Meine Damen und Herren, wir sind uns einig darüber, dass die Diskussion in einem extrem schwierigen wirtschaftlichen Umfeld stattfindet. Zumindest in diesem Punkt sind wir auf einer Linie. Bei einer Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts in 2003 von minus 0,1 ist füglich nicht zu erwarten, dass die Wirtschaft, die für Sie ein Spielball Ihrer dirigistischen Methoden ist, in der Lage ist, Ausbildungsplätze zusätzlich zu schaffen. Es spricht geradezu die Freude an der schlechten Nachricht aus Ihren Präsentationen, wenn Sie uns immer wieder glauben machen wollen, dass in Rheinland-Pfalz die Welt in dem Maß nicht in Ordnung ist, wie Sie es beschreiben.
Ich gebe Ihnen Recht, wenn Sie sagen: Und wenn es nur einer wäre, der keinen Ausbildungsplatz erhält, es wäre einer zu viel. Aber in Ihren Publikationen in einer infamen Art und Weise die längst überholten SeptemberZahlen zu präsentieren, weil Ihnen die guten Jahresendzahlen nicht passen, ist schlicht eine Unverschämtheit.
(Beifall der FDP und der SPD – Zuruf des Abg. Wiechmann, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Frau Thomas, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das sind die Zahlen, die von der Landes- regierung präsentiert wurden, Herr Dr. Schmitz! Nehmen Sie das bitte zur Kenntnis!)
Meine Damen und Herren, Frau Thomas, ich bin Ihnen dankbar für diesen Einwurf, der zu erwarten stand, und darf Ihnen die Zahlen des Statistischen Landesamtes
Im Jahr 2002 gab es in Rheinland-Pfalz 27.428 Erstvermittlungen. Im Jahr 2003, in diesem bemerkenswert schwierigen Umfeld, lag die Erstvermittlungsquote bei 27.458. Nach Adam Riese sind dies 30 Plätze mehr als in 2002. Das ist ein Sonderapplaus Ihrer Fraktion wert.
Meine Damen und Herren, dies kam nicht von ungefähr. Das kam zustande, weil diese Regierung ihre Verantwortung ernst nimmt. Es ist schon viel gesagt worden zu den Programmen des Wirtschaftsministeriums und des Sozialministeriums und zu den Aktivitäten des Ministerpräsidenten. Aber die Politik kann nur anleiten und moderieren. Mein Schwerpunkt ist es nun, zu dem etwas zu sagen, was die rheinland-pfälzische Wirtschaft an Verantwortungsbewusstsein gezeigt hat – und dies nicht nur im Grundsatz, sondern in einer mühseligen Kärrnerarbeit mit Hunderten und Tausenden von Lotsen und Paten, die sich um jeden Einzelnen gekümmert haben. Das verstehe ich unter verantwortungsvollem Handeln.
Meine Damen und Herren, einerseits bedauere ich, dass wir in diese Besprechung der Ergebnisse der EnqueteKommission so viel Dissens hineinlegen. Ich hätte mir vorgestellt, dass der gesamte Sprachduktus weniger auf Konfrontation angelegt gewesen wäre. Herr Kollege Dr. Braun, wenn Sie aber in dieser Art eröffnen, haben Sie bitte auch Verständnis dafür, dass ich auch entsprechend retournieren muss. Wenn Sie eine Situation beschreiben, in der wir bundesweit 15.000 Ausbildungsplätze weniger haben, so ist dies nicht das Resultat rheinland-pfälzisch sozialliberaler Arbeit, sondern es sind Resultate, die auf einem ganz anderen Mist gewachsen sind.
Meine Damen und Herren, wenn Sie sich die bundesweiten Insolvenzzahlen vor Augen halten, die Bände sprechen, dann wissen Sie umso mehr, welche Leistung die Wirtschaft und diese Regierung erbracht haben. Die Arbeitsämter möchte ich in diesem Zusammenhang ausdrücklich mit aufführen.
Meine Damen und Herren, im Jahr 2000 gab es 42.000, im Jahr 2001 50.000, im Jahr 2002 82.000 und im Jahr 2003 100.000 Insolvenzen. Dies sind Zahlen, hinter denen Firmenschicksale, Arbeitnehmerschicksale und Ausbildungsplätze stehen. In diesem Umfeld ist diese Herkules-Aufgabe, die geleistet wurde, entsprechend zu bewerten.
Meine Damen und Herren, Sie gehen in Ihrem Antrag im Wesentlichen in einem Punkt von dem Konsens ab, der ansonsten in den übrigen drei Parteien herrschte und der auch die Stellungnahme der Gutachter im Wesentlichen prägte. Dies ist der Punkt, den Sie, Herr Kollege Dr. Braun, etwas euphemistisch mit Ausbildungsumlage bezeichnet haben. Sie schreiben in Ihrem Antrag – das sollte jeder nachlesen, dem diese Diskussion wichtig ist –, dass Sie damit der Argumentation des Bundesverfassungsgerichts folgen. Das ist eine sehr eigentümliche Auslegungsweise dieses Satzes, den Sie wörtlich präsentieren. Sie gehen im gleichen Passus dazu über, dass 72 % der Wirtschaft das auch fordern. Natürlich nicht! 72 % der Wirtschaft würden sich über staatliche oder finanzielle Subventionen in diesem Bereich freuen.
Hoppla, es hätte mich auch gewundert, wenn es anders gewesen wäre. Was hat aber das eine mit dem anderen zu tun?
Wenn Sie zu diesen Insolvenzen weitere hinzufügen wollen, wenn Sie weiteren Firmen, die ausbildungsbereit sind, die Chancen zur Ausbildung nehmen wollen, dann gehen Sie in dieser sturen Betonköpfigkeit weiter. Nur werden Sie so ausbildungsplatzwilligen RheinlandPfälzern nicht helfen.
Meine Damen und Herren, da lobe ich mir die Position, die in unserem gemeinsamen Antrag zum Ausdruck kommt. Neben all dem, was meine Vorrednerin Frau Grosse insbesondere zu Sozialaspekten beschrieben hat, darf ich Ihnen sieben Punkte nennen, die uns wichtig sind.
Für uns ist es wichtig, dass wir das Instrument der Praktika weiter ausbauen. Wie unsere Koalitionspartner, wie die CDU und auch BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN wollen wir stärker modularisierte Ausbildungen.
Wir sind der Meinung, die zwanghafte Anrechnung des Berufsgrundbildungsjahrs ist vielfach nicht ideal. Das sollte man flexibel handhaben. Es sollte zumindest so sein, dass es Arbeitsplätzen nicht im Weg steht.
Herr Kollege Dr. Braun, ich darf auch gern auf das eingehen, was Sie eben von Ihrer Seite aus gegeißelt haben. Dass man über die Inpflichtnahme der Jugendlichen überhaupt diskutieren muss, ist für mich der Skandal. Die Verantwortung um die Ausbildungsplätze trägt nicht die Gesellschaft allein, sondern auch diejenigen, deren Interesse es ist, ausgebildet zu werden und die sich in ihrer ganz großen Masse auch darum bemühen, dies mit 50, 60 oder 70 Bewerbungen, die sie schreiben. Diese geben sich jede Mühe. Es wäre in deren Gesicht geschlagen, wenn Sie nicht bereit sind, bei denen, die sich hartnäckig verweigern, auch im Sinn von Fördern und Fordern Sanktionen und Konsequenzen anzudrohen. Das ist für mich eine rechtsstaatliche und sozialstaatliche Selbs tverständlichkeit.
Meine Damen und Herren, darüber hinaus geht es um einen Punkt, der uns wichtig ist. Es geht um zusätzliche rechtliche und finanzielle Möglichkeiten am Ende eines Ausbildungsplatzvergabezyklusses. In so genannten Hoffnungsbörsen werden sehr viele Jugendliche im vierten Quartal untergebracht. Das ist eine hervorragen
de Leistung. Ich glaube, es wäre letztlich für jeden Betroffenen besser, 50 Euro weniger Ausbildungsplatzvergütung zu bekommen, wenn es die Alternative ist. Lieber wären mir 50 Euro mehr. Wenn das aber die Alternative ist, ist es mir lieber, er bekommt 50 Euro weniger, als dass er gar nichts hat und in die Warteschleife muss. Das ist der Geist dieses Passus. Dafür bin ich nicht nur meiner Fraktion dankbar, sondern auch insbesondere den Kollegen der SPD-Fraktion.
Meine Damen und Herren, es gibt noch einen weiteren Punkt, der vielleicht für manch einen eine Marginalie ist. Wer aber den lässigen Umgang unserer Kollegen mit Statistiken heute erlebt hat, der weiß, dass dieser Punkt sehr wichtig ist. Er steht durchaus im Kern der statistischen Betrachtungen. Die Doppelbewerbungen im Frühjahr und Sommer sind sehr schwierig für die Wirtschaft, für die Berufsschulanmeldungen und auch für die Statistik zu handhaben, Herr Kollege Dr. Braun. Die Diskrepanz, die zwischen uns beiden besteht, hängt im Wesentlichen damit zusammen, dass bei den Anmeldezahlen Doppelt- und Dreifachbewerbungen mit enthalten sind, die nachher in einer Art Bereinigung von selbst wegfallen.
Ich glaube, darüber hinaus ist es festzuhalten, dass Rheinland-Pfalz seine Hausaufgaben gemacht und auch in diesem schwierigen Jahr ein hervorragendes Ergebnis erreicht hat. Es sind insgesamt nur 354 Ausbildungsfähige und -willige nicht zu einem Ausbildungsplatz gekommen. Ich habe das anfangs gesagt. Das ist immer noch bedauerlich viel. Aber bei 1,25 % bei einer Quote von 98,75 % jungen Leuten, die untergebracht wurden, kann man fürwahr von einem Erfolg sprechen.
Ganz am Rande gilt es festzuhalten, dass die Zahl der nicht besetzten Ausbildungsplätze aufgrund regionaler Schwierigkeiten oder auch aufgrund von Inattraktivität dieser Plätze für die ausbildungsfähigen Jugendlichen die Zahl 345 bei weitem übersteigt. Sie liegt bei etwas über 1.000. Auch das zeigt, dass die Hausaufgaben gemacht wurden. Herr Kollege Dr. Braun, es besteht kein Anlass zu satter Selbstzufriedenheit, aber auch kein Anlass zu dem, was mit Ihren Worten von Ihrer Seite aus wieder einmal ritualhaft vorgetragen wurde.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Dr. Schmitz, Sie sind in die falsche Statistik gerutscht. Über diese Statistik, die Sie vorgetragen haben, habe ich überhaupt nicht geredet.
Das ist nicht das Problem. Das Problem ist, dass Sie auf Dinge eingehen, auf die überhaupt niemand hingewiesen hat. Die Zahl, die ich genannt habe, ist die Zahl, die uns als Antwort auf eine Kleine Anfrage zur Kenntnis gegeben wurde. Andere Zahlen wurden uns nicht zur Kenntnis gegeben. Es waren die 1.101 nicht Vermittelten. Sie waren zum 1. Januar nicht in Berufsausbildung und nicht in Schulen vermittelt. Das heißt, diese junge Menschen haben gar nichts. Sie haben nicht einmal eine Schule, nicht einmal ein Berufsvorbereitungsjahr usw. Sie haben gar nichts.
Die anderen, über die ich geredet habe, sind diejenigen, die gern einen Ausbildungsplatz gewollt hätten, aber keinen erreichen konnten und deswegen in die Schulen gegangen sind. Es ist klar, dass man diese mit einrechnen muss.
Sie können doch nicht sagen, es ist alles bestens gelaufen, die Leute wollten Ausbildungsplätze haben und sind jetzt in den Schulen untergebracht und fertig. Sie sollen jetzt zufrieden sein. Das ist nicht unsere Meinung. Unsere Meinung ist, dass Menschen, die einen Ausbildungsplatz suchen, auch eine Chance haben müssen. Schon das Verfassungsgericht sagt, dass dies hundertprozentig passt, das kann nicht sein. Deswegen muss es mehr Ausbildungsplätze als Bewerber und Bewerberinnen geben. Wir sagen, dass sie zumindest die Chance haben müssen, einen passenden Ausbildungsplatz zu finden.
Sie argumentieren immer wieder, dass es die schlechte Konjunkturlage sei. Auch das ist auf die Dauer falsch. Es wird so nicht kommen.
Herr Bauckhage, es ist ein Teil der Probleme. Ich habe Ihnen aber gesagt, das Problem wird bis zum Jahr 2015 anhalten. Es ist nicht konjunkturabhängig. Wenn wir auf eine bessere Konjunktur hoffen, dann muss man sagen, sie hält keine zehn Jahre an, sondern wir haben dabei ein up and down. Wenn wir dann sagen, wir bieten Ausbildungsplätze nach Konjunkturlage an, dann ist das auch ein zynisches Verhalten den jungen Menschen gegenüber. Sie müssen doch einmal begreifen, Herr Dr. Schmitz, dass wir Ausbildungsplätze nicht konjunkturgesteuert anbieten können.
Als Nächstes möchte ich noch einmal etwas anführen, was Sie am Ende selbst gesagt haben. Die jungen Menschen, die einen Ausbildungsplatz suchen und keinen finden, und die Betriebe, die einen Auszubildenden suchen und keinen finden, sind nicht so leicht zusammenzubringen. Die Betriebe, die einen Auszubildenden suchen, suchen in bestimmten Bereichen und bestimmten Gegenden, wo sie einen solchen Auszubildenden nicht finden können. Dann können Sie in Ihrer einfachen Denkart das nicht so herunterbrechen, dass man diejenigen, die keinen Ausbildungsplatz haben, auch noch dafür bestrafen könnte, dass sie keinen gefunden haben, indem man ihnen die sozialen Leistungen kürzt. Da Sie den Begriff auch benutzt haben, muss ich sagen, das ist wirklich das Perfide an Ihrer Argumentation, dass
Sie so tun, als würden die Betroffenen, die nichts dazu können, dass sie keinen Ausbildungsplatz haben, auch noch selbst schuld an ihrer Lage sein, Herr Dr. Schmitz.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Kollege Dr. Braun, das mit der einfachen Denkart stecke ich einfach weg. Das ist nicht so schlimm, es war bestimmt nicht bös gemeint.
Ich hüte mich auch davor, Ihnen vorzuwerfen, was die Zahlen angeht, sie seien schlecht vorbereitet. Das wäre mir auch zu platt. Das mache ich auch definitiv nicht. Aber ich sage, es handelt sich um einen typischen Akt selektiver Wahrnehmung nach dem Motto, weil nicht sein kann, was nicht sein darf.
Es ist genau das, was ich eben beschrieben habe, nämlich dieses Baden in schlechten Nachrichten. Wenn die Nachrichten nicht so schlecht sind, wie Sie es sich vorgestellt haben, dann drehen Sie das Ding einfach um.
(Wiechmann, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Die Zahlen sind von Ihrem Wirtschafts- minister, Herr Dr. Schmitz!)
Es sind doch Sie gewesen, die gesagt haben, dass rund 15.000 Ausbildungsplätze fehlen und die Konjunktur schlecht ist. Das habe doch nicht ich gesagt, das haben Sie gesagt.
Ich gebe Ihnen ausdrücklich Recht, die Konjunktur ist grottenschlecht. Aber deshalb ist die Leistung in Rheinland-Pfalz umso höher zu bewerten.
Wer das tut, hat mein Verständnis nicht mehr. Das ist wirklich eine eigentümliche Form der Wahrnehmung.