Protokoll der Sitzung vom 05.06.2003

Der Geschäftsführer einer großen Winzergenossenschaft bei uns in der Pfalz sagte mir vor 14 Tagen: Wir sind auf dem richtigen Weg. Es fängt jetzt richtig an.

(Zuruf der Abg. Frau Kiltz, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Mit „wir“ meint er nicht die Politik – die hat die Grundlagen geschaffen –, sondern er meint damit sich selbst. Denn wer muss das alles umsetzen? Es sind die Akteure selbst. Sie sprechen immer nur davon, dass wir Wein verkaufen müssen. Wer denn? Wir? Wir tun das schon. Wir trinken ihn, wir formulieren, aber verkaufen müssen ihn die Winzer selbst.

So viel zu den in der Regierungserklärung angesprochenen Handlungsfeldern. Sie sind grundsätzlich formuliert, aber sie geben uns – das sage ich auch in Richtung auf die CDU –, dem Parlam ent, uns Abgeordneten, einen großen Anteil an Handlungsspielraum, damit wir uns einbringen können. Unter parlamentarischer Arbeit verstehe ich auch, dass wir uns mit einbringen.

(Beifall der SPD und der FDP)

Ich erteile der Abgeordneten Frau Kiltz das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Schön, dass so viele bei der Weinbaudebatte anwesend sind.

(Zuruf des Abg. Pörksen, SPD)

Wir können alle etwas lernen. Auch Sie, Herr Pörksen. Sie vorneweg!

Rheinland-Pfalz ist das wichtigste Weinland in der Bundesrepublik Deutschland. Das wurde schon gesagt, aber ich will das noch einmal unterstreichen. 70 % des deutschen Weins werden in unserem Bundesland, in unseren Anbaugebieten erzeugt. Einige unserer schönsten Kulturlandschaften verdanken wir vielen Arbeitsstunden im Weinberg.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Ich habe meinen Teil dazu beigetragen. Deshalb kann ich das mit Überzeugung sagen.

Nicht nur wegen der wirtschaftlichen Bedeutung des rheinland-pfälzischen Weins sind wir gefordert, etwas für den Erhalt dieser schönen Kulturlandschaften zu tun.

(Kuhn, FDP: Richtig!)

Jeder, der die brachgefallenen Lücken im Mittelrheintal, das jetzt Weltkulturerbe ist, oder an der Mosel, an der Nahe oder woanders gesehen hat, weiß, wovon ich rede. Wir sollten uns anstrengen, und zwar alle miteinander, um diese – im touristischen Jargon nennt man das Alleinstellungsmerkmale – zu erhalten. Wir erreichen das am besten über eine vernünftige Weinbaupolitik.

(Staatsminister Bauckhage: Das ist richtig! – Kuhn, FDP: Jawohl!)

Oh, Sie stimmen mir zu. Habe ich etwas Falsches gesagt?

Das heißt, die Rahmenbedingungen müssen so gestaltet werden, dass der unternehmerische Geist der vielen engagierten innovativen Betriebe gestärkt wird und ihre Risikobereitschaft – das geht jetzt an die Adresse der CDU –, neue Wege zu beschreiten, wächst.

Mengenbegrenzung, Qualitätsverbesserung und Ökologisierung müssen sich lohnen, und Massenproduktionen mit schlechten Qualitäten dürfen nicht mit Steuermitteln abgefedert werden.

Herr Minister, das ging an Ihre Adresse.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Unser Ziel dabei muss sein: Der Name Rheinland-Pfalz soll im Weinbau für hochwertige, umweltgerecht erzeugte Weine und für Genuss stehen. Das ist die beste Politik für den Weinbau und die Kulturlandschaften. Das wird auch den Nachfolgern in den Betrieben Lust machen, einzusteigen und einen Betrieb zu übernehmen, in dem sich der Einsatz auch lohnt.

Herr Minister, ich komme zu Ihrer Regierungserklärung.

(Staatsminister Bauckhage: Das freut mich!)

Was wollte uns der Minister sagen? Das habe ich mich nach der ersten Lektüre gefragt. Beim zweiten Durchgang fand ich zumindest die Absicht schon einmal formuliert. Er wollte uns seine Überlegungen zur künftigen Ausrichtung der Weinwirtschaftspolitik darlegen. In der Überschrift kommt der Begriff „gestalten“ und sogar „zukunftsfähig gestalten“ vor, was immer er darunter verstehen mag.

(Frau Grützmacher, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ist das noch Marktwirtschaft?)

Das sind gute Vorhaben, aber die Regierungserklärung bleibt in großen Teilen bei der Beschreibung stehen. Sie ist rein deskriptiv. Sie zeichnet sich selbst dort noch durch die Auslassung wichtiger Sachverhalte aus.

Meine Damen und Herren, kein Wort über die Krisen der vergangenen Weinjahre, die uns immer Aktuelle Stunden und Aussprachen über Mündliche Anfragen der CDU bescherten – Sie erinnern sich – und hektische Betriebsamkeit des Ministeriums in Form von sogenannten Zwölf-Punkte-Programmen und ähnlichem. Kein Wort über die Ursache dieser Krisen und keine Vorschläge, in welcher Form die Politik in Rheinland-Pfalz zukünftig Einfluss nehmen kann und will, um die Rahmenbedingungen so zu gestalten – die Politik kann nur Rahmenbedingungen gestalten und nicht den Markt in die Hand nehmen –, dass die Krisen vermieden werden können und sich der Markt stabilisieren kann.

Kein Wort über die Erfahrungen mit dem Segment Verarbeitungswein – Haben Sie schon wieder vergessen, dass Sie das in den vergangenen zwei Jahren gewollt haben? – und etwaige Lehren daraus. Kein Wort über die Gefahr, die dem Dornfelder-Markt droht, wenn jetzt nicht die Bremse angezogen und die Weichen eindeutig auf Qualität gestellt werden.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Staatsministers Bauckhage)

Herr Minister, davon reden Sie nicht. Dafür kündigen Sie an, dass das Ministerium in Zukunft die Verantwortung der Branche selbst stärken will.

Herr Minister, meine Güte, was haben Sie denn in der Vergangenheit gemacht? Sie haben das umgesetzt, was der kleinste gemeinsame Nenner der Weinwirtschaft war und Geld in die Beseitigung des Scherbenhaufens gepumpt. Das haben Sie gemacht.

Ich fordere Sie auf: Nehmen Sie die Verantwortung als Fachminister und als Teil der Landesregierung zu einem sehr wichtigen Wirtschaftszweig in Rheinland-Pfalz endlich wahr und gestalten Sie die Rahmenbedingungen so, dass es schwierig wird, schlechte Massenware zu erzeugen, die den Preis und das Image verderben! Machen Sie deutlich, dass uneinsichtige Winzer – diese gibt es auch – in Zukunft nicht mehr darauf vertrauen können, dass ihre vollen Keller mit Steuergeldern nach Brüssel, in die Staatskanzlei oder sonst wohin abgepumpt werden. Erst wenn das allen klar ist, ist der Druck groß genug, dass sich marktwirtschaftliches und kundenorientiertes Denken in der Weinwirtschaft durchsetzen wird.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich komme zum Dornfelder. Sie haben in Ihrer Rede den Dornfelder als Shootingstar bezeichnet. Das stimmt bis jetzt noch. Sie sehen ein Produktionspotenzial von mehr als einer Million Hektoliter am Horizont in RheinlandPfalz, sagen aber nicht, in welcher Qualität. Ich frage mich, auf welchem Stern Sie leben. Die Situation stellt sich folgendermaßen dar: Dornfelder ist in Mode gekommen. – Es ist auch gut so. Das ist ein guter Wein, wenn er eine gute Qualität hat. Er wird gern getrunken und zunehmend gekauft.

Herr Schiffmann, schütteln Sie doch nicht den Kopf. Sie trinken anscheinend lieber Spätburgunder.

(Mertes, SPD: Es wird auch Spät- burgunder getrunken!)

Viele Winzer in Rheinland-Pfalz haben ihn als Rebsorte in ihr Sortiment aufgenommen. Das ist gut so, weil sie auf eine Kundennachfrage positiv reagiert haben. In jedem Jahr kommen etliche Hektar Anbaufläche hinzu. In der Pfalz zum Beispiel – die Kollegin Frau Ebli wollte es nicht glauben – wurden 2002 im Durchschnitt 18.000 Liter Dornfelder pro Hektar geerntet. In Rheinhessen waren es 15.000. Das ist doch zuviel. Das kann doch die Qualität nicht mehr bringen. Davon reden Sie nicht. Das ist Ihnen unangenehm. Sie wollen Ihrem Klientel nicht ans Bein treten.

(Hartloff, SPD: Das war doch ausdrücklich gesagt!)

Diese Zahlen habe ich von Ihnen nicht gehört.

Zurzeit ist bei den Selbstvermarktern und bei den Genossenschaften die Sättigungsgrenze, was den Dornfelder angeht, erreicht. Die Kellereien haben sich eingedeckt. Trotzdem liegen noch volle Fässer in den Kellern der Winzer. Was passiert? Der Preis ist schon ein Stück gestürzt. Dieses Jahr wurden 1,70 Euro gezahlt. Inzwischen wird er schon für 1,50 Euro angeboten. Was folgt daraus? Die Menge muss herunter und die Qualität hinauf.

Herr Kollege, das predige ich, seit ich im Landtag bin. Wenn Sie in den letzten sieben Jahren einmal zugehört hätten – – –

(Zuruf der Abg. Frau Baumann, SPD)

Frau Baumann, Sie auch. Ich habe noch nie gesagt, dass Sie das nicht tun. Ich habe es schon getan, bevor Sie hier waren. Das müssen Sie mir zugestehen.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Creutzmann, FDP)

Das heißt, Sie müssen jetzt handeln. Sie müssen die Rahmenbedingungen so gestalten, dass es sich nicht lohnt.

(Creutzmann, FDP: Wie denn?)

Ich habe gehört, die Rheinhessen haben gesagt, dass der Mindestgesamtalkoholgehalt jetzt auf zwölf Volumenprozent angehoben werden soll. Das Ministerium würde passend zum nächsten Herbst eine Verordnung vorlegen. Ich hoffe, Sie machen das. Ob das der richtige Schritt ist, wage ich zu bezweifeln.

(Zurufe von der FDP)

Ich meine, ob er ausreicht. Wir haben immer Hektarhöchsterträge gefordert. Ich halte das nach wie vor für

einen richtigen Weg, um Rahmenbedingungen, die die Politik setzen kann, auch wirklich zu schaffen.