Protokoll der Sitzung vom 29.04.2004

Man glaubt nicht ernsthaft, dass sich durch die Erhöhung der Zahl der Bürgerbegehren die Situation bei den Kommunalwahlen verbessern lässt. Das glauben Sie ernsthaft doch nicht selbst. Das Gegenteil könnte dabei passieren.

(Zuruf der Abg. Frau Grützmacher, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Natürlich sollen und wollen wir über diese Frage diskutieren. Wir werden das entsprechend in den Ausschüssen tun.

Man kann die Frage stellen, ob die bei uns im Gesetz und in der Verfassung festgelegten Quoren richtig sind oder geändert werden müssen. Darüber kann man diskutieren. Ich möchte darauf verweisen, dass gerade die Quoren in unserer Verfassung aufgrund einer sehr eingehenden Diskussion in der Enquete-Kommission „Verfassung“ in der zwölften Legislaturperiode erörtert worden sind. Das geschah nicht so klein wie hier, sondern breit angelegt.

(Frau Thomas, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Waren Sie dabei?)

Ja, ich war dabei.

(Frau Thomas, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Wir auch!)

Das weiß ich. Ich kenne die Abstimmungsseite. Ich habe in der Parlamentsbroschüre nachgelesen, was zu diesen Fragen drin steht. Ich kenne das sehr wohl. Ich weiß, dass Sie damals andere Anträge gestellt haben. Wir haben aufgrund einer geführten Diskussion mit klaren Mehrheiten andere Quoren vorgesehen.

(Frau Grützmacher, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das war 1994!)

Ja, und? Was hat sich hinsichtlich dieser Frage tatsächlich geändert?

(Frau Grützmacher, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: In zehn Jahren entwickelt sich vieles!)

Bezüglich der Frage der repräsentativen oder direkten Demokratie hat sich nichts geändert nach unserer Auffassung. Damals gab es den Streit über die Höhe der Quoren. Das weiß ich. Daran wird sich der eine oder andere erinnern.

Wenn man das Ranking dieses Vereins näher beleuchtet, bei dem Rheinland-Pfalz schlecht wegkommt, wie von Frau Grützmacher dargestellt, dann komme ich zu folgender Bewertung: Wenn ich nur die Zahl der durchgeführten Bürgerbegehren und -entscheide zugrunde lege und danach entscheide, ob Demokratie stark oder weniger stark in einem Land ausgebildet ist, dann ist das für mich überhaupt keine Basis.

(Vereinzelt Beifall bei der SPD – Zuruf der Abg. Frau Grützmacher, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das geht an unserer tatsächlichen Situation völlig vorbei. Wir haben bei uns eine Kommunalverfassung, die es geradezu ermöglicht, Themen auf der untersten Ebene zu diskutieren und zu entscheiden. Das geht in die Gemeinderäte. Eine solche Vielzahl von Ortsgemeinden wie in Rheinland-Pfalz gibt es in keinem anderen Land.

(Zuruf des Abg. Creutzmann, FDP)

Wenn Sie kommunalpolitisch tätig gewesen sind, dann müssten Sie wissen, dass vieles durch die Direktwahl des Ortsbürgermeisters eine ganz andere Behandlung erfährt, als es in einer großen Stadt der Fall ist.

(Zuruf der Abg. Frau Thomas, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das sollte Ihnen geläufig sein. Wenn ich über die Frage von Basisdemokratie rede, muss ich solche Fragen mit einbeziehen. Dazu gehört auch das Kumulieren und Panaschieren und die Direktwahl. Man kann über die Direktwahl unterschiedlicher Auffassung sein. Man kann es bedauern, dass die Zahl der Bürger, die an einer solchen Direktwahl teilnehmen, zu gering ist. Sie glauben doch nicht, dass die Zustimmung größer wird, wenn Sie Bürgerentscheide durchführen. Woher soll das kommen.

(Vereinzelt Beifall bei SPD und FDP – Frau Thomas, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Was für ein Quatsch! Das hat niemand behauptet!)

Das könnte dazu führen, dass sich die Leute, die sich engagieren wollen, sagen: Warum soll ich mich im Kommunalparlament engagieren, ich mache einen Bürgerentscheid, damit setze ich das durch, was ich will. – Das ist die Wirklichkeit vor Ort. Ich erlebe es selbst in meiner Stadt, wie das aussieht.

So einfach kann man sich ein Ranking wirklich nicht machen, wenn man das mit so hehren Begriffen wie „Demokratie“ versieht. Man kann sagen „Ich zähle das“, und dann ist das ein Ergebnis, ein Ranking, aber nicht dann daraus schließen, dass in solchen Ländern, in denen die Zahl nicht so groß ist, was durchaus ganz andere Hintergründe haben könnte – darauf geht man überhaupt nicht ein –, die Demokratie nicht den gleichen Stellenwert hätte. Ich denke, wir müssen wirklich tiefer in die Diskussion einsteigen, wenn wir uns mit diesen Fragen auseinander setzen wollen.

Da die Zeit leider davonläuft, will ich mich mit den fünf Punkten, die Sie ändern wollen, ganz kurz beschäftigen:

Sie wollen erstens den so genannten Positivkatalog – das ist der Katalog, der vorsieht, in welchen Bereichen grundsätzlich ein solcher Bürgerentscheid zulässig ist – streichen. Mich wundert, weil Sie gerade gesagt haben „Am besten hätte man überhaupt kein Quorum“, warum Sie das nicht auch streichen wollen. Wohin das führen wird, muss ich wirklich keinem hier im Saal erzählen. Die Streichung des Positivkatalogs ist nach meiner Auffassung eine totale Entmachtung der Gemeinderäte.

(Vereinzelt Beifall bei der SPD)

Was sollen die dann noch? Wenn der Bürger über jede Frage der Gemeinde ein Bürgerbegehren oder einen Bürgerentscheid herbeiführen kann, dann brauche ich wirklich keine Gemeinderäte mehr. Die wären dann nur noch – auf Deutsch gesagt – für die Drecksarbeit zuständig. Das funktioniert nicht, wenn Sie so vorgehen, meine Damen und Herren.

(Frau Thomas, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Was haben Sie für Vorstellungen von Kommunalparlamenten?)

Natürlich kann man über die Frage reden, ob die Pos itivliste, wie wir sie haben, zu eng gefasst ist.

(Frau Thomas, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ja, das haben wir gefragt! Wir haben eine Antwort darauf gegeben!)

Nein, Sie wollen sie streichen. Das ist doch wohl ein Unterschied. Natürlich kann ich auch sagen, eine Antwort wollen Sie am Anfang haben.

(Zuruf der Abg. Frau Thomas, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sehen Sie, Sie hören überhaupt nicht zu.

(Frau Thomas, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Doch, ich höre sehr genau zu!)

Ich will erst grundsätzlich diskutieren und auch über die Frage von direkter und repräsentativer Demokratie reden, und dann entscheide ich:

(Frau Grützmacher, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Sehr gut!)

Passt das, was im Gesetz oder im Gesetzesvorschlag steht, mit dem Ergebnis überein? – Dann entscheide ich die Frage, und nicht vorher.

(Vereinzelt Beifall bei der SPD)

Der nächste Punkt ist, Sie möchten – Frau Grützmacher hat es gerade eben wieder angesprochen – dass Bauleitpläne und Planfeststellungsverfahren – ich glaube, das ist die Nummer 7 – aus dem Negativkatalog herausfliegen. Ich glaube, Sie haben noch nie an einem Planfeststellungsverfahren teilgenommen.

(Frau Grützmacher, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Also bitte schön, Herr Pörksen!)

Wissen Sie, wie das zu erörtern ist, mit welch vielen Sitzungen das gemacht werden muss, mit welchen Beratungen und welchen Beteiligungen das erfolgen muss?

(Vereinzelt Beifall bei der SPD)

Dann glauben Sie, das können Sie so einfach über Bürgerentscheide durchziehen?

(Staatsminister Zuber: Ja oder nein!)

Da würde ich sehr vorsichtig sein. Sie müssten die Frage auf ja oder nein zuspitzen. Das wissen Sie doch auch. Da würde ich sehr zurückhaltend sein, ob ein Verfahren, bei dem eine Minderheit dann Interessen Einzelner einfach zur Seite drücken kann, tatsächlich mehr Demokratie bedeutet. Das halte ich nicht für demokratisch.

(Frau Grützmacher, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Was heißt hier Minderheit?)

Man kann sich über die Frage des Negativkatalogs sicher insgesamt streiten, aber über den Punkt meines Erachtens gerade nicht.

Der nächste Punkt ist die Senkung des Unterschriftenquorums bei Bürgerbegehren. Da ist sicherlich überlegenswert, von festen Zahlen auf Prozentsätze umzustellen, weil es sonst diese Sprünge – das haben Sie aufgezeigt – gibt. Das ist sicherlich ein Punkt, über den man wirklich reden und auch diskutieren muss und auch anders entscheiden kann. Ihn aber grundsätzlich zu senken, das sollten wir erst einmal in den Beratungen eingehender erläutern.

Dann wollen Sie eine Fairnessklausel haben. Ich denke, Sie haben schon öfter erlebt, wie solche Bürgerbegehren ablaufen. Da muss ich feststellen, dass die Gemeinderäte ein viel größeres Problem mit der öffentlichen Wahrnehmung haben als Bürgerbegehren Betreibende. Die haben eine ganz andere Basis vor Ort, was die Frage der Veröffentlichung ihrer Meinung betrifft. Da jetzt mit solchen Klauseln zu arbeiten, die quasi eine Gleichstellung von Gemeinderat mit Bürgerbegehren Betreibenden vorsieht, ist meines Erachtens mit der Kommunalverfassung nicht unbedingt in Einklang zu bringen.

Am Schluss haben Sie die Höhe des Quorums bei Bürgerentscheiden angesprochen, die jetzt bei 30 % liegt. Ihr Ausgangspunkt ist im Grunde die Entscheidung in Kaiserslautern gegen oder für die Pfalzarena – je nachdem, wie man es sieht –, im Ergebnis für die Pfalzarena, weil das Bürgerbegehren nicht erfolgreich gewesen ist.

(Zuruf der Abg. Frau Grützmacher, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)