Protokoll der Sitzung vom 04.06.2003

(Beifall bei SPD und FDP)

Wir haben den Ansatz, dass die betroffenen Lehrkräfte in der Regel von Stammschulen abgeordnet sind und eine Koordination über die ADD erfolgt. Ich bin auch der Meinung, dass man die Form der Koordination optimieren kann. Das kann mit den Ansätzen, die wir im Land haben, sehr gut funktionieren.

Wenn man die Veränderung der letzten Jahre und die Reaktionsnotwendigkeit darauf nimmt, sieht man auch, dass es immer wieder Veränderungen bedarf. Ich erinnere an das Konzept zur Veränderung im Bereich der psychiatrischen Versorgung, wo es für uns notwendig war, sehr schnell in mehreren Kliniken im Land zusätzlich Krankenhausunterricht anzubieten. Das ist uns im Großen und Ganzen gut gelungen.

Unter dem Strich ist festzustellen: Ich nehme gern den Auftrag an, dass wir uns immer wieder darum bemühen, die Strukturen zu optimieren. Dabei müssen immer die

Kinder und Jugendlichen und deren Eltern mit ihren besonderen Problemen im Mittelpunkt stehen.

Deswegen glaube ich, dass der Ansatz, wie er im SPDund FDP-Antrag formuliert ist, richtig ist und an bestimmten Stellen konkrete Punkte formuliert, wir aber an anderen Stellen stetig aufgefordert bleiben, in diesem Bereich jeweils unser System auch auf Bedarfsgerechtigkeit zu überprüfen.

(Beifall der SPD und der FDP)

Wir kommen zur unmittelbaren Abstimmung über den Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 14/1554 –, da die Beschlussempfehlung die Ablehnung empfiehlt. Wer dem Antrag zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen! – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Der Antrag ist mit den Stimmen der SPD und der FDP gegen die Stimmen des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei Stimmenthaltung der CDU abgelehnt.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag (Alterna- tivantrag) der Fraktionen der SPD und FDP – Drucksache 14/1649 –, da die Beschlussempfehlung die unveränderte Annahme empfiehlt. Wer diesem Antrag zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen! – Wer stimmt dagegen? – Der Antrag ist mit den Stimmen der SPD und der FDP gegen die Stimmen der CDU und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN angenommen.

Ich rufe Punkt 8 der Tagesordnung auf:

Gleichstellung von Frauen und Männern weiterentwickeln – Gender Mainstreaming konsequent umsetzen Besprechung des Berichts der Landesregierung (Drucksache 14/1827) auf Antrag der Fraktion der SPD – Drucksache 14/1828 –

Die Fraktionen haben eine Redezeit von zehn Minuten vereinbart.

Für die SPD-Fraktion erteile ich Herrn Abgeordneten Geis das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Wir sprechen über ein Thema, bei dem wir uns in der grundsätzlichen Zielsetzung sicher über alle Fraktionen hinweg einig sind. Keiner wird sich trauen zu sagen, Gender Mainstreaming als Strategie zur Verwirklichung von Geschlechterdemokratie sei nichts Erstrebenswertes. Das ist aber gerade ein Beleg dafür, dass die Anstrengungen zur konkreten Umsetzung besonders groß sein müssen; denn die GenderMainstreaming-Definition in ihren beiden Komponenten zu akzeptieren, nämlich – Zitat – „zu erkennen, dass es auf dieser Welt nichts Geschlechtsneutrales gibt, und

ausschließlich auf dieser Grundlage handeln“, wie es Astrid Lipinsky sagt, ist nicht mehr so selbstverständlich.

Es ist viel Fortschrittliches im Bericht der Landesregierung zu lesen. Er zeigt, dass sich die Ministerien mehr oder weniger um die Umsetzung der Gender-Strategie bemühen. Viele Beispiele dokumentieren das. Dabei ist wichtig, dass Gender Mainstreaming als Querschnittsaufgabe gesehen wird, die man nicht an das Frauenministerium delegieren kann, sondern eine Aufgabe für alle Politikbereiche ist.

(Beifall der SPD und der FDP)

Geschlechterrollen prägen viele Entscheidungen, und viele Entscheidungen tragen zur Verfestigung von Stereotypen bei. Das sind gesellschaftliche, soziale oder kulturelle Prozesse, die sich entwickelt haben, und die damit auch veränderbar sind. Die Gleichstellung von Frau und Mann bleibt eine der zentralen Herausforderungen und Zukunftsaufgaben der aufgeklärten Gesellschaft.

(Vereinzelt Beifall bei SPD und FDP)

Die politische Kultur einer Demokratie ist ohne die Gleichstellung unvollkommen. Die Maßnahmen, über die berichtet wird, zeigen, dass der Ansatz von Gender Mainstreaming sehr stark an der Bewusstseinsbildung ansetzt. Er ist eine Strategie von der Spitze her. Dabei darf es aber nicht bleiben. Zur Umsetzung muss eine breite Verankerung bei den Entscheidungsträgern aller Ebenen gelingen. Da bleibt noch vieles zu tun.

Gender Mainstreaming ist Analyse und Strategie und ein Konzept zur Entwicklung der Chancengleichheit. Frauenförderung bleibt der zentrale Weg. Ich sage lieber, um den leicht gönnerhaft wirkenden Ton zu vermeiden, Maßnahmen zur Gleichstellung von Frauen und Männern bleiben der zentrale Weg.

(Beifall bei der SPD)

Aus der Gender-Perspektive sind viele politische Einzelfelder neu zu bewerten. Das beginnt zum Beispiel bei den öffentlichen Haushalten, bei denen zu prüfen ist, ob Entscheidungen beiden Geschlechtern gleichermaßen dienen oder ob es Bevorzugungen in die eine oder andere Richtung gibt. Das gilt zum Beispiel für die Gesundheitspolitik, bei der die Erhebung geschlechterspezifischer Daten und die geschlechterdifferenzierte Gesundheitsvorsorge und -versorgung Voraussetzungen für eine zeitgem äße Politik sind.

In der Arbeitsmarkt- und Familienpolitik sind Zeitstrukturen zu untersuchen, die Arbeit und Freizeit konstituieren. Betreuungsangebote, wie wir sie in Rheinland-Pfalz mit der Ganztagsschule vorbildlich in die Wege leiten, befördern nicht zuletzt auch die Geschlechterdemokratie. Hier müssen wir mit den Ganztagsangeboten natürlich schon bei den Krippenplätzen und im Kindergarten anfangen.

Doris Ahnen hat sich heute, am Vortag der Konferenz der Gleichstellungs- und Frauenministerinnen in Mainz, die sich mit dem Thema „Vereinbarkeit von Erwerbstä

tigkeit und Familie“ beschäftigt, erinnert – Zitat – „dass mit der Novellierung des Kindertagesstättengesetzes im letzten Jahr durch zusätzliche Landesförderung deutliche Anreize für die Schaffung von mehr Ganztagsangeboten geschaffen wurden“.

Ich möchte noch einige Sätze schwerpunktmäßig zu Gender Mainstreaming in der Wissenschaft und der Weiterbildung sagen.

Die Jahrestagung der Hochschulrektorenkonferenz im Mai in Dresden hat das Thema „Frauen in der Wissenschaft“ in den Mittelpunkt der Beratungen gestellt. „Die immense Verschwendung von Begabungen und Fähigkeiten“, die Ministerin Bulmahn konstatierte, solange Chancengleichheit in der Wissenschaft nicht hergestellt sei, schadet nicht nur den benachteiligten Frauen.

Wir haben uns Maßnahmen zu überlegen, die das eklatante Mißverhältnis beenden, dass erstmals im Wintersemester 2002/2003 mehr Frauen als Männer studiert haben, jede dritte Dissertation von einer Frau geschrieben wird, aber nur noch jede fünfte Habilitation und nur jede zehnte Professur von einer Frau eingenommen wird. Dafür gibt es viele Gründe. Sicher müssen aber auch Berufungsverfahren beobachtet und Netzwerke gebildet werden, die nicht nur alte graue Männer konstituieren.

(Beifall der SPD)

Rheinland-Pfalz ist mit seinen Hochschulen Vorreiter bei einer geschlechterbewussten Forschung und Lehre. Es gibt seit Jahren – ich muss es nicht weiter ausführen – das Ada-Lovelace-Mentorinnen-Netzwerk. Es gibt seit dem Wintersemester 2001/2002 an der Universität Trier ein Zertifikat „Interdisziplinäre Geschlechterstudien“. Das ist eine Zusatzqualifikation, die studienbegleitend mit dem ersten Hochschulabschluss erworben werden kann. Es gibt an der Universität in Mainz schon seit 1998 die „Dokumentationsstelle für Geschlechterforschung in Rheinland-Pfalz“, die vom Land gefördert die Leistungen der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sichtbar macht und ihre Arbeiten unterstützt.

Die rheinland-pfälzischen Hochschulen haben eine rotierende Stelle für „Internationale und interdisziplinäre Frauen- und Geschlechterforschung“ eingerichtet, die zurzeit an der Universität Trier die Historikerin Karen Hagemann innehat. Viele weitere gute Beispiele wären zu nennen, auch praktische Hilfen, wie zum Beispiel das Tagesmütternetz an der FH in Mainz.

Auch im Weiterbildungsbereich ist Rheinland-Pfalz gendermäßig Spitze. Das ist besonders wichtig, weil dieser Bereich, wie schon gesagt, vor allem eine Strategie der Bewusstseinsbildung ist.

Zu nennen ist das Modellprojekt „Gender Mainstreaming in der Qualitätsentwicklung für Weiterbildungsorganis ationen“, das der Landesbeirat für Weiterbildung entwickelt hat. Schlüsselqualifikationen dabei sind – Zitat –: „Geschlechtergerechtes Bewusstsein und Arbeiten“, wie es Ulrike Gentner vom Heinrich Pesch-Haus in Ludwigshafen nennt, das heißt, eine Weiterbildung, die Gender Mainstreaming befördert, muss selbst eine Didaktik

haben, die – nochmals Ulrike Gentner – „Frauen und Männer in der Entfaltung ihrer Lebensbedürfnisse gezielt fördert“.

Noch ein interessanter Bezug. Wir haben in diesen Tagen auch den Bericht der Landesregierung zum Agenda21-Programm zugestellt bekommen. Auch hier wird der Gender-Aspekt deutlich angesprochen und plastisch der Zusammenhang von Geschlecht und Betroffenheit von Maßnahmen zur Erzielung einer nachhaltigen Umwelt deutlich. Dieses Bewusstsein muss auch bei politischen Entscheidungen relevant werden. Die enge Verbindung von Agenda 21 und Gender Mainstreaming als ganzheitliche Ansätze lässt hoffen, dass Politik differenziert mit den großen Herausforderungen und Chancen einer globalen und vernetzten Welt umgeht. Nur wenn alle Talente genutzt werden, ist nachhaltige Entwicklung möglich.

Warum sagt das alles ein Mann? Weil Gender Mainstreaming gerade den Männern nutzt!

(Beifall im Hause)

Viele vermeintliche Werte von Männlichkeit, die in ihrer Entstehung und Auswirkung analysiert werden müssen, sind doch schrecklich unzeitgemäß und spießig geworden.

(Beifall bei der SPD)

Mehr Emotionalität, Kooperation, ganzheitliches und nachhaltiges Denken tun uns Männern und der Gesellschaft gut.

Man muss den Eindruck haben, dass Männer so ziemlich auf dem absteigenden Ast sind.

(Heiterkeit im Hause – Beifall bei der SPD)

Schon in der Schule sind die Mädchen eindeutig stärker. Das Sozialverhalten junger Männer muss uns darüber nachdenken lassen, ob es nicht noch mehr spezielle Fördermaßnahmen geben müsste, diese Probleme einzudämmen. Männer sterben früher, Männer begehen mehr Selbstmord, Männer haben mehr Unfälle. Mögen manche äußere und innere Unifomiertheiten früheren Frauengenerationen vielleicht imponiert haben – das ist vorbei, und das ist gut so.

(Beifall bei der SPD – Frau Brede-Hoffmann, SPD: Richtig!)

Zum Schluss: Meine Frau, als sie gesehen hat, womit ich mich beschäftige, hat gesagt: „Theorie ist, wenn man weiß, wie es geht.“

Ein bisschen mehr Praxis täte uns allen gut.

(Beifall bei SPD und FDP)

Da ich noch einen Moment Zeit habe, will ich die Ministerin und ihr Haus loben. Es gibt eine Broschüre zu dem Thema „Gender Mainstreaming“, die lautet: „Eine praktische Einführung“. Sie ist tatsächlich eine praktische

Einführung, die diesen Namen verdient. Man kann sie gut lesen, man kann sie gut verstehen, sie ist flott geschrieben, sie ist pfiffig gestaltet – Kompliment dafür. Alle, die Gender Mainstreaming sprachlich und inhaltlich noch nicht so ganz verstanden haben, können sich diese Broschüre sicher vom Ministerium besorgen.

Danke schön.