Protokoll der Sitzung vom 18.03.2004

Für den Krankenhausunterricht – da muss ich mich manchmal wundern – haben wir eine erheblich verbindlichere Festlegung getroffen. Da war es mir schon schleierhaft, weshalb die Oppositionsfraktionen gesagt haben, dass das immer noch nicht genügt.

Angesichts aktueller Debatten halte ich es allerdings auch für wichtig, hervorzuheben, dass der Auftrag von Schule verändert wird, indem man die Gleichberechtigung von Mann und Frau, vor allem aber auch das gewaltfreie Zusammenleben definiert.

Unser Änderungsantrag beinhaltet auch deshalb einige redaktionelle Änderungen, weil wir den Gesetzentwurf insgesamt für sehr gelungen halten. Wir haben darüber hinaus zum Kindertagesstättenbereich die verbindliche Beteiligung beim Übergang in die Grundschule in unseren Änderungsantrag aufgenommen. Ohne den Ablauf, den Herr Kollege Keller geschildert hat, zu korrigieren, obwohl meiner Ansicht nach der Sachverhalt etwas anders war, haben wir aber schon gemerkt, dass es bei § 26 Nachbesserungsbedarf gibt. Dies deshalb, weil wir meinen, dass künftige Schulleiterinnen und Schulleiter davon abgeschreckt werden könnten, wenn sie einem kommunalen Gremium bei ihrer Bewerbung die kompletten Personalakten zur Verfügung stellen müssen. Deshalb haben wir das korrigiert und wollen nur noch das Bewerbungsschreiben und Angaben zum beruflichen Werdegang als Begrenzung im Gesetz haben.

Bei fast allen Verbänden, die die Lehrerinnen und Lehrer in unserem Land vertreten, hat es zur Verunsicherung geführt, dass in § 96 als Vorgaben nur noch Bildungsstandards formuliert waren. Wir haben deshalb einen neuen Vorschlag beantragt. Mit dieser Formulierung machen wir deutlich, dass selbstverständlich im Rahmen von schulart- und schulstufenspezifischen Vorgaben für die einzelnen Unterrichtsfächer Lehrpläne oder künftige andere Hilfen zur Unterrichtsgestaltung noch eine Rolle spielen werden.

Nun lassen Sie mich noch einige Sätze zu den Änderungsanträgen der Oppositionsfraktionen sagen. Grundsätzlich enthalten beide Entwürfe Vorschläge, die wir als FDP-Fraktion in der weiteren Schulentwicklung durchaus als Ziele ansehen. Allerdings muss man meiner Ansicht nach davor warnen, den zweiten Schritt vor dem ersten Schritt zu gehen und dabei diejenigen, die das Gesetz umsetzen müssen, auf der Strecke zu lassen.

Die in diesem Gesetz verankerten Schritte zur größeren Selbstständigkeit von Schulen – damit bin ich bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – sollten mit Sicherheit nicht die Letzten sein, die wir in das Gesetz hineingeschrieben haben. Ihr Antrag enthält gerade für diesen Bereich sehr viele vernünftige Zielvorgaben, aber ich kenne auch viele Schulleiter. Es gibt zum einen die Gruppe, die sagt, sie würden jetzt gern ihr Personal eigenständig einstellen, führen und verwalten können. Ich kenne aber auch andere, die sagen, dass sie aufgrund des tief greifenden Reformprozesses, der ohnehin schon stattfindet, derzeit

andere Baustellen zu bewältigen haben. Unser Gesetzentwurf schafft in diesem Bereich Möglichkeiten, aber er überfordert nicht.

Man kann auch darüber diskutieren, ob man die gemeinsame Schulzeit über die Orientierungsstufe hinweg verlängert. Das würde allerdings bedeuten, dass man eine tief greifende Systemveränderung vornehmen muss. Dabei hat man sich dann aber noch keine Gedanken – das ist auch nicht in Ihrem Antrag geschehen – über individuellere Forder- und Fördermöglichkeiten und über Unterrichtsprozesse, die das gemeinsame Lernen nutzbar machen, oder über Anforderungen an veränderte Personalstrukturen gemacht, die das mit sich bringt.

Eine solch tief greifende Strukturveränderung bedarf meiner Ansicht nach einer intensiven und ideologiefreien Diskussion aller Beteiligten. Ein tiefer Eingriff in die Struktur ist nur dann sinnvoll, wenn er dazu führt, dass unsere Kinder tatsächlich besser gefördert werden, der Unterricht tatsächlich individueller auf sie abgestimmt ist und nicht dazu, dass wir nachher einen ideologiebedingten, aber nutzlosen Umorganisationsprozess vollzogen haben.

Lassen Sie mich dann noch auf einige Punkte im CDUÄnderungsantrag eingehen. Auch für die FDP ist ganz klar eine frühe Sprachstandsdiagnose wichtig.

(Beifall des Abg. Schreiner, CDU)

Wir meinen aber – ich erkläre das gern noch einmal, da Sie im Ausschuss wieder einmal nicht zugehört haben –, dass die Diagnose des Sprachstands nicht erst zum Tag der Schulanmeldung erforderlich ist,

(Beifall der Abg. Frau Brede-Hoffmann, SPD)

sondern bereits bei Eintritt in die Kindertagesstätte.

(Vereinzelt Beifall bei FDP und SPD)

Die Erzieherinnen und Erzieher müssen in der Lage sein, Defizite und Stärken – im Übrigen auch in anderen Bereichen – sehr frühzeitig zu erkennen. Sie müssen entsprechend die gesamte Zeit, während der das Kind in der Kindertagesstätte ist, nutzen können, um zu fördern. Das gilt vor allem für den Sprachstand der Kinder; denn natürlich meinen auch wir, dass die Sprachkompetenz die Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche Unterrichtsteilnahme ist.

Alle Expertinnen und Experten haben aber auch bestätigt, dass die Sprachförderung vor allem in der Alltagssituation erfolgen muss, um erfolgreich zu sein.

Herr Keller, wenn Sie einmal eine Zeit lang im Ausland oder in Urlaub waren, wo Sie die Sprache sprechen können, wissen Sie auch, dass das am förderlichsten ist.

Wir halten es deshalb für zwingend erforderlich, ab dem dritten Lebensjahr die Zeit in der Kindertagesstätte zu nutzen und dann – dies tun wir in Rheinland-Pfalz bereits – zusätzliche Angebote vor der Einschulung zu machen, wenn der Sprachstand noch nicht erreicht ist.

Auch die Einführung von Abschlussprüfungen, die Sie im Bereich der Sekundarstufe I beantragt haben, ist eine Forderung, die Sie schon einmal aus den Reihen der FDP hören konnten.

Nun sind von der KMK erstmals Bildungsstandards für die Kernfächer im Bereich der mittleren Abschlüsse vorgelegt worden. Diese Standards wurden nicht nur empfohlen, sondern sollen irgendwann einmal überprüft werden. Wenn wir das System im Hinblick auf stärkere outputorientierte Überprüfungen in Form von Standards umstellen und versuchen wollen, die tatsächlich von den Schülern erreichten Kompetenzen zu messen, sollten Sie uns in der Bundesrepublik diesen Weg erst einmal gehen lassen. Dann können wir uns noch einmal darüber unterhalten, ob das eine Abschlussprüfung ist, die am Ende auch stehen kann. Ich denke, man sollte erst einmal diese Entwicklung abwarten.

Ähnliches gilt auch für einen Teil des Antrags von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Wir haben vor kurzem eine Privatschule in der Schweiz besucht und gesehen, dass es eindrucksvolle Möglichkeiten gibt, die tatsächlich erreichten Kompetenzen der Schülerinnen und Schüler in den einzelnen Fächern und Lernbereichen zum einen transparent zu machen und zu dokumentieren und zum anderen auf dieser Basis weiterzuentwickeln. Das ist eine ganz andere Grundlage als das heutige Notens ystem. Diese haben mit den Kompetenzrastern, die wir auch schon einmal kurz vorgestellt haben, und mit neuen Unterrichtsformen gearbeitet. Solche Wege müssen unserer Meinung nach erst einmal erprobt und, wenn sie praxistauglich sind, auch umgesetzt werden.

Ich komme zu dem letzten Punkt, über den wir schon mehrfach diskutiert haben. Gleiches gilt für die Einführung des Gymnasiums in achtjähriger Form. Diese Landesregierung ist den Weg gegangen, zunächst einmal das Abitur nach zwölfeinhalb oder nach elfeinhalb Jahren mit BEGYS zu ermöglichen. Wir haben uns in der Koalitionsvereinbarung darauf festgelegt, das in dieser Legislaturperiode auch nicht zu ändern. Beide Seiten sind in diesem Punkt vertragstreu.

Wenn ich mir Ihren Antrag ansehe, werden drei Dinge sehr deutlich. Ich möchte sie noch einmal nennen.

1. Wir sind uns in der Zielrichtung grundsätzlich einig, dass das Abitur nach zwölf Jahren ermöglicht werden muss.

2. Dies ohne einen Verlust der Durchlässigkeit unseres Schulsystems zu tun, ist eine Aufgabe, die auch, wenn man sich Ihren Antrag ansieht, offensichtlich sehr knifflig ist. Sie erreichen dieses Ziel mit Ihrem Vorschlag, wie Sie ihn im Ausschuss vorgestellt haben, meiner Ansicht nach nicht.

3. Andere Länder, zum Beispiel Finnland, das wir besucht haben, machen uns vor, dass es auch noch intelligentere Lösungen geben könnte. Dort ist es zum Beispiel so, dass der Schüler die Oberstufe nach zwölf, dreizehn oder vierzehn Jahren abgeschlossen haben kann. Vielleicht sollten wir die Zeit, die wir durch die Vereinbarung haben, nutzen, um zu schauen, ob es nicht intelligentere Wege gibt.

Meine Damen und Herren, die Diskussion um schulische Reformprozesse zur Verbesserung der Qualität unserer Bildung ist mit diesem neuen Schulgesetz mit Sicherheit nicht beendet. (Glocke des Präsidenten)

Herr Präsident, ich komme zu meiner Schlussbemerkung. Wir gehen heute mit der Verabschiedung des Gesetzes einen entscheidenden Schritt in der qualitativen Entwicklung unseres Unterrichtsangebots in Rheinland-Pfalz. Wir sorgen für mehr Qualität und bessere Entwicklungschancen des Einzelnen. Diese Schritte unterstützt die FDP-Fraktion in aller Entschiedenheit.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall der FDP und der SPD)

Für die Landesregierung spricht Frau Staatsministerin Doris Ahnen.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Landesregierung hat den Entwurf eines neuen Schulgesetzes am 5. November letzten Jahres in den Landtag eingebracht. In den anschließenden parlamentarischen Beratungen ist das Schulgesetz intensiv und konstruktiv beraten worden. Dafür möchte ich mich bei allen Mitgliedern dieses hohen Hauses bedanken, insbesondere bei den Mitgliedern des Ausschusses für Bildung und Jugend.

Nach meiner Empfindung ist der Gesetzentwurf insgesamt positiv aufgenommen worden. Dies gilt insbesondere für die grundlegenden Weichenstellungen, nämlich die Frage der Selbstständigkeit von Schule, die Qualitätsentwicklung sowie die strukturelle Weiterentwicklung der berufsbildenden Schulen. Dies gilt aber auch für die Etablierung der Ganztagsschule in Angebotsform, die Flexibilisierung der Einschulungsregelung, die verstärkte Kooperation der Schulen mit außerschulischen Partnern und die neuen Akzente in der integrativen Beschulung.

Selbstverständlich gab es auch kritische Anmerkungen. Manchen war der Gesetzentwurf zu reformfreudig, anderen wiederum ging er nicht weit genug. Das Schulgesetz – davon bin ich fest überzeugt – macht die Schulen in Rheinland-Pfalz fit für die Zukunft. Es nimmt gleichermaßen positive Erfahrungen der Schulpraxis auf, als dass es auch eine Reihe von innovativen Elementen enthält.

Sehr geehrter Herr Abgeordneter Wiechmann, wenn ich ganz ehrlich sein soll, bin ich ein bisschen enttäuscht. Eigentlich, tief in meinem Herzen, hätten wir zumindest einen kleinen Innovationspreis für diesen Gesetzentwurf verdient. (Beifall der SPD und der FDP – Abg. Wiechmann, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Wofür denn?)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, im Zusammenhang mit dem Gesetzentwurf wird zu Recht immer wieder auf die Konsequenzen aus PISA verwiesen. Genau diese notwendigen Konsequenzen aus PISA haben auch wir in den Mittelpunkt gestellt, nämlich die Qualitätsentwicklung als ein Element der steigenden Selbstständigkeit von Schulen. Hier setzen wir sehr deutliche Akzente.

Herr Abgeordneter Wiechmann, zum Teil sind wir offensichtlich weiter, als Ihnen das bekannt ist. Eine Reihe von Schulen hat längst die Möglichkeit, sich ihr Personal auszusuchen. Diese nutzen das auch.

(Beifall bei SPD und FDP)

Eines sage ich deutlich: Ich glaube, dass ein Weg nicht geht, nämlich dass wir Freiheit ohne gleichzeitige Verantwortung in den Schulen etablieren; denn das gehört aus meiner Sicht zusammen.

(Beifall bei SPD und FDP – Abg. Kuhn, FDP: Jawohl!)

Zu dieser Verantwortung gehört auch die Evaluation und regelmäßige Rückkopplung. Wir haben in den letzten Wochen und Monaten erhebliche Schritte mit der Beteiligung an weiteren internationalen Untersuchungen, aber auch mit innovativen Elementen aus Rheinland-Pfalz gemacht, wie zum Beispiel der Vergleichsarbeit VERA in der vierten Jahrgangsstufe der Grundschule. § 23 des Schulgesetzes regelt genau dieses Verhältnis von Selbstständigkeit auf der einen Seite, aber auch Evaluation und regelmäßiger Rückkopplung auf der anderen Seite. Das wollen wir gemeinsam auf den Weg bringen.

Ein Drittes muss hinzukommen. Das sind vergleichbare Standards. Auch hier hat die KMK in den letzten Monaten wegweisende Beschlüsse gefasst. Diese werden auch in Rheinland-Pfalz umgesetzt. Über die Frage der Bildungsstandards gab es im Ausschuss eine kritische Diskussion. Ich sage ganz ausdrücklich: Für uns ist die Linie klar. Wir übernehmen die bundesweiten Bildungsstandards; denn sie sind inhaltlich und wegen der Vergleichbarkeit ein großer Fortschritt. Das wollen wir auch deutlich im Schulgesetz zum Ausdruck bringen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, damit zieht das Schulgesetz aus PISA die wesentliche Konsequenz des Dreiklangs, nämlich mehr Selbstständigkeit für die Schule bei gleichzeitig vergleichbaren Standards und regelmäßiger Überprüfung der Standards. Das ist meines Erachtens der Hauptpunkt, der sich in anderen Staaten bewährt hat, die bei PISA erfolgreich abgeschnitten haben.

(Beifall der SPD und der FDP)

Ein zweiter wichtiger Schwerpunkt ist die Reform der berufsbildenden Schulen. Auch hier leiten wir nachhaltige Veränderungen ein, die einerseits den Stellenwert und die Attraktivität des beruflichen Bildungswegs und der dualen Ausbildung stärken sollen, die andererseits aber auch neue Gleichwertigkeit von allgemeiner und beruflicher Bildung mit neuen Bildungschancen über den berufsbildenden Bereich eröffnen. Das hat für mich

neben der Durchlässigkeit auch sehr viel mit der gerechteren Verteilung von Bildungschancen zu tun. An dieser Stelle reagieren wir sehr deutlich und nehmen damit eines der schlimmsten Defizite, das PISA aufgezeigt hat, in diesen Gesetzentwurf auf.

(Beifall bei SPD und FDP)

In diesem Zusammenhang darf ich mich auch bedanken, dass das Abendgymnasium jetzt noch seine rechtliche Verankerung auf Antrag der Fraktionen der SPD und FDP findet, weil ich meine, das ist ein weiterer Zugang zum Bildungswesen. Ich finde, das passt sehr gut in die Novelle.

Meine Damen und Herren, ein wichtiger Punkt ist mir auch die Veränderung der Einschulungsregelung. In der Tat in der Zielstellung sind wir, glaube ich, einig. Wir wollen, dass Kinder früher eingeschult werden, und wir wollen, dass weniger Kinder zurückgestellt werden. Beides ermöglichen wir mit diesem Gesetzentwurf, indem wir einerseits die so genannte Kann-KinderRegelung aufheben und damit auch die Einschulung von 5-jährigen Kindern möglich machen und auf der anderen Seite die Rückstellungen auf wenige Fälle reduzieren wollen. Der Ansatz ist der, wir wollen mit der Lebenszeit junger Menschen verantwortungsvoll umgehen. Das ist uns ein großes Anliegen, aber – damit komme ich zu einem der Punkte der CDU – hier sind intelligente und flexible Lösungen gefragt, damit wir tatsächlich Zeit gewinnen, ohne Qualitätsverlust in diesem System zu verankern.

Der Antrag der CDU zum 12-jährigen Abitur hat nicht nur in dieser Debatte, sondern auch in den Beratungen im Ausschuss sehr wenig Zuspruch gefunden. Herr Abgeordneter Keller, weil Sie an dieser Stelle gefragt haben und das auch noch einmal bestätigt haben wollten: Selbstverständlich erfüllt unser Modell, das wir im Land praktizieren, die geforderten 265 Wochenstunden. Wenn Sie auf Wochenstunden in einem anderen Kontext abstellen, bei dem Sie meinten, die in NRW hätten so wenige, wir in Rheinland-Pfalz auch, dann ist Ihnen sicher bei der intensiven Lektüre des Bildungsberichts nicht entgangen, dass wir eines der Länder sind, das in der Grundschule den höchsten Zeitstundenansatz hat. Jeder Wissenschaftler fordert genau das, den Schwerpunkt auf die Grundschule zu legen.