Protokoll der Sitzung vom 29.04.2004

Das ist das Ergebnis. Dass man diese Frage gerade im Bereich größerer Städte diskutieren kann, das sehe ich durchaus. Da wird man sich genauer anschauen müssen, was andere Länder dort machen. Aber sie so drastisch auf 10 % herunterzusetzen, das findet bei mir keine große Zustimmung. Das muss ich Ihnen von hier aus schon sagen.

(Vereinzelt Beifall bei SPD und FDP – Glocke der Präsidentin)

Ich bin sofort fertig.

Ich denke, wir werden da noch einiges zu diskutieren haben. Mit einem solchen Schnellschuss zu sagen „Wir senken die Quoren, wir streichen die Positivliste, und wir

nehmen aus der Negativliste die Planfeststellungsverfahren heraus“, das wird mit uns nicht erfolgen können.

(Frau Grützmacher, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Schnellschuss!)

Danke schön.

(Beifall bei SPD und FDP)

Für die CDU-Fraktion hat Herr Abgeordneter Hörter das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wie bereits von dem Vorredner darauf hingewiesen wurde, bedarf es einer intensiven und sachgerechten Diskussion und Beratung im Innenausschuss. Ich denke, da gehört es hin. Da werden wir sie auch durchführen.

(Frau Grützmacher, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Genau!)

Dem Anliegen, direktdemokratische Verfahren stärker in der Gemeindeordnung zu verankern, wird in dem Gesetzentwurf der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN durch eine Reihe von Punkten Rechnung getragen. Ich denke, dass wir für eine sachgerechte Diskussion im Innenausschuss auch die Erfahrungen der anderen Bundesländer und gegebenenfalls auch des Auslands mit zu Rate ziehen sollten.

Gerade der Blick auf die Erfahrungen beispielsweise in der Schweiz zwingt auch zur Überprüfung der Vergleichbarkeit der Situation. Sie wissen alle – die Schweiz wird immer als der allgemein unangefochtene Spitzenreiter für direktdemokratische Verfahren im weltweiten Vergleich beschrieben –, dass es in der Schweiz eine Opposition im Sinn des repräsentativdemokratischen Systems faktisch nicht gibt; denn seit 1959 – nach dieser so genannten Zauberformel, bei der die Regierung von den vier Parteien und damit von mehr als 80 % der Wähler Stimmen auf sich vereinigt – findet letztendlich gar keine parlamentarische Opposition statt.

Auch der Kollege Pörksen hat schon darauf hingewiesen, dass viele von uns Erfahrungen in den Kommunalräten – Stadträten, Gemeinderäten, Landkreisräten – haben. Ich habe einmal versucht, in dem einen oder anderen Punkt die Auswirkungen Ihres Gesetzentwurfs auf die kommunale Ebene herunterzubrechen.

Frau Abgeordnete Grützmacher, da haben Sie natürlich wirklich nicht Recht, wenn Sie sagen, für ein Bürgerbegehren bedarf es 15 %. Ich weiß nicht, ob Sie § 17 a richtig gelesen haben. Sie haben ihn natürlich richtig gelesen, aber Sie haben es dann nicht herunterdekliniert. Bei einer Gemeinde mit 50.000 Einwohnern brauchen Sie höchstens 3.000 Stimmen. Mathematisch wären die 15 % 7.500. Diese 3.000 Stimmen entsprechen exakt 6 %. Das heißt, auch die jetzige gesetzliche Re

gelung sieht gar nicht vor, dass zwingend immer diese 15 % eingehalten werden, sondern dekliniert das noch einmal herunter. Dann kommt man zum Beispiel bei einem Fall einer Gemeinde mit 50.000 Einwohnern auf eben nur 3.000. Es ist eine Punktlandung gegenüber Ihrem eigenen Entwurf. Man muss da schon auch in der Diskussion etwas redlicher sein, damit nicht der Eindruck entsteht, als wären diese Grenzen tatsächlich über alles so hoch. (Beifall der CDU, bei der FDP und vereinzelt bei der SPD)

Ich gehe auch auf die fünf Punkte kurz ein. Als Erstes fordern Sie letztendlich den Wegfall der Positivliste, also weg von wichtigen Anliegen hin zu praktisch allen Anliegen der örtlichen Ebene.

Bei der Reduzierung der Negativliste durch Streichung der Nichtzulässigkeit von Bürgerbegehren beispielsweise im Bauleitverfahren muss man sagen, gerade in den Verfahren, die Sie hier ansprechen, findet doch die Öffentlichkeitsbeteiligung statt.

(Beifall bei CDU, SPD und FDP – Schweitzer, SPD: So ist es!)

Das heißt also, wir würden eine zusätzliche Schleife einbauen. Es ist nicht so, als wäre die Öffentlichkeit gerade in den Bereichen ausgeklammert.

Ich komme dann zu dem dritten Punkt, der Veränderung der Grenzen für das Erreichen eines Begehrens von 15 % herunter auf bis zu 5 %. Auch hier muss man sagen, wir sind in Teilen sehr dicht daran. Die Hürden sind gar nicht so hoch, wie Sie sie beschrieben haben. Zum Zweiten denke ich, es macht auch Sinn, wenn Sie das zum Beispiel in einer Stadt wie Koblenz einmal durchrechnen würden.

Wir haben eine Diskussion, die das Schwimmbad angeht. Herr Kollege Heinrich kennt die auch. Zwei Schwimmsportvereine bringen zusammen 2.500 Mitglieder plus deren Familien auf die Beine. Damit können sie ein Bürgerbegehren bestimmen. Das ist aber kein Interesse der Gemeinde, wenn ich dies einmal so apostrophiere, sondern günstigstenfalls das Interesse einer kleinen Gruppe von Sporttreibenden.

(Beifall der CDU und bei der SPD)

Ich komme zum nächsten Punkt.

(Glocke der Präsidentin)

Herr Kollege Hörter, Entschuldigung.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage der Frau Abgeordneten Grützmacher?

Ich habe Befürchtungen um die Redezeit. Ja, wenn es schnell geht.

Ist es nicht so, dass das das Bürgerbegehren betrifft? Das heißt, es ist dann erst ein Antrag.

Natürlich.

Das ist doch etwas ganz anderes. Darüber kann dann der Gemeinderat entscheiden, oder es gibt einen Bürgerentscheid. Bitte verwechseln Sie beides nicht.

Die Belehrung hätte ich nicht gebraucht. Das war auch gar keine Frage.

Viertens, die Absenkung der notwendigen Wahlbeteiligung – es ist angesprochen worden – von 30 % Zustimmung auf 10 % bis 15 %: Auch hierzu könnte man einiges sagen. Ich habe dies ebenfalls einmal für Koblenz durchgerechnet. Wir haben rund 85.000 Wahlberechtigte. Wenn wir Ihrem Vorschlag folgen, dann bekommen Sie ein Ergebnis mit 8.500 Menschen hin.

Ich frage in dem Zusammenhang, ob das so sinnvoll ist. Nehmen Sie einmal Themen wie die Ansiedlung eines Gewerbegebiets. Da ist natürlich der Stadtteil, in dessen Nähe das geschieht, in besonderer Weise betroffen. Wir können aber keine Entscheidung für eine Stadt in ihrer Gesamtheit treffen, wenn wir immer nur den Partikularinteressen einzelner Teile einer Stadt Folge leisten.

(Beifall bei CDU und SPD)

Dann rückt nämlich in einer Vielzahl von Fällen das Stadtteilinteresse vor das Interesse einer Gesamtgemeinde.

(Frau Thomas, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Es werden doch alle Bürger einer Stadt gefragt!)

Entschuldigung, Sie wissen doch auch, wenn Sie eine Stadt mit 100.000 Einwohnern haben und es betrifft einen Stadtteil am Rand dieser Gemeinde, dass die anderen sich in den seltensten Fällen überhaupt hierfür interessieren. Reden wir doch nicht so.

Die Wahlbeteiligung bei den Urwahlen – ich wollte eigentlich gar nicht darauf eingehen; Sie haben Landkreise mit weniger als 30 % Wahlbeteiligung – ist ein Indiz dafür, dass die Politik häufig Antworten auf Fragen gegeben hat, die kein Mensch gestellt hat.

Lassen Sie mich nicht noch tiefer einsteigen. Wir wollen dies der Diskussion im Innenausschuss vorbehalten.

Eine letzte Bemerkung: Wir haben in Koblenz in den Stadtteilen zurzeit die Diskussion um zwei Windkraftan

lagen. Wenn wir darüber ein Begehren durchführen, dann wissen Sie genau, wie dies ausgeht. Dann gibt es nämlich in den Städten und Gemeinden nirgendwo mehr überhaupt nur noch irgendeine Windkraftanlage.

(Beifall der CDU und vereinzelt bei der SPD)

Ich erteile Herrn Abgeordneten Hohn das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Es wird nicht verwundern, wenn ich in die gleiche Richtung argumentiere wie Herr Kollege Hörter und Herr Kollege Pörksen.

(Zuruf der Abg. Frau Grützmacher, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Frau Grützmacher, erlauben Sie mir, dass ich zu Beginn meines Beitrags – ich denke, das ist erlaubt – zur Historie der Bestimmungen in der Gemeinde- bzw. Landkreisordnung zum Bürgerbegehren und zum Bürgerentscheid, aber auch zu den direktdemokratischen Beteiligungsrechten auf kommunaler Ebene insgesamt etwas sage.

Meine Damen und Herren, die Bestimmungen über Bürgerbegehren und Bürgerentscheid in der Gemeindebzw. in der Landkreisordnung, gehen auf das Jahr 1994 zurück. Treibende Kraft der Ausweitung der Bürgerbeteiligung war damals die FDP-Fraktion – ich denke, auch das sollte man nicht unerwähnt lassen –, die – auch das möchte ich betonen – in teils schwierigen Verhandlungen, insbesondere damals mit der CDU, für mehr Bürgerbeteiligung im kommunalen Bereich gesorgt hat.

(Zurufe von dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, mit der Einführung von Bürgerentscheid und Bürgerbegehren wurden Vorstellungen umgesetzt, die bereits der Urantrag der FDPLandtagsfraktion zur Stärkung der Bürgerrechte aus dem Jahr 1969 – man höre – enthielt, der in das damals geltende Selbstverwaltungsgesetz einen neuen § 18 b – Bürgerentscheid, Bürgerbegehren – aufnehmen wollte.