Protokoll der Sitzung vom 05.12.2002

Herzlichen Dank.

(Beifall der CDU)

Weitere Wortmeldungen sind im Moment nicht erkennbar. – Herr Abgeordneter Dr. Schmitz hat das Wort.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte meiner Freude Ausdruck verleihen, dass es nach halbjähriger Aktivität doch noch gelungen ist, einen gemeinsamen Einsetzungsbeschluss der Fraktionen von SPD, FDP und CDU zustande zu bringen.

Ich habe Verständnis dafür, dass jede Partei, jede Fraktion diese Frage unter den eigenen Überschriften sieht. Das ist keine Frage. Frau Thelen, ich habe auch Verständnis dafür, dass wir jetzt nicht bundespolitische Fragestellungen ausschließlich und schwerpunktmäßig in den Fokus stellen sollten. Ich habe allerdings kein Verständnis dafür, dass zwischenzeitlich Positionen bemüht wurden, die lauteten, wir sollten nur die speziellen rheinland-pfälzischen Probleme beleuchten. Ich sage etwas überspitzt: „Benchmarking Bitburg-Prüm gegen Südliche Weinstraße.“ – Das wäre mir ein bisschen zu kurz gesprungen. Ich glaube, dass wir die Überschrift und die Klammer „Bundespolitik“ brauchen. Nur wenn wir diese beiden Fragestellungen auf eine sehr komplexe Fragestellung zusammenführen, finden wir eine adäquate Antwort.

Darüber hinaus bedauere ich, dass es BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN nicht möglich war, bei dies er Enquete-Kommission mitzuarbeiten. Wir hatten goldene Brücken gebaut. Der jetzt vorliegende Konkurrenzantrag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gibt mir allerdings das Gefühl, dass es vielleicht besser war, diese etwas ideologisch geprägte einseitige Sicht außen vor zu lassen. Wenn ich das durchlese, finde ich so wenig Berührungs

punkte, die einer konstruktiven Arbeit zuträglich gewesen wären, dass ich mich in diesem Sinn beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN doch bedanken möchte.

Vielen Dank.

(Beifall der FDP und vereinzelt bei der SPD)

Ich erteile Herrn Abgeordneten Dr. Braun das Wort.

Verehrte Damen und Herren, sehr geehrter Herr Präs ident! Es haben alle betont, sie seien so glücklich darüber, dass der Antrag endlich über die Bühne gegangen sei. Dass die Grünen nicht mitgemacht hätten, sei so traurig, nachdem Sie goldene Brücken gebaut haben. Von goldenen Brücken haben wir nichts gesehen.

(Mertes, SPD: Ja, diamantene!)

Sie haben einen Antrag formuliert. Wer ehrlich ist, gibt zu, dass der Antrag alles aufgenommen hat, was irgendjemand haben wollte, damit es endlich dazu kommt, dass dieser Antrag vorgelegt werden kann.

(Mertes, SPD: Bei denen helfen selbst goldene Brücken nicht!)

Das gibt jeder zu, wenn er ehrlich ist. Seien Sie doch einmal ein wenig ehrlich.

Ich halte das Vorgehen für nicht richtig. Ich halte das Vorgehen für fatal für die Arbeit der EnqueteKommission, meine Damen und Herren.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Als allererstes haben wir von der SPD- und der FDPFraktion eine Gedankensammlung auf den Tisch bekommen. Das können Sie alle bestätigen. Die CDUFraktion und die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN haben daraufhin noch einmal Vorschläge eingebracht, wie wir uns vorstellen, dass eine solche EnqueteKommission laufen sollte. Ich kann sagen, die CDU hat aus ihrer Sichtweise vernünftige Vorschläge gemacht, nämlich eine Zusammenfassung und Bündelung der Fragestellung, wie man Unternehmen und Firmen in Rheinland-Pfalz helfen kann, damit sie mehr Arbeitsplätze schaffen. Das ist von Ihrer Sichtweise aus durchaus respektabel und gut.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Auch wir wollen das überprüfen. Natürlich wollen wir mehr Arbeitsplätze schaffen. Wo sollen wir sie schaffen, wenn nicht in Unternehmen? Wir hatten allerdings auch den Wunsch, die Sicht der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit zu berücksichtigen. Das kam uns bei der CDU zu kurz.

Wir haben deswegen einen acht Punkte umfassenden Antrag eingebracht. Diesen werde ich kurz vorstellen. Sie können es selbst noch einmal durchlesen. Ich glaube, es gibt keine Berechtigung der Kritik, die Herr Dr. Schmitz geäußert hat. Stringent ist er, und ideologisch ist er nicht. Wenn sie ihn genau durchlesen, werden Sie es feststellen. Es sind nur Fragen formuliert. So ideologisch kann das gar nicht sein, Herr Dr. Schmitz.

Ich möchte vorab Folgendes feststellen: Die EnqueteKommission heißt „Zukunft der Arbeit“. Ich glaube, so hat es die Koalition im Koalitionsvertrag vereinbart. Wir schlagen als Überschrift vor: „Zukunft der Erwerbsarbeit.“ – In den von Ihnen gemachten Vorschlägen geht es natürlich um Erwerbsarbeit. Sie wissen, dass sich der Arbeitsbegriff natürlich viel weiter fassen lassen muss als die Erwerbsarbeit. Das haben wir in der Diskussion vor der Enquete-Kommission gesehen. Dazu gehört die häusliche Arbeit, die soziale Arbeit, das ehrenamtliche Engagement etc. So wird heutzutage modern der Arbeitsbegriff definiert und nicht als Erwerbsarbeit.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Mertes, SPD: Das ist der Quantensprung in der Überschrift!)

Deswegen muss man klären, dass diese EnqueteKommission die Zukunft der Erwerbsarbeit und die Schaffung und Erhaltung von Arbeitsplätzen im Auge hat. Das wollen wir natürlich auch. Es ist uns wichtig zu sagen, dass wir nicht insgesamt die Arbeit untersuchen, die überall geleistet wird, sondern es um Schaffung von Arbeitsplätzen geht. Wir sagen, das soll zu sozial vernünftigen Bedingungen geschehen. Es geht nicht allein um Arbeitsplätze, sondern um sozial abgesicherte Arbeitsplätze. Mit denen sollen die Leute das Geld verdienen können, von dem sie leben können. Dazu ist das Stichwort „working poor“ zu nennen. Es darf nicht passieren, dass es Leute gibt, die arbeiten gehen, aber dann mit ihrem Einkommen unter dem Sozialhilfesatz liegen. Aus diesem Grunde haben wir das mit hineinformuliert, meine Damen und Herren.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Dr. Gölter hat den Fraktionen einen Brief geschrieben. Herr Dr. Gölter, ich muss noch einmal darauf eingehen. Ich glaube, im Ton und inhaltlich war er richtig. Wenn die Enquete-Kommission so mit Ihrem Arbeitsauftrag angenommen wird, klärt sie alle Probleme Deutschlands außer der Außenpolitik. Genauso scheint mir im Moment der Antrag formuliert zu sein. Sie haben eine Bestandsaufnahme festgelegt. Sie haben eine Bestandsaufnahme nicht nur der Erwerbsarbeit, sondern der gesamtgesellschaftlichen Situation versucht festzulegen. Am Schluss haben wir insgesamt auch noch einmal die Klärung der Probleme auf Bundesebene mit der Hartz-Kommission festgeschrieben. Ehrlich gesagt glaube ich, die Kommission kann das nicht leisten. Wenn Sie sich am Arbeitsauftrag misst, wird die Kommission versagen. Wir wollen hier nicht einen Einsetzungsbeschluss fassen, der von vornherein das Versagen der Kommission beinhaltet.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dieses ist nicht das neue Telefonbuch, das ähnlich aussieht, sondern das ist der Bericht über moderne Diens tleistungen am Arbeitsmarkt, Bericht der HartzKommission.

(Abg. Dr. Braun, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hält ein Buch hoch)

Sie haben ihn sicher schon gesehen oder gelesen. Er umfasst knapp 350 Seiten. Darin sind Vorschläge zur Belebung des Arbeitsmarkts enthalten. Diesen Bericht der Kommission für Rheinland-Pfalz und bundesweit zu prüfen, ist einer von 16 Punkten, die die SPD und die FDP eingebracht haben. Weitere acht Punkte kommen noch von der CDU dazu.

Sie können sich vorstellen, diese Herkulesarbeit wird wahrscheinlich die Landtagskommission – das könnte nicht einmal eine Bundestagskommission – nicht leisten können. Deswegen haben wir versucht, uns auf acht Punkte zu konzentrieren. Natürlich müssen wir mit der Frage nach den sozialen Sicherungssystemen beginnen. Ohne diese können wir die Rahmenbedingungen nicht klären, in denen die Enquete-Kommission zur Erwerbsarbeit dann auch arbeiten muss.

Das Zweite ist – deswegen wollen wir auch die sozialen Rahmenbedingungen klären – Geschlechter- und Generationengerechtigkeit. Frau Grosse, Sie haben zwar schon gesagt, wichtig sei, den Wandel mit zu klären, der im Moment im Verhältnis der Geschlechter bei uns stattfindet und der enorme Auswirkungen auf den zukünftigen Arbeitsmarkt haben wird, wenn man sich einmal allein überlegt, wo die zukünftigen Arbeitskräfte herkommen werden. Das werden sehr viele Frauen sein, die bisher nicht arbeiten, die auf den zukünftigen Arbeitsmarkt drängen. Wir wollen das natürlich. Wir wollen aber auch nicht, dass es billige Arbeitskräfte gibt, die weiblich sind, sondern wir wollen, dass es Gleichberechtigung gibt und es auch in Leitungsfunktionen genauso viele weibliche Arbeitskräfte gibt und geben kann wie in anderen Funktionen, meine Damen und Herren.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ein zentraler Punkt bei uns – Sie können es sich natürlich von vornherein denken – ist der ökologische Aspekt, wie wir nämlich unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit zusätzliche Arbeitsplätze in Rheinland-Pfalz schaffen können, also auch Arbeitsplätze nach Rheinland-Pfalz hereinholen, im Handwerk erhalten, aber auch unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit neu schaffen. Wir werden einen Umbau der Industriegesellschaft haben. Wir werden einen Umbau der Dienstleistungsgesellschaft haben hin zur Nachhaltigkeit. Deswegen ist das bei uns ein zentrales Thema. Wir hoffen, dass wir in diesem Bereich, wenn wir da in Rheinland-Pfalz vorn wären, viele neue Arbeitsplätze schaffen könnten, die auch gut sozial abgesichert sind.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ein weiterer Bereich sind die Unternehmensgründungen und die Übernahmen von Unternehmen, also die Nachfolge in den Unternehmen. Das haben wir hier, was den Mittelstand betrifft, schon oft besprochen. Sie haben

mehr die Finanzausstattung in den Vordergrund gestellt – das ist bestimmt auch wichtig –, wie die Kapitalausstattung im Moment auf dem Kapitalmarkt für mittelständische und kleine Unternehmen überhaupt beschafft werden kann. Wir haben noch einmal die Neugründungen in den Fokus gestellt. Ich glaube, ohne Neugründungen werden wir auf dem rheinland-pfälzischen Arbeitsmarkt keine Bewegung zum Positiven hin haben.

Die strukturschwachen Räume – meistens ländliche Räume – sind ein weiterer Hauptpunkt unserer Unters uchung. Wir wollen nämlich das Gefälle zwischen Stadt und Land in der Enquete-Kommission untersuchen, weil wir spezifische Ansätze haben wollen und finden wollen für ländliche Räume und für städtische Räume. Allein von der Struktur her – nicht nur der sozialen, sondern auch von der Infrastruktur her – können diese Ansätze völlig verschieden sein. Deswegen haben wir darauf ein Hauptaugenmerk gelegt.

Benachteiligte Personengruppen – dazu hatten Sie schon einiges gesagt – müssen speziell noch einmal in ihrer Möglichkeit, in den ersten Arbeitsmarkt zu kommen, untersucht werden. Das heißt: Wie können wir Bildungsangebote machen? Wie können wir Integrationsangebote machen? Wie können wir den zweiten Arbeitsmarkt zum ersten Arbeitsmarkt hinführen, und wie können wir auch diese Menschen beschäftigen, die nicht gut qualifiziert sind, die aus anderen Gründen am Arbeitsmarkt benachteiligt sind? Wie können wir sie so weit qualifizieren, dass sie in Arbeit kommen und dabei auch ein Auskommen haben – ich sage es noch einmal, ich glaube, das Wort „Armut“ kommt nur in unserem Antrag vor, Verhinderung von Armut – für diese Leute, die sonst der Armut anheimfallen würden?

(Kuhn, FDP: Bürgergeld!)

Meine Damen und Herren, das halten wir für zentral.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Glocke des Präsidenten)

Ich komme gleich zum Schluss.

Über die Möglichkeiten der Flexibilisierung der Arbeitszeit – Teilzeitarbeit – können wir neue Arbeitsplätze schaffen. Das Bildungssystem muss natürlich den Ansprüchen angepasst werden.

Das sind die zentralen Themen unseres Antrags. Ich glaube, unser Untersuchungsauftrag ist stringenter als der, der am Schluss leider so zusammengezimmert werden musste. Wir fänden es gut, Sie könnten auf unsere Vorschläge eingehen.

Vielen Dank.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für eine Kurzintervention hat Herr Abgeordneter Hartloff das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Dr. Braun, ich habe Ihnen dann noch ein bisschen Redezeit verschafft, wenn Sie das noch haben wollen, aber bei aller Stringenz oder vermeintlichen Stringenz Ihres Vorschlags,

(Frau Kiltz, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Vermeintlich? Also!)