Protokoll der Sitzung vom 26.09.2002

Wer bei uns eine Funktionsstelle antritt, muss dies oft unvorbereitet tun. Sehen Sie sich einmal an, wie das Baden-Württemberg macht. Dort gibt es Kurse für Interessenten.

(Frau Brede-Hoffmann, SPD: Bei uns auch!)

Die Politik ist gefordert. Es ist höchste Zeit, dass diese Landesregierung handelt. Tun Sie endlich einmal etwas!

Frau Ministerin, Sie haben die Fragen völlig emotionslos beantwortet. Man hat gemerkt, dass sie dieses Problem überhaupt nicht interessiert.

(Beifall der CDU)

Es spricht Frau Abgeordnete Brede-Hoffmann.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Sehr verehrter Herr Kollege Keller, auch ich werde nicht mit Tränen in den Augen meine Emotionen zum Ausdruck bringen. Trotzdem möchte ich Ihnen deutlich sagen, dass auch wir es bedauern, dass es oft sehr schwierig ist, qualifizierte Schulleiterinnen und Schulleiter auf Stellen zu bekommen. Sie haben in Ihrer Rede gesagt – ich nehme an, Sie haben es wieder einmal nicht so gemeint –, dass viele der Kolleginnen und Kollegen, die zu Schulleiterinnen und Schulleitern ernannt werden, dafür nicht qualifiziert seien.

(Mertes, SPD: Weisen wir zurück!)

Dies war – Herr Präsident, ich bitte das zu entschuldigen – eine Unverschämtheit.

(Beifall der SPD)

Herr Kollege Keller, zunächst einmal sprechen wir, wie an so vielen Punkten, über ein Problem, das kein spezifisch rheinland-pfälzisches Problem ist. Bundesweit kämpfen die Verwaltungen, aber auch die Schulen darum, eine adäquate Besetzung ihrer Schulleiterstellen zu bekommen, im Besonderen – Sie haben es gesagt; die Ausführungen von Frau Ministerin Ahnen haben es auch deutlich gemacht – im Grund- und Hauptschulbereich. Nun wollen wir gleich einmal in die soziologische Struktur dieser Schulen gehen und ein Thema, das wir hier schon oft diskutiert haben, mit aufgreifen. Diese Schulen sind mit einem ganz überwiegenden Anteil von Frauen besetzt. Lehrerinnen sind an Grund- und Hauptschulen zahlenmäßig stark vertreten. Die Übernahme einer Schulleiterinnenstelle stellt eine besondere zeitliche Anforderung. Viele dieser, Gott sei Dank, jungen Frauen in diesen Schulen trauen sich diese Aufgabe aufgrund des persönlichen Familienzuschnitts und der Lebensplanung und Belastung, die diese Aufgabe mit in die Fam ilie hineinbringt, überhaupt nicht zu.

Ich möchte Frau Ministerin Ahnen und ihrem Ministerium zunächst einmal ein Riesenkompliment und ein Dankeschön zum Ausdruck bringen

(Beifall bei SPD und FDP)

für die Übernahme der Verantwortung – sprich des Mutes –, das Modell „Führen in Teilzeit“ an diesem Punkt einzubringen. Dies ist eine der adäquatesten Antworten für die jungen Lehrerinnen, sich zuzutrauen, eine solche Aufgabe zu übernehmen. Das kann natürlich nicht von heute auf morgen greifen, genau wie das riesengroße Bündel von Angeboten für Aus- und Weiterbildung von Lehrerinnen und Lehrern, um die Aufgabe von Schulleitung zu übernehmen. Diese Maßnahmen, diese Angebote sind erst in den letzten Jahren als Antwort auf die Reaktion entwickelt worden.

Herr Kollege Keller, wo ist das Maßnahmenbündel, das 1991 in diesem Bundesland für die Qualifikation von Lehrkräften für die Aufgabe von Schulleiteraufgaben vorzufinden war. Damals gab es überhaupt nichts. Diese Landesregierung hat mit der Aufgabe angefangen, Führungskollegs zu machen, einen berufsbegleitenden Studiengang einzuführen. Dies musste überhaupt erst entwickelt werden. Wie die Ausbildung von Lehrkräften, so benötigt auch die Ausbildung von künftigen Schulleiterinnen und Schulleitern seine Zeit. Es wird in den nächsten Jahren Früchte tragen, für junge Frauen in Teilzeit diese Aufgabe zu übernehmen, die Qualifizierung von Lehrkräften hin zu diesen Aufgaben.

Noch ein ganz kleines Thema: Je länger und je mehr von Ihnen an dieser Stelle die Aufgabe und die Arbeit in Schulen schwarz- und schlechtgeredet wird, je häufiger wir hören, dass Lehrkräfte gar nicht geeignet wären, um die Aufgaben zu übernehmen, desto weniger wird an den Schulen auch Lust und Laune dafür sein, sich dieser Aufgabe zu stellen. Das möchte ich Ihnen einmal ganz klar und deutlich sagen.

(Beifall bei der SPD)

Zu der von Ihnen vorhin in Zusatzfragen thematisierten Frage, mehr Verantwortung, mehr Aufgaben: Ist das eigentlich nicht viel zu viel für diese jungen Lehrerinnen und Lehrer, Schulleitungsaufgaben zu übernehmen? – Ganz klipp und klar gesagt: Wir unterstützen das Bem ühen der Landesregierung, mehr und mehr Eigenverantwortung an die Schulen zu geben, auch weil wir wissen, dass dieses Mehr und Mehr an Eigenverantwortung ein Mehr an Befriedigung durch die Arbeit für Schulleitungen ist, (Lelle, CDU: Es muss auch mehr Konsequenzen haben!)

es zufriedenstellender ist, Verantwortung zu übernehmen und sie auch dann hinterher mit guter Arbeit darzustellen.

(Ministerpräsident Beck: Die können nur mehr Ausgaben fordern!)

Es ist besser, eine Führungsaufgabe mit Verantwortung zu haben, als eine Führungsaufgabe ohne Verantwortung. Deswegen sind wir auch an dieser Stelle der Landesregierung für ihre entschiedene Haltung dankbar, Schulen mehr und mehr und qualifiziertere Verantwortung zu übertragen.

Danke schön.

(Beifall bei SPD und FDP)

Es spricht nun Herr Abgeordneter Wiechmann.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wie es der Zufall so will, habe ich gerade vorgestern eine Antwort

der Landesregierung auf meine Kleine Anfrage zum Thema „Stellenbesetzungen an der IGS in Ingelheim“ zurückbekommen. Hier wird beispielhaft demonstriert, welche Probleme bei der Besetzung von Schulleitungsund Funktionsstellen an den Schulen in Rheinland-Pfalz bestehen. Es gelingt – auch aus Verfahrensmängeln heraus – sage und schreibe vier Jahre lang nicht, die Stelle einer didaktischen Koordinatorin wieder zu besetzen. Vier Jahre lang ist die Stelle vakant. Vier Jahre müssen die übrigen Schulleitungsmitglieder die Aufgaben mit übernehmen.

(Lelle, CDU: Das ist normal!)

Ich habe aus Erfahrung und aus persönlichen Gesprächen mitbekommen, dass dies nach Aussage der Elternvertretung an dieser IGS zu erheblichen Überbelastungen, insbesondere im Schulleitungsbereich, und auch zu gesundheitlichen Folgen geführt hat, meine Damen und Herren. Wer dermaßen mit seinem Führungspersonal umgeht, der darf sich wahrhaftig nicht wundern, dass es immer weniger Lehrerinnen und Lehrer gibt, die sich dazu bereit erklären, an einer Schule eine Funktionsoder eine Schulleiterstelle zu übernehmen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und CDU)

Auf meine entsprechende Frage in der Kleinen Anfrage musste das Bildungsministerium generell einräumen, dass es keinen Überblick darüber hat, wie oft und insbesondere wie lange Funktions- und Schulleitungsstellen an den Schulen nicht besetzt sind; auch Durchschnittswerte werden vom Bildungsministerium nicht erhoben. Ich habe so ein bisschen das Gefühl, man verfährt nach dem Motto „Das Problem ist nicht statistisch erhoben, also ist das Problem auch nicht vorhanden“.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Frau Brede-Hoffmann, in diesem Zusammenhang reden Sie dann immer noch vom Prinzip Hoffnung, das werde in den nächsten Jahren schon wieder klappen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt bei der CDU – Zuruf der Abg. Frau Brede-Hoffmann, SPD)

Das ist zu wenig. Das reicht nicht aus. Sie werden Ihrer Verantwortung für die Schülerinnen und Schüler in Rheinland-Pfalz nicht gerecht.

Dabei zeichnet sich das Problem „Vakanzen“ und Besetzung von Funktions- und Schulleiterstellen schon seit Jahren ab. Man muss auch dazu sagen: Das ist überhaupt keine Überraschung; denn erstens sind im Zuge der Sparmaßnahmen der beiden vergangenen Legislaturperioden auch die Arbeitsbedingungen der Schulleitung verschlechtert worden. Das hat Herr Keller auch schon angesprochen. Darüber hinaus – das ist für uns viel bedeutsamer – hat sich das Aufgabenspektrum sowohl in pädagogisch-didaktischer Führung des Lehrerinnenkollegiums, beispielsweise mit der Aufgabe, ein Qualitätsprogramm zu entwickeln, als auch im Hinblick auf andere zusätzliche Aufgaben, beispielsweise die

Aufgabe, Lehr- und Vertretungskräfte zu suchen oder Ganztagsangebote zu organisieren, erheblich erweitert. Es wird auch zunehmend komplexer und schwieriger.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, man stelle sich einmal vor, dass größte Unternehmen in Rheinland-Pfalz – nach der Zahl der Beschäftigten gerechnet – mit 40.000 Beschäftigten motiviert, sucht und fördert so wenig systematisch den Nachwuchs auf der mittleren Managementebene. Meine sehr verehrten Damen und Herren von der FDP, das müsste Ihnen durchaus zu denken geben.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es bleibt ganz wesentlich der Eigeninitiative der Beschäftigten, hier der Lehrerinnen und Lehrer, überlassen, (Zurufe von der SPD und der FDP)

sich auf eine Funktions- und Schulleitungsstelle vorzubereiten, sich in diesem Bereich fort- und weiterzubilden. Die Verantwortung für diese Situation an den Schulen tragen Sie, verehrte Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir kennen das alle an den Grundschulen in Rheinland-Pfalz, wenn man sich die Kollegien anschaut. Oftmals gibt es in diesen Kollegien einen Mann und ganz viele Frauen. Der Mann ist dann immer auch noch der Schulleiter. Liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Ministerin, deshalb möchte ich hier einmal eine Anregung geben. Niedersachsen hat beispielsweise einen Weg aufgezeigt, damals noch unter Rotgrün – das möchte ich dazu sagen –, gerade Lehrerinnen an Grundschulen offensiv anzusprechen, an speziell motivierenden Seminaren nur für Frauen teilzunehmen und sich dort unverbindlich auf Schulleitungsaufgaben vorzubereiten.

(Glocke des Präsidenten – Zuruf von der SPD)

Nein, das macht das Ministerium in der Form, in der es nötig wäre, nicht.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das wäre aktive Frauenförderung.

Herr Präsident, ich komme zum Schluss. Frau Ministerin Ahnen, gerade das sollte für Sie ein Anliegen sein, mit geeigneten Maßnahmen, insbesondere motivierte Frauen zu erreichen – das ist durchaus aufwändig –, die Frauen freizustellen und zu unterstützen, Leitungsaufgaben zu übernehmen.

Danke schön.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es spricht Frau Abgeordnete Morsblech.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst einmal möchte ich der Ministerin herzlich für die qualifizierte Informationsgrundlage danken, die sie uns im Rahmen der Mündlichen Anfrage geliefert hat.