Protokoll der Sitzung vom 04.06.2003

(Beifall bei der SPD)

In jeder Klinik und bei jedem Krankheitsbild sind andere Erfordernisse zu beachten. Dass dies hervorragend gemeistert werden kann, zeigt die Kinderklinik Kemperhof in Koblenz. Dort können die jungen Patienten dank modernster Computertechnik am Schulunterricht teilnehmen und quasi per Videokonferenz mit ihren Freunden kommunizieren. Das halte ich für eine bemerkenswerte Initiative.

Meine Damen und Herren, heftige Diskussionen hat im Ausschuss die Frage der Qualifikation und der Motivation der im Krankenhausunterricht eingesetzten Lehrerinnen und Lehrer ausgelöst. Wir sind uns sicher alle einig, dass Krankenhausunterricht an die Pädagogen besondere Herausforderungen stellt. Daher sind wir sehr dafür, dass künftig die Personalauswahl durch eine klinik

scharfe Ausschreibung erfolgt und die Handreichung zum Krankenhaus- und Hausunterricht überarbeitet wird.

Meine Damen und Herren, wir sind fest davon überzeugt, dass mit dieser Weiterentwicklung den Interessen der Betroffenen entsprochen wird.

(Beifall bei SPD und FDP)

Das Wort hat Frau Kollegin Schneider-Forst.

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! „Wer, wenn nicht wir?“ fragt bisweilen eine Regierung in die Bevölkerung hinein, wenn sie dynamisch Neues aufgreift oder mutig Vorhandenes verbessern will. Im vorliegenden Fall ist es die Oppositionsfraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der wir es zu verdanken haben, dass neben unseren bildungspolitischen Dauerbrennern im Plenarsaal heute ein bisher nicht so beachtetes Bildungsthema zur Sprache kommt. Dass die Koalitionsfraktionen einen Antrag nachgeschoben haben, spricht für deren Reaktionsfähigkeit bzw. Reaktionsvermögen.

Die CDU-Fraktion begrüßt alle Schritte, die zur Verbesserung des Schulunterrichts beitragen, insbesondere bei länger oder gar chronisch erkrankten Kindern. In diesem Zusammenhang ist es angebracht, einmal einen Dank an all diejenigen zu sagen, die auf diesem nicht einfachen Feld arbeiten und Gutes tun.

(Vereinzelt Beifall im Hause)

Herr Heinrich, Sie haben im Dezember-Plenum diese drei Fallgruppen genannt, für die wir die Schule für kranke Kinder haben: Die Akutkliniken, die Kinder- und Jugendpsychiatrie sowie die Kurkliniken.

Bei der Vorbereitung auf die heutige Sitzung habe ich mich daran erinnert, dass ich in Bezug auf alle genannten Krankenhaustypen Namen und Menschentypen persönlich kannte. Es waren alles junge Menschen, die in der Pubertät Schwierigkeiten hatten und von einem ganz persönlichen harten Schlag betroffen waren: Essbzw. Fresssucht, Gehirntumore, manchmal auch Selbstmordversuche. – Ich muss zugeben, dass mich die Debatte über diesen Punkt daher besonders berührt hat.

Für die CDU-Fraktion liegt es daher auf der Hand, dass die Lehrkräfte, die mit den kleinen und großen Patienten arbeiten, besonders geschult sein müssen.

Herr Wiechmann, Sie wissen, dass wir, die CDULandtagsfraktion – mein Kollege, Herr Lelle, hat das im Plenum im Dezember und auch im Ausschuss gesagt –, mit Ihnen in fast allen Punkten übereinstimmen. In der verbundenen Debatte der Tagesordnungspunkte 6 und 7 fordern Sie aber eine neue Verwaltungs- und Organis ationseinheit. Demgegenüber hat Ihr Kollege Marz eben

zur Verwaltungsmodernisierung und zur Verschlankung von Verwaltung gesprochen. Das ist schon ein bisschen komisch. Das ist auch der Punkt, weshalb wir uns beim Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN der Stimme enthalten und keine Zustimmung geben können. Die Tatsache, dass wir Ihnen in vielen anderen Punkten zustimmen, sollte aber ein gutes Zeichen sein.

Die CDU-Landtagsfraktion begrüßt es, dass der Rechtsanspruch auf diesen Unterricht ins Schulgesetz kommt, Frau Ministerin. Wir wollen zusammen mit den GRÜNEN klare und transparente Regelungen über den Einsatz der Lehrkräfte anstatt eine Personalflickschusterei. Die besondere Einsatzvorbereitung der Lehrkräfte auf diese schwierige Aufgabe ist meiner Meinung nach ebenso fraktionsübergreifend überhaupt kein Streitthema.

Es wundert uns nicht, dass die Koalition einen Jubelantrag eingebracht hat. Sie führen einige Dinge auf, die infolge des KMK-Beschlusses tatsächlich umgesetzt wurden. Inzwischen ist aber doch einiges an Zeit vergangen. Sie hätten einiges schon tun können. Die Kinder, die während der Debatte im Rahmen des Plenums im Dezember krank waren, sind hoffentlich inzwischen wieder gesund.

Ich würde sagen, es ist jetzt an der Zeit, die Dinge anzugehen. Sie als Regierung haben das in der Hand und sollten nicht weiter warten.

Herr Kollege Hörter hat eben so schön das Thema „Weile und Eile“ angeführt. Das passt auch bei diesem Tagesordnungspunkt meiner Meinung nach ganz gut.

Die CDU-Landtagsfraktion hat keinen eigenen Antrag eingebracht. Wir werden aber sicherlich in absehbarer Zeit mit einem Berichtsantrag die Landesregierung abfragen und schauen, was sie getan hat.

Wir enthalten uns der Stimme beim Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und werden den Antrag der Koalitionsfraktionen ablehnen.

Ich danke Ihnen.

(Beifall der CDU)

Ich erteile Frau Abgeordneter Morsblech das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich bin nach dem Beitrag meiner Kollegin etwas verwirrt, weil ich den Eindruck hatte, als wir die Anträge im Plenum im Dezember und im Februar im Ausschuss diskutiert hatten, dass wir doch in irgendeiner Form einen gemeinsamen Weg finden werden. Wir waren uns zwar relativ einig, dass wir Ihren Antrag nicht unterstützen werden – – –

(Heiterkeit bei der CDU und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Lelle, CDU: Das ist Gemeinsamkeit!)

Lassen Sie mich bitte ausreden. Wir waren uns schon einig, dass es keine neue Organisationsstruktur für den Krankenhausunterricht in Form einer Schule für Kranke geben muss.

(Lelle, CDU: Sehr richtig!)

Herr Lelle nickt. Wir waren uns insoweit einig, dass wir jetzt nicht unbedingt einen Rechtsanspruch formulieren wollen, sondern dass wir im Rahmen der Novellierung des Schulgesetzes über eine Neuformulierung nachdenken wollen. Wir waren uns auch einig, welcher Bedarf an Verbesserung im Bereich des Krankenhausunterrichts besteht. Frau Schneider-Forst, nach Ihrer Rede weiß ich jetzt gar nicht mehr, wofür die CDU steht.

Auf der einen Seite gibt es einen Antrag, der konkrete Verbesserungsvorschläge enthält, nämlich die klinikscharfen Ausschreibungen, die besseren Informationen für Eltern und die Schülerinnen und Schüler, die davon betroffen sind, wenn sie länger in eine Klinik gehen und die sich über die Möglichkeiten informieren sollten, und eine verbesserte Fortbildung für Lehrerinnen und Lehrer, mehr Austausch usw. Der Antrag enthält ganz konkrete Vorschläge, denen Sie allen zugestimmt haben.

(Lelle, CDU: Da sind die GRÜNEN konkreter!)

Jetzt lehnen Sie den einen Antrag ab, und zu dem anderen Antrag haben Sie plötzlich überhaupt keine Meinung mehr. Das überrascht mich dann doch.

(Beifall der FDP)

Meine Damen und Herren, ich muss dazu nicht mehr viel sagen; denn wir haben das sehr lange diskutiert. Wir als Koalitionsfraktionen hatten vor allem das Problem, dass wir Ihrer Auffassung nicht zustimmen konnten, dass damit alles getan ist, wenn man zum einen einen Rechtsanspruch formuliert und zum anderen eine neue Struktur schafft. Unserer Meinung nach haben wir auch in Rheinland-Pfalz eine Struktur, auf die man gut aufbauen kann. Wir haben eine Fortbildungsstruktur, die ausgebaut werden muss. Wir haben eine Struktur an Krankenhausunterricht, bei der man in der Tat sehen muss, dass es größere Kliniken mit längeren Aufenthaltsdauern gibt, bei denen es sehr wichtig ist, klinikscharf auszuschreiben, um den Unterricht besser in das therapeutische Angebot des Hauses integrieren zu können.

Wir sind aber nicht der Meinung, dass man dazu unbedingt einen organisatorischen Überbau benötigt, sondern dass das eher in der Klinik selbst geregelt werden muss. Dort hat man besser die Möglichkeit, die Lehrerinnen und Lehrer in den Klinikalltag und in die therapeutischen Maßnahmen für die Kinder und Jugendlichen zu integrieren. Deshalb lehnen wir den Vorschlag, eine Schule für Kranke einzurichten, die eine entsprechende Koordination gewährleistet, ab. Den Bedürfnissen, die aus der Klinik heraus und von dem Lehrpersonal, das wir dort gern klinikscharf hätten, kommen, möchten wir gern mit entsprechenden Fort- und Weiterbildungsangeboten entsprechen.

Wir haben ein Lehrerstellenkontingent von 28 Vollzeitlehrerstellen. Das Problem der Versorgung wird sich immer wieder neu stellen, egal ob wir nun einen Rechtsanspruch formulieren oder nicht. Die praktische Umsetzung muss über konkrete Maßnahmen erfolgen, die wir in dem Antrag vorschlagen.

Ich hätte es schön gefunden, wenn die CDU diesen Weg hätte mitgehen können und hätte sagen können: Wir stimmen diesen konkreten Verbesserungsvorschlägen zum Wohl der Kinder, aber auch zum Wohl der Lehrerinnen und Lehrer, die eine sehr schwierige Aufgabe wahrnehmen – darüber sind wir uns auch alle einig –, zu.

Wir als FDP-Fraktion werden natürlich dem gemeins amen Antrag zustimmen.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall der FDP und der SPD)

Ich erteile Frau Staatsministerin Doris Ahnen das Wort.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Im Prinzip gibt es bei diesem Thema meiner Meinung nach viele Gemeinsamkeiten. Das ist auch in der Debatte im Ausschuss deutlich geworden. Bei der konkreten Ausgestaltung gibt es aber offenbar doch den einen oder anderen kleinen Unterschied.

Frau Schneider-Forst, alle Fraktionen und die Landesregierung haben deutlich gemacht, dass der Umgang der Schule mit Schülerinnen und Schülern, die an lang andauernden Erkrankungen leiden oder deren Behandlung länger andauernde stationäre Aufenthalte in Kliniken erfordert, auch für uns eine besondere Bedeutung und ein besonderes Gewicht hat. Es geht darum, für diese Kinder und Jugendlichen auch aus dem schulischen Bereich heraus unterstützend tätig zu werden.

Wenn man diese Kinder und Jugendlichen in den Blick nimmt, darf man das übrigens nicht auf den Krankenhaus- und Hausunterricht allein konzentrieren, sondern muss sehen, dass diese Kinder Schulen besuchen und es für sie ganz besonders wichtig ist, Kontakt zu der Schule zu halten, die sie besuchen und an die sie in der Regel hoffentlich auch wieder zurückkehren.

Wir haben auf diese Veränderungen reagiert. Wir haben deshalb insgesamt Fort- und Weiterbildungslehrgänge für Lehrerinnen und Lehrer angeboten. Wir haben aber auch den Krankenhausunterricht als Unterricht in besonderen Bedarfslagen ausgebaut. Man kann das anhand der Zahlen deutlich machen. Wir haben in den vergangenen Jahren von 20 auf rund 30 Lehrerstellen in diesem Bereich aufgestockt.

Wir haben die maßgebliche Verwaltungsvorschrift „Krankenhaus- und Hausunterricht“ aktualisiert und haben die Bedarfslage der Schülerinnen und Schüler stärker in den Vordergrund gestellt. Aus meiner Sicht haben sich diese Strukturen im Grundsatz bewährt. Natürlich muss man aber regelmäßig hinsehen, ob man noch etwas verbessern kann. Ich sehe die Vorstellungen meines Ministeriums in vollem Einklang mit dem, was im Antrag der Fraktionen der SPD und FDP formuliert ist, weil ich der Meinung bin, dass es darum geht, auf die konkreten Probleme vor Ort zu reagieren.

Nicht zuletzt deshalb habe ich im März auch die Pfalzklinik in Klingenmünster besucht und dort Gespräche sowohl mit Ärzten und Lehrkräften als auch mit Schülerinnen und Schülern des Klinikunterrichts geführt, um Problemlösungen möglichst nah an dem zu orientieren, wo die Probleme wirklich sind. Deshalb stehen aus meiner Sicht bei der geforderten Überprüfung im Vordergrund, die Fort- und Weiterbildungsangebote für diese Lehrkräfte systematisch auszubauen, die vorliegenden Handreichungen für den Krankenhausunterricht auch im Sinne einer verbesserten Information neu zu überarbeiten und – auch da besteht Einigkeit – dass wir verstärkt versuchen sollten, solchen Stellen über schulscharfe Ausschreibungen – in dem Fall über klinikscharfe Ausschreibungen – Rechnung zu tragen.

Ich habe aber große Bedenken gegenüber der plakativen Forderung nach einer Schule für Kranke. Schon im Ausschuss hatten wir die Diskussion, dass eigentlich nicht richtig erklärt werden konnte, was im Einzelnen gemeint war.

Die Vorstellungen reichten von einer virtuellen Schule auf Landesebene bis hin zu einzelnen Einrichtungen an den jeweiligen Standorten. Das sind sehr unterschiedliche Konzepte.

Herr Abgeordneter Wiechmann, wenn Sie sich die hessischen Regelungen anschauen, ist nicht von einer Schule für Kranke die Rede, sondern es geht in der Regel um regionale Einrichtungen. Ich glaube, man müsste sich etwas deutlicher äußern.

(Beifall bei SPD und FDP)