Protokoll der Sitzung vom 02.04.2003

Bürgerrechtspolitik bedeutet für uns, das Engagement von Bürgerinnen und Bürgern zu fördern und sie an Entscheidungen der Politik und der Verwaltungen teilhaben zu lassen. Die Kontrolle von Entscheidungen kann aber nur dann gewährleistet sein, wenn die Bürgerinnen und Bürger auch die dafür notwendigen Informationen erhalten. Informationen sind gerade in der heutigen Zeit das A und O. Nur so kann eine aktive Teilhabe an der Gesellschaft praktiziert und gewährleistet werden. In Zeiten der heutigen Informationsgesellschaft kann es nicht angehen, dass Menschen Informationen vorenthalten werden.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, durch das Informationsfreiheitsgesetz gewähren wir allen Menschen einen transparenteren Staat und damit die Kontrolle des staatlichen Handelns. Schließlich ist die öffentliche Kontrolle ein Grundprinzip unserer demokratischen Kultur, die es zu stärken gilt. Der positive Nebeneffekt daran ist, wir arbeiten auch präventiv gegen Korruption, gegen politischen Klüngel und gegen Schlampereien in den Verwaltungen.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Damit zum Beispiel solche Fälle wie die Spenden- und Korruptionsskandale in Köln, die vor rund einem Jahr durch die Presse gegangen sind, leichter aufgedeckt werden können, muss staatliches Handeln transparenter werden. Selbstverständlich kann man auch durch ein solches Gesetz, wie wir es heute eingebracht haben, Korruption nie ganz vermeiden, aber es hätte eine Präventivwirkung. Wir könnten einige Schritte hin in die richtige Richtung, nämlich zu einer Eindämmung von Korruption gehen. So haben beispielsweise acht von zehn der ersten Länder, die in einem sogenannten Korruptionswahrnehmungsregister von Transparency International am besten abgeschnitten haben, ähnliche Gesetze.

Meine Damen und Herren, auch in rheinland-pfälzischen Amtsstuben muss die Informationsgesellschaft in Form der so oft beschriebenen „gläsernen Verwaltung“ ankommen. Die Zeit der Amtsgeheimnisse, nach denen alles geheim zu halten ist, was nicht explizit für die Öffentlichkeit bestimmt ist, muss zumindest vorbei sein.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dieses Denken in Amtsgeheimnissen folgt noch ein bisschen einem obrigkeitsstaatlichen Denken. Ich denke, das wissen wir alle. Diesem sind wir glücklicherweise in

der letzten Zeit relativ weit entfleucht. In Zukunft sollen die Verwaltungen von den Bürgerinnen und Bürgern tatsächlich als Dienstleistungsunternehmen und nicht länger als Geheimnisträger wahrgenommen werden. Hier muss nun endlich ein Paradigmenwechsel hin zu modernen und kundenfreundlichen Verwaltungsstrukturen vollzogen werden.

Wenn man ein Mehr an Rechtsstaatlichkeit, Transparenz und Demokratie haben möchte, ist aus unserer Sicht ein solches Gesetz notwendig; denn nur so können die Behörden in Bahnen gelenkt werden, die ihnen deutlich machen, dass der Anspruch auf Information nicht länger eine Ermessenssache der Behörden ist, sondern ein Anspruch aller Bürgerinnen und Bürger.

Eine selbstverständliche Veröffentlichung von wesentlichen Informationen einer Behörde im Internet ist anzustreben. Sie wird auch von der Landesregierung angestrebt. Meine und Damen und Herren, so zeigt man Bürgernähe und wirkt Politikverdrossenheit entgegen. Öffentlichkeitsarbeit, die darauf abzielt, möglichst viele Informationen einer breiten Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen, muss unser aller erklärtes Ziel sein.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, im Amsterdamer Vertrag ist der „Freedom of Information Act“, also das Informationsfreiheitsrecht, explizit geregelt. Jeder Mensch, der seinen Wohnsitz in einem der Mitgliedstaaten der Europäischen Union hat, hat einen Anspruch auf Informationen über Dokumente des Parlaments, des Rats und der Kommission. Auf dem Gebiet der Informationsfreiheit belegt Deutschland hingegen in Europa gemeinsam mit Luxemburg leider nur den letzten Platz.

In der Anhörung im Innenausschuss hat der Berliner Datenschutzbeauftragte, Herr Professor Dr. Garstka, in dem Zusammenhang Folgendes gesagt, Herr Minister Zuber: „ Wenn wir es weltweit betrachten, gibt es praktisch kein anderes Industrieland, das nicht über ein Informationsfreiheitsgesetz oder ein ähnliches Gesetz verfügt.“

Meine sehr verehrten Damen und Herren, in der Anhörung wurde ebenfalls sehr eindrucksvoll von den positiven Erfahrungen der Bundesländer Berlin, SchleswigHolstein, Nordrhein-Westfalen und Brandenburg berichtet, die bereits ein solches Gesetz besitzen. Die nordrhein-westfälische Datenschutzbeauftragte, Frau Sokol, zum Beispiel hat gerade kürzlich eine erste Zwischenbilanz des Informationsfreiheitsgesetzes in NordrheinWestfalen veröffentlicht, in der sie schreibt: „Mit dem Informationsfreiheitsgesetz sind die Rechte der Bürgerinnen und Bürger gestärkt worden. Transparenz von Verwaltungsentscheidungen ist ein wichtiger Bestandteil einer funktionierenden Demokratie.“ Das ist deutlich.

Im Innenausschuss wurde weiterhin das Argument, das insbesondere auch von Ihnen häufig genannt wird, Herr Kollege Pörksen, widerlegt, dass wir unbedingt abwarten sollten, bis es ein entsprechendes Bundesgesetz gibt. Diese Argumentation ist nun wirklich sehr deutlich entkräftet worden. Ein Bundesgesetz gilt natürlich nur für die Akteneinsicht bei Bundesbehörden und nicht für

Landes- und Kommunalbehörden. Aus diesem Grund sollte Rheinland-Pfalz nicht länger die Hände in den Schoß legen, sondern beginnen, sich endlich über eine gesetzliche Regelung in unserem Bundesland zu einigen.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, als ich noch gar nicht in diesem Landtag war

(Schweitzer, SPD: Da war die Welt noch in Ordnung)

das war einfacher für Sie, das weiß ich wohl –, hat in der 12. Wahlperiode die Enquete-Kommission „Verfassungsreform“ einstimmig beschlossen, dass ein solches Gesetz auf den Weg gebracht werden muss. Passiert ist bisher gar nichts.

(Pörksen, SPD: Man kann auch klüger werden!)

Heute haben Sie die große Chance dazu, ein solches Gesetz zu verabschieden.

Meine Damen und Herren, die Anhörung im Innenausschuss hat aus unserer Sicht klar gemacht, dass Datenschutz und Informationsfreiheit keine Gegenspieler sind, sondern sich sehr gut vereinbaren lassen. An der Stelle möchte ich nochmals Professor Dr. Garstka zitieren, der glücklicherweise zu unserer Anhörung im Innenausschuss gekommen ist. Er sagte: „Datenschutz und Informationsfreiheit sind zwei Dinge, die zueinander gehören, die zueinander passen, die zueinander ins Gleichgewicht gebracht werden müssen und gebracht werden können.“

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, kurz zusammengefasst nenne ich die zwei wesentlichen Kernpunkte unseres Gesetzentwurfs: Erstens die Verankerung des Anspruchs auf Informationszugang, auch ohne den Nachweis der eigenen Betroffenheit zu erbringen, zweitens das Recht auf informationelle Selbstbestimmung weiter zu stärken. Das ist uns besonders wichtig.

Meine Damen und Herren, der Rechtsanspruch auf Akteneinsicht in Verwaltungshandeln hat die Aufgabe, die Teilhabe der Bürgerinnen und Bürger am gesellschaftlichen Leben weiter zu stärken und ihnen politische und behördliche Entscheidungen transparent zu machen. Mit dem Informationsfreiheitsgesetz, wie wir es heute vorgelegt haben, muss ein neues Mitgestaltungsund Kontrollrecht Einzug erhalten, das dem demokratischen Meinungs- und Willensbildungsprozess dient.

Werte Kolleginnen und Kollegen, ich könnte noch vieles Weitere sagen, dass wir viele gute Gründe haben, in Rheinland-Pfalz ein solches Informationsfreiheitsgesetz zu verabschieden. Da ich in den Beratungen keine Änderungs- oder Verbesserungsvorschläge von irgendeiner Fraktion gehört habe, gehe ich erst einmal davon aus, dass wir vielleicht den Gesetzentwurf heute verab

schieden können. Ich bitte Sie um Zustimmung weil ich glaube, es ist wichtig.

(Hartloff, SPD: Gibt es keine Beschlussempfehlung?)

Aber es gab keine Verbesserungsvorschläge. Herr Pörksen hat mit denen immer noch hinter dem Berg gehalten. Vielleicht kommen sie heute noch. Darüber können wir gern diskutieren, Herr Pörksen.

(Pörksen, SPD: Worüber?)

Wenn Sie heute noch Verbesserungsvorschläge einreichen, bin ich gern bereit, mit Ihnen darüber zu diskutieren.

(Glocke des Präsidenten)

Herr Präsident, ich komme sofort zum Schluss. Ich finde es ganz wichtig, dass wir heute nicht einem solchen Gesetz nicht zustimmen, weil wir vielleicht parteipolitische Scheuklappen aufhaben. Ich bitte Sie um Zustimmung und danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es spricht Herr Abgeordneter Pörksen.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Kollege Wiechmann, wenn Sie Ausführungen gemacht hätten, die sich von denen unterschieden hätten, die Sie in der ersten Lesung oder in der Anhörung gemacht haben, dann hätte vielleicht ein Gesinnungswandel eintreten können.

(Zuruf des Abg. Wiechmann, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Da Sie das, was Sie vorher bereits gesagt haben, wiederholt haben, können Sie davon ausgehen, dass wir diesen Gesetzentwurf genauso wie in der Sitzung des Innenausschusses ablehnen werden.

Am Anfang wurde so getan, als ob nur mit diesem Gesetz die Demokratie bei uns ausbrechen würde.

(Wiechmann, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das stimmt überhaupt nicht!)

Ich habe das Gefühl, sie funktioniert auch so sehr gut.

(Frau Grützmacher, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Lesen Sie die erste Rede nach! Sie war ganz anders! – Zuruf der Abg. Frau Thomas, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn ich höre, wir seien ein Schlusslicht und schaue mir an, welche Staaten ein Informationsfreiheitsgesetz

haben und welche Demokratien das sind, komme ich in Zweifel, ob das eines der wichtigsten Instrumente überhaupt ist.

(Beifall bei SPD und FDP)

Wir können die Bundesländer nehmen. Sie haben von vier Bundesländern gesprochen. Davon sind zufälligerweise bei dreien die GRÜNEN mit an der Macht. Ich denke, das ist reiner Zufall.

(Zuruf des Abg. Creutzmann, FDP)

Dann kommen Sie auch zu dem Ergebnis, dass dort der demokratische Gemeinsinn viel besser sei als in den zwölf Ländern, die es nicht haben.

(Frau Grützmacher, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Woher wissen Sie das?)

Sie reden von den Erfolgen von Nordrhein-Westfalen. Ein Vertreter dieser Einrichtung hat gesagt, in NordrheinWestfalen seien große Erfolge erzielt worden. Man fragte ihn, ob er ein paar Zahlen nennen könne. Er sagte, das könne er nicht, so genau wisse er das nicht. Mit der Information war das nicht so toll.