Protokoll der Sitzung vom 26.09.2002

Sie sollten besser, wie Frau Thomas dies gesagt hat, unmittelbar handeln. Sorgen Sie dafür, dass im Einnahmenbereich die Rahmenbedingungen für die Einnahmen, in dem Rahmen und mit den Möglichkeiten, die ein Land hat, besser werden und die Ausgaben den Einnahmen sobald als möglich angepasst werden. Dann würden Sie verantwortlich handeln. Das tun Sie bisher nicht.

(Beifall der CDU)

Meine Damen und Herren, es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Ich schließe die Aussprache.

Wir treten in die Mittagspause ein und setzen unsere Beratung um 13:00 Uhr fort.

U n t e r b r e c h u n g d e r S i t z u n g: 11:58 Uhr.

W i e d e r b e g i n n d e r S i t z u n g: 13:01 Uhr

Meine Damen und Herren, wir setzen die Sitzung fort und kommen zur

AKTUELLEN STUNDE

„Auswirkungen der geplanten Richtlinie der EU zum Emissionshandel auf die Arbeitsplätze in Rheinland-Pfalz“ auf Antrag der Fraktion der FDP – Drucksache 14/1431 –

Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat Herr Kollege Creutzmann.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! In ihrer Ausgabe vom 17. September 2002 hat die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ einen Bericht mit der Überschrift betitelt: „Schröder kann EU-Emissionshandel nicht aufhalten“. Der Artikel beginnt folgendermaßen: „Trotz des Widerstandes von Bundeskanzler Gerhard Schröder rückt ein EU-Beschluss über den Handel mit Emissionsrechten näher.“ Was bedeutet das für die rheinlandpfälzische Wirtschaft? Welche Auswirkungen hat die geplante EU-Richtlinie auf die Arbeitsplätze in Rheinland-Pfalz?

Um jedem Missverständnis vorzubeugen, erkläre ich für die FDP-Fraktion zu Beginn meiner Ausführungen: Die FDP-Fraktion unterstützt nachhaltig die im Protokoll von Kyoto festgelegten Klimaschutzziele.

(Beifall der Abg. Frau Grützmacher, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie hält den Handel mit Emissionszertifikaten grundsätzlich für ein marktwirtschaftliches Instrument. Jedoch muss der Handel mit Emissionszertifikaten auf Staatenebene, aber nicht auf Unternehmens ebene erfolgen.

(Vereinzelt Beifall bei FDP und SPD)

Deshalb unterstützt die FDP-Fraktion mit Nachdruck die in der Koalitionsvereinbarung vom 28. April 2001 fes tgelegte Formulierung. Ich zitiere: „Der Klimaschutz ist eine der großen Herausforderungen der nächsten Jahrzehnte. Rheinland-Pfalz wird seinen Beitrag zur Umsetzung der im Jahr 1997 auf der Weltklimakonferenz in Kyoto vereinbarten Klimaschutzziele leisten. Der wichtigste Beitrag zum Klimaschutz ist die Verringerung der C02-Emissionen. Hilfreich sind dabei Kooperationsprojekte mit Unternehmen, Gewerkschaften und Partnern. Der Emmissionshandel soll, sofern er zugelassen wird, nicht auf Unternehmensebene, sondern auf Staatsebene erfolgen.“

Das ist nach wie vor unsere Auffassung. Mit der Erfüllung dieser Forderung würde die Bundesrepublik Deutschland die im Kyoto-Protokoll vorgesehenen Ver

pflichtungen erfüllen, ohne dass dadurch Emissionsverlagerungen außerhalb Europas durch deutsche Unternehmen stattfinden müssten. Ein verbindlicher Emissionshandel auf Unternehmensebene führt jedoch dazu, dass es in Deutschland langfristig einen massiven Arbeitsplatzabbau geben wird.

Lassen Sie mich das am Beispiel der Kalkindustrie erläutern. Kalk ist ein Produkt, das durch chemische Umwandlung, nämlich durch das Brennen von Kalkstein, hergestellt wird. Bei diesem Prozess muss C02 abgetrennt werden. Um die CO2-Belastung so gering wie möglich zu halten, investiert die deutsche Kalkindustrie seit Jahren in effiziente und umweltschonende Brennverfahren. Dadurch konnten in den vergangenen zehn Jahren die CO2-Emissionen um rund 12 % reduziert werden.

Durch den Emissionshandel jedoch könnten sich die Produktionskosten bei durchschnittlich 1,2 Tonnen C02 pro Tonne Kalk und bei 30 Euro pro Tonne CO2 um bis zu 36 Euro je Tonne Kalk erhöhen. Dies würde eine Kostenerhöhung von rund 60 % bedeuten, was sicherlich am Markt nicht durchgesetzt werden könnte.

Die Einführung eines Systems des TreibhausgasEmissionshandels auf Unternehmensebene würde nach Auffassung des Bundesverbands der Deutschen Kalkindustrie den Bestand eines ganzen Industriezweigs mit Tausenden von Arbeitsplätzen in Deutschland gefährden. Viele dieser Arbeitsplätze liegen in Rheinland-Pfalz. Wir haben in Rheinland-Pfalz acht Kalkwerke. Zum Vergleich: In der Schweiz gibt es zwei und in Österreich vier Kalkwerke.

Wenn die Kalkherstellung in Deutschland durch die Bedingungen des Emissionshandels unwirtschaftlich wird, muss Kalk aus anderen C02-handelsfreien Ländern importiert werden. Die C02-Emissionen werden dadurch nicht verringert. Das Gegenteil würde eintreten, weil die Transportwege erheblich länger und damit der durch den Verkehr bedingte C02-Ausstoß zusätzlich zunehmen würde.

(Dr. Braun, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Eben!)

Außerdem sind die Emissionen der deutschen Kalkindustrie durch die optimierte Brenntechnik niedriger als in vielen anderen Ländern, von denen wir dieses importieren müssten.

Zur entgeltlichen Vergabe von Zertifikaten durch die Staaten ist Folgendes hinzuzufügen: Investitionen bedeuten unternehmerisches Risiko. Bei Industrieanlagen, die oft über 15 Jahre im Einsatz sind, hat der Unternehmer neben den Markt- und Rohstoffrisiken zukünftig Veränderungen der Kosten, nämlich der Löhne, Gehälter und Steuern, abzuschätzen. In Zukunft abschätzen kann er aber nicht den Wert von späteren Preisen für Emissionszertifikate bei den Folge-Allokationen im FünfJahres-Abstand, wie ihn die Europäische Union vorsieht. Das hätte zur Folge, dass Unternehmen, die außerhalb Europas alternative Investitionsstandorte besitzen, in

Zukunft verstärkt dort investieren werden, weil dort eine höhere Planungssicherheit gegeben ist.

(Glocke der Präsidentin)

Das bedeutet den Verlust von Arbeitsplätzen in Rheinland-Pfalz. Ich werde das später noch weiter begründen.

Vielen Dank.

(Beifall bei FDP und SPD)

Das Wort hat Herr Kollege Licht.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Creutzmann, Sie beschreiben sehr richtig ein Problem, das mit dieser Richtlinie auf uns zukommen wird. Der Entwurf vom Oktober 2001 beschäftigt sich mit dem Begriff „Emissionshandel“. Vielleicht muss man einmal erklären, was das bedeutet: Man kann staatliche Zertifikate erwerben, die die Legitimation mit sich bringen und einen bestimmten Schadstoffausstoß garantieren. Wer sein Recht nicht benötigt, kann es verkaufen. Man kann Rechte weitergeben und mit ihnen handeln. Angebot und Nachfrage sollen den Preis regeln. Der Staat hält die Menge der Zertifikate knapp. Das soll die Industrie innovativer werden lassen. Damit wiederum sollen Emissionen reduziert werden.

Es gibt meines Erachtens niemanden in diesem Haus, der dieser Idee widerspricht. Die Probleme stecken erst im Detail. Die Voraussetzung – das haben wir immer wieder betont – ist, dass es praktikabel ist.

Meine Damen und Herren, gerade wir als Bundesrepublik Deutschland, als Vorreiter bei der Reduzierung von C02-Emissionen, müssen fordern, dass die Wettbewerbsfähigkeit in Deutschland dadurch nicht verschlechtert wird. Das wiederum setzt ein marktkonformes Instrumentarium voraus, das wir zurzeit aber nicht als gegeben ansehen. Die Mitglieder der EVP im Europäischen Parlament, die Mitglieder der CDU/CSUBundestagsfraktion und die Mitglieder der CDU in Rheinland-Pfalz sowie die Landesregierung – so auch die Pressemeldungen – haben bisher durch zahlreiche Initiativen und Anträge versucht, den Grundsätzen für einen Handel mit Emissionszertifikaten unter diesen eingangs genannten Voraussetzungen aus unserer Sicht Rechnung zu tragen.

Das, was bisher über die Ausschüsse des Europäischen Parlaments an Veränderung erreicht wurde, wird leider nur in Ansätzen diesen Grundbedingungen gerecht. Deshalb können wir dem meiner Meinung nach nach wie vor nicht zustimmen. Ich sage das aus rheinlandpfälzischer Sicht, aus der Sicht der Union und wohl auch – wie den Pressemeldungen der vergangenen Tage und Wochen zu entnehmen ist – aus der Sicht der regierungstragenden Fraktionen und der Landesregierung.

Bereits seit 1990 erbrachte Leistungen der Mitgliedstaaten sollen nun zwar angerechnet werden, dies aber nur zum Teil und zu Bedingungen, die so nicht hingenommen werden können. Es ist eine Prüfpflicht der EUKommission für alle Anlagen vorgesehen, die in der Übergangszeit von 2005 und 2007 nicht am Handel teilnehmen. Ausnahmen sind nur in Einzelfällen möglich. Die Europaabgeordneten Dr. Langen und Florenz stellen diese Bedingungen in einer jüngsten Presseerklärung als bürokratisches Monster dar. Sie stellen sie als eine Investitionslenkung mit gewaltiger Bürokratie dar, die uns nicht weiterhilft.

Meine Damen und Herren, wir haben in Sachen Umwelt erfolgreich mit der Wirtschaft über freiwillige Vereinbarungen in der Bundesrepublik Deutschland, in Rheinland-Pfalz, gearbeitet. Wir sollten auch in der Zukunft auf dieses sehr bewährte Konzept nicht verzichten.

Mit diesem bewährten Konzept war es immerhin möglich, den CO2-Ausstoß seit 1990 um fast 19 % zu senken. Mit den freiwilligen Vereinbarungen sind wir also fast an den Vorgaben von Kyoto angelangt. Damals sind 21 % gefordert worden.

Meine Damen und Herren, jetzt möchte ich noch einen Satz zu den regierungstragenden Fraktionen sagen und auch zu dem, was sie in den letzten Wochen haben verkünden lassen. Ich halte es für bemerkenswert, dass Herr Stadelmaier, der irgendwie zur Regierungsmannschaft dazugehört, in diesem Monat in einer Aussage fordert, dass von Industrie und Gewerkschaft – so wörtlich – „die Eckpunkte zum Emissionshandel formuliert und somit eine gemeinsame Position durch Deutschland im Europarat vertreten werden soll“. Ich kann das schon unterschreiben. Das ist richtig so. Deutlicher kann man aber im Grunde genommen ein Misstrauen gegenüber der Berliner Regierung nicht formulieren.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU – Glocke der Präsidentin)

Frau Präsidentin, ich komme zum Schluss.

Das ist so. Die Regierung in Berlin hat nämlich davon gesprochen, dass diese EU-Richtlinie einen fairen Lastenausgleich bedeutet. Ein fairer Lastenausgleich bedeutet für mich nicht, in Rheinland-Pfalz Arbeitsplätze abzubauen und sie in anderen Staaten, wie beispielsweise in Portugal, wieder aufzubauen. Meine Damen und Herren, das hat auch nichts mit Umweltschutz zu tun.

(Beifall der CDU)

Ich erteile Herrn Abgeordneten Ramsauer das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Zunächst einmal stelle ich fest, dass offensichtlich alle Fraktionen im Haus, die bis jetzt gesprochen haben,

eine gemeinsame Grundlinie haben, nämlich sie erheben die aus unserer Sicht unabdingbare Forderung, dass Emissionshandel auf Staatenebene zu organisieren sei.

(Beifall der SPD und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, damit sind wir bei der Aussage von Herrn Stadelmaier angekommen. Allein die Beschlusslage im Europäischen Parlament wird sich, wenn man das realistisch betrachtet, anders gestalten. Dort haben bekanntermaßen nicht die Sozialdemokraten eine Mehrheit. Deshalb muss man sich im Vorfeld entsprechend bemühen und versuchen, eine Linie zu finden, die wenigstens noch einigermaßen

(Zuruf des Abg. Licht, CDU)

die Interessen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie der Industrie in Rheinland-Pfalz abdecken kann.