Protokoll der Sitzung vom 07.11.2002

Sie ist für die Paare von besonders hoher Bedeutung, einmal bei der Entscheidungsfindung, aber auch in der Situation der Entscheidungsbewältigung. Die Entscheidung eines Paares für oder gegen die PID oder gegebenenfalls für oder gegen eine Schwangerschaft muss dem betroffenen Paar überlassen werden. Es ist Aufgabe der Gesellschaft, durch Aufklärung und Beratung die betroffenen Paare zu unterstützen, um so zu einer eigenständigen und verantworteten Entscheidung zu kommen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir haben in Deutschland mit dem Embryonenschutzgesetz und dem Stammzellengesetz zwei gelungene Beispiele, bei denen medizinischer Fortschritt und die Teilhabe am medizinischen Fortschritt unter Beachtung unserer ethischen

Grundwerte miteinander in Einklang gebracht worden sind.

Ich bitte Sie, dass sich an diesen beiden erfolgreichen Beispielen die Fortsetzung unserer Diskussion über die Präimplantationsdiagnostik orientiert.

(Beifall der SPD und der FDP)

Zu einer Kurzintervention erteile ich Herrn Abgeordneten Weiner das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren, Frau Kollegin Schleicher-Rothmund, im Mai habe ich die SPD-Fraktion dafür kritisiert, dass sie in ihrem Antrag das Thema „PID“ komplett ausgeklammert hatte. Ich bin deshalb dankbar, dass dieser Antrag hinzugekommen ist, der es uns ermöglichen wird, uns in einer weiteren Beratung speziell diesem Thema zu widmen, um das es mir insbesondere geht.

Frau Thomas, vielleicht haben Sie auch Recht, dass es möglich sein wird, Gruppenanträge zu formulieren, um quer über die Fraktionsgrenzen hinweg die unterschiedlichen Auffassungen wiedergeben zu können. Ich bekenne ganz offen, ich habe hierzu eine eigene Auffassung, die ich auch noch vertreten werde.

Ihre Kritik an den Ausführungen von Frau Thomas geht mir allerdings nicht weit genug. Manchmal ist es auch interessant, was in einem Antrag nicht steht, Frau Thomas. Der Antrag der GRÜNEN enthält kein Wort des Bedauerns über die 130.000 Abtreibungen, die jährlich in Deutschland stattfinden. Das wundert mich auch nicht; denn es war Ihre Partei, die die weitestgehende Zulassung von Abtreibungen gefordert hat. Andererseits lehnen Sie aber die Diagnosemethode PID ab, eine Methode, die die Zahl der Abtreibungen reduzieren kann.

Die PID ist eine Methode, mit der sich Paare, die wissen, dass sie eine erbliche Vorbelastung in ihren Genen haben, einen Kinderwunsch erfüllen können. Noch wichtiger ist diese Methode für Familien, die erst nach der Geburt ihres ersten Kindes, das behindert oder krank auf die Welt kam, von diesen Risiken erfuhren. Erst mit PID trauen sich diese Paare ein zweites oder drittes Kind zu.

Ich vermisse ein wenig das Verständnis für diese Familien und auch das Verständnis für die Menschen, die ungewollt kinderlos sind. Womit haben die 38.000 Paare in Deutschland, die sich jährlich für eine künstliche Befruchtung entscheiden, es verdient, dass man ihnen falsche Motive unterstellt? – Diese Menschen sagen doch Ja zum Leben. Sie sagen Ja zum Kind.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU und Beifall der SPD und der FDP)

Sie schlagen den Weg zum Fortpflanzungsmediziner weiß Gott nicht deshalb ein, um Embryonen für die For

schung zu produzieren, wie dies manchmal suggeriert wird. Dass in Fällen künstlicher Befruchtung – im Übrigen auch ohne PID – von mehreren befruchteten Eizellen welche übrig bleiben, ist unbestritten. Aber das alleinige Motiv für die Paare, die sich einer künstlichen Befruchtung mit all ihren Widrigkeiten unterziehen, ist, dass sie sich nichts sehnlicher wünschen als ein Kind.

(Glocke des Präsidenten)

Herr Präsident, es geht für die betroffenen Menschen um ihr ganz besonderes privates Glück. Ich trete – im Unterschied zu meiner Fraktion – dafür ein, PID in Deutschland kontrolliert und eingeschränkt, jedoch nicht wie in Großbritannien, zuzulassen. Mit PID wird es mehr Kinder und weniger Abtreibungen geben.

Danke schön.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Beifall der SPD und der FDP)

Das Wort hat nun Herr Kollege Böhr.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin mir nicht so sicher, welche Spuren die Debatte, von der auch Frau Kollegin Thomas zu Beginn ihrer Rede sprach und die wir in Deutschland nun seit einem Jahr führen, hinterlassen hat. Vielleicht liegt es daran, dass das Thema sehr unzugänglich ist und möglicherweise für viele mit einem Sachverhalt verbunden ist, den man sich als Laie nur sehr schwer vorstellen kann. Aber ich habe leider nicht den Eindruck, dass angesichts der Bedeutung der Fragen, die wir diskutieren, in unserer Gesellschaft eine Art Bewegung in Gang gesetzt worden wäre.

Das ist übrigens auch der tiefere Grund, weshalb ich es für richtig halte, dass wir in einem Landtag diese Diskussion führen, obwohl wir keine unmittelbare Zuständigkeit in der Gesetzgebung haben; denn diese Diskussion ist nicht zu beenden, indem der Deutsche Bundestag einmal eine Entscheidung fällt und danach die Gesellschaft glaubt, es dabei bewenden lassen zu können. Im Übrigen wird die Diskussion auch schon deswegen weiter voranschreiten, weil sich in den nächsten Jahren eine Entwicklung in den Sachverhalten einstellen wird, die wir begleiten müssen. Ich glaube, wir stehen nach wie vor noch sehr am Anfang.

Gleichwohl – dies möchte ich auf die Rede meiner Vorrednerin Frau Schleicher-Rothmund sagen – sind wir gefordert, Entscheidungen zu treffen. Ich muss ehrlich sagen, nachdem der Bundestag schon gezwungenermaßen Entscheidungen getroffen hat – es gibt schließlich Regelungsbedarf, den wir nicht einfach auf eine unbegrenzte Zeit vor uns herschieben können –, habe ich nur wenig Verständnis dafür, bei einer Diskussion, die wir heute führen, so eine Art „Schaukelpolitik“ zu

betreiben, nach dem Motto: „Sowohl als auch“. – Das Sowohl-als-auch betrifft sehr ehrliche, wichtige und auch sehr redliche Gesichtspunkte. Aber es kann nicht beim Sowohl-als-auch bleiben, sondern die Politik muss schon irgendwann einmal Farbe bekennen.

(Beifall der CDU)

Ich möchte dies an dem Beispiel meines Vorredners, des geschätzten Kollegen Weiner, verdeutlichen. Wenn davon die Rede ist, dass es viele tausende von Paaren in Deutschland gibt, die einen sehnlichen Kinderwunsch haben – das ist, ganz nebenbei bemerkt, ein Thema, bei dem ich ein klein wenig mitreden kann –, dann gibt es niemanden, der sozusagen die Ehrlichkeit, die Wahrhaftigkeit, ja, die Bedeutung dieses Wunschs infrage stellt. Herr Weiner hat zu Recht vom privaten Glück gesprochen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, aber dieser Wunsch, dieses private Glück ist das eine. Der Preis, der dafür gezahlt werden müsste, ist das andere. Ich kann nicht nur über das private Glück diskutieren, ohne gleichzeitig zu fragen, zu welchem Preis dieses private Glück gegebenenfalls herbeigeführt werden kann.

(Beifall der CDU und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dass dies Entscheidungen sind, die uns furchtbar schwer fallen, müssen wir uns nicht wechselseitig versichern.

Da meine Kollegin Helga Hammer gleich zu einigen Gesichtspunkten noch einige Bemerkungen machen wird, möchte ich mich nur auf eine einzige Frage beschränken. Wir alle wissen, dass die Entscheidungen, die jetzt anstanden – der Deutsche Bundestag hat bereits entschieden – und die als Erfolg der Diskussion über dieses Thema auch weiterhin anstehen, nicht nur nach medizinischen, biowissenschaftlichen oder gar ökonomischen Gesichtspunkten diskutieren dürfen. Ich mache diese Bemerkung auch nur, weil ich immer noch Beiträge lese, die sich auf diese Gesichtspunkte konzentrieren und beschränken.

Im Hintergrund steht eine ganz andere Entscheidung. Dies möchte ich insbesondere denjenigen sagen, die immer noch in dieser Sowohl-Als-Auch-Position diskutieren, was ich überhaupt nicht kritisiere; denn es ist ein sehr schwieriges Thema. Im Hintergrund steht eine andere Frage, die wir beantworten müssen. Diese Frage muss die Politik immer beantworten. Aber bei dem Thema der Entwicklung der Biowissenschaften und der Fortpflanzungsmedizin muss sie diese Frage schlüssiger als sonst und vielleicht sogar als erste Frage beantworten. Das ist die Frage nach dem Menschenbild. Ich glaube, dass von dieser Frage nach dem Menschenbild alles andere abhängt und dass man keine in der Sache stringente Entscheidung treffen kann, wenn man nicht zuvor sich selbst Rechenschaft darüber abgegeben hat, welche Antwort man auf die Frage nach dem Menschenbild gibt.

Das hat auch ein wenig mit Ethik und mit den Werten zu tun, aber es geht doch auch weit darüber hinaus. Die

Frage, die Frau Thomas in einem sehr durchdachten und in seiner Argumentation im Übrigen auch schlüssigen Beitrag in den Mittelpunkt gerückt hat, ist die Frage: Was ist eigentlich der Wert des menschlichen Lebens? Was macht den Wert eines Menschen aus?

Ich kann über all diese Punkte keine Entscheidung herbeiführen, wenn ich nicht zunächst einmal für mich selbst eine Antwort auf die Frage gegeben habe, was den Wert eines Menschen ausmacht. Darauf gibt es ganz unterschiedliche Antworten in unserer Gesellschaft. Es gibt viele, die nicht so ganz offen, aber doch im Ergebnis darauf hinauslaufend sagen: Der Wert eines Menschen ist in gewisser Weise abhängig von seiner Brauchbarkeit, von seiner Nützlichkeit, von seiner physischen oder seiner psychischen Leistungskraft, von seiner genetischen Ausstattung.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, PID hat natürlich die Antwort, dass der Wert eines Menschen – ich sage es nun sehr zurückhaltend – auch abhängig ist von seiner genetischen Ausstattung. Ich bitte darum, uns einmal zu vergegenwärtigen und vor Augen zu halten, was es bedeutet, eine solche Antwort zu geben, und zwar nicht mit Blick auf die Verwehrung eines privaten Glücks, sondern mit Blick auf die Folgerungen, die aus einer solchen Antwort natürlich erwachsen.

Unsere Verfassung, die ich jetzt nicht weiter bemühen möchte, vertritt in dieser Frage eine gänzlich andere Position, wie ich finde mit guten und gewichtigen Gründen. Sie stellt fest, dass die Würde eines Menschen zu schützen ist, ganz unabhängig von seiner psychischen Leistungskraft, seiner physischen Leistungsfähigkeit oder seiner genetischen Ausstattung.

Meine Bitte ist, dass wir bei dieser Diskussion nicht vergessen, dass mindestens zwei verschiedene und sehr miteinander konkurrierende Menschenbilder mit in diese Diskussion einfließen und ich ohne eine Antwort auf die Frage nach dem Menschenbild bei bestem Willen keine Antwort auf die politisch zu entscheidenden Fragen finden kann.

Für mich und eine große Mehrheit unserer Fraktion möchte ich sagen, dass wir diese Frage so beantworten, wie sie unsere Verfassung beantwortet, was nichts mit Verfassungspatriotismus zu tun hat, sondern einfach damit, dass wir nach wie vor der Meinung sind, dass diese Antwort, die unsere Verfassung gibt, eine in der Sache richtige und zutreffende Antwort ist. Sie lautet, dass die Würde eines Menschen jedem Menschen unterschiedslos – auch in ihrer Unantastbarkeit –zugesprochen wird, also so wie der Mensch ist, und die Würde nicht in Abhängigkeit von verschiedenen Merkmalen gebracht werden kann, sondern ihm ganz unabhängig von verschiedenen Merkmalen sozusagen als Ganzes und in Gänze zugesprochen wird. Dies ist übrigens auch ganz unabhängig von meinen Erwartungen, die ich an jemanden hinsichtlich seiner genetischen Ausstattung habe.

Frau Thomas hat zu Recht das Stichwort „DesignerBaby“ genannt. Aber der Begriff „Designer-Baby“ ist fast schon wieder ein Kampfbegriff. Wir haben dies gerade gehört. Formulieren wir es einmal ganz positiv. Ich mei

ne es hinsichtlich der positiven Eigenschaften, die aus einer genetischen Ausstattung heraus erwachsen. Es sind dennoch meine Erwartungen, also die Erwartungen eines Dritten, die über dieses Leben verfügen und dieses Leben prägen. Ich glaube nicht, dass man das ernsthaft wollen kann. Daraus folgt, wozu Helga Hammer noch einiges sagen wird, dass wir den Embryonenschutz nicht für einschränkbar halten, dass wir glauben, dass der Forschung eine Grenze gezogen werden muss. Das ist nicht unproblematisch. Das sage ich überhaupt nicht, aber im Ergebnis der Abwägung und in Anbetracht der Notwendigkeit der Entscheidung, glaube ich, müssen wir der Forschung eine Grenze ziehen.

Dass das Argument, dass es im Ausland trotzdem gemacht wird, am Ende kein durchschlagendes Argument ist, glaube ich allerdings. All denjenigen, denen das, was hier vorgetragen wird, zu moralistisch ist, möchte ich sage: Bitte überlege jeder einmal, was das Interesse jedes Einzelnen in dieser Diskussion ist. Ich rede jetzt nicht von ökonomischen Interessen Dritter oder von wirtschaftlichen Interessen irgendwelcher pharmazeutischer Konzerne, sondern ich rede von unseren originären menschlichen Interessen.

Mein Interesse ist es, nicht in einer Gesellschaft zu leben, in der am Ende mein eigenes Leben im Hinblick auf Erwartungen Dritter instrumentalisiert wird. Im Blick auf den Anfang meines Lebens kann das nicht mehr passieren, aber im Blick auf das Ende meines Lebens kann dies noch geschehen. Ich möchte für mich, dass diese Unantastbarkeit eine Unantastbarkeit bleibt

(Beifall bei der CDU)

und nicht in Abhängigkeit von meinem physischen oder psychischen Zustand gebracht wird, den ich möglicherweise irgendwann einmal erreiche und bei dem Dritte abhängig von diesem physischen oder psychischen Zustand sagen, das sei jetzt sozusagen eine Phase des Lebens, bei der wir ihm Würde und Unantastbarkeit nicht mehr zusprechen können. Das ist mein Interesse.

Mich rührt deswegen dieses Argument mit dem Ausland sehr wenig, weil ich mir nicht vorstellen kann, dass im Ausland andere Menschen leben, die andere Interessen für sich selbst verfolgen. Meine Bitte ist, dass wir diese Diskussion nicht nur moralisch und moralistisch führen, sondern dass jeder für sich selbst fragt, was das alles am Ende für unsere Gesellschaft bedeutet.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich bedauere sehr, dass es nicht gelungen ist, einen Gruppenantrag zu formulieren. Ich hätte mir dies sehr gewünscht. Wir werden gleich eine Reihe von Einzelabstimmungen beantragen. Wir stimmen heute ab, wie es dem Thema nicht angemessen ist, nämlich entlang von Fraktionsgrenzen. Ich finde in jedem der vorliegenden Anträge Positionen, die ich voller Überzeugung tragen kann, einige, die ich nicht aus voller Überzeugung tragen kann. Ich hätte es mir gewünscht, dass wir heute schon fraktionsübergreifend abstimmen. Soweit wir dies noch repa

rieren können, werden wir dies gleich mit den Einzelabstimmungen machen, die ich angekündigt habe.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Ich erteile Herrn Abgeordneten Dr. Schmitz das Wort.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir führen diese Diskussion zum wiederholten Mal. Für meinen Teil möchte ich vermeiden, zu sehr die Dinge zu wiederholen, die bereits zum Ausdruck gebracht wurden.

Ich möchte betonen, dass ich mich über die Tiefgründigkeit und die Seriosität dieser Diskussion sehr freue.