Protokoll der Sitzung vom 18.03.2004

Der Antrag der CDU zum 12-jährigen Abitur hat nicht nur in dieser Debatte, sondern auch in den Beratungen im Ausschuss sehr wenig Zuspruch gefunden. Herr Abgeordneter Keller, weil Sie an dieser Stelle gefragt haben und das auch noch einmal bestätigt haben wollten: Selbstverständlich erfüllt unser Modell, das wir im Land praktizieren, die geforderten 265 Wochenstunden. Wenn Sie auf Wochenstunden in einem anderen Kontext abstellen, bei dem Sie meinten, die in NRW hätten so wenige, wir in Rheinland-Pfalz auch, dann ist Ihnen sicher bei der intensiven Lektüre des Bildungsberichts nicht entgangen, dass wir eines der Länder sind, das in der Grundschule den höchsten Zeitstundenansatz hat. Jeder Wissenschaftler fordert genau das, den Schwerpunkt auf die Grundschule zu legen.

(Beifall bei SPD und FDP)

Auch hier haben wir eine Weichenstellung gesetzt. Wir in Rheinland-Pfalz realisieren Zeitgewinn. 30.000 junge Menschen haben seither ein halbes Jahr gewonnen. Andere haben – das sage ich noch einmal ganz deutlich – noch erheblichen Nachholbedarf. Wir haben darüber hinaus Schnellläufer in unseren BEGYS-Zügen. Auch hier sind wir mit elfeinhalb Jahren bundesweit Vorreiter. Wenn Sie jetzt auf die Entwicklung in anderen Ländern verweisen, dann sage ich Ihnen: Diese verfolge ich auch sehr aufmerksam. Ich verfolge vor allen Dingen besonders die Debatte in Bayern. – Mit Ihrer Genehmigung, Herr Präsident, zitiere ich aus der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“, nicht gerade verdächtig, dem sehr kritisch gegenüber zu stehen. Dort wird über die bayerische Situation gesagt: „Die Übertrittsquote auf das

Gymnasium wird auf diese Weise nicht steigen. Die Zahl der Abiturienten erst recht nicht.“ Dann wird darauf hingewiesen, dass in Bayern mehr als 90 % bei einer Abstimmung auf der CSU-Seite das achtjährige Abitur abgelehnt haben. Dann kann ich zumindest mit Recht feststellen, dass der Weg, wie er dort gegangen wird, aus meiner Sicht nicht geht. Da fand ich die Ausschusssitzungen wirklich erhellend. Der Weg, der uns von der CDU vorgeschlagen wird, ist tatsächlich der, dass alle die, die nicht aus dem Gymnasium originär kommen, tatsächlich zu Klassenwiederholerinnen und Klassenwiederholern werden. Damit tun wir der Durchlässigkeit unseres Schulsystems, für mich, ein hoher Wert, einen Tort an. Nach diesem Modell der CDU geht es jedenfalls nicht. (Beifall bei SPD und FDP)

Lassen Sie mich noch ein paar Worte zur Schulstruktur sagen, die von beiden Seiten angesprochen worden ist, sowohl vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN als auch von der CDU.

Herr Abgeordneter Wiechmann, Sie verweisen auf die Notwendigkeit eines längeren gemeinsamen Lernens. Ich sage, ich habe sehr viel Verständnis für Eltern, die den Bildungsweg für ihre Kinder länger offen halten wollen. Das hat die Landesregierung in den letzten Jahren aufgegriffen. Sie hat das Bildungssystem in Rheinland-Pfalz erheblich modernisiert und weiterentwickelt. Wir haben 83 Regionale Schulen, 14 Duale Oberschulen, 19 Integrierte Gesamtschulen und 21 schulartübergreifende Orientierungsstufen. Wissen Sie, wozu das geführt hat? Heute wählen über 30 % einen dieser Wege, der die endgültige Entscheidung über den Bildungsweg länger offen lässt.

(Beifall bei SPD und FDP)

Das sind übrigens dreimal so viel, als dies 1991 in diesem Land der Fall war. Ich sage dazu: Diesen Weg werden wir auch weiter gehen, orientiert am Elternwillen unser Bildungssystem in Rheinland-Pfalz weiterzuentwickeln und damit jeweils die geeigneten Zukunftsoptionen auch anzubieten.

(Beifall bei SPD und FDP)

Zur CDU möchte ich an dieser Stelle – Herr Abgeordneter Keller, Sie sind auch immer sehr deutlich und pointiert – dann auch eine rhetorische Frage stellen. Als Sie die Konsequenzen aus PISA forderten, auch in Ihrer Pressekonferenz und auch heute hier wieder, habe ich mich einen Moment lang gefragt, ob es zwei PISAStudien gibt, weil ich mir gar nicht vorstellen kann, dass man ein und dieselbe Studie so unterschiedlich interpretieren kann.

(Beifall bei SPD und FDP)

Das, was Sie vorschlagen, insbesondere die Querversetzung nach fünf, hält Wege nicht länger offen, das kommt auch nicht dem Elternwillen entgegen, sondern das bedeutet genau, dass auch gegen den Willen der Betroffenen die endgültige Entscheidung möglichst früh manifestiert werden soll. Das ist ein Weg, den wir nicht mitgehen wollen.

Der zweite Punkt ist der: Ich sage sehr deutlich, wir wollen fördern und nicht primär zu einem Zeitpunkt feststellen, dass Förderung nicht erfolgt ist. Dies gilt für die Förderung in der Schule und genauso für die frühzeitige Förderung in der Kindertagesstätte. Unser eindeutiger Schwerpunkt in allen bildungspolitischen Maßnahmen ist die individuelle Förderung der Schüler und Schülerinnen. Das ist aus meiner Sicht auch das Gebot der Stunde.

(Beifall bei SPD und FDP)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich bin der festen Überzeugung – ich konnte nur einige Punkte ansprechen, die wir in diesem Gesetz ändern –, dass dieses Schulgesetz Garant für die innovative Fortentwicklung rheinland-pfälzischer Bildungspolitik ist, die in der Vergangenheit und in der Zukunft Maßstäbe setzen wird. (Beifall bei SPD und FDP)

Ich begrüße Gäste im rheinland-pfälzischen Landtag, und zwar Mitglieder des Deutschen Roten Kreuzes aus Kirn und Umgebung mit Gästen aus Lößnitz/Sachsen. Herzlich willkommen im rheinland-pfälzischen Landtag!

(Beifall im Hause)

Das Wort hat Herr Abgeordneter Keller zu einer Kurzintervention.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Zum Abitur nach 12 Jahren: Frau Minister, man merkt so allmählich, Ihnen ist letztendlich nicht mehr wohl.

Sie werden die letzte Mohikanerin sein, die noch dagegen ist. Die Entwicklung wird Sie überrollen.

Wenn ich jetzt höre, was Sie wieder gegen unseren Antrag vorgebracht haben – es betrifft auch die geschätzte Kollegin Frau Morsblech –, dann steigt in mir der Verdacht auf, Sie reden über einen anderen Antrag und nicht über unseren Antrag.

(Beifall der CDU)

Deswegen zitiere ich einmal unsere zentralen Forderungen. Das reicht.

(Frau Brede-Hoffmann, SPD: Das reicht nicht!)

In der Sekundarstufe I des Gymnasiums entfällt eine Klassenstufe. Der Unterrichtsstoff ist auf fünf Klassenstufen umzuverteilen, die Lehrpläne sind entsprechend zu überarbeiten. Da müssen Sie doch zustimmen können, (Frau Brede-Hoffmann, SPD: Nein!)

vor allem auch die FDP.

Der Mindeststandard von 265 Unterrichtsstunden entsprechend der Übereinkunft der Kultusministerkonferenz ist einzuhalten. Das wollen wir. Wieso ist das Qualitätsabbau?

Die Durchlässigkeit zwischen den Schularten soll weiterhin gewährleistet sein. So müssen Schüler anderer Schularten bei entsprechender Qualifikation zum Gymnasium wechseln können.

Das sind unsere drei Eckpunkte. Dann haben Sie die Möglichkeit und die Freiheit, das auszugestalten. Das ist doch Ihre Aufgabe. Wenn Sie es nicht machen, dann machen wir es 2006. Das garantiere ich Ihnen.

(Beifall der CDU – Heiterkeit bei der SPD – Lelle, CDU: So einfach ist das!)

Das Wort hat Herr Abgeordneter Schreiner.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Gestatten Sie mir noch ein paar Schlaglichter;

(Zuruf der Abg. Frau Kiltz, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

denn im Mittelpunkt unseres CDU-Antrags – da scheinen wir uns einig zu sein, Frau Ministerin – steht die frühzeitige und begabungsgerechte Förderung von Kindern.

Das fängt – da sind wir uns auch mit der FDP einig – vor der Schule an. Wir fordern deshalb in unserem Antrag – Sie können es unter Punkt 13 nachlesen –, dass die Schülerinnen und Schüler bei Ihrer Einschulung ausreichend Deutschkenntnisse haben sollen. Die Schule darf nicht der Reparaturbetrieb für eine versäumte Frühförderung sein.

Dann frage ich mich, wenn ich von Ihnen höre, dass man auch bei der FDP schon einmal Forderungen hören könnte, wie zum Beispiel nach Sprachdiagnostik oder Abschlussprüfungen, Frau Brede-Hoffmann, – – – Das kann man nicht nur schon einmal hören, das sagen Sie.

Ich zitiere die „Rheinpfalz“ vom 5. September: Sie fordern Abschlussprüfungen an Haupt- und Realschulen. Ich zitiere die „Rheinpfalz“ vom 15. März: Da fordert Herr Eymael, indem er einen FDP-Parteitagsbeschluss verteidigt, Deutschkenntnisse sollen im Kindergartenalter, spätestens mit fünf Jahren, wie es in unserem Antrag steht, überprüft werden. Es kann eben nicht sein, dass wegen ungenügender Deutschkenntnisse Schülerinnen und Schüler dem Unterricht nicht folgen können.

Das sind genau die Punkte, die wir fordern. Wir fordern, frühzeitig und rechtzeitig Deutschkenntnisse zu überprüfen, damit die Schülerinnen und Schüler gut dem

Unterricht folgen können. Wir fordern umgekehrt zum Beispiel auch Abschlussprüfungen wie die FDP.

Das kann man nicht einmal so bei Ihnen hören. Das sind Beschlüsse Ihrer Parteitage, jetzt aktuell war es der Bezirksparteitag in der Pfalz.

Ich weiß nicht, was Sie zu Hause Ihren Mitgliedern erzählen.

(Böhr, CDU: Gar nichts! Welchen Mitgliedern? – Jullien, CDU: Im Landesvorstand!)

Das wundert mich schon. Wie können Sie auf Parteitagen Dinge beschließen, und die sind dann schon zwei Wochen später nicht mehr wahr?

Herr Kuhn, ich würde Sie schon einmal bitten, dass Sie sich mit Ihren Mitgliedern zusammensetzen und sie ausgiebig über die Arbeit informieren, die Sie als Fraktion im rheinland-pfälzischen Landtag machen.

(Zuruf der Abg. Frau Brede-Hoffmann, SPD)

Auf der Basis möchte ich einmal sehen, wie Sie dann weiter bis 2006 in dieser Koalition noch Politik machen wollen.

(Beifall der CDU – Zuruf des Abg. Pörksen, SPD)

Ein letzter Satz sei mir gestattet, weil es uns sehr wichtig ist, dass es im Gesetz auch auf Antrag der Lebenshilfe zu Veränderungen gekommen ist, wenngleich die Änderungen, die Sie als SPD und FDP mit Mehrheit abgestimmt haben, nicht so weitgehend sind wie das, was wir als CDU nach wie vor beantragen.

Im ursprünglichen Entwurf des Gesetzes sollte Behinderten und schwer kranken Kindern das Recht auf Bildung abgesprochen werden können. Das kann nicht sein.

(Keller, CDU: So ist es!)

Jeder hat das Recht und auch die Pflicht, sich zu bilden. Egal, ob er behindert ist oder nicht. Das ist manchmal schon sehr schwierig – das weiß ich aus eigener Erfahrung durch meinen Bruder –, behinderte Kinder auch in Förderschulen zu unterrichten. Aber sie haben das Recht dazu.