nicht hören.

(Beifall der CDU – Dr. Schmitz, FDP: Und der lebt heute noch, der Emil!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, in diesem Sinn ist dieser kabarettistische Ratschlag in der rheinlandpfälzischen Haushaltspolitik längst Methode.

(Ministerpräsident Beck: Das war aber ein nasser Sack, Herr Kollege, nicht ein Kissen!)

Das hat die Rede des Fraktionsvorsitzenden Mertes deutlich gemacht. Das hat die Rede des Finanzministers hier deutlich gemacht. Über die Rede des Kollegen Ramsauer will ich mich nicht weiter einlassen.

Meine Damen und Herren, die Zeitbombe rheinlandpfälzischer Haushalt tickt immer lauter. Aber statt sie zu

entschärfen, wird ein Kissen nach dem anderen, wird ein Federbett nach dem anderen draufgestapelt, um die Öffentlichkeit, die Verbände und Kammern, die Sozialeinrichtungen und Schulen, die Kommunen und Hochschulen, die Bürgerinnen und Bürger, ja um das ganze Land über das wahre Ausmaß der Haushaltskatastrophe hinwegzutäuschen, meine sehr geehrten Damen und Herren!

(Beifall der CDU)

Statt in einem offenen parlamentarischen Verfahren – genannt Nachtragshaushalt – für die Öffentlichkeit nachvollziehbar unter Beteiligung der Institutionen und Verbände endlich einmal eine ehrliche Bestandsaufnahme zu machen,

(Pörksen, SPD: Nach den paar Wochen! Sie haben sie ja nicht alle! – Schwarz, SPD: Das ist unparlamentarisch!)

versucht die Landesregierung sich mit Verwaltungskunststückchen und Tricks über die Runden zu retten, und der Ministerpräsident intoniert dazu „Alles im Griff auf dem sinkenden Schiff“, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall der CDU)

Das geht dann folgendermaßen:

15. März: Zusammen mit dem Doppelhaushalt eine globale Minderausgabe beschlossen, 67 Millionen.

Eine Woche später: Bewirtschaftungsauflage 131 Millionen angekündigt.

Vier Wochen später, am 16. April: Erstens Auflösung der globalen Minderausgabe und zweitens Inkraftsetzen der Bewirtschaftungsauflage.

Fünf Wochen später, am 28. Mai: Umwandlung der Bewirtschaftungsauflage aus dem April in eine Haushaltssperre und zusätzliche Bewirtschaftungsauflage in Höhe von 100 Millionen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, da ist der eine Bewirtschaftungserlass im Ministerium noch nicht angekommen, da ist der andere schon wieder unterwegs. Das hat mit solider Haushaltspolitik nichts mehr zu tun. Das ist nur noch Hokuspokus.

(Beifall der CDU)

Wie das dann im Einzelfall konkret aussieht, haben wir heute Morgen in der nicht erfolgten Beantwortung der Mündlichen Anfrage durch den Minister Bauckhage erfahren, der hier nicht einmal in der Lage ist, darzustellen, wie denn die 6 Millionen von den 10 Millionen Ausgabenansatz aufgebracht werden sollen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, das weiß er bis heute nicht. Wie soll er es denn morgen oder übermorgen wissen?

(Beifall der CDU)

Wir reden hier nicht über kleine Beträge, die man so einmal aus der Portokasse zahlt, sondern wir reden hier über 300 Millionen Euro. 300 Millionen Euro sind bei vorsichtiger Schätzung 40 % der gestaltbaren Ausgaben, die in diesem Doppelhaushalt überhaupt noch zur Verfügung stehen. Da wollen Sie uns erklären, dass in diesem Doppelhaushalt, auf dem „Doppelhaushalt 2002/2003“ draufsteht, noch das drin ist, was wir im März beschlossen haben.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wollen Sie uns hier eigentlich für dumm verkaufen?

(Beifall der CDU)

Dann hat sich der Ministerpräsident zu Wort gemeldet. Ich denke, er wird gleich auch das wiederholen, was er gestern Abend beim Empfang der kommunalen Spitzenverbände verkündet hat, dass er an seinem Ziel festhält, im Jahr 2006 einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen.

Herr Ministerpräsident, unter einer einzigen Voraussetzung kann Ihnen das vielleicht gelingen. Die ist, dass die Union am 22. September die Bundestagswahl gewinnt und es mit der Wirtschaft in Deutschland wieder aufwärts geht.

(Starker Beifall der CDU – Pörksen, SPD: Warum klatscht ihr denn nicht bei den GRÜNEN? – Hartloff, SPD: Er hat zum Schluss die Kurve nicht gekriegt!)

Für die FDP-Fraktion hat Herr Abgeordneter Kuhn das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Zunächst einmal zu den Zweifeln an dem Erfolg, was das Umsetzen der Einsparmaßnahmen anbelangt: Wir werden uns am Ende des Jahres sprechen, und dann garantiere ich Ihnen, dass die Einsparungsziele erreicht worden sind. Sie haben keinen Anlass, im Augenblick daran zu zweifeln.

(Beifall der FDP und des Abg. Hartloff, SPD – Zuruf des Abg. Billen, CDU)

Meine Damen und Herren, weil es mich zum Abschluss dieser Debatte sehr bewegt, möchte ich Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, weil mich dieses Stück Selbs tüberhöhung – ich habe den Begriff eben bewusst gebraucht – der GRÜNEN doch ärgert, auf Absatz 4 der Begründung des Antrags der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN verweisen. Er beginnt: „In der Wissenschaft wird die Auffassung vertreten, dass ein Nachtrag erforderlich ist, wenn“ usw. Das können Sie nachlesen.

Meine Damen und Herren, in diesem Abschnitt wird versucht, wissenschaftlich zu belegen, dass ein Nach

tragshaushalt notwendig und das Verhalten der Landesregierung unrechtmäßig ist.

Meine Damen und Herren, aber Sie sollten sich einmal die Mühe machen – – –

(Frau Thomas, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das ist perfide!)

Frau Thomas, warten Sie einmal ab. Sie wissen noch nicht, wie Sie da hineingefallen sind, oder Sie wissen es, und dann haben Sie uns getäuscht. Dann wäre es noch schlimmer.

Meine Damen und Herren, sie bezieht sich – hören Sie einmal einen Augenblick konzentriert zu – auf eine Kommentierung von Mahrenholz – ich bitte nachzulesen –, nachdem die Pflicht zur Vorlage eines Nachtragshaushalts entstehe, um die Ermächtigung zur Aufnahme von Krediten zu erwirken. Das ist der erste Punkt.

Kein Mensch in diesem Land – weder die Landesregierung noch die beiden sie tragenden Fraktionen – will neue Kredite aufnehmen. Das ist schon einmal Humbug. Da brauchen Sie auch niemanden zu zitieren. Wir reden ausschließlich über Ausgabenkürzungen.

Es wird immer spannender. Ferner verweisen Sie auf eine weitere Kommentierung von Patzig, mit der Sie begründen wollen, dass ein Nachtragshaushalt erforderlich ist, wenn durch wesentliches Zurückbleiben der Einnahmen das Haushaltsgewicht gefährdet sei. Da hören Sie auf. Also suggerieren Sie uns, jetzt müssen wir aber ran. Die Wissenschaft hat belegt, oder es ist in der Wissenschaft belegbar – im Kommentar steht dies drin –, also müssen wir es tun. Aber – jetzt kommt es – Sie haben möglicherweise nicht weitergelesen? Variante eins. (Pörksen, SPD: Extra nicht!)

Variante zwei: Sie haben weitergelesen und täuschen uns.

Meine Damen und Herren, Sie können sich aussuchen, welche Variante Sie bevorzugen. Ich sage es Ihnen.

1. Die von Ihnen zitierte Kommentierung bezieht sich auf die längst überholte Reichshaushaltsordnung und nicht auf die Bundeshaushaltsordnung.

2. Selbst in der Reichshaushaltsordnung war auch nach der von Ihnen zitierten Kommentierung die Frage eines Nachtragshaushalts nicht die Regel. Dies ist immer noch politische Auffassung. Das Entscheidende ist, wenn Sie weiterlesen, dann wird in der von Ihnen genannten Kommentierung ausdrücklich darauf hingewiesen – ich habe den Beleg dabei –, dass kein Nachtragshaushalt zur Sicherung des Haushaltsausgleichs notwendig ist, nachdem das Instrument der hauswirtschaftlichen Sperre eingeführt wurde, das heißt, Reichshaushaltsordnung – – –

(Dr. Braun, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Es reicht!)

Moment einmal. 1959.

Diese Möglichkeit – ein Zitat, das Sie nicht vorgelesen haben – kannte nämlich die von Ihnen aus den Archiven gezerrte – – –

(Zuruf des Abg. Dr. Weiland, CDU)