Protokoll der Sitzung vom 18.03.2004

Herr Staatssekretär, Sie haben vielleicht bemerkt, dass Sie vorhin an einer Stelle Beifall der FDP-Fraktion bekommen haben. Das war, als Sie gesagt haben, es müsse keinen ewigen Bestandsschutz für die Gewerbesteuer geben. Weiter haben Sie gesagt, wenn es eine bessere Lösung gäbe, müsste man darüber diskutieren. Haben Sie damit gemeint, dass möglicherweise das Zuschlagsmodell die bessere Lösung sein könnte?

Ich habe damit überhaupt nichts gemeint.

(Beifall bei der FDP – Zuruf des Abg. Marz, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich habe überhaupt nichts von dem gemeint, was Sie unterstellen. Ich habe deutlich gemacht, dass eine vernünftige Diskussion über Steuern nicht mit der Festlegung starten kann, das alles exakt so bleiben muss, wie es ist. Eine vernünftige Diskussion über Steuern muss an den Zielen aus kommunaler Sicht und aus Unternehmersicht ansetzen. Man darf nicht sagen, diese Steuer muss so bleiben oder vielleicht so werden.

(Beifall der FDP – Creutzmann, FDP: So ist es!)

Bis jetzt ist es nicht gelungen ein Modell zu entwickeln, das die Ziele der Unternehmen und der Kommunen in eine Übereinstimmung bringt oder zumindest die Konflikte so minimiert, dass man von einer befriedigenden Lösung reden kann.

Eine Zusatzfrage der Frau Abgeordneten Thomas.

Herr Staatssekretär, können Sie sich erklären, wieso der Präsident des Deutschen Landkreistages, Hans-Jörg Duppré, aus der bisher relativ einigen Linie der kommunalen Spitzenverbände ausschert und für ein Zuschlagsmodell plädiert? Bis Ende letzten Jahres hatten wir eine sehr einheitliche Linie von den kommunalen Vertretern.

(Staatsminister Bauckhage: Da müssen Sie ihn selber fragen!)

Ich darf darauf hinweisen, dass die kommunalen Spitzenverbände schon immer eine relativ brüchige Einheit dargestellt haben. Der Städte- und Gemeindebund und der Städtetag haben sich auf der einen Seite eindeutig erklärt. Auf der anderen Seite steht der Landkreistag, der bekanntlicherweise nicht direkt an der Gewerbesteuer beteiligt ist. Bei den Kreisen kann man davon ausgehen, dass sie bei jeder aufkommensneutralen Lösung zulasten der Kernstädte profitieren. Da ist es in der Vergangenheit schon so gewesen, dass im Landkreistag vereinzelt entsprechende Aussagen zu hören waren. So war es auch im letzten Jahr. Die Aussage von Herrn Präsidenten Duppré ist nicht völlig neu. Eine ähnliche Aussage ist vom Landkreistag Ende letzten Jahres bereits getroffen worden. Deswegen war es nicht überraschend.

Man muss sehen, die Kreise haben eine völlig andere Interessenlage als die Städte und Gemeinden. Das hat sich in der Steuerdiskussion in der Bundesrepublik immer niedergeschlagen. Die Kreise haben ihr Ziel offen erklärt, nämlich die direkte Beteiligung an einer großen Steuer anzustreben. Am liebsten hätten sie die Umsatzsteuer. Von daher ist es bei einer rein auf eigenen Interessen bedachten Strategie durchaus nachvollziehbar, dass sich die Kreise nicht ganz so festlegen, wie es die Städte und Gemeinden tun.

Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Marz.

Herr Staatssekretär, Sie haben relativ umfassend, etwas akademisch anmutend referiert, welche mögliche Position es in dieser Diskussion gibt. Meine Frage bezieht sich auf Folgendes: Wie wollen Sie als Landesregierung mit dieser Nichthaltung in der bundesweiten Diskussion über die Gewerbesteuer bestehen?

Die Diskussion sollte in jedem Fall theoretisch fundiert sein. (Beifall bei der FDP – Creutzmann, FDP: Sehr gut!)

Es hat überhaupt keinen Sinn, eine Diskussion nach der Methode „Hauptsache mehr Geld“ zu führen.

(Beifall der FDP – Creutzmann, FDP: So ist es!)

Ich würde mir wünschen, dass in einer Diskussion über eine vernünftige Gemeindewirtschaftssteuer oder überhaupt über das System der Gemeindesteuern sehr viel klarer von notwendigen Zielen als von rein pragmatischen Ansätzen ausgegangen würde.

(Beifall des Abg. Creutzmann, FDP)

Eine rein pragmatische Lösung hat sich Ende letzten Jahres im Vermittlungsausschuss durchgesetzt. Das war keine zukunftsweisende Lösung, sondern war eine Lösung, um über die Runden zu kommen.

(Beifall der FDP)

Eine Zusatzfrage der Frau Abgeordneten Thomas,

Das Ergebnis des Vermittlungsausschusses war ein Hilfsergebnis. Davor gab es eine hochrangig besetzte und lang arbeitende Expertenkommission, die von der Bundesregierung eingesetzt war. Diese hat theoriegeleitet, begleitend und berechnend an solchen Modellen gearbeitet. Vielleicht können Sie noch einmal die Position der Landesregierung zu den Empfehlungen dieser Expertenkommission darstellen.

Es ist bekannt, wie der Dezember letzten Jahres verlaufen ist. Alles das, was vorher an Modellen erarbeitet worden ist, ist vom Tisch gewischt worden nach der Methode: Wir wollen jetzt keine Lösung, wir wollen nur irgendwie ein bisschen mehr Geld in kommunale Hand bringen.

(Creutzmann, FDP: So ist es!)

Das war nicht die Position der Landesregierung.

(Beifall bei SPD und FDP)

Wenn man aber feststellt, dass es im Bundesrat keine Mehrheiten für zukunftsweisende Lösungen gibt, muss man im Zweifelsfall einer pragmatischen Lösung wie der, die im Dezember getroffen worden ist, zunächst einmal zustimmen, damit sich die kommunale Finanzsituation bessert. Aber damit ist das Thema „kommunales Finanzsystem, kommunales Steuersystem, Gemeindewirtschaftsteuern“ natürlich nicht vom Tisch, sondern wird in den nächsten Jahren weiter auf der Agenda bleiben.

(Beifall bei SPD und FDP)

Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Jullien.

Herr Staatssekretär, am Wochenende hat Ministerpräs ident Beck erklärt, dass die Landesregierung und die SPD nachdrücklich an der Gewerbesteuer festhalten würden. (Itzek, SPD: Auf dem Parteitag!)

Auf dem Parteitag. Ich habe gesagt „am Wochenende“, Herr Itzek. (Itzek, SPD: Als Landes- vorsitzender der SPD! – Weitere Zurufe bei SPD und CDU)

Darf ich die Frage noch einmal wiederholen, oder ist sie angekommen? – Die Frage ist angekommen, dass der Ministerpräsident erklärt hat, dass die SPD und die Landesregierung nachdrücklich an der Gewerbesteuer festhalten? Herr Staatssekretär, bedeutet dies, dass die Landesregierung an der Gewerbesteuer in ihrer jetzigen Erhebungs- und Anrechnungsform unverändert festhält?

Herr Jullien, wir können natürlich in jeder Sitzung das gleiche Ritual abziehen.

(Dr. Weiland, CDU: Beantworten Sie doch einfach die Frage!)

Die Position der Landesregierung ist grundsätzlich die, dass die Landesregierung dann eine einheitliche Position festlegt, wenn es einen konkreten Gesetzentwurf gibt. Es gibt keinen konkreten Gesetzentwurf.

(Beifall der SPD und der FDP – Jullien, CDU: Es gibt aber doch Absichten und Überlegungen der Landesregierung!)

Lieber Herr Jullien, ich brauche das doch gar nicht besonders zu vertiefen. Es ist doch bekannt, dass FDP und SPD unterschiedliche Positionen über die Weiterentwicklung des kommunalen Steuers ystems haben.

(Zurufe von der SPD – Dr. Weiland, CDU: Guten Morgen, Herr Pörksen! – Jullien, CDU: Das ist eine Klarstellung!)

Was heißt Klarstellung? Das ist doch bekannt. Da gibt es nichts klarzustellen.

(Jullien, CDU: Doch!)

Nein. Da gibt es nichts klarzustellen, sondern das ist bekannt. Das kann man überall nachlesen.

(Dr. Weiland, CDU: Da seid Ihr euch ja nicht einig!)

Also noch einmal: Es ist ein großer Unterschied, ob Sie nach der Position der Landesregierung in einer konkreten Entscheidungssituation fragen – da ist es nun einmal so, dass sich die Koalitionspartner auf eine gemeinsame Linie einigen müssen –

(Dr. Weiland, CDU: Oder allgemeinem Gerede!)

oder ob Sie danach fragen, ob SPD und FDP unterschiedliche Positionen haben. Letzteres ist natürlich der Fall. Aber deswegen gibt es doch keinen Streit in der Landesregierung.

(Beifall bei SPD und FDP – Jullien, CDU: Das weiß ich nicht! Das müssten Sie wissen!)

Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Schnabel.

Herr Staatssekretär, vor einigen Jahren ist die Gewerbekapitalsteuer weggefallen. Sehen Sie darin jetzt richtungsweisend auch eine Lösung für die Gestaltung der Gewerbeertragsteuer?

Herr Abgeordneter Schnabel, das Problem beim Wegfall der Gewerbekapitalsteuer war und ist, dass es bis heute nicht gelungen ist, sich auf einen Maßstab zu einigen, der in etwa der damaligen Verteilung der Gewerbekapitalsteuer entspricht. Die Versuche, aus der amtlichen Statistik, auch aus der Steuerstatistik, einen Verteilungsmaßstab zu modellieren, sind vor kurzem – übrigens mit Zustimmung des Landes Hessen, weil die auch erkannt haben, es funktioniert nicht – aufgegeben worden. Man wird bei einem pragmatischen Schlüssel bleiben.

Dies zeigt, dass es gerade nicht möglich ist, eine wirtschaftsbezogene Steuer aufzugeben und anschließend einen Verteilungsmaßstab zu finden, der ähnliche Vorteile hat wie die Gewerbesteuer selbst; denn die Umsatzsteuer hat keinen Hebesatz, und die Verteilung der Umsatzsteueranteile entfernt sich immer mehr von dem, was bei der Gewerbekapitalsteuer an Verteilung vorhanden war. Von daher ist gerade dieses Beispiel eher warnend dafür, bei der Gewerbeertragsteuer einen ähnlichen Weg zu gehen.

Ich sehe keine weiteren Fragen. Die Mündliche Anfrage ist beantwortet.