Protokoll der Sitzung vom 29.08.2002

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die SPD-Fraktion geht davon aus, dass noch im Jahr 2002 die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe vorliegt und im Januar 2003 ein Gesetz in Kraft tritt, das garantiert, dass nach wie vor Artikel 16 Abs. 2 Satz 2 des Grundgesetzes Anwendung findet, politisch Verfolgte genießen Asylrecht.

Von Bedeutung im Bericht sind die Eingaben aus dem Strafvollzug, die teilweise durch die hohen Belegungszahlen und die baulichen Gegebenheiten bedingt sind. Mit der Fertigstellung der neuen Justizvollzugsanstalt Rohrbach und dem vorgesehenen Neubau der Justizvollzugsanstalt Wittlich hoffen wir, dass die menschenwürdige Unterbringung in den Justizvollzugsanstalten weiterhin gewährleistet ist und die Eingaben abnehmen.

Emissionen sind ein ständiges Thema in den Berichten der Bürgerbeauftragten. Neu wird im Jahresbericht 2001 erstmals die Thematik der Mobilfunksendemasten ausführlich dargestellt. Wir haben im Plenum diese Them atik gestern behandelt und machen auch so deutlich, dass wir die Ängste – ob begründet oder nicht – aufnehmen und Lösungen anstreben, die ein angstfreies Wohnen in Gemeinden möglich machen.

Wenn wir uns im Bericht die vorgestellten Einzelfälle anschauen, so sehen wir zum Teil, dass das Eigeninteresse der Petenten vor dem Gemeinwohl gesehen wird, dass, wenn es zum Beispiel um Stadtführungen geht, man sich dadurch belästigt fühlt, anstatt erfreut zu sein, dass Gäste den Wohnort kennen lernen wollen. Wir müssen aufpassen, dass das Miteinander in unserem Land obenan steht.

Immer wichtiger ist die grenzüberschreitende Zusammenarbeit, so in der Großregion. Hier ist die Vernetzung der Bürgerbeauftragten zu vertiefen. Gerade im Bereich der Wirtschaftsbeziehungen, der Arbeitsplätze und Fragen der Sozialversicherung ist eine engere Zusammenarbeit notwendig.

Probleme bei der Anerkennung von Prüfungen sind in der EU einheitlich zu lösen. Die gelegentliche Diskrim inierung von Inländern, wenn sie in anderen EU-Ländern Prüfungen ablegen, ist unerträglich. Mit Recht weist der

Bericht des Bürgerbeauftragten auf die immer größere Bedeutung der Europäischen Union hin, die in der Charta der Grundrechte der EU in Artikel 43 die Bedeutung von Bürgerbeauftragten unterstreicht.

2001 haben mehrere Bürgerbeauftragte deutscher Bundesländer eine Arbeitsgemeinschaft gegründet, deren Sprecher Ullrich Galle ist. Auch das ist ein Beleg für die Anerkennung des bundesweiten Modells RheinlandPfalz.

Heute hat das Parlament auch Gelegenheit, Dank gegenüber dem Bürgerbeauftragten und seinem Team zu sagen, die den Petitionsausschuss im Rahmen der gemeinsamen Arbeit wesentlich unterstützt haben. Die Arbeit im Ausschuss war mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Landtagsverwaltung und interfraktionell im Interesse der Bürgerinnen und Bürger positiv.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, abschließend stelle ich fest, die Tätigkeit des Bürgerbeauftragten war auch 2001 erfolgreich, unerlässlich und ein Bindeglied von Bürgerinnen und Bürgern zum Landtag, im wahrsten Sinn des Wortes bürgernah.

Vielen Dank.

(Beifall der SPD, der FDP und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat Herr Abgeordneter Marz das Wort.

(Staatsminister Zuber: Mit Zylinder! - Frau Grützmacher, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ist das erlaubt?)

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir zunächst, dass ich mich noch einmal von dieser Stelle aus ganz herzlich beim Kollegen Ernst für das nette und nützliche Geschenk bedanke – das habe ich noch gebraucht –, wenngleich es auch dazu geführt hat, dass meine Fraktionsvorsitzende spontan einige Repräsentationstermine entdeckt hat, die nun gleich für mich infrage kommen sollen. Erschwerend kommt hinzu – das wissen Sie –, leider kann ich Ihnen wegen der Verschwiegenheitspflicht im Petitionsausschuss dazu nicht mehr verraten, nur so viel, das Geschenk zeigt, wie nah wir manchmal an den Problemen und an den Menschen und auch an bestimmten Berufsgruppen dran sind, mit denen wir uns beschäftigen. Wenn ich die Signale des Bürgerbeauftragten richtig deute, werde ich sehr bald diese Kopfbedeckung zum Einsatz bringen können.

(Frau Grützmacher, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: We „kehr“ for you)

Ja, in Berlin.

Wenn ich sage, wie direkt und nah wir an den Problemen der Menschen dran sind, dann meine ich damit, dass es kaum politische Betätigungsbereiche gibt, in denen man wirklich so direkt mit Einzelschicksalen konfrontiert ist wie durchgängig im Petitionsausschuss.

Ich will einmal eine Lanze für die Bürgerinnen und Bürger brechen, die hier ganz selbstverständlich ihre dem okratischen Rechte und Beteiligungsmöglichkeiten wahrnehmen.

(Vereinzelt Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Bei all dem Gerede über Politikverdrossenheit und so weiter sollte man auch einmal hervorheben, wie viele Menschen ihre Beteiligungsrechte ganz selbstverständlich und ganz ernsthaft auch wahrnehmen.

Ich sprach von besonderen Schicksalen, aber an diesen besonderen Schicksalen manifestiert sich eines: Wie wirken unsere Gesetze, wie wirken unsere Verordnungen, wie wirkt unser Staat insgesamt? – Von daher ist der Petitionsausschuss und das Institut des Bürgerbeauftragten auch ein Institut der Gesetzesfolgenabschätzung.

Ich muss dem Kollegen Ernst leider in der Einschätzung etwas widersprechen, dass es uns darum gehen müsse, die Zahl der Eingaben sozusagen zu reduzieren. Vielleicht habe ich Sie auch falsch verstanden. Ich glaube, das kann nicht unsere Aufgabe sein. Unsere Aufgabe ist natürlich, die Eingaben entgegenzunehmen und zu bearbeiten. Die Aufgabe der Behörden, des Staates ist es, die Zahl der Eingaben nach unten zu drücken, indem das Verhalten und die Gesetze so werden, dass die Bürgerinnen und Bürger möglichst zufrieden werden. Wir im Petitionsausschuss und der Bürgerbeauftragte müssen sozusagen das bearbeiten – häufig als letzte Instanz –, was niemand anders mehr bearbeiten kann.

Es wurde schon eine Reihe von Beispielen genannt. Lassen Sie mich einen Bereich in diesem Zusammenhang erwähnen, was im Bericht des Bürgerbeauftragten unter dem Thema „Ausländerwesen und Staatsbürgerschaftsrecht“ aufgelistet ist. Hier verbergen sich – ohne die anderen Dinge schmälern zu wollen – tatsächlich Einzelschicksale, manchmal sehr dramatische Einzelschicksale. Manchmal muss man zumindest den Eindruck haben – manchmal erweist es sich auch –, dass es da um Leib und Leben der Beteiligten geht. Da wird sehr persönlich spürbar, welche Verantwortung wir tragen.

Wir müssen immer wieder darauf hinweisen, dass auch der Petitionsausschuss und der Bürgerbeauftragte selbstverständlich nur im Rahmen bestehender geltender Gesetze handeln können. Leider gibt es immer noch häufig das Missverständnis, als könnten wir uns sozusagen über bestehende Gesetze hinwegsetzen. Das können wir nicht. Es fällt manchmal schwer. Das sage ich auch an dieser Stelle. Wir müssen jenseits jeden politischen Streits, den wir über einzelne Regelungen, beispielsweise in dem angeführten Ausländerrecht und im Flüchtlingsrecht, haben, entscheiden und uns an gesetzliche Regelungen halten, auch wenn wir sie nicht für

richtig halten, auch wenn wir im politischen Raum dafür kämpfen, dass sie geändert werden.

Um das einmal deutlich zu machen, will ich einmal aufzeigen, wie absurd manchmal geltende Regelungen auch daherkommen. Ich glaube, egal aus welcher politischen Kaste wir kommen, geht es uns manchmal allen so – auch im Ausländerrecht –, dass wir das für absurd halten. Da reist eine Familie vor knapp 10 Jahren in die Bundesrepublik ein und stellt Asylanträge. Alles wird abgelehnt. Es gibt inzwischen so genannte Altfallregelungen mit Fristen, die besagen, wenn die bis zu einem bestimmten Tag eingereist sind, können sie einen ges icherteren Aufenthaltsstatus bekommen. Nun stellt sich heraus – denn diese Altfallregelungen sind natürlich später erlassen worden –, sie haben diese Frist um vier Wochen, sechs Wochen oder drei Tage versäumt. Dann sagt das geltende Recht, dass diese Menschen gehen müssen. Wenn wir Frist hören, dann meinen wir Fristen, wie man sie vielleicht beim Finanzamt bei Widerspruchsbescheiden und so weiter versäumen kann. Aber da hat man selbst die Gewalt darüber. Man kennt die Frist und weiß, wie man sie einhalten kann und wie man sie versäumen kann. Diese Menschen kenne die Fristen nicht, weil sie erst im Nachhinein erlassen werden.

Für solche Fälle ist es notwendig, dass wir auch nicht jenseits der Gesetze handeln, aber dass die Gesetze nicht nur herzlos und hart angewendet werden, sondern dass wir über Härtefallklauseln und Härtefallkommissionen auch abweichend entscheiden können.

Herr Bürgerbeauftragter, ich habe sehr fein wahrgenommen, dass Sie sich im Bericht dafür einsetzen, dass die im Rahmen der Zuwanderungsgesetzgebung vorgesehenen Härtefallklauseln auch tatsächlich umgesetzt werden. Das bringt nicht nur uns Entspannung im Petitionsausschuss möglicherweise, es bringt vielleicht andere Aufgaben, es bringt aber auch mehr Gerechtigkeit und mehr Menschlichkeit in die Frage, wie wir mit Menschen umgehen, die als Flüchtlinge oder Kriegsflüchtlinge aus anderen Ländern zu uns gekommen sind.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ein Zweites zum Thema Zuwanderungsgesetz. Wir bekommen sehr viele Eingaben, die sehr ähnlich klingen. Aber sie sind nicht von denselben Leuten geschrieben, sondern sie behandeln ähnliche Sachverhalte. Die Leute schreiben uns, es soll jemand abgeschoben werden, der seit vielen Jahren bei uns wohnt und voll integriert ist. Nun soll er abgeschoben werden, weil er Fristen nicht einhalten kann und bestimmte andere Voraussetzungen nicht vorhanden sind. Er arbeitet, verdient seinen Lebensunterhalt selbst. Er spricht die Sprache. Er ist seit langer Zeit hier. Ganze Dorfgemeinschaften und Kirchengemeinden setzen sich für solche Leute ein. Der Integrationsstatus ist zweifelsohne erreicht.

Wenn ich mir den politischen Streit um Zuwanderung anschaue, nicht nur bei uns, sondern auch in Deutschland, dann ist ein Punkt doch relativ unstrittig, nämlich dass Menschen, die zu uns kommen und bei uns bleiben wollen, integriert werden müssen und integriert werden sollen und wir hierfür Anstrengungen unternehmen.

Ohne dass wir nun großartige Anstrengungen unternommen haben, weil das Zuwanderungsgesetz mit seinen Folgegesetzen noch nicht in Kraft getreten ist, gibt es Menschen, die sich integriert haben. Das wird niemand bestreiten. Trotzdem sollen sie gehen. Auch daran sehen wir, dass diese Gesetze dringend geändert werden mussten und müssen, um sie der Realität anzupassen und den Vorgaben einer humanistischen Politik, einer menschlichen Politik zu folgen. Das war dringend notwendig.

Ich hoffe, dass dieses Gesetz nicht nur im Interesse der Arbeit im Petitionsausschuss und des Bürgerbeauftragten, sondern auch im Interesse der betroffenen Menschen und von uns allen in dieser Gesellschaft Anfang des nächsten Jahres in Kraft treten kann.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Sie haben es von den Vorrednern gehört. Man kann sich Beispiele aus vielen Bereichen herausgreifen. Ich habe dieses Beispiel bewusst gewählt, weil es mir sozusagen auf den Nägeln brennt.

Bevor meine Redezeit abläuft möchte ich aber nicht versäumen, für mich und für meine Fraktion dem Bürgerbeauftragten für die gute Zusammenarbeit zu danken, auch den Kolleginnen und Kollegen des Petitionsausschusses – Herr Kollege Ernst hat aufgezeigt, wie kollegial die Zusammenarbeit ist –, natürlich den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Landtagsverwaltung und des Büros des Bürgerbeauftragten.

Ich danke Ihnen.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei SPD und FDP und vereinzelt bei der CDU)

Ich erteile Herrn Abgeordneten Dr. Schmitz das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Auch im Namen unserer Fraktion schließe ich mich dem bereits artikulierten Dank an den Bürgerbeauftragten und sein Büro an.

Ich muss sagen als jemand, der zum ersten Mal seit einem guten Jahr dem Petitionsausschuss angehört, es gibt zwei Bereiche, die ich besonders erwähnen möchte: eine hohe Professionalität und eine hohe Sensibilität.

Der Respekt vor der Institution „Der Bürgerbeauftragte“ gebietet nach meinem Dafürhalten, dass ich als Lumpensammler die Redezeit von zehn Minuten nicht noch einmal ausnutze, um im Sinn des Vierten leeres Stroh zu dreschen.

Ich möchte mich auf einen Punkt, besser auf zwei Punkte konzentrieren, die mir besonders wichtig sind.

Zum Stichpunkt „hohe Sensibilität“: Ich finde es hervorragend, dass der Ausschuss über alle Parteiunterschiede hinaus gerade im Bereich des Ausländerwesens zeigt, dass er einerseits nicht gewillt ist, sich bei denjenigen, bei denen offensichtlich das Petitionsrecht als Teil juristischer Spitzfindigkeiten und Tricksereien genutzt wird, um individuelle Vorteile zu erzielen, darauf einzulassen. Das finde ich hervorragend. Der Ausschuss ist da wirklich konsequent.

Auf der anderen Seite – dies ist Ausdruck der Sensibilität – finde ich es hervorragend, dass der gleiche Ausschuss – wie Herr Kollege Marz dies gesagt hat – in Fällen offensichtlicher Härten und nicht nachvollziehbarer Stichtagsregelungen, dass eine Familie, bei der alles stimmt und wo nachher 24 Stunden zu früh oder zu spät den Ausschlag geben sollen, diese Menschen nach fünfzehn Jahren mit Sack und Pack nach „Was-weiß-ichwohin“ zurückgeschickt werden, Nein sagt und in diesem Fall anders entscheidet. Das finde ich hervorragend. Das ist auch der Weg, den wir weiter beschreiten sollten.

Ich glaube, die erwarteten Härtefallregelungen werden dem Petitionsausschuss auch neue Spielräume eröffnen.

Meine Damen und Herren, ein zweiter Punkt betrifft die Frage – Herr Kollege Ernst hat es aufgeworfen – nach der Effizienz dieser Einrichtung. Der Bürgerbeauftragte achtet selbst sehr darauf – dies weiß ich –, aber wir müssen aufpassen, dass aus der Institution des Bürgerbeauftragten kein „Querulantenbeauftragter“ wird.

Der Ausschuss nimmt seine Arbeit ernst, geht genau darauf ein und sorgt dafür, dass Petenten ihr Recht bekommen, ernst genommen werden und man sich um diese einzelnen Fälle individuell kümmert. Aber man kann den Ausschuss nicht missbrauchen, um für irreale Forderungen, für die es keine Grundlagen gibt, dann noch einmal eine neue Instanz zu suchen. Damit würde man dieses Bürgerrecht aushöhlen. Das kann nicht in unserem Sinn sein.