Protokoll der Sitzung vom 23.01.2004

(Jullien, CDU: So ist es!)

Es offenbart die komplette Unfähigkeit des Finanzministers, die Finanzen in diesem Land in Ordnung zu bringen, meine Damen und Herren.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es wundert mich heute überhaupt nicht mehr, dass Sie diese Zahlen nicht schwarz auf weiß auf den Tisch ge

legt haben, sondern dass Sie sie ausschnittsweise und schön sortiert am Mittwoch referiert haben, Herr Mittler.

(Vereinzelt Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und CDU – Dr. Weiland, CDU: Wo sie Recht hat, hat sie Recht!)

Ich will Ihnen etwas zur Ausgabenentwicklung sagen. Wir haben lange über die Vorgaben des Finanzplanungsrats gestritten, ob Sie diese einhalten können, ob Sie in den Jahren 2003, 2004 bei einem Ausgabenwachstum von 2 % bleiben können oder nicht.

Sie schreiben in Ihrer Bilanz: Ausgabenwachstum 1,5 %. Dann steht eine kleine „1“ daneben – das Kleingedruckte der Landesregierung muss man immer besonders gut lesen –:

(Ministerpräsident Beck: Das gilt im allgemeinen Leben!)

„nach Bereinigung der in 2003 durchlaufenden Mittel für die Flutopferhilfe in Höhe von 130 Millionen.“ Das haben Sie bei den Einnahmen auch ausgerechnet.

Wenn ich es einmal dazurechne – es ist eigentlich ein Ausgabenposten –, dann lande ich aber nicht bei 1,5 %, sondern bei 2,5 % Ausgabenwachstum, Punkt 1.

Selbst wenn Sie es herausrechnen, dann frage ich mich, warum Sie es in Ihrer Ausgabenbilanz, wenn Sie über Investitionshöhe, über Investitionsquoten und Ähnliches sprechen – das, womit Sie sich immer gern schmücken, – – – Dort stehen die 130 Millionen.

Ich sehe Sie nachher schon durch die Lande ziehen und sagen: Wir sind ein Land, das sogar im Jahr 2003 eine Investitionsquote von 10,3 % hatte. Sie kommen mit der Kreditfinanzierungsgrenze und sagen: Wir hatten aber doch dieses Investitionsvolumen.

Ich sage Ihnen, das ist kein kleiner Fehler, das ist bewusste Irreführung, die Sie mit dieser Haushaltsbilanz machen. Das lasse ich Ihnen so nicht durchgehen.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Ich kann mich noch gut an Ihre Empörung erinnern – ich sage einmal, dieses Donnertheater, das Sie am Mittwoch aufgeführt haben, ob das Herr Mittler war, ob Sie das waren, Herr Ministerpräsident –, als die CDU prognostiziert hat, es werde eine Neuverschuldung von zwei Milliarden Euro geben.

(Zuruf des Ministerpräsidenten Beck)

Moment, Sie haben es behauptet, Herr Mittler mit bebender Stimme, Sie mit noch bebenderer Stimme, Herr Mertes, mit ich weiß nicht was für einem Kanonendonner: Fünfhundert Millionen zu viel. – Ich kann mich an diese Dramatik noch gut erinnern.

(Jullien, CDU: So ist es!)

Ich frage mich, was dramatischer ist: Wenn sich ein Mitarbeiter aus der CDU-Landtagsfraktion auf dem Papier um 500 Millionen Euro verrechnet oder sich ein Finanzminister entgegen aller Vorgaben in einem Haushaltsjahr, in dem er einen Nachtragshaushalt aufstellt und eine Haushaltssperre verhängt, um 500 Millionen mehr verschuldet? Was ist dramatischer, frage ich Sie?

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Mir fällt die Antwort nicht schwer. Sie haben das Geld ausgegeben, die haben sich nur verrechnet.

Meine Damen und Herren von der CDU, Sie haben es ihnen auch leicht gemacht.

(Schmitt, CDU: Jetzt bekommen wir es!)

Mit Ihren prognostizierten zwei Milliarden hatte Herr Mittler natürlich ein leichtes Spiel zu sagen, es seien nicht zwei Milliarden, es seien nur 1,5 Milliarden. Aber eigentlich hätte er doch sagen müssen, wir wollten unter der Milliardengrenze bleiben, und jetzt sind wir bei 1,5 Milliarden gelandet. Das ist doch die Tatsache, die Praxis, und das sind doch die Ergebnisse Ihrer Finanzpolitik, meine Damen und Herren.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt bei der CDU)

Ich will Ihnen ein Weiteres sagen. Ich habe mir einmal die Mühe gemacht und mir angeschaut, was Sie eigentlich nach dem ursprünglichen Haushaltsplan, Doppelhaushalt 2003, ausgeben wollten und was Sie nach Nachtragshaushalt und Haushaltssperre ausgegeben haben.

Also bereinigte Ausgaben geplant – wissen Sie noch, in dem Doppelhaushalt, bevor wir diese dramatischen Kabinettssitzungen hatten, die Sparbeschlüsse und alles erfahren haben –, ursprünglich wollten Sie ausgeben: 11.598.000.000 Euro.

Sie haben 2003 11,576 Milliarden Euro ausgegeben. Das ist eine Differenz von 20 Millionen Euro. Dazwischen lagen:

zwei Monate Haushaltsdebatte zum Nachtragshaushalt in diesem Haus,

eine Ankündigung am 19. September des Finanzministers, die Zügel anziehen zu wollen und eine Haushaltssperre einführen zu wollen,

eine Entscheidung dieser Landesregierung, dass sie die Weihnachtsgeldzahlungen der Beamtinnen und Beamten schon 2003 kürzen will, damit sie 40 Millionen Euro zusätzlich sparen kann.

Die Differenz ist 20 Millionen Euro. Dafür haben Sie allein die Weihnachtsgeldkürzung gebraucht, um diese 20 Millionen Euro aufzubringen – und dann reden Sie davon, dass Sie einen Sparhaushalt machen? Dann reden Sie davon, dass Sie tiefe Einschnitte machen wollen?

Schauen wir uns dies doch noch einmal im Einzelnen an: Ich kann Ihnen auch die Breite dieser Darstellung nicht durchgehen lassen und habe mir das heute Morgen noch einmal angeschaut. Ich dachte, so etwas habe ich noch nicht gesehen.

Meine Damen und Herren, es wird überall gespart. Es gibt tiefe Einschnitte. Dies sind die Worte des Finanzm inisters; ich höre sie bei jeder Einbringung eines Haushalts. Er hat gestern wie am Mittwoch gesagt: Es gab Ausgabenentwicklungen, denen wir nachkommen mussten, da wir dazu gesetzlich verpflichtet waren. Wohngeld, 48 Millionen mehr. Unterveranschlagt hatten Sie das in Ihrem Nachtrag!

(Jullien, CDU: So ist das! – Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Kindertagesstätten 25 Millionen mehr, und dies nach einer Gesetzesänderung, von der Sie wussten, dass mehr Geld auf Sie zukommt. Das war unterveranschlagt in Ihrem Nachtrag.

(Jullien, CDU: So ist das! Ganz bewusst! – Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Dann schaue ich weiter und finde ganz andere Positionen, nämlich – das muss man sich wirklich anschauen –: In dem Doppelhaushalt 2002/2003 sollte der LSV 186 Millionen Euro Kredite aufnehmen können. Dann gab es diese große Vorstellung auch von der FDP, es wird überall gespart, auch beim Straßenbau. Wir strecken die Mobilitätsmilliarde. Wir geben etwas ab von diesem sauer verdienten Geld, das wir uns in den Koalitionsverhandlungen erstritten haben. Im Nachtragshaushalt stand eine Kreditermächtigung für den LSV in Höhe von 164 Millionen Euro. Dann schaue ich in die Bilanz, und was finde ich dort? – Tatsächlich hat er Kredite in Höhe von fast 200 Millionen Euro aufgenommen.

(Frau Grützmacher, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Hört, hört!)

Dann frage ich mich, und dann frage ich Sie: Wofür machen wir eigentlich Haushaltsberatungen?

(Zurufe von der CDU: So ist es! – Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Wofür haben wir einen Haushaltsgesetzgeber, wenn Sie an allem vorbei 30 Millionen Euro zusätzlich an Krediten aufnehmen, ohne gesetzliche Vorgabe, ohne Information des Parlaments und ohne eine Nachricht im Haushaltsund Finanzausschuss? Herr Dr. Gölter, ich bin mir sicher, auch im Ausschuss für Wirtschaft und Verkehr haben Sie keinen Pieps davon gehört. Ich sage Ihnen, das ist das Allerletzte, was diese Landesregierung hier vorlegt und vorher getan hat.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Sie erweckt den Eindruck, sie würde sparen, und sie schmeißt das Geld hintenherum mit beiden Händen aus der Tasche heraus, nicht mit einer, Herr Mertes, mit allen beiden!

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Haben Sie von diesen 30 Millionen Euro am Mittwoch einen Ton von Herrn Mittler gehört? Haben Sie einen Ton davon gehört? – Ich habe nichts davon gehört. Nun weiß ich auch, weshalb ich nichts davon gehört habe, weil er letztendlich überhaupt keine Grundlage dafür hat, diese Kredite aufzunehmen, gleichzeitig diese Maßnahmen zu vollziehen und diese Gelder auszugeben.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren von der FDP, dann muss ich mir von Ihnen wirklich nicht sagen lassen, Sie würden uns ein Spielzeug wegnehmen, wenn wir sagen, die Hochschulen brauchen Geld, und Sie stecken es weiter in den Straßenbau. Ich würde sagen, nach diesen Zahlen können Sie einpacken mit Ihren 50 Millionen zusätzlich für irgendeine Hochschule.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU – Kuhn, FDP: Warum ärgert Sie das so?)

Meine Damen und Herren, ich möchte ein Letztes sagen. Diese Bilanz für 2003 ist keine Bilanz, es ist ein Desaster für einen Finanzminister, Herr Mittler. Das ist das Dokument einer unverantwortlichen Finanzpolitik. Sie stopfen vorn das eine Loch und reißen hinten die Schleusen an anderer Stelle wieder auf. Ich weiß noch genau, als Sie am 16. September 2003 im Brustton der Überzeugung sagten: Die Zügel werde ich noch weiter und strenger anziehen. Ich sage Ihnen, der Gaul in Richtung Schuldenfalle ist längst mit Ihnen durchgegangen.