Protokoll der Sitzung vom 10.07.2003

Genau so haben Sie es offensichtlich gemacht. Wenn Sie davon reden, dass bei uns für die Datenerhebung ohne irgendeinen Grund die Wohnung belauscht oder ein großer Lauschangriff – wie Sie es nennen wollen – durchgeführt werden kann,

(Zuruf der Abg. Frau Grützmacher, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

dann nehmen Sie bitte mit hinein, im Gesetz steht in § 29 Abs. 1, die Polizei könne in oder aus Wohnungen des Betroffenen zur Abwehr einer dringenden Gefahr für die öffentliche Sicherheit diese Erhebung durchführen. Ist das keine Einschränkung? Ist das jederzeit möglich?

(Beifall bei der SPD – Zuruf der Abg. Frau Grützmacher, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Damit solche Menschen wie Sie auch wissen, worum es geht, sind sogar noch die Paragraphen aufgeführt, in welchen Fällen dies angewandt werden kann. Was soll der Gesetzgeber noch mehr machen, wenn er auf der einen Seite das Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung schützen will, aber gleichzeitig bei dringender Gefahr die technische Möglichkeit nutzen will, um so eine Gefährdung von Menschen zu verhindern? Darum geht es doch im Regelfall.

Ich sage, es ist nicht in Ordnung, wie Sie argumentieren. Die armen Frauen auf der einen Seite, bei denen es zulässig ist. Wenn es aber Männer sind, soll es nicht zulässig sein. Das kann doch in der Argumentation nicht stimmen.

(Beifall der SPD und der FDP)

So funktioniert das nicht. Zur Frage des großen Lauschangriffs sage ich, warten wir in Ruhe ab, was das Bundesverfassungsgericht dazu sagen wird.

Im Übrigen unterlassen Sie auch den Hinweis, dass bei uns noch eine weitere Einschränkung dieser Möglichkeit erfolgt ist. Fragen Sie doch einmal den Minister, wie oft so etwas überhaupt genutzt wird.

Es ist eine Möglichkeit, oft sogar die einzige Möglichkeit, in der Verbrechensbekämpfung so etwas zu machen, gerade bei Rauschgiftkriminalität. Dann ist es auch erfolgreich.

Man kann dagegen sein, muss dann aber zumindest zur Kenntnis nehmen, dass es nicht um ein ganz allgemeines, die Polizei aufrüstendes Instrument geht, sondern darum, die Menschen vor um sich greifender Kriminalität zu schützen.

Das blenden Sie total aus. Das geht nicht, Frau Kollegin.

(Beifall der SPD und der FDP)

Zur Erwiderung hat Frau Abgeordnete Grützmacher das Wort.

Meine Damen und Herren! Herr Pörksen, an diesem Beispiel „Gewalt gegen Frauen und Platzverweis“ kann man den Unterschied sehr deutlich machen. Es ist doch etwas ganz anderes, wenn eine Straftat vorgelegen hat und wenn man dann denjenigen, der diese Straftat begangen hat, mit einschränkenden Maßnahmen behandelt.

(Pörksen, SPD: Mann muss sie vor weiteren Straftaten schützen, darum geht es!)

Es ist aber etwas anderes, wenn die Polizei, weil man glaubt, dass eine Person vielleicht in kriminelle Machenschaften verwickelt sein könnte, präventiv tätig sein kann; denn es ist so, dass das bisher nur der Verfassungsschutz konnte.

(Zuruf der Abg. Frau Kohnle-Gros; CDU)

Wir hatten immer eine klare Grenze zwischen den Möglichkeiten des Verfassungsschutzes, weil es dort eine klare parlamentarische Kontrolle gibt, und den Möglichkeiten der Polizei.

(Zuruf der Abg. Frau Kohnle-Gros, CDU)

Wenn Sie das wollen, wenn Sie diese Unterschiede trennen wollen, wenn Sie diesen Unterschied zwischen Verfassungsschutz und Polizei, zwischen präventivem Abhören und einem Lauschangriff, der in der Strafprozessordnung, im Strafvollzugsgesetz steht, nicht wahrnehmen wollen, dann finde ich das schon ziemlich gefährlich. Es sind große Unterschiede, ob wir beim Strafvollzugs- oder beim Polizeiordnungsgesetz sind. Diese Unterschiede wollte ich herausarbeiten. Ich hoffe, dass Ihnen das klar geworden ist.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf der Abg. Frau Kohnle-Gros, CDU – Zuruf des Abg. Pörksen, SPD)

Das Wort hat Herr Abgeordneter Hohn.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Freiheit war und ist die Grundlage unserer Verfassung. Gleichwohl kann man aber nicht ohne Sicherheit in Freiheit leben.

Innere Sicherheit und die konsequente Bekämpfung der Kriminalität und des Terrorismus sind unabdingbare Voraussetzungen für den dauerhaften Erhalt unserer Freiheit.

Umgekehrt kann zuviel Sicherheit zur Beschränkung der Freiheit führen. Deshalb hat die FDP stets vor einer zu großen Beschränkung der Freiheit unserer Bürgerinnen und Bürger zulasten sicherheitspolitischer Maßnahmen gewarnt.

Gerade für uns Liberale ist es wichtig, bei Verschärfungen von Gesetzen und Erweiterungen von Befugnissen der Sicherheitsbehörden die persönliche Freiheit des Einzelnen zu achten.

Frau Kollegin Grützmacher, bei Ihnen habe ich das Gefühl, dass Sie von einem anderen Gesetzentwurf geredet haben als von dem, den wir heute beraten.

(Beifall der FDP und der SPD – Frau Grützmacher, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Warten wir einmal die Anhörung ab! Sie werden sich noch wundern! – Vizepräsidentin Frau Hammer übernimmt den Vorsitz)

Die beabsichtigten Änderungen einzelner Vorschriften des rheinland-pfälzischen Polizei- und Ordnungsbehördengesetzes haben im Vorfeld der parlamentarischen Beratung vielfach die Frage aufgeworfen, ob diese nicht zu sehr die Freiheiten unserer Bürgerinnen und Bürger beschränken werden. Aus der Sicht unserer Fraktion kann ich dies uneingeschränkt verneinen.

Der rheinland-pfälzischen Landesregierung ist es mit dem vorgelegten Gesetzentwurf in vorbildlicher Weise gelungen, zum einem auf die neue Bedrohung der Freiheit und Sicherheit unserer Bürgerinnen und Bürger zu reagieren und zum anderen die Balance zwischen Freiheit und Sicherheit weiterhin zu wahren.

(Beifall der FDP und der SPD – Pörksen, SPD: Sehr wahr!)

Meine Damen und Herren, Ereignisse der jüngsten Zeit haben uns mehr als deutlich vor Augen geführt, dass nicht nur die Bekämpfung, sondern zunehmend auch die Verhütung von Kriminalität im Mittelpunkt der Sicherheitspolitik stehen muss.

Gerade die Gewährleistung eines effektiven Schutzes unserer Bürger und Bevölkerung vor terroristischen Anschlägen ist wichtiger denn je. Um die Sicherheit

unserer Bürgerinnen und Bürger nachhaltig zu erhöhen, aber auch um den Staat und seine Einrichtungen wirksam zu schützen, ist es insgesamt unumgänglich, Maßnahmen zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten zu treffen und die Befugnisse der Polizei zur verdeckten Informationsbeschaffung zu erweitern und zu verbessern.

Meine Damen und Herren, mit der Novellierung des Polizei- und Ordnungsbehördengesetzes beschreiten die rheinland-pfälzische Landesregierung und die sie tragenden Fraktionen einen rechtsstaatlich vernünftigen Weg, um die Sicherheit unserer Bürgerinnen und Bürger zu erhöhen. Dabei darf eine effektive Terrorismus- und Kriminalitätsbekämpfung allerdings die Freiheit der Bevölkerung nicht infrage stellen.

(Frau Grützmacher, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Die Freiheit des Einzelnen!)

Gerade deshalb war und ist es der FDP-Fraktion aus ihrem Verständnis als Rechtsstaatspartei heraus wichtig, alle vorgesehenen Maßnahmen im Rahmen der Novellierung des Polizei- und Ordnungsbehördengesetzes, die die Befugnisse der Polizei erweitern und somit zwangsläufig in die Freiheitsrechte der einzelnen Bürger eingreifen, unter einen Richtervorbehalt zu stellen.

Frau Grützmacher, von was Sie geredet haben, kann ich nicht nachvollziehen.

(Beifall der FDP und der SPD – Zuruf des Abg. Kuhn, FDP – Zuruf der Abg. Frau Grützmacher, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Pörksen, SPD)

Inhaltlich soll mit den vorgesehenen Änderungen die rechtliche Grundlage für die kriminalpräventiven Gremien auf kommunaler Ebene in Rheinland-Pfalz geschaffen werden.

(Zuruf der Abg. Frau Grützmacher, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich erachte es als sinnvoll, die Kommunen bereits im Vorfeld im Bereich der Prävention stärker einzubinden; denn steigende Kriminalitätszahlen und negative Auswirkungen auf das Sicherheitsgefühl unserer Bevölkerung erfordern neue Strategien zur Kriminalitätsbekämpfung.

Dies gilt insbesondere auf kommunaler Ebene. Insofern ist es ausdrücklich zu begrüßen, dass die Errichtung kriminalpräventiver Räte auf kommunaler Ebene gesetzlich geregelt werden soll.

Meine Damen und Herren, als Teil des neuen Sicherheitskonzepts der rheinland-pfälzischen Landesregierung, welches verstärkt bei der vorbeugenden Bekäm pfung von Straftaten ansetzen soll, soll unter anderem auch der Anwendungsbereich der Rasterfahndung ausgedehnt werden. Gerade im Zuge der Ereignisse nach dem 11. September hat sich die Rasterfahndung bundesweit, aber auch in Rheinland-Pfalz aufgrund der klaren Rechtslage in unserem Land zur Aufdeckung

verdeckt operierender internationaler Terroristen als besonders geeignet gezeigt.

(Frau Grützmacher, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Sagen Sie mir einmal ein Beispiel!)

Deshalb findet die Ausdehnung der Rasterfahndung auf das Vorfeld der Gefahrenabwehr bei besonders schwer wiegenden Straftaten unsere ausdrückliche Zustimmung.

Meine Damen und Herren, neben der Ausdehnung der Rasterfahndung soll auch die Telekommunikations- und Wohnungsüberwachung durch richterliche Anordnung zu präventiven Zwecken möglich sein. Frau Grützmacher, sie soll durch richterliche Anordnung möglich sein und nicht aus Willkür. Unter den Voraussetzungen des so genannten polizeilichen Notstandes soll dies auch bei durch Amts- oder Berufsgeheimnis geschützten Vertrauensverhältnissen gelten. Um den Zielen des Gewaltschutzgesetzes auf Bundesebene angemessen Rechnung zu tragen, sollen Opfer häuslicher Gewalt künftig besser geschützt werden als bisher.

Meine Damen und Herren, ich möchte noch zu einem Punkt kommen, der mir ganz besonders wichtig ist. Vielfach gerät bei der Diskussion um Verbrechensbekämpfung ein für mich wesentlicher Aspekt in den Hintergrund. Der Beruf eines Polizisten kann mit sehr großen Gefahren verbunden sein. Deshalb begrüße ich es ausdrücklich, dass die Novellierung des Polizei- und Ordnungsbehördengesetzes die Befugnisse der Polizei zur Eigensicherung erweitert und ergänzt.