Protokoll der Sitzung vom 09.05.2003

Herr Schumacher, finden Sie es nicht auch auffällig, dass es sehr viele führende Mitglieder einer ehemaligen Regierungspartei sind, die in diese Situation verwickelt sind?

Können Sie sich vorstellen, dass die Kirch-Gruppe auch Gegenleistungen erwartet hat, wenn sie im sechsstelligen Bereich jährlich wiederkehrende Geldbeträge überwiesen hat?

Wenn ein Beratervertrag geschlossen wird, dann erwartet das Unternehmen, das den Vertrag schließt, Beratung und Information. Wenn der Vertrag in einer solchen Höhe ist, die, so muss man es einmal sagen, ungefähr der Höhe des Einkommens des Intendanten des ZDF entspricht, und wenn es auch in anderen Fällen so enorme Höhen einnimmt, dann kann man natürlich daran sehr viele Vermutungen knüpfen.

Im Fall Scharnagl weiß ich nicht, wie der Chefredakteur einer kleinen Parteizeitung wirklich einen globalen Player beraten konnte.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Kramer, CDU: Vorsichtig!)

Weitere Fragen liegen nicht vor. Die Mündliche Anfrage ist beantwortet.

(Beifall bei SPD und FDP)

Ich rufe die Mündliche Anfrage der Abgeordneten Hedi Thelen und Walter Wirz (CDU), Mittelstandsförderung – Nummer 10 der Drucksache 14/2178 – betreffend, auf. – Bitte schön, Frau Thelen.

Gerade in der derzeit schwierigen wirtschaftlichen Lage stehen kleine und mittelständische Unternehmen unter erheblichem finanziellen Druck. Der Preis- und Konkurrenzkampf hat in den letzten Jahren erheblich zugenommen. Die Unternehmer gehen oft ein sehr hohes finanzielles Risiko ein und entlassen ihre Mitarbeiter meist nur im äußersten Notfall.

In diesem Zusammenhang fragen wir die Landesregierung:

1. Wie versucht die Landesregierung, diese kleinen und mittelständischen Betriebe zu entlasten, um ihnen eine Chance zur Erhaltung der Arbeitsplätze zu geben?

2. Ist es nach Auffassung der Landesregierung sinnvoll, in der momentanen Situation Unternehmen, die auf dem zweiten Arbeitsmarkt tätig sein wollen, zu fördern und neu zu gründen (vor allem dann, wenn diese in Geschäftsbereiche von Unternehmen ein- greifen, welche auf dem ersten Arbeitsmarkt ohne jegliche Unterstützung tätig sind)?

3. Ist die Landesregierung der Auffassung, dass man zum Beispiel mit erheblicher staatlicher Unterstützung in unmittelbarer räumlicher Nähe eines bereits seit Jahren bestehenden ortsansässigen Unternehmens eine Integrationsfirma ins Leben rufen sollte, die in der gleichen Branche tätig ist?

4. Besteht die Möglichkeit, dass ein staatlich gefördertes Unternehmen auf dem zweiten Arbeitsmarkt in unmittelbare Konkurrenz zu Unternehmen des ersten Arbeitsmarktes tritt und es somit dort zu erheblichen Arbeitsplatzverlusten kommen kann?

Für die Landesregierung antwortet Frau Staatsministerin Malu Dreyer.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Mündliche Anfrage der Frau Abgeordneten Thelen und des Herrn Abgeordneten Wirz beantworte ich wie folgt:

Zu Frage 1: Die Landesregierung achtet bei allen Vorschriften auf die besondere Relevanz des Mittelstands für das Wirtschafts- und Arbeitsleben in Rheinland-Pfalz. Dies gilt insbesondere bei der politischen Mitwirkung über den Bundesrat. So hat der Ministerrat vor wenigen Wochen entschieden, bei allen Regelungsinhalten von EU-Vorlagen sowie von Verordnungsentwürfen und Verwaltungsvorschriften des Bundes auf die daraus resultierende Kostenbelastung für den Mittelstand und das Handwerk zu achten.

Im Einzelfall kann eine unangemessene Kostenbelastung zur Ablehnung einer Vorlage führen; selbstredend gilt dies auch für Regelungen auf der Landesebene.

Konkret setzt sich die Landesregierung für mittelstandsfreundliche Reformen im Bereich der Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik und im Bereich des Sozialversicherungsrechts und der Entbürokratisierung ein. Ich verweise beispielhaft auf die Neuregelung der geringfügigen Beschäftigung im Rahmen der Hartz-Gesetze, den so genannten Mini- und Midijobs. Hiervon profitieren vor allem Betriebe des Hotel- und Gaststättengewerbes sowie des Einzelhandels.

Grundsätzlich ist unsere Mittelstandspolitik darauf ausgerichtet, über die Gestaltung vor allem der Rahmenbedingungen die Wettbewerbsfähigkeit der kleinen und mittleren Unternehmen zu stärken und die Branchenvielfalt zu erhalten. Diesem Ziel dient auch die Förderung einer Kultur der Selbstständigkeit.

Zu Frage 2: Die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit, insbesondere die Förderung der Beschäftigung von Menschen mit Behinderungen, ist ein vorrangiges Anliegen der Landesregierung. Das Risiko, arbeitslos zu werden, ist für Menschen mit Behinderungen in der gegenwärtig angespannten Situation auf dem Arbeitsmarkt höher als für nicht behinderte Menschen.

Es gibt immer mehr Menschen mit Behinderungen und langzeitarbeitslose Menschen, die nur auf dem zweiten Arbeitsmarkt oder in Betrieben des Übergangsarbeitsmarkts eine realistische Chance haben. Deshalb unterstützen wir sowohl Arbeitslosenprojekte im zweiten Arbeitsmarkt als auch die Gründung und Erweiterung von Integrationsbetrieben. Hier sollen vor allem Menschen mit Behinderungen beschäftigt werden, deren Beschäftigung in der Regel auf besondere Schwierigkeiten stößt.

Derzeit sind in Rheinland-Pfalz etwa 5.000 Menschen in Integrationsbetrieben des ersten Arbeitsmarkts und in Arbeitslosenprojekten des zweiten Arbeitsmarkts beschäftigt. Soweit es sich um Integrationsbetriebe für Menschen mit Behinderungen handelt, werden diese aus Mitteln der Ausgleichsabgabe bezuschusst, um die Minderleistung der behinderten Beschäftigten auszugleichen. Diese Zuschüsse werden je beschäftigter behinderter Mitarbeiter und Mitarbeiterin gezahlt und können von jedem Arbeitgeber beansprucht werden. Dies ist an dieser Stelle wichtig.

Wenn Unternehmen auf dem ersten Arbeitsmarkt Menschen mit Behinderungen einstellen oder sogar eine eigene Integrationsabteilung in ihrem Unternehmen gründen, bleiben sie nicht ohne Unterstützung, sondern können die gleiche Förderung durch das Integrationsamt wie Unternehmen im Übergangsarbeitsmarkt und im zweiten Arbeitsmarkt beanspruchen.

Ähnliches gilt für Mittel der Arbeitsverwaltung bei der Einstellung von Menschen mit Vermittlungshemmnissen.

Solange die Zahl derjenigen Arbeit Suchenden unverändert hoch ist, die wegen einer Behinderung oder anderer Vermittlungshemmnisse keine Einstellungschance auf dem ersten Arbeitsmarkt haben, kann und wird die Lan

desregierung auf den zweiten Arbeitsmarkt und auf Integrationsbetriebe nicht verzichten.

Zu Frage 3: Bei der Einrichtung von Integrationsbetrieben wird eine möglichst hohe Eigenleistungsquote angestrebt. Um sich dauerhaft am Markt behaupten zu können, ist dies eine notwendige Voraussetzung. Ermöglicht wird dies im Rahmen einer betriebswirtschaftlichen Beratung, die wir durch externen Sachverstand sicherstellen.

In den Beratungsprozess fließt natürlich auch eine mögliche Konkurrenz zu ortsansässigen Unternehmen der gleichen Branche ein. Weder für den geplanten Integrationsbetrieb noch für die örtliche Wirtschaft ist eine Wettbewerbsverzerrung aus unserer Sicht sinnvoll.

Zu Frage 4: Wie bereits angedeutet, ist es für Integrationsbetriebe wichtig, unter Einbeziehung möglicher Konkurrenzunternehmen eine Marktnische zu finden, die den betriebswirtschaftlich notwendigen Umsatz realisierbar erscheinen lässt. Hierdurch ist weitgehend auszuschließen, dass geförderte Unternehmen mit anderen Unternehmen konkurrieren und es bei letzteren zu Arbeitsplatzverlusten kommt. Zumindest ist mir ein solcher Fall in Rheinland-Pfalz nicht bekannt geworden. Auch die laufenden Projekte begründen solche Vermutungen nicht, im Gegenteil. In Rheinland-Pfalz hat es eine Reihe von Trägern verstanden, die richtigen Nischen zu finden, um sich langfristig am Markt halten zu können.

Im Übrigen weise ich abschließend nochmals ausdrücklich darauf hin, dass die Formulierung „staatlich gefördertes Unternehmen“ eigentlich irreführend ist, da nicht die unternehmerische Tätigkeit gefördert wird – dort gelten die üblichen Marktregeln –, sondern die Leistungsnachteile, gemessen an der individuellen Leistungskraft der eingestellten behinderten Menschen, ausgeglichen werden. Dieser Ausgleich steht jedem Unternehmer und jeder Unternehmerin zu, die bereit sind, schwerbehinderte Menschen zu beschäftigen.

Wir wären sehr froh, wenn mehr Unternehmen diese Bereitschaft zeigen und wir sie fördern könnten.

So weit die Antwort der Landesregierung.

(Beifall bei der SPD)

Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Wirz.

Frau Ministerin, stimmen Sie mir zu, dass der Bereich von Behindertenarbeitsplätzen qualitativ anders zu bewerten ist als die Schaffung von ganz normalen Arbeitsplätzen im Wege der Förderung auf dem zweiten Arbeitsmarkt? Sie haben das für die Behindertenarbeitsplätze gesagt. Halten Sie es denn für sinnvoll, dass durch staatliche Förderung neben bestehenden Betrieben mit gesicherten Arbeitsplätzen neue Betriebe über den zweiten Arbeitsmarkt geschaffen werden, die dann

die bestehenden Arbeitsplätze bei bestehenden Unternehmen durch eine solche Maßnahme möglicherweise im hohen Maße gefährden?

Herr Abgeordneter Wirz, ich glaube, dass ich diese Frage wirklich hinreichend beantwortet habe. Bei dem konkreten Fall, über den wir im Hintergrund sprechen, gibt es überhaupt keine Anhaltspunkte, dass es zu einer Gefährdung von Arbeitsplätzen auf dem ersten Arbeitsmarkt kommen wird. Es ist so, dass diese Arbeitsplätze teilweise unterschiedlich zu bewerten sind. Ich sage nochmals ausdrücklich, die Arbeitsplätze in Integrationsbetrieben oder Integrationsabteilungen von Unternehmen sind natürlich zu bewerten wie Arbeitsplätze, die von Arbeitgebern für nicht behinderte Menschen zur Verfügung gestellt werden. Genau das ist der Grund für diesen integrativen Ansatz. Diese Unternehmen bewegen sich auf dem ersten Arbeitsmarkt. Ich sage es noch einmal. Der Staat fördert nicht die unternehmerische Tätigkeit, sondern er gleicht nur aus, was die Minderleistung der betroffenen Personen mit sich bringt.

Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Wirz.

Frau Ministerin, stimmen Sie mir zu, dass eine Förderung von Behindertenarbeitsplätzen dann sinnvollerweise in bestehenden Betrieben geschieht, indem dann die Minderleistung der Behinderten in bestehenden Betrieben mit integrierten Arbeitsplätzen neben anderen besser als durch die Schaffung neuer Betriebe gefördert werden kann, die dann ausschließlich oder überwiegend nur Behinderte beschäftigen?

Herr Abgeordneter Wirz, das wäre eine Traumvision in unserem Land, wenn die Unternehmerschaft unsere behinderten Menschen beschäftigen würde und wir die Integration in den bestehenden Unternehmen schaffen würden.

(Vereinzelt Beifall bei SPD und FDP)

Ich sage das noch einmal ausdrücklich. Jedes Unternehmen, das diese Bereitschaft zeigt, wird von uns unterstützt und erhält durch das Integrationsamt und Arbeitsamt die entsprechenden Zuschüsse.

Ich komme noch einmal zu den Integrationsbetrieben. Die Integrationsbetriebe schaffen die Integration im Gegensatz zu den reinen Werkstätten. Auflage eines Integrationsbetriebes ist, dass sie mindestens 25 %, höchstens aber 50 % behinderte Beschäftigte einstellen, sodass der Faktor „Integration“ tatsächlich gewährleistet

ist im Gegensatz zu den WfB, in denen in der Regel ausschließlich behinderte Menschen arbeiten.

Wir haben in unserer Sozialpolitik einen neuen Schwerpunkt gesetzt, in dem konkret auf mittelständische Betriebe zugegangen wird, um sie zu motivieren, Integrationsabteilungen zu gründen oder behinderte Menschen in ihr Unternehmen aufzunehmen. Wir können daran gern gemeinsam arbeiten. Wir brauchen in Zukunft möglicherweise keine Integrationsbetriebe mehr. Es wäre schön, wenn uns das gelingen würde, in bestehende Unternehmen stärker zu integrieren.

Eine Zusatzfrage der Frau Abgeordneten Thelen.

Sehr geehrte Frau Ministerin, wenn ich mir Ihre Antwort richtig mitnotiert habe, haben Sie bestätigt, dass es vor der Gründung von Integrationsbetrieben selbstverständlich auch seitens des Landes eine geförderte oder selbst durchgeführte betriebswirtschaftliche Beratung gibt. Diese Beratung würde die Konkurrenzsituation unters uchen, da eine Wettbewerbsverzerrung nicht sinnvoll sei und durch die Ansiedlung eines Integrationsbetriebes eine Wettbewerbsverzerrung stattfinden kann. Gehe ich in dieser Schlussfolgerung Ihrer Ausführungen richtig? Das ist Frage 1.

Frage 2: Wenn Sie sagen, dass man versuche, die Wettbewerbsverzerrung auszuschließen, indem sich der Integrationsbetrieb eine besondere Nische am Markt suche, dann heißt das, dass er ein Angebot produziert oder eine Dienstleistung anbietet, die ansonsten in der Region nicht geboten wird. Gehe ich auch in dieser Annahme richtig?

Ich komme zum dritten Punkt. Wenn das beides stimmt, dann kann ich die Entscheidung in der Region Westerwald trotz und alledem nicht nachvollziehen und wäre für eine Begründung dankbar.

Frau Abgeordnete Thelen, ich beantworte die Fragen gern. Auf den konkreten Fall gehe ich jetzt ein. Man muss nicht ständig drumherum reden. Grundsätzlich ist zu sagen, dass diese Betriebe auf dem ersten Arbeitsmarkt konkurrieren. Das ist ein Fakt, wo immer ein Integrationsbetrieb entsteht. Unabhängig davon, ob er eine ernsthafte Konkurrenz für ein anderes Unternehmen ist oder nicht, haben wir diese Debatte, die wir hier zurzeit führen. Es ist wichtig darauf hinzuweisen, in RheinlandPfalz hat es keinen einzigen Fall gegeben, in dem ein mittelständisches oder kleines Unternehmen am ersten Arbeitsmarkt Arbeitsplätze abbauen musste, weil ein Integrationsbetrieb gegründet worden ist. Ich denke, es ist wichtig, dies zur Kenntnis zu nehmen.