Protokoll der Sitzung vom 26.03.2003

Es ist jedoch auch zwingend notwendig, dass sich die Parlamente als Legislative und vor allen Dingen als demokratisch gewählte Vertretung der Bürgerinnen und Bürger in den Ländern im besonderen Maße mit ihren Impulsen in diese Diskussion einbringen und hierfür eine breite Öffentlichkeit herstellen.

Auch die FDP-Fraktion im rheinland-pfälzischen Landtag begrüßt deshalb, dass am kommenden Montag der erste Föderalismus-Konvent der deutschen Landesparlamente in der genannten Zusammensetzung stattfinden wird. Sie begrüßt die Zusammensetzung dieses Forums. Auch wir hoffen, dass sich dieser Konvent mit einer

besonders starken Stimme in den Diskussionsprozess einbringen wird.

Wir glauben, dass von diesem Konvent die richtigen Impulse auch von einer großen breiten politischen Mehrheit getragen werden können und sicherlich auch öffentliches Gehör finden werden. Wir halten es allerdings auch für richtig, dass es sich hierbei nicht nur um ein politisches Signal und Symbol handeln soll, sondern um eine nachhaltige Arbeit und ein Gremium, das sich auch mit sehr konkreten und für die Gesetzgebung geeigneten Vorschlägen in die Reform unseres Bundesstaates einbringen kann.

(Beifall bei FDP und SPD)

Wir glauben auch, dass die Länder nur dann eine wirklich starke Stimme haben, wenn ein Kreis von Vertretern aus dem Konvent dazu bestimmt wird, den Konvent nach außen zu vertreten und auch kontinuierlich mit den anderen Ebenen weiter zu verhandeln. Deshalb halten wir es auch für sinnvoll, dass eine Verhandlungskommission im Rahmen des Konvents eingesetzt wird.

Meine Damen und Herren, um eine wirkliche Reform des Föderalismus und seine Stärkung zu erreichen, liegen sehr komplexe juristische Aufgaben vor allen beteiligten Diskussionspartnern. Sie müssen aber so gelöst werden, dass am Ende aufgrund der Komplexität der Fragen nicht nur ein „Reförmchen“ herauskommt, sondern eine spürbar klarere Kompetenzabgrenzung. Es wird vor allem darum gehen, die Gesetzgebungskompetenzen des Bundes zu reduzieren. Dies betrifft den Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung, aber auch den der Rahmengesetzgebung.

Die Fraktionsvorsitzendenkonferenz der FDP hat sich in diesem Zusammenhang für eine klare Trennung der Aufgaben und Zuständigkeiten des Bundes, der Länder und der Kommunen ausgesprochen und will einen deutlichen Abbau von Doppel- und Mehrfachzuständigkeiten, weil nur so ein wirklicher Wettbewerbsföderalismus zum Wohle aller Bürgerinnen und Bürger funktionieren kann.

(Beifall bei FDP und SPD)

Wir finden uns mit unserer Position voll im Antrag der Fraktionen des rheinland-pfälzischen Landtags wieder. Wir schlagen fraktionsübergreifend vor, eine so genannte umgekehrt konkurrierende Gesetzgebung einzuführen, die den Länderebenen Vorrang und dem Bund nur noch dann ein Veto einräumt, wenn ausnahmsweise ein zwingendes Bedürfnis für eine einheitliche Regelung vom Bund nachgewiesen werden kann.

Man kann dabei natürlich darüber diskutieren, ob dies nicht möglicherweise das Verfahren zusätzlich kompliziert und dann nicht mehr zu dem eigentlichen Ziel der wirklichen Entflechtung, Transparenz und Stärkung des Föderalismus führt. Im Einzelnen wird zu prüfen sein, welches die beste Lösung ist, um das Zuordnungsverhältnis in der konkurrierenden Gesetzgebung für Bund und Länder neu zu regeln und die einzelnen Bereiche klar abzugrenzen. Es muss zumindest jedoch eine Möglichkeit geben, wie wir es in unserem Antrag auch formuliert haben, den Ländern ein Rückholrecht einzuräu

men. Ich weiß nicht, ob das in diesem Rahmen schon möglich ist. Ich habe nicht so genau wie Sie hingeschaut. Man müsste es dann nutzen. Die Exekutive macht auch Vorschläge. Den Ländern soll ein Rückholrecht eingeräumt werden, wenn es nicht mehr nötig ist, eine bundeseinheitlich geltende Vorschrift bestehen zu lassen. In der Debatte gibt es auch seitens der Exekutive den Vorschlag, den Ländern ein eigenes Zugriffsrecht einzuräumen, das heißt, sie nicht zu verpflichten, einer Bundesregelung vollständig zu folgen, sondern auch abweichende Gesetze beschließen zu können.

Über die Bereiche und Gegenstände, für die solche Regelungen dann Geltung haben sollen, muss im Einzelnen sicherlich breit und hart am Ziel orientiert verhandelt werden. Dies gilt auch für die Rahmengesetzgebung. Wir schlagen vor, sie in eine Grundsatzgesetzgebung zu überführen, bei der der Bund dann kein unmittelbar für den Bürger geltendes Recht mehr setzen darf, sondern nur noch durch die Länder zu erfüllende Direktivnormen. Es gibt aus der Exekutive einen Alternativvorschlag dazu, nämlich den, die Regelungsgegenstände oder einen Teil davon in die konkurrierende Gesetzgebung zu überführen und den Ländern ein Zugriffsrecht einzuräumen, was eben schon genannt wurde.

Es muss sicherlich ein Ringen um den besten Weg zwischen den sich am 31. März 2003 auf dem Konvent versammelnden Landesparlamenten und den Exekutiven geben. Wichtig ist hierbei, vor allen Dingen im Auge zu behalten, die möglichst weitestgehende Entflechtung von gesetzgeberischen Kompetenzen zwischen Bund und Ländern zu erreichen.

Der Vorschlag, den die Regierungen der Länder mit Sicherheit am kritischsten beurteilen werden, ist der, ein verfassungsrechtlich abgesichertes Mitwirkungsrecht der Landesparlamente bei solchen Grundgesetzänderungen zu erwirken, die die Länder direkt betreffen, das heißt, indem Gegenstände der ausschließlichen, der konkurrierenden oder der Rahmengesetzgebung des Bundes ergänzt oder erweitert werden.

Die Exekutiven sehen schon durch die Mitwirkung im Bundesrat und der dort nötigen Zweidrittelmehrheit ihre Mitwirkungsrechte umfänglich gewahrt und erachten auch aus praktischen Gründen eine Beteiligung von 16 Landesparlamenten am Zustandekommen einer Verfassungsänderung als überzogen und nur schwer realisierbar an, was grundsätzlich nicht von der Hand zu weisen ist.

Als Landesparlamentarier wollen wir dennoch bewusst unsere Stimme in diesem Bereich erheben können, gerade um eine Ausdehnung von Bundeskompetenzen zu vermeiden, vor allem aber auch, um die Mitwirkung der Landesregierungen in diesem wichtigen Bereich auch demokratisch legitimieren zu können und eine Teilhabemöglichkeit zu haben.

Nicht zuletzt ist es unabdingbar, dass sich auch der Landtag von Rheinland-Pfalz für eine klare neue Ordnung der Finanzverfassung in Richtung von mehr Autonomie der einzelnen staatlichen Ebenen bei der Gestaltung von Einnahmen und Ausgaben, aber auch für eine

klare Verknüpfung von Regelungskompetenz und Finanzverantwortung auf einer Ebene ausspricht.

Dazu gehört auch, darüber nachzudenken, inwieweit die Gemeinschaftsaufgaben abgebaut werden sollen. Das Konnexitätsprinzip, wonach „wer bestellt, auch bezahlt“, spielt auch in der Enquete-Kommission 14/1 „Kommunen“ eine zentrale Rolle und ist eine Frage, der wir uns alle offensiv und vorbehaltlos stellen müssen.

Gerade im Hinblick auf die Schaffung eines Wettbewerbsföderalismus gilt es aber, allen Ländern gleiche Startchancen zu ermöglichen. Deshalb wird man bei einer Finanzreform um gewisse Ausgleichsmechanismen auch im Rahmen von eigenen Einnahmenquellen und Finanzautonomie nicht umhinkommen. Wenn der Bund künftig Aufgaben neu begründet oder erweitert, die von den Ländern auszuführen sind, muss er ihnen zur vollständigen Erstattung der notwendigen Ausgaben verpflichtet sein.

Es kann nicht mehr angehen, dass ein Gesetzgeber auf einer höheren Ebene andere Ebenen zu Ausgaben verpflichtet, die in ihre finanzielle Autonomie eingreifen und Handlungsspielräume in anderen politischen Feldern gleichzeitig mit beschneiden. Der Bürger muss auch eine klare Verantwortlichkeit im Bereich der Finanzpolitik sehen.

Ein verantwortungsvoller Umgang mit Steuergeldern beinhaltet auch, dass es für den Einzelnen nachvollziehbar sein muss, was die Verantwortlichen auf einer Ebene jeweils mit den Mitteln machen.

Ich denke, wir werden auch in Zukunft selbst auf einige Eitelkeiten verzichten müssen; denn natürlich ist es für jeden Politiker und für jeden von uns ein schönes Spielfeld, einen Finanzierungsanteil an dem einen oder anderen Projekt mitzusichern und das vermelden zu können.

Ich glaube, wenn wir in Zukunft einen klareren eigenverantwortlichen Zuschnitt an gesetzgeberischen und finanziellen Kompetenzen in den Ländern für uns in Anspruch nehmen können, werden hoffentlich diese Möglichkeiten der Eigendarstellung auch etwas in den Hintergrund treten können.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Lassen Sie mich noch kurz auf das letzte Thema eingehen, das ich ansprechen möchte, nämlich das der europäischen Einigung. Es ist in hohem Maß zu begrüßen, dass ein breiter, ein ausführlicher und ein sehr demokratischer Prozess der Diskussion über eine Europäische Verfassung eingeleitet wurde.

Diese Verfassung wird allerdings nur dann den Zusammenhalt der EU und auch die Identifikation der Bürgerinnen und Bürger, auf die es ankommt, mit ihr gewährleisten, wenn EU-Recht künftig nicht mehr Dinge regelt, die vor Ort in den Kommunen und Regionen zum Wohl der Menschen anders und vor allem besser geregelt werden könnten.

Diese Verfassung wird nur dann ein Erfolg sein, wenn Bürgerinnen und Bürger sich vor Ort demokratisch und

so weit wie möglich in den politischen Gestaltungsprozess mit einbringen können und das Subsidiaritätsprinzip eingehalten wird. Wir brauchen deshalb auf EUEbene eine klare Kompetenzverteilung zwischen der EU, den Mitgliedsstaaten, aber auch den Regionen.

Hierbei muss auch auf eine Stärkung der Gesetzgebungskompetenzen der Landesparlamente hingewirkt werden. Die Länder und ihre Parlamentarier müssen frühzeitig in die Entscheidungsprozesse auf europäischer Ebene, die die Länder direkt betreffen, einbezogen werden.

Die rheinland-pfälzische Landesregierung gewährleistet diesen Prozess im Moment im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten, die wir haben, vorbildlich, und auch durch den Ausschuss der Regionen bringt sich das Land Rheinland-Pfalz im hohen Maß ein.

Wir waren diesbezüglich Vorreiter; denn gerade deshalb, weil unser Vertreter im Ausschuss der Regionen, Staatssekretär Dr. Klär, durch das Parlament und sein Stellvertreter, Dr. Dieter Schiffmann, sogar aus unserer Mitte gewählt wurde, ist die demokratische Legitimation dieser Personen sichergestellt, was lange Zeit in den meisten anderen Bundesländern nicht der Fall war. Diesbezüglich hat sich einiges getan.

Um der Mitsprache der Regionen mehr Wirkung zu geben und ihnen auch wirklich die Möglichkeit zur Wahrung des Subsidiaritätsprinzips einzuräumen, bedarf es in Zukunft allerdings auch eines Klagerechts für Länder und Regionen mit eigenen Gesetzgebungsbefugnissen vor dem Europäischen Gerichtshof – das hat Dr. Schiffmann schon angeführt – und einer vorbeugenden Subsidiaritätskontrolle, um die eigenen Gesetzgebungszuständigkeiten dauerhaft zu sichern.

(Beifall der FDP und der SPD)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, vieles von dem, was wir in der vorliegenden rheinland-pfälzischen Erklärung aller Fraktionen fordern, ist schon in dem Entwurf der Lübecker Erklärung enthalten, die am 31. März verabschiedet wird.

Im Vorfeld hat sich Landtagspräsident Grimm sehr aktiv und in enger Kooperation mit der Arbeitsgruppe aller Fraktionen in den Vorbereitungsprozess für den Konvent am 31. März eingebracht.

Hierfür möchte ich seitens meiner Fraktion erst einmal sehr herzlich danken, ebenso wie für die äußerst konstruktive Zusammenarbeit, die wir in der Arbeitsgruppe mit allen Fraktionen erfahren konnten. Dies ist nicht immer der Fall.

(Beifall der FDP und der SPD)

Es wird nun darauf ankommen, nicht nur das gemeinsame Ziel zu formulieren, sondern sich im Rahmen des Konvents auch auf realistische und umsetzungsorientierte Lösungsvorschläge zu einigen, um diese dann mit starker Stimme nach außen zu tragen und zu verhandeln. Ich halte es für realistisch – das sehe ich etwas optimistischer als Sie, Herr Dr. Gölter, was jedoch am

Alter liegen könnte und an den Erfahrungswerten, die man hat –,

(Dr. Gölter, CDU: Ich stimme Ihnen zu!)

dass auch etwas herauskommt, weil sich die Exekutive in den gleichen Bereichen Gedanken macht und wir zum Teil mit den Parlamenten und den Exekutiven nicht weit auseinander liegen.

Das verleiht der Sache meiner Ansicht nach eine erheblich größere Kraft und bietet gute Chancen, zu einer tatsächlich wirkungsvollen Reform unseres Föderalismus zu kommen; wie schnell und verhandlungsintensiv die Schritte sein werden, wird sich sicherlich zeigen.

Zur Zukunftssicherung unserer Verfassung in der Bundesrepublik Deutschland und des föderalistischen Miteinanders sind diese Schritte allerdings unabdingbar.

Ich hoffe auf Gutes und danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall der FDP und der SPD, vereinzelt Beifall bei der CDU und bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es spricht Frau Abgeordnete Thomas.

Meine Damen und Herren! Am kommenden Montag werden in Lübeck zum ersten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland die Landesparlamente mit einer Stimme sprechen.

Ich finde, das ist schon bemerkens- und erwähnenswert, weil ein solcher Konvent ein gemeinsames Bekenntnis aller Landesparlamente zum Föderalismus, zur Erneuerung des Föderalismus, zur notwendigen Reform des Föderalismus und zur Einhaltung des Subsidiaritätsprinzips darstellt.

Dass es diesen Konvent in Lübeck am kommenden Montag gibt, ist schon das erste Bemerkenswerte. Wir vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN begrüßen die Einberufung des Konvents in Lübeck. Wir unterstützen das Anliegen der gemeinsamen Erklärung.