Protokoll der Sitzung vom 06.11.2003

Ich rufe nun die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Dr. Peter Enders (CDU), Weiterentwicklung der Bundeswehr und die Auswirkungen auf rheinlandpfälzische Bundeswehrstandorte – Nummer 2 der Drucksache 14/2640 – betreffend, auf.

Herr Dr. Enders, Sie haben das Wort.

Ich frage die Landesregierung:

1. Wie beurteilt die Landesregierung die geplante neue Strukturreform?

2. Inwieweit ist der Landesregierung bekannt, wie Rheinland-Pfalz davon betroffen sein wird?

3. Hat die Landesregierung bereits mit der Bundesregierung in Kontakt gestanden, um die Belange von Rheinland-Pfalz zu vertreten, bzw. was gedenkt sie zu tun?

4. Inwieweit teilt die Landesregierung die Auffassung, dass die geplante Auswahlwehrpflicht aufgrund der dann nicht mehr vorhandenen Wehrgerechtigkeit bzw. Dienstgerechtigkeit den Ausstieg aus der allgemeinen Wehrpflicht und die Beendigung des Zivildienstes bedeutet?

Es antwortet der Herr Innenminister.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Mündliche Anfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Enders beantworte ich wie folgt:

Zu Frage 1: Es ist unbestritten, dass sich die Bundeswehr an die veränderten sicherheitspolitischen Rahmenbedingungen anpassen muss. Dies bedeutet, dass der Bundesverteidigungsminister bei gleichbleibender Finanzausstattung Möglichkeiten für deren Finanzierung suchen muss. Insofern ist es konsequent, dass der Bundesverteidigungsminister jetzt eine Weisung für die Weiterentwicklung der Bundeswehr erlassen hat, die eine Reduzierung des Personalumfangs der Bundeswehr, eine weitere Optimierung der Wirtschaftlichkeit, aber auch eine Überprüfung des bisherigen Stationierungskonzepts vorsieht.

Zu Frage 2: Um beurteilen zu können, was die neue Strukturreform für Rheinland-Pfalz bedeutet, ist es noch zu früh. Der Verteidigungsminister hat erst am 1. Oktober 2003 seine Weisung erlassen und diese am 2. Oktober 2003 der Öffentlichkeit bekannt gegeben.

Das Ministerium des Innern und für Sport hat noch am gleichen Tag, also am 2. Oktober, in Berlin nach Einzelheiten dieser Weisung und nach möglichen Folgen für Rheinland-Pfalz gefragt. Das Bundesministerium der Verteidigung erklärte dazu, dass der gemäß der Weisung beauftragte Generalinspekteur der Bundeswehr erst Ende des Jahres die Ergebnisse seiner entsprechenden Überprüfung vorlegen soll. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt gebe es deshalb noch keinerlei konkrete Planungen und Absichten in Bezug auf die Stationierung in den einzelnen Bundesländern. Es bleibt deshalb abzuwarten, in welche Richtung und unter welchen Gesichtspunkten die Ausplanung vorgenommen wird.

Der Landesregierung ist deshalb bisher nicht bekannt, ob und wie Rheinland-Pfalz davon betroffen sein wird. Das kann sie auch nicht vor dem Hintergrund des Dargestellten.

Zu Frage 3: Die Landesregierung steht wie in der Vergangenheit in einem ständigen Kontakt mit der Bundesregierung, um ihr gegenüber die Belange des Landes zu vertreten. Die Landesregierung wird sich wie bisher mit allen ihr zur Verfügung stehenden Möglichkeiten für den Erhalt der Arbeitsplätze in Rheinland-Pfalz einsetzen und dies auch im Lauf des weiteren Prozesses der Weiterentwicklung der Bundeswehr kontinuierlich tun.

Zu Frage 4: Für die Landesregierung ist es unbestritten, dass sowohl die bestehende Wehrpflicht als auch die Stationierung der Bundeswehr in der Fläche entscheidend zur Integration der Streitkräfte in unsere Gesellschaft beitragen. Nur wenn die Bürgerinnen und Bürger mit den Soldaten zusammenleben und sehen, wie sie ihre Funktion als Bürger in Uniform auch innerhalb der Kommunen wahrnehmen, bleiben es unsere Soldaten.

Da der Bundesverteidigungsminister in seiner Konzeption zur Weiterentwicklung der Bundeswehr von einer Beibehaltung der allgemeinen Wehrpflicht ausgeht, sieht die Landesregierung derzeit keinen Anlass, über den Ausstieg aus der Wehrpflicht und eine Beendigung des Zivildienstes Mutmaßungen anzustellen.

So weit die Antwort.

Gibt es Zusatzfragen? – Das ist nicht der Fall. Die Mündliche Anfrage ist beantwortet. Vielen Dank, Herr Innenminister. (Beifall der SPD und der FDP)

Ich rufe die Mündliche Anfrage der Abgeordneten Ise Thomas (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) , Auswirkungen des jüngsten Urteils des Berliner Verfassungsgerichtshofs zur Darlegungspflicht des Haushaltsgesetzgebers bezüglich der drohenden oder bereits eingetretenen Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts – Nummer 3 der Drucksache 14/2614 – betreffend, auf.

Ich erteile der Abgeordneten Frau Thomas das Wort.

Wie der Titel besagt, beziehen wir uns auf dieses jüngste Urteil und dessen Begründung, dass die Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts bestimmt und geeignet dargelegt werden muss. Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung:

1. Welche Auswirkungen hat das Urteil des Verfassungsgerichtshofs Berlin aus Sicht der Landesregierung auf das Haushaltsgesetz bzw. den Haushaltsplan 2004 des Landes Rheinland-Pfalz?

2. Teilt die Landesregierung die Auffassung, dass die bisherige Begründung im Landeshaushaltsgesetz, die die erhöhte Nettoneuverschuldung mit Verweis auf die Bundesregierung für begründet hält, unzureichend ist, und wie begründet sie ihre Auffassung?

3. Welche Ausgabepositionen auf welchen Haushaltsstellen werden durch das Kreditvolumen in Höhe von 197 Millionen Euro (Nettoneuverschuldung über der Kreditobergrenze der Investitionen) finanziert?

4. Warum sind aus Sicht der Landesregierung die Ausgaben der Ausgabenpositionen unter Nummer 3 geeignet, die Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts zu beseitigen?

Für die Landesregierung antwortet Herr Staatssekretär Dr. Deubel.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Im Namen der Landesregierung beantworte ich die Mündliche Anfrage wie folgt:

Zu Frage 1: Keine. Die vom Verfassungsgerichtshof Berlin geforderten Begründungen werden in RheinlandPfalz eingehalten.

(Dr. Schiffmann, SPD: Sehr gut!)

Zu den Fragen 2 und 4: Nein; denn die Gesetzesbegründung zum Landeshaushaltsgesetz 2004 beschreibt ausführlich die Geeignetheit des Vorziehens der dritten Stufe der Steuerreform zur Abwehr der gegenwärtigen Konjunkturschwäche und zu mehr Konsum und Investitionstätigkeit in Rheinland-Pfalz sowie die Tatsache, dass diese Reformmaßnahme eine gesamtstaatliche Aktion darstellt, die nicht nur vom Bund, sondern auch von allen Bundesländern getragen werden muss.

Zu Frage 3: Es sind in Teilen Mindereinnahmen durch das Vorziehen der Steuerreform, die zu mehr Konsum und Investitionstätigkeit und damit zu einem steigenden Wirtschaftswachstum führen sollen.

So weit die Beantwortung.

Eine Zusatzfrage der Frau Abgeordneten Thomas.

Herzlichen Dank für diese ausführliche Beantwortung.

(Vereinzelt Beifall im Hause)

Sie lässt aber die eine oder andere Frage noch offen.

Herr Dr. Deubel, zu Frage 3 haben Sie ausgeführt, dass dieses höhere Kreditvolumen nicht ausgabenbedingt, sondern im Prinzip durch Einnahmenausfälle einnahmenbedingt ist. Trotzdem würde ich Sie noch einmal bitten, auch Ausgabenpositionen darzustellen, die dazu

führen. Ich kann Ihre Begründung in der Form nicht nachvollziehen.

Das Berliner Urteil hat das Prozedere bei der Anwendung der Ausnahmeregelung der Verfassung in Berlin, die mit der Ausnahmeregelung in allen anderen Bundesländern und beim Bund identisch ist, präzisiert und festgestellt, dass das Land Berlin die notwendigen Schritte nicht gegangen ist. Ein notwendiger Schritt ist die Feststellung des gesamtwirtschaftlichen Ungleichgewichts bzw. einer Situation, dass das gesamtwirtschaftliche Ungleichgewicht bedroht ist.

Dies ist auch nach den Ausführungen des Verfassungsgerichts Berlin unzweifelhaft der Fall; denn von den vier Zielen des Stabilitäts- und Wachstumsgesetzes – die Preisniveaustabilität und das außenwirtschaftliche Gleichgewicht sind erfüllt – sind zwei, nämlich ein angemessenes und stetiges Wachstum und die Vollbeschäftigung, nicht erfüllt. Das am meisten nicht erreichte Ziel ist die Vollbeschäftigung; denn wir haben bundesweit eine so hohe Arbeitslosigkeit, dass das Beschäftigungsziel eindeutig gestört ist. In Rheinland-Pfalz sieht es zwar etwas besser aus, aber auch keineswegs zufrieden stellend.

Dennoch ist das Vollbeschäftigungsziel eindeutig nicht erreicht. Das heißt in der Diagnose: Das gesamtwirtschaftliche Ungleichgewicht ist gestört, und es besteht die Gefahr, dass es weiterhin gestört bleibt.

Eine weitere Forderung des Verfassungsgerichts Berlin ist, dass konkret gesagt wird, mit welchen Maßnahmen die Störung beseitigt oder zumindest vermindert werden soll. Hier müssen konkrete Maßnahmen angesprochen sein. Dadurch, dass unser Landeshaushalt ohne Vorziehen der Steuerreform nach Satz 1 verfassungskonform ist – das heißt, geringere Neuverschuldung als eigenfinanzierte Investitionen –, geht es ausschließlich um die Maßnahme des Vorziehens der dritten Stufe der Steuerreform von 2005 auf 2004.

Die Maßnahme lautet: Einnahmenverzicht des Landeshaushalts Rheinland-Pfalz im Umfang von 273 Millionen Euro im Jahr 2004 mit dem Ziel, dass in RheinlandPfalz, wenn der Bundesgesetzgeber, der Bundestag – dieser hat schon – und der Bundesrat – dieser hat noch nicht –, zustimmt, die Konsumenten und die Wirtschaft um rund 1 Milliarde Euro durch die zweite und dritte Stufe der Steuerreform im Jahr 2004 gegenüber dem Jahr 2003 entlastet werden und damit 1 Milliarde Euro mehr für Konsum und Investitionen zur Verfügung stehen.

Das heißt, wir haben die konkrete Maßnahme bezeichnet und mit dem weiteren Teil der Ausführungen klar dargestellt, welche Effekte von der Maßnahme erwartet werden, nämlich 1 Milliarde Euro mehr Mittel bei den Bürgerinnen, den Bürgern und der Wirtschaft mit der Erwartung, dass diese Mittel dazu führen werden, dass eine höhere Nachfrage entfaltet wird und sie nicht im Sparstrumpf verschwinden. Insofern sind alle Kriterien des Verfassungsgerichts Berlin erfüllt. Im Übrigen han

delt es sich um ein Urteil in Berlin. Man muss es natürlich sehr ernst nehmen. Es war geradezu eine Freude, dieses Urteil zu lesen, weil dieses exakt die Vorgehensweise des Landes Rheinland-Pfalz bestätigt hat.

Eine weitere Zusatzfrage der Frau Abgeordneten Thomas.

Ich will zu der Freude noch etwas beitragen.

Herr Dr. Deubel, teilt die Landesregierung die Auffassung, dass der Landtag als Haushaltsgesetzgeber die Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts feststellen muss? Wie begründen Sie Ihre Auffassung?

Das ist ein zweistufiges Verfahren.

Frau Abgeordnete Thomas, Sie haben durchaus Recht. Wir sind noch nicht an dem Punkt, dass der Haushalt verabschiedet ist. Bisher hat die Landesregierung Vorschläge gemacht und den Haushalt eingebracht. Das Parlament muss sich damit beschäftigen. Als Ausfluss des Urteils des Berliner Verfassungsgerichts ist es notwendig, dass der Landtag sich explizit äußert. Da im Haushaltsgesetz und in der Begründung all diese Dinge explizit stehen, wird der Landtag durch schlichte Zustimmung zum Haushaltsgesetz all diese Maßnahmen, die Diagnose und die Erwartungen der Wirkung, nicht nur zur Kenntnis nehmen, sondern in Form des Haushaltsgesetzes feststellen.

Durch die Vorgehensweise, dass nicht neben dem Haushalt mündlich in Begründungen und in Diskussionsbeiträgen die Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts diagnostiziert wird, Therapiemaßnahmen vorgeschlagen werden und dargestellt wird, wie die Therapie wirken soll, wird der Landtag dies dadurch, dass das ins Haushaltsgesetz aufgenommen wird oder ist, im Januar bei der Verabschiedung – davon geht die Regierung aus – feststellen. Dann ist der letzte i-Punkt der Vorgaben des Verfassungsgerichts Berlin erfüllt.