Zunächst zur rheinland-pfälzischen Orchesterlandschaft: Der Zwang zum Sparen, um auf Dauer die Existenz der drei Staatsorchester zu sichern, ist nicht einmal bei den betroffenen Orchestermusikern umstritten. Gerade ihnen ist die Bereitschaft hoch anzurechnen, selbst zur Lösung der Problematik beizutragen.
Auch die Mitwirkung der Tarifpartner Orchestervereinigung und Bühnenverein – Sie haben sie auch genannt – ist absolut positiv zu bewerten und hat Ihnen eigentlich von Anfang an die Lösung des Problems erleichtert. Gleichwohl ist es Ihnen gelungen, Musiker und die interessierte Öffentlichkeit gewaltig zu verunsichern, sogar zu düpieren. Sie haben ein Großorchester Ludwigshafen/Mainz in den Raum gestellt, das im wahrsten Sinn des Wortes niemand haben wollte. Die Rechnung dafür hätte das Koblenzer Orchester begleichen sollen.
Sie hatten weiter Zielzahlen für die einzelnen Orchester bekannt gegeben, die mit den für 2006 eingeplanten Budgets nicht finanziert werden können. Neuerdings gibt es allerdings Meldungen, dass das Budget von 3,45 Millionen Euro in Koblenz plötzlich doch für 66 Musiker reichen soll. Heute führen Sie aus, dass sich mit niedrigeren Personalbudgets die festgelegten Zahlen von Musikerinnen und Musikern finanzieren lasse.
Herr Minister, welche Zahlen denn? Sie haben doch für jedes Orchester zwei verschiedene im Angebot. Was stimmt denn wirklich?
Es stimmt, Musiker ändern ihre Lebensplanung, Orchester werden so verkleinert, dass a priori ihre Einsatzmöglichkeiten reduziert und die Kooperation untereinander bzw. mit anderen Orchestern unmöglich gemacht wird.
Sie haben vorhin auch vorsichtig davon gesprochen, dass diese Kooperation verabredet sei. Sie haben nicht davon gesprochen, dass sie wirklich in die Tat umgesetzt wird.
Ihre ständigen Behauptungen, die Qualität werde unter diesen Einschnitten nicht leiden, glauben wohl nur noch Sie allein.
Die Reduzierung der Stellen im Orchester ist im Ansatz richtig. Dazu stehen wir auch. Wenn die Orchester aber zu klein werden, werden die Besucher ausbleiben, und sie werden dann ihr Programm nicht mehr leisten können. Welchen Fortschritt sehen Sie eigentlich in einer solchen Veränderung?
Nach dem Willen der Landesregierung sind Landesbüchereistellen und Landesbibliotheken mit der Bibliotheca Bipontina in Zweibrücken zum Landesbibliothekszentrum zusammengefasst worden. Die beiden staatlichen Büchereistellen in Koblenz und Neustadt an der Weinstraße sollen weiterhin die Büchereien in der Fläche beraten und die Lust am Lesen verstärken. Die drei Bibliotheken dienen wissenschaftlichen Zwecken und sind deshalb eher mit Universitätsbibliotheken zu verknüpfen. Deshalb können noch nicht einmal einheitliche EDV-Systeme innerhalb dieser neuen Einheit genutzt werden. Man fragt sich also, wieso werden dann durch die Einrichtung Aufgaben besser erledigt und Synergien besser genutzt?
Veränderungen soll es auch im Musikangebot im Norden des Landes durch das Rheintal-Musikfestival geben. Vielleicht stünde ja ein überregional profiliertes Festival in dieser Region Rheinland-Pfalz wirklich gut zu Gesicht. Aber glaubt jemand, dass man mit 500.000 Euro dem Rheingau-Musik-Festival auf der anderen Rheinseite mit 6 Millionen Euro erfolgreich Konkurrenz machen kann?
Die Mittel sollen durch den SWR, Villa Musica und den TTM-Bereich aufgebracht werden. Herr Minister, Sie haben vorhin selbst darauf hingewiesen. Es ist der Tanz-, Theater- und Musikbereich im Landeshaushalt. Dies bedeutet eindeutig Verschiebungen zulasten anderer Kommunen und anderer Regionen im Land. Warum denken Sie nicht an den Ausbau oder die Fortentwicklung bestehender Strukturen, etwa der Mittelrhein MusikMomente der Rheinischen Philharmonie? Dort soll Neues um den möglichen Preis geschaffen werden, dass Aufstrebendes und Bewährtes gefährdet oder vernichtet wird.
Übrigens kann man gespannt sein, welche Rezepte die Landesregierung bereithält, wenn tatsächlich in ein oder zwei Jahren der Limes als Weltkulturerbe ausgewiesen werden sollte. Herr Minister, den haben Sie übrigens in der Ahnengalerie unseres Landes vergessen. Auch dann kann man wohl davon ausgehen, dass die Entwicklung über Bundesländergrenzen hinweg, der Aufbau von Organisationsstrukturen und die Vermarktung mehr
Auch bei manchen anderen Problemstellungen zeichnet sich die Landesregierung nicht gerade durch einen Übereifer bei Veränderungen aus, noch nicht einmal dort, wo sie zum Beispiel durch das Bundesverfassungsgericht dazu verpflichtet worden ist.
Dieses Gericht hat bereits im Jahr 1999 festgestellt, dass Paragraph 13 Denkmalschutzgesetz gegen Artikel 14 Grundgesetz, nämlich gegen die Garantie des Eigentums, verstößt. Interessen von Eigentümern sind nach Ansicht des Gerichts nicht ausreichend berücksichtigt worden. Deshalb ist seit dem 1. Juli das Denkmalschutzgesetz in diesem Punkt außer Kraft. In diesem Zeitraum hat die Landesregierung nicht mehr als einen Referentenentwurf zustande gebracht.
Ständigen Veränderungen ist die rheinland-pfälzische Kunstmesse ausgesetzt, neuerdings „Kunst direkt“ genannt. Standort, zeitlicher Rhythmus und nun auch der Titel wechseln, sodass die Corporate Identitiy kaum erkennbar wird. Es spricht also für die Qualität der rheinland-pfälzischen Kunstszene, wenn die Messe, die in den nächsten Wochen in Mainz eröffnet wird, auch in diesem Jahr wieder ein Erfolg wird.
Herr Minister, Ihre Äußerungen von vorhin zur Kunstmesse sind mir allerdings absolut schleierhaft. Nach Ihrer Formulierung gibt es widerstrebende Interessen zwischen Künstlern und Publikum. Wenn Sie nicht vereinbar seien, müssten die unterschiedlichen Zielgruppen getrennt bedient werden. Heißt das, dass Sie eine Messe nur für Künstler planen, also l‘ art pour l‘ art in Reinkultur? Wohin schicken Sie denn dann das Publikum?
Es gibt aber auch durchaus positive Veränderungen in der rheinland-pfälzischen Kulturpolitik, zum Beispiel die neue Landesmusikakademie, die Zusammenfassung von „Burgen, Schlösser, Altertümer“ mit dem Landesmuseum in Koblenz unter einer personellen Leitung, den Prozess, den der Museumsverband Rheinland-Pfalz zur Qualitätsentwicklung unserer Museen angestoßen hat, und die landesweit abgeschlossene Versicherung für Ehrenamtliche. Aber – auch Sie haben darauf hingewiesen, Herr Minister – Sorgen machen uns die Rückgänge der Erträge aus den Kulturstiftungen. Die Ursachen dafür liegen teilweise in den Finanzmärkten; andere Entwicklungen liegen in der Verantwortung der Stiftungsvorstände. So wird der Rahmen zum Beispiel in der Kulturstiftung durch immer höhere institutionelle Zuschüsse so eingeengt, dass der Spielraum für Projektförderungen immer kleiner wird. Auch Sie haben das vorhin zum Ausdruck gebracht, Herr Minister. In einer solchen Situation des Umbruchs wäre eine engere Zusammenarbeit von Landesregierung und Parlament nicht nur wünschenswert, sondern dringend notwendig. In der Kulturstiftung gibt es hierfür wenigstens ein Kuratorium mit einer prinzipiell beratenden Funktion, in dem Vertreter der vier Landtagsfraktionen mitwirken können. Beim Kultursommer ist es bislang trotz diesbezüglicher Be
Ein weithin unbeackertes Feld ist die Verknüpfung von Wirtschaft und Tourismus mit der Kultur im Land. Auch heute haben Sie dieses Thema ziemlich stiefmütterlich behandelt, Herr Minister. Überall blühen solche Blumen, aber ein System – also einen Strauß – kann man nicht erkennen. Um mit Ihrem Bild zu sprechen: Da ist der Gärtner wirklich gefordert. Dieser Strauß müsste auf Landesebene zum Beispiel durch die Zusammenarbeit der zuständigen Ministerien eingebunden werden.
Die Erstellung eines Kulturwirtschaftsberichts nach dem Beispiel anderer Bundesländer ist aufgrund unserer gegenwärtigen Haushaltssituation wohl nicht verkraftbar. Umso dringlicher wäre es aber, alle vorhanden Potenziale auszuschöpfen, etwa die wissenschaftlichen Ressourcen der Universitäten, um die Zusammenhänge zwischen Kulturaktivitäten und ihren Anteil an der gesellschaftlichen Wertschöpfung zu untersuchen und zu fördern. Das müsste Ihr konkreter Beitrag zur Verknüpfung von Wissenschaft und Kultur sein, Herr Minister. Diesen Dialog könnten Sie eigentlich führen, und diese Bündnisse müssten Sie eigentlich schließen.
Ich komme zum Ende, Frau Präsidentin. Gute Kulturpolitik schafft die Voraussetzungen, dass sich möglichst viele Menschen in welcher Form auch immer persönlich beteiligen können. So gibt es im Übrigen auch der eingangs zitierte Artikel 40 der Verfassung für RheinlandPfalz vor. An diesen Kriterien muss sich auch diese Landesregierung messen lassen. Es genügt nicht, mit dem Schlagwort „Veränderungen“ Politik machen zu wollen. Dazu braucht es keine Verbalrhetorik, sondern Klarheit in Worten und Zielen, Verlässlichkeit und wirkliche Perspektiven. All das vermissen bei dieser Regierung viele Menschen, denen die Kultur in RheinlandPfalz am Herzen liegt – die CDU-Fraktion im Übrigen auch.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Helen Jilavu und Erik Schmelz sind Studierende an der Akademie für Bildende Künste der Universität Mainz. Sie haben in den vergangenen Monaten in Mainz zweimal mit anderen zusammen gezeigt, dass Räume für Kunst in der Stadt vorhanden sind. Sie haben in einem ersten Projekt die alte Moguntia-Gewürzfabrik, die einen trostlosen unbeachteten Dauerschlaf gehalten hat, zum spannenden Ort für zeitgenössische Kunst gemacht. Danach haben sie das gleiche Konzept in einem Ab
Andere Studierende der Akademie haben in eigener Initiative Räume unter der Christuskirche, im Gewölbe des Kästrich, im Südbahnhof und im Güterbahnhof in Mainz-Kastel in Besitz genommen und damit Raum für Kunst geschaffen.
Ich erzähle dies, um deutlich zu machen, dass es Möglichkeiten gibt, Kunst zu zeigen. Junge Leute, denen mehr Vorurteile als Unterstützung zuteil werden, sind weit über ihre eigene künstlerische Arbeit hinaus initiativ. Es gibt eine lebendige Szene auf der Höhe der Zeit. Wir müssen sie nur wahrnehmen.
Ich erzähle dies nicht, um zu sagen, dass alles okay ist, staatliche Ausgaben im Kulturbereich können wir uns sparen. Unsere Kreativität, unsere Fantasie, unsere Gestaltungskraft und natürlich unsere finanziellen Mittel müssen hinzukommen, damit Kultur in Mainz und in Rheinland-Pfalz insgesamt leben kann.
Noch ein Aspekt vorab: Die Kultur lebt von der Kommunikation. Sie ist nur Kultur, wenn sie Kommunikation ist. Sie lebt davon, dass Einzelne oder eine Gruppe ein Projekt oder eine Idee im Kopf haben und andere dafür begeistern, einbeziehen und zum Mitmachen gewinnen. Sie lebt zum Beispiel, wenn der bildende Künstler Frank Gabriel seine „Tische unterwegs“ aufbaut und damit für 99 Tage einen Treffpunkt in der Mainzer Neustadt schafft, wenn Stefan Budian am liebsten in der Auseinandersetzung mit Kindern und Jugendlichen seine Bilder malt, wenn die Choreografin Nancy Seitz-McIntyre an den Kammerspielen die sprühendsten internationalen Ballettkompanien mit jungen Leuten aus verschiedenen Ländern zusammenstellt. Sie lebt, wenn die Musiklehrerin Silke Egeler-Wittmann immer wieder Kinder und Jugendliche motiviert, mit den Mitteln der Neuen Musik und des experimentellen Theaters einen künstlerischen Ausdruck der Auseinandersetzung mit der Welt zu finden. Das haben wir im Landtag bereits bei der „Plenarmusik“ erlebt. Der Landtag nutzt diesen Ansatz im April bei einem Weiterbildungsseminar. Ich meine, das ist ein sehr mutiges Experiment. Herzlichen Dank dafür.
Mir sind diese Beispiele wichtig. Ich könnte viele weitere nennen. Nur vom Engagement Einzelner lebt Kultur. Wir Politikerinnen und Politiker sind bestenfalls Helfer, die die Rahmenbedingungen verbessern. In diesem Sinne hat mir der Ansatz der Regierungserklärung gefallen, wie es Herr Frisch bereits geahnt hat. Sie war nicht anmaßend nach dem Motto „Wir schaffen Kultur“, sondern hielt sich an das Motto „Wir tragen die Verantwortung für ihre Ermöglichung“.
Ich teile die Position, dass wir die aktuelle kulturelle Diskussion einordnen müssen in die bestimmenden Fragen von Menschheits- und Technikentwicklung, von
Alle politischen Ebenen tragen Verantwortung und müssen der Kultur einen Stellenwert einräumen, auch einen materiellen. Schauplatz der Kultur sind konkrete Orte in Gemeinden und Städten und in der Region. Dort leben die Menschen, sind die Vereine und die Initiativen. Die kommunale Ebene trägt die politische Hauptverantwortung für die Schaffung von Möglichkeiten für Kultur. Das ist eine wunderbare Aufgabe für Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker, deren Stellenwert – ich weiß, wovon ich rede – nicht allen Akteuren bewusst genug ist. Das gilt übrigens für alle Parteien.
Für die Ebene der Landespolitik bleibt noch genügend Direktes und Indirektes zu tun. Es muss immer alles im Zusammenspiel mit öffentlichen und privaten Partnern und mit denen, die Kultur gestalten, geschehen.
Ich bin froh über den Zuschnitt unseres Ministeriums, über die Nähe der Zukunftsfelder Wissenschaft und Kultur. Beide können nicht voneinander unabhängig existieren. Bei der Bewertung von Wissenschaft ist es selbstverständliches Allgemeingut, dass es um Neues, um zu Erforschendes geht. Bei Kultur ist dies genauso. Kultur als Seelentrösterin greift viel zu kurz. Das ist Überforderung, Ablenkung oder Verharmlosung.
Das hat sich jetzt vielleicht ein wenig elitär angehört. Wenn Elite Spitzenleistung in gesellschaftlicher Verantwortung bedeutet, dann ist das auch okay so.
Für einen Sozialdemokraten muss aber immer ein Zweites hinzukommen und erste Bedeutung haben: Das sind die Ziele „Kultur für alle“ und „Kultur von allen“. Das bedeutet, Voraussetzungen und Chancen dafür zu schaffen, dass möglichst Viele Kulturelles gestalten und an kulturellen Ereignissen beteiligt sein können.
Das bedeutet Ehrenamtsförderung und Kultur in der Aus- und Weiterbildung. Meine Kollegin Renate Pepper wird später auf diese Punkte noch konkreter eingehen.