Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die Frau Berichterstatterin hat bereits darauf hingewiesen, dass wir heute sozusagen das Ende eines relativ langen Gesetzgebungsverfahrens erreichen. Gestatten Sie mir deshalb zwei Vorbemerkungen.
Die Behandlung – ich will nicht von einer Beratung sprechen; denn diese Bezeichnung verdient es nicht – im Sozialpolitischen Ausschuss in abschließender Sache wird der Aufgabe, die vor uns liegt, nämlich die Herstellung gleichwertiger Lebensbedingungen für Menschen mit Behinderungen, nicht gerecht. Sie wird auch nicht dem Anspruch gerecht, Barrierefreiheit im umfassenden Sinn herzustellen. Wir haben Koalitionsfraktionen erlebt, die völlig festgemauert und unflexibel zu keiner Beratung mehr in der Lage waren. Leider haben wir auch eine
relativ desorientierte CDU-Fraktion erlebt, die keine großen Beiträge zu der Beratung liefern konnte.
Ich komme zur zweiten Vorbemerkung, meine Damen und Herren. Meine Nachrednerinnen und Nachredner werden gleich, insbesondere sofern sie der Regierung bzw. den Koalitionsfraktionen angehören, die Feierlichkeiten aus Anlass des ersten Landesgleichstellungsgesetzes nach dem Bundesgleichstellungsgesetz anstimmen. Vielleicht kann ich Sie noch etwas davon abhalten, allzu sehr in die Feierlichkeiten abzuschweifen; denn die Tatsache, dass Rheinland-Pfalz als erstes Bundesland ein solches Gesetz haben wird, ist allein zwei Umständen zu verdanken, zum einen der Tatsache, dass wir vor zwei Jahren einen entsprechenden Gesetzentwurf eingebracht und Sie vor uns hergetrieben haben,
zum anderen hat der Bund ein Bundesgleichstellungsgesetz auf den Weg gebracht, wodurch Sie natürlich erheblich unter Zugzwang standen. Aus eigener Kraft wären Sie allein schon aufgrund der Interessenlage in Ihrer Koalition zu einem solchen Schritt nicht in der Lage gewesen.
Widmen wir uns den politischen Zielen, die dahinter stehen, und der Frage, inwiefern sie wodurch erreicht werden können. Die politischen Ziele sind die gleichberechtigte Teilhabe behinderter Menschen und die Herstellung einer unabhängigen Teilhabe möglichst weit. Dazu gehört die Mobilität, Teilhabe am sozialen Leben, am kulturellen Leben und am Arbeitsleben. Wir wissen, dass die Möglichkeiten des Gesetzgebers natürlich begrenzt sind.
Herr Pörksen, ich dachte schon, Ihnen würde etwas fehlen. Auch dazu haben Sie wieder etwas zu sagen. Das ist nett, aber vielleicht können Sie das von hier aus machen.
Wir wissen, dass die Handlungsmöglichkeiten des Gesetzgebers begrenzt sind. Umso mehr ist es wichtig, dass wir alle uns zur Verfügung stehenden Handlungsmöglichkeiten ausschöpfen. Alle Gesetzesinitiativen, die es in dieser Hinsicht gibt, müssen sich natürlich die Frage gefallen lassen, inwiefern die Handlungsmöglichkeiten ausgeschöpft werden.
Ich kann zu Beginn sehr selbstbewusst einräumen, dass der Gesetzentwurf der Landesregierung in die richtige Richtung geht. Es wird natürlich Verbesserungen geben, und das ist auch gut so. Es wird Verbesserungen geben, die in die richtige Richtung gehen, aber der Gesetzent
Das ist umso bedauerlicher, als wir gerade den ersten Landesgesetzentwurf verabschieden und das bundesweit natürlich eine gewisse Signalfunktion haben wird. Wenn wir hinter den gesteckten Erwartungen zurückbleiben,
Ich habe die so genannten Beratungen im Sozialpolitischen Ausschuss erwähnt. Sie haben die Anhörung zwar wahrgenommen, aber nicht aufgenommen. In der Anhörung ist die wertvolle Anregung gegeben worden, die uns zu einer Änderung unserer Vorstöße bewegt hat, die Fristen flexibler zu gestalten. Die Fristen, wann bestimmte Dinge der Barrierefreiheit umzusetzen sind, sollten so flexibel gestaltet sein, dass sie beispielsweise auf die wirtschaftlichen Möglichkeiten der Kommunen Rücksicht nehmen. Sie waren so eingemauert, dass Sie darauf nicht mehr eingehen konnten.
Sie konnten darauf nicht mehr eingehen. Stattdessen finden Sie an dieser Stelle wieder einmal Ihr Herz für die Kommunen. Ich wünsche mir, dass Sie das an anderen Stellen auch tun.
Dazu möchte ich Ihnen zwei Sachen sagen: Zum einen möchte ich zwischen den Kommunen und den kommunalen Spitzenverbänden unterscheiden. Es gibt durchaus Kommunen in Rheinland-Pfalz, die in vorbildlicher Art und Weise Behindertenpolitik machen. Es gibt kommunale Spitzenverbände, die leider im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens – ich will es einmal vorsichtig ausdrücken – sich nicht sonderlich gesprächsbereit gezeigt haben. Das mag angesichts der Tatsache, wie die Landesregierung und diese Koalition mit den Kommunen in Rheinland-Pfalz umgehen, noch verständlich sein. Aber angesichts der Fragen, die wir zu beantworten haben, ist es natürlich nicht mehr verständlich.
Ich will Ihnen dazu ein anderes Beispiel nennen. Wir haben eine Änderung der Gemeindeordnung dahin gehend gefordert, dass kommunale Behindertenbeiräte oder zumindest -beauftragte installiert werden. Wir haben das nicht getan, um die Kommunen zu quälen, sondern wir haben das getan, weil wir aus Erfahrung wissen – das müssten Sie eigentlich auch wissen –, dass die Beteiligung von Betroffenen die Beteiligung von Sachverstand bedeutet. Wenn in einer kommunalen Planung von Anfang an der Grundsatz der Barrierefreiheit und die Beteiligung der Betroffenen installiert wird, dann werden nachher nicht höhere, sondern niedrigere Kosten anfallen. Das kann man machen. Man kann sich
Das ist nur ein kleines Beispiel. Sie verschanzen sich in dieser Frage hinter den kommunalen Spitzenverbänden. Herausgekommen ist letztendlich nur Ihr Entschließungsantrag. Dieser ist so putzig, dass ich daraus zitieren muss. Allgemein ist zu dem Entschließungsantrag anzumerken, dass uns dieser Entschließungsantrag in zwei Absätzen Lobhudeleien für die Landesregierung und Koalitionsfraktionen zumutet. Das könnte man vielleicht einmal sein lassen.
Im letzten Absatz heißt es: „Der Landtag bittet“ – als hätte er keine Möglichkeiten, über das Bitten hinauszugehen – „die Gemeinden und Gemeindeverbände, die Möglichkeiten der Teilhabe auszubauen und besonders in den Maßnahmen zur Umsetzung des Gleichstellungsgesetzes die Erfahrung und die Kompetenzen behinderter Menschen zu nutzen.“
Bravo! Wenn Sie der Überzeugung sind, dann müssen Sie mindestens einen Schritt weiter gehen, mindestens so weit gehen wie das Land Baden-Württemberg und das weiter verankern.
Das Gleiche gilt im Übrigen für Ihre Ängstlichkeit und Ihr Zaudern bei der Anerkennung der Gebärdensprache.
Da sagen Sie, das, was auf Bundesebene geregelt ist, reicht uns. Ich bezweifle, ob das reicht. Sprache, Kommunikation ist eine erhebliche Barriere. Auch wenn man über sie physisch nicht stolpern kann, handelt es sich um eine erhebliche Barriere. Daher ist es natürlich notwendig, dass das, was wir jetzt erleben, nämlich die selbstverständliche Nutzung der Gebärdensprache als gleichberechtigte Kommunikationsform, so installiert wird, wie sie das verdient hat.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich habe eingangs gesagt, der Gesetzentwurf der Landesregierung, so wie er jetzt ist und wie er wohl auch verabschiedet wird – dafür benötigt man keine prophetischen Fähigkeiten –, wird, obwohl er diese Schwächen hat, ein Fortschritt sein; denn die Grundsätze, die wir bereits vor zwei Jahren in die Diskussion geworfen haben, finden sich wieder, wenngleich der Mut zum weiteren Sprung an dieser Stelle fehlt.
Wir haben deshalb einen letzten Versuch unternommen, dem Gesetzentwurf der Landesregierung etwas mehr Biss zu geben. Daraus erklären sich unsere Änderungsanträge, die wir heute stellen, und unser Entschließungsantrag, der noch einmal in Richtung auf eine Beteiligung der kommunalen Ebene zielt, um dem, was wir nach der Papierform politisch alle anstreben, einen solchen Nachdruck zu verleihen, dass die Betroffenen möglichst schnell und umfassend Bedingungen bekommen, die sie sich wünschen und die sie brauchen.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Notwendigkeit, gleichwertige Lebensbedingungen für behinderte Menschen in unserem Land herzustellen, ist in diesem Haus erfreulicherweise unstrittig. Alle, die wir uns mit der Politik für behinderte Menschen beschäftigen, wissen, dass es immer noch Ungleichbehandlungen von behinderten Menschen gibt und – ich fürchte – noch weiter geben wird. Deshalb sind auch künftig weitere Anstrengungen unerlässlich.
Mit dem vorliegenden Landesgesetz wird ein wichtiger, ja notwendiger Schritt getan, um Benachteiligungen behinderter Menschen zu beseitigen.
Wenn der Vertreter des Landesverbands Zentrum für selbstbestimmtes Leben behinderter Menschen e.V., mein Namensvetter Herr Rösch, in der Anhörung darauf hingewiesen hat – ich zitiere – „dass nach der Bundesgleichstellungsgesetzgebung Rheinland-Pfalz das erste Bundesland ist, in dem ein Landesgleichstellungsgesetz verabschiedet wird“, dann ist diese Tatsache erfreulich, gleichzeitig aber auch symptomatisch für die positive Beurteilung des Gesetzes durch die angehörten Fachleute.
Dieses Lob aus dem Kreis der Behinderten hat einen noch höheren Wert, weil behinderte Menschen auch wissen, dass zum Beispiel im Nachbarland Hessen die dortige Regierung – so in einer dpa-Meldung zu lesen – keine Notwendigkeit für ein Gleichstellungsgesetz sieht. Ein Glück, dass wir in Rheinland-Pfalz leben, kann ich da nur s agen.
Auch vor diesem Hintergrund möchte ich an dieser Stelle unserer Landesregierung danken. Dies nicht nur deshalb, weil sie offensichtlich ein anderes Verständnis von einer zeitgemäßen Behindertenpolitik hat, sondern weil die Handelnden, zum Beispiel Ministerin Malu Dreyer und der Behindertenbeauftragte Dr. Auernheimer, auch in schwierigen Zeiten richtige und sozialpolitisch wichtige Zeichen gesetzt haben.
Meine Damen und Herren, in der Tat, „Selbstbestimmung statt Fürsorge“, diese kurze Formel ist der richtige Ansatz einer modernen Politik für behinderte Menschen in Rheinland-Pfalz.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, wir haben gemeinsam intensiv miteinander diskutiert; wir haben eine Anhörung durchgeführt, und viele von uns haben auch in Einzelgesprächen mit Verbänden und mit Behinderten den Gesetzentwurf diskutiert, aber auch Möglichkeiten erörtert, ob und wie zusätzliche Wünsche und Verbesse
rungen in das Gesetz aufgenommen werden können. Da bekanntlich nichts so gut ist, dass es nicht auch noch verbessert werden kann, haben wir – also SPD und FDP – nach der Auswertung der Anhörung den Gesetzentwurf an einigen Stellen verändert und – wie ich meine – verbessert.
1. Während der Gesetzentwurf insbesondere die mobilitätsbehinderten Menschen im Auge hatte, wird künftig den Belangen von Menschen mit geistiger und psychischer Behinderung verstärkt Rechnung getragen.
2. Auch die Situation von Blinden und sehbehinderten Menschen wird mit sinnvollen Orientierungssystemen verbessert. Piktogramme oder akustische Signale sind in diesem Zusammenhang zwei Stichworte, die in der Praxis hilfreich sein können.