Herr Ministerpräsident, wir haben auch das Zutrauen zu den Bürgerinnen und Bürgern, dass die Entscheidungen der Bürgerinnen und Bürger selbst dann, wenn sie manchmal so ausfallen, wie wir es nicht wollen, klug sind. (Staatsminister Zuber: Dann können wir ja die Kommunalwahl abschaffen! – Frau Thomas, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Die Kommunalwahl abschaffen! Also bitte!)
Wir haben deswegen einen Gesetzentwurf zur Änderung der Gemeinde- und Landkreisordnung vorgelegt, der es den Bürgerinnen und Bürgern in Rheinland-Pfalz wesentlich leichter machen soll, sich direkt zu beteiligen.
Der erste und wichtigste Punkt ist dabei natürlich die Senkung der Quoren für Bürgerentscheide von derzeit 30 % auf 15 % für kleinere Gemeinden und auf 10 % für größere Gemeinden.
(Kuhn, FDP: Dann entscheidet einer alleine! – Schweitzer, SPD: Sie haben aber wirklich ein Rad ab, mein lieber Mann! – Weitere Zurufe im Hause)
Meine Damen und Herren, dieses Misstrauen gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern, das sich hier zeigt, ist typisch. (Hartloff, SPD: Das Misstrauen richtet sich nicht gegen die Bürger, sondern gegen Ihren Vorschlag! – Weitere Zurufe im Hause – Glocke der Präsidentin)
Ich bitte um etwas mehr Ruhe im Saal. Alle Fraktionen werden Gelegenheit haben, ihre Meinung zu äußern. Herr Kollege Creutzmann hat nun Gelegenheit zu einer Zwischenfrage.
Frau Kollegin Grützmacher, spielt es bei Ihren Überlegungen auch eine Rolle, dass eine Minderheit bei solchen Entscheidungen eine Mehrheit dominieren kann?
Herr Creutzmann, das ist etwas anderes als bei der Wahl des Bürgermeisters. Wie viele Menschen haben den Bürgermeister gewählt? Das waren weniger Menschen, als gegen den Bau der Pfalzarena gestimmt haben. Finden Sie das auch undemokratisch? Also bitte schön. (Unruhe im Hause – Zuruf der Abg. Frau Thomas, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Meine Damen und Herren, es ist nicht so, dass wir bestimmte Punkte nicht einsehen. Ich nenne zum Beispiel Quoren. Ich darf darauf zurückkommen. Es gibt ein Urteil des Bayerischen Verfassungsgerichtshofes, dass das Zusammengehen von keinem – also null – Quorum mit einer normalen dreijährigen Bindungswirkung des Bürgerentscheids für verfassungswidrig erklärt. Das hat seine Gründe.
Das verstehen wir. Aus diesem Grund wollten wir auf die sichere Seite gehen und haben gesagt, wir machen einen Vorschlag über eine drastische Senkung der Quoren. Im Übrigen wären mit unseren Vorschlägen zum Bürgerentscheid alle seit 1999 wegen des Zustimmungsquorums erfolglosen Bürgerentscheide erfolgreich gewesen, und zwar sowohl im positiven als auch im negativen Sinn.
Nicht nur mit den Quoren wird die rheinland-pfälzische Bürgerbeteiligung ausgebremst. In den heutigen Gesetzen werden viele wichtige Themen von vornherein von der direkten Beteiligungsmöglichkeit ausgeklammert. Das gilt zum Beispiel für die Bauleitpläne und für Planfeststellungsverfahren.
Gerade diese beiden Punkte Bauleitplanung und Planfeststellungsverfahren sind besonders oft umstritten und ziehen sich in jahrelangen Rechtsstreitigkeiten hin. Darum wollen wir, dass das mit einbezogen wird. Hessen, Bayern und Sachsen haben das schon gemacht. Da ist es nicht zu einer chaotischen Planung gekommen. Das werden Sie selbst wissen.
Wie wichtig es ist, dass die Bauleitplanung einbezogen wird, zeigt die bayerische Praxis. Dort befassen sich über 20 % der Bürgerentscheide mit Bauleitplänen. Das geschieht in den meisten Fällen mit einem sehr positiven und befriedenden Ergebnis.
Meine Damen und Herren, es ist klar, Bürgerentscheide und -begehren können nur dann wirksame Instrumente sein, wenn über die wirklich wichtigen Themen in der Kommune abgestimmt werden kann.
Meine Damen und Herren der SPD- und der FDPFraktion, wenn Sie es mit Ihrem Engagement für mehr Bürgerbeteiligung wirklich ernst meinen, dann müssen Sie unserem Gesetzentwurf zustimmen. Das sehen übrigens auch Ihre Genossen in Kaiserslautern so, die in einem Antrag auf ihrem letzten Landesparteitag im März ebenfalls eine deutliche Senkung des Zustimmungsquorums bei Bürgerentscheiden gefordert haben.
Meine Damen und Herren von der SPD und der FDP, ich kann es nur noch einmal wiederholen. Tun Sie etwas für die engagierten Bürgerinnen in Rheinland-Pfalz. Tun Sie etwas gegen Politikverdrossenheit und Resignation unserer Bürgerinnen. Stärken Sie die direkte Demokratie in unserem Bundesland. Unterstützen Sie unseren Gesetzentwurf.
Meine Damen und Herren, wir begrüßen weitere Gäste im Landtag, und zwar Mitglieder der Arbeiterwohlfahrt aus der Ortsgruppe Mainz-Mombach. Herzlich willkommen im Landtag!
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Frau Kollegin Grützmacher ich glaube, Ihre Rede wird nicht dazu
führen, dass sich die Zustimmung zu Ihrem Gesetzentwurf wesentlich erhöht. Das glaube ich eher nicht. Wenn ich das so höre, frage ich mich, ob Sie jemals in einem Kommunalparlament tätig waren. Ich weiß das nicht.
(Dr. Braun, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das ist der Unterschied zwischen den Kommunalpolitikern und den normalen Menschen!)
Mit dem neuen Anstoß zu mehr Bürgerbeteiligung stoßen Sie vom Grundsatz her durchaus auch bei uns auf offene Ohren. Das haben Sie angesprochen. Sie haben selbst den Parteitag vom Frühjahr dieses Jahres erwähnt. Er hat aufgrund des Ortsverbandes Kaiserslautern beschlossen, dass sich die Fraktion mit diesem Problem beschäftigt. Sie haben nicht gesagt, dass wir ihrem Antrag folgen. Wir sollen uns mit dem Thema beschäftigen, was vernünftig ist.
Dafür brauchen wir keine Rankingliste. Ich habe sie mir ausdrucken lassen. Ich komme auf die Rankingfrage gleich zurück.
Hinter diese Frage „Volksentscheid, Ranking des Vereins, mehr Demokratie?“ werde ich ein paar Fragezeichen machen.
Das wäre eine Entscheidung in Richtung Gesetzesänderung und gegebenenfalls Änderung der Verfassung. Das ist im Ranking aufgegriffen, nämlich Volksbegehren, Volksentscheid. Dort kommt dieses Ranking zu dem Ergebnis, das sei bei uns viel zu schwierig. Das bedarf einer eingehenden Grundsatzdiskussion aller Aspekte.
Meine Damen und Herren vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, da springen Sie viel zu kurz. Wenn Sie das auf die Zahl der Bürgerbegehren und -entscheide reduzieren, wie Sie das gerade gemacht haben, dann ist das nach unserer Meinung keine Basis, um über solche Fragen zu entscheiden.
Sie führen Bayern an. Es war zu lesen, Bayern sei auf Platz eins. Warum? In Bayern ist eine bestimmte Partei fast gleichzusetzen mit dem Staat. Bürger suchen dann andere Wege, um etwas durchzusetzen. Das ist nachzuvollziehen. Das ist nicht unsere Wirklichkeit.