Protokoll der Sitzung vom 07.11.2002

1. Es handelt sich um einen Bericht und nicht um irgendeinen Krimi oder um irgendein ausgewähltes Märchen.

(Vereinzelt Beifall bei SPD und FDP – Marz, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Habt Ihr eben geträumt?)

2. Ich kann verstehen, dass Sie die Forderung aufstellen, dass die PDS herausgenommen werden soll, aber das setzen Sie erst einmal auf Bundesebene durch, dann können wir uns das hier auf Landesebene einmal überlegen.

3. Einen erfreulichen Fortschritt haben Sie gemacht, Frau Kollegin. Sie haben nicht mehr die völlige Abschaffung des Verfassungsschutzes gefordert. Das habe ich noch anders im Ohr.

(Frau Grützmacher, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Haben Sie das gemerkt? Das ist erstaunlich!)

Ich mache noch eine vierte Bemerkung. Falls Sie mich damit gemeint haben sollten, da ich der Einzige in der SPD-Fraktion bin, der in der Kommission ist, das trifft nicht zu.

(Frau Grützmacher, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Nein, jetzt!)

Jetzt. Richtig, auch früher. Gut. Den Kollegen kann ich nicht fragen. Ich weiß, wer das ist.

Meine Damen und Herren, vieles in diesem Bericht ist geprägt von den Ereignissen am 11. September 2001. Unsere Sicherheitslage hat sich im Bewußtsein der Menschen massiv verändert, auch in Rheinland-Pfalz. Das ist nicht ohne Auswirkungen auf den Verfassungsschutz in unserem Land geblieben. Darauf werde ich gleich noch eingehen.

In welch schwieriger Situation solche Verfassungsschutzorganisationen sind, kann man gerade in Amerika sehen, wo ein Anhörungsverfahren der amerikanischen Geheimdienste läuft. „Sind Anzeichen auf mögliche Terrorismusaktionen richtig gewertet worden?“ und vieles mehr sind Fragen, die oftmals erst im Nachhinein richtig beantwortet werden können, von deren Beantwortung aber vieles abhängen kann.

Wie schwierig das Gewinnen von Erkenntnissen ist, haben wir in Hamburg erlebt, wo über einen längeren Zeitraum offensichtlich am Terroranschlag aktiv Beteiligte unauffällig gelebt haben. Für uns in Rheinland-Pfalz bedeutet das, dass auch wir erhöhte Wachsamkeit an den Tag legen müssen, wobei ein besonderer Schwerpunkt – das ergibt sich auch aus dem Bericht, das hat Frau Grützmacher richtig gesagt – auf dem Ausländerextremismus liegt, damit wir hier nicht die falsche Debatte führen.

(Vereinzelt Beifall bei SPD und FDP)

Darum geht es überhaupt nicht. Das wissen Sie auch ganz genau. Erwecken Sie doch nicht den falschen Eindruck. Sie zeigen in der ganzen Diskussion mit dem Finger auf uns. Das finde ich nicht in Ordnung.

(Beifall bei SPD und FDP)

Die in Deutschland aus den schrecklichen Ereignissen vom 11. September 2001 gezogenen Schlussfolgerungen, auch für den Verfassungsschutz – wir haben gera

de darüber gesprochen –, die so genannten Sicherheitspakete I und II, wurden im Hause mehrfach diskutiert bis hin zu der Frage von Personalverstärkungen für den Verfassungsschutz.

In der nächsten Debatte werden wir auf diese Frage in Zusammenhang mit dem CDU-Antrag noch einmal zurückkommen.

Es wird in dem Bericht besonders hervorgehoben, dass die strafrechtliche Verfolgung von Unterstützern ausländischer Terrororganisationen verbessert und die Arbeitsmöglichkeiten des Verfassungsschutzes erleichtert werden.

Ersteres ist natürlich ein hochaktuelles Thema nach dem Verbot und der Durchsuchung von Räumlichkeiten von Nachfolgeorganisationen des so genannten Kalifatstaates, auch in Rheinland-Pfalz. Auch darauf hat Frau Kollegin Grützmacher kurz hingewiesen. Inzwischen liegt uns ein Bericht über die weitere Untersuchung vor.

Ich will es deutlich sagen: Wer unter dem Deckmantel angeblicher Religionsausübung Unterstützungsleistungen, und seien diese auch nur verbal, in Moscheen und anderen Stätten erbringt, der setzt sich bei uns strafrechtlicher Verfolgung aus, und das ist richtig so.

(Beifall der SPD und der FDP)

Wir unterstützen ausdrücklich den Bundesinnenminister in seinem Begehren, den selbst ernannten Kalifen von Köln in die Türkei auszuliefern, sobald er seine Haftstrafe abgesessen hat. Solche Menschen können bei uns kein Bleiberecht bekommen.

(Schweitzer, SPD: So ist es!)

Wir dürfen diesen Personen und Organisationen nicht die Möglichkeit bieten, von unserem freiheitlichen Staat aus den weltweiten Terrorismus zu unterstützen.

Unser Verfassungsschutz nimmt die Aufgabe wahr, islamistische Extremisten verstärkt zu beobachten. Das findet unsere Unterstützung. Dabei dürfen Organisationen, die sich vordergründig gewaltfrei geben, wie zum Beispiel die islamistische Gemeinschaft Milli Görüs, nicht unterschätzt werden, die es auf eine länger- bis langfristige Destabilisierung der Gesellschaft abgesehen haben. Diese Passage finde ich absolut richtig.

(Beifall des Abg. Schweitzer, SPD)

Gleiches gilt für die PKK, die zwar in den letzten Jahren einen Wandlungsprozess durchlaufen zu haben scheint – was sich jetzt aufgrund der veränderten Verhältnisse in der Türkei entwickeln wird, wissen wir noch gar nicht –, statt Änderungen durch Terror herbeizuführen, auf politische Lösungen setzt. Das hängt sicherlich auch mit dem Verfahren „Öcalan“ zusammen.

Wie in den vergangenen Jahren galt auch im Jahr 2001 dem Rechtsextremismus die besondere Aufmerksamkeit des Verfassungsschutzes. Nicht zuletzt beginnt der Bericht auch genau mit diesem Bereich.

Frau Kollegin, darauf hätten Sie ruhig abheben können. Wenn ich es richtig im Kopf habe, hat Ihr Kollege Braun damals, als der Bericht vorgelegt wurde, in einer Presseerklärung davon gesprochen, dass es eine Fehleinschätzung des Rechtsextremismus gebe und Minister Zuber sich in schlechter Gesellschaft mit seinen Kabinettskollegen befinde, was den Rechtsextremismus betreffe. Das ist überhaupt nicht aus diesem Bericht herauszulesen – im Gegenteil.

(Beifall des Abg. Schweitzer, SPD – Beifall des Abg. Hohn, FDP)

Wer so redet, hat ihn entweder gar nicht gelesen oder will sein Vorurteil schüren. Nichts anderes kann es sein.

Natürlich ist es ein Problem mit den V-Leuten in NPDVerfahren, das Sie angesprochen haben. Aber wir haben keinen Anlass, uns Asche aufs Haupt zu streuen.

Wie kommen Sie zu der Feststellung, dass wir das nicht beobachten können? Wie kommen Sie zu dieser Feststellung? Sie wissen es doch gar nicht.

(Zuruf der Abg. Frau Grützmacher, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie behaupten es einfach, und das ist dann Wirklichkeit.

(Frau Grützmacher, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Dann schreiben Sie das in den Bericht!)

Ich schreibe überhaupt keinen Bericht. Ich rede über einen Bericht.

(Beifall des Abg. Hartloff, SPD – Zuruf des Abg. Jullien, CDU)

Herr Kollege Jullien, wenn Sie das sagen, ist das nicht so schlimm. Wenn das Herr Mertes sagen würde, wäre es für mich schlimmer. Bei Ihnen ist das noch zu ertragen.

Natürlich ist es ein Problem mit den V-Leuten. Wer will das denn bestreiten? Da sehen wir, wie schwer sich das Verfassungsgericht mit dieser Frage tut. Auch wir sind nicht von diesen Vorfällen begeistert. Aber wie anders als über V-Leute wollen Sie eigentlich Organisationen beobachten, gerade die, die Sie selbst im Auge haben? Wie soll das denn gehen?

(Schweitzer, SPD: So ist es!)

Ihre Papiere sammeln oder auf ihre Feiern gehen, das reicht doch weiß Gott nicht aus.

(Beifall des Abg. Schweitzer, SPD – Beifall des Abg. Hohn, FDP)

Gerade V-Leute sind die wichtigste Quelle in der ganzen „Geschichte“. Diese Kritik, die Sie vorbringen, können wir in keiner Weise teilen.

Wir hoffen, dass das Bundesverfassungsgericht eine Regelung trifft, die einerseits rechtsstaatlichen Anforderungen genügt, die aber andererseits die Arbeit des

Verfassungsschutzes nicht über Gebühr erschwert. Wenn dies geschehen würde, könnten V-Leute nicht mehr ausreichend geschützt werden. Sie fielen für die Beobachtung aus.

Über fast 30 Seiten beschäftigt sich der Bericht mit verfassungsfeindlichen und sicherheitsgefährdenden Bestrebungen auf dem Gebiet des Rechtsextremismus. Dann tun Sie so, als wenn das gar nichts wäre.

(Frau Grützmacher, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das habe ich überhaupt nicht gesagt!)

Das ist der größte Teil des ganzen Berichts.

In diesem Bericht wird deutlich, welche eindeutige und besondere Beobachtung dieser Szene gewidmet wird. Sie bleibt zentraler und wichtiger Schwerpunkt der Arbeit des Verfassungsschutzes.

In dem Bericht ist ausdrücklich darauf hingewiesen, dass von einer Trendwende nicht ausgegangen werden kann. Da steht drin – ich weiß gar nicht, was Ihre Kritik soll –, dass sogar die Zahl der gewaltbereiten Rechtsextremisten in der Nazi-Szene angestiegen sei.