Lassen Sie mich noch einige Bemerkungen zu der von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vorgeschlagenen Streichung im Negativkatalog machen. In allen Gemeindeordnungen der Länder findet sich ein mehr oder weniger ausgeprägter Negativkatalog, in dem die Angelegenheiten genannt sind, über die kein Bürgerentscheid durchgeführt werden kann. Wie die Kommunalverfassungen einiger anderer Länder erklären auch unsere §§ 17 a Abs. 2 Gemeindeordnung und 11 d Abs. 2 Landkreisordnung ausdrücklich Bürgerbegehren und Bürgerentscheid über die Aufstellung, Änderung und Aufhebung von Bauleitplänen und über Vorhaben, für deren Zulassung ein Planfeststellungsverfahren oder ein förmliches Verfahren mit Öffentlichkeitsbeteiligung erforderlich ist, für unzulässig.
Meine Damen und Herren, ich halte das auch für unzulässig, wenn ich mir einmal mögliche Auswirkungen in dem Zusammenhang vorstelle.
Die Rechtfertigung für diese Bestimmungen ergibt sich zum einen aus der Überlegung, Entscheidungen, die in einem Verwaltungsverfahren mit Öffentlichkeitsbeteiligung zu treffen sind, vom Einflussbereich plebiszitärer Entscheidungen auszunehmen, weil diese die Berücksichtigung und Abwägung einer Vielzahl öffentlicher und privater Interessen erfordern, die sich eben nicht in ein Schema pressen lassen, bei dem ich in einer Abstimmung mit Ja oder Nein meine Meinung artikulieren kann.
Andererseits ist die Gemeinde im Rahmen der genannten Verfahren mit Öffentlichkeitsbeteiligung selbst nur als Träger öffentlicher Belange beteiligt. Die Gemeinde entscheidet nicht selbst. Vielmehr ist sie lediglich zu einer Stellungnahme gegenüber der Planfeststellungsbehörde aufgefordert. Darauf, wie die Planfeststellungsbehörde letztlich die Stellungnahme auswertet, hat die Gemeinde überhaupt keinen Einfluss. Das bestimmen die einschlägigen Fachgesetze, die den Bürgerinnen und Bürgern und den Initiatoren von Begehren meist unbekannt sind.
Weder die Gemeinde noch die Bürgerinnen und Bürger haben in Wahrheit eine eigene Entscheidungsbefugnis. Deshalb ist es also nur folgerichtig, wenn die Grenzen des Bürgerbegehrens direkt aus der Gemeindeordnung und der Landkreisordnung ersichtlich sind und bleiben.
Was die Bauleitplanung betrifft, so ist im Übrigen auch in Bayern nach einer Entscheidung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs ein Bürgerbegehren, das die Aufstellung oder Änderung eines Bebauungsplans zum Ziel hat, zwar prinzipiell zulässig, der Planaufstellungsbeschluss selbst ist aber einem Bürgerbegehren entzogen. Was nützt es also am Ende, meine Damen und Herren?
Wer die Streichung im Negativkatalog fordert, bewirkt – auch darauf will ich noch hinweisen – eine doppelte Bürgerbeteiligung. Er bewirkt neue Standards – wir
wollten aber doch Standards abbauen, was wir auch tun – und damit erhebliche Verfahrensverzögerungen.
Im Hinblick auf die geforderte Einführung einer so genannten Fairnessklausel im Zusammenhang mit der öffentlichen Bekanntmachung verweise ich auf die bereits bestehende Bestimmung in § 68 Abs. 2 unseres Kommunalwahlgesetzes.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, lassen Sie mich abschließend feststellen: Insgesamt steht die Landesregierung dem Gesetzentwurf von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zum jetzigen Zeitpunkt mehr als skeptisch gegenüber. Erst nach sorgfältiger Abwägung der aufgezeigten schwierigen Rechtsprobleme sollte entschieden werden, ob man dem geforderten Anliegen Rechnung tragen möchte. Dies sollte dann – das ist schon angeklungen – im zuständigen Ausschuss vertieft werden.
Meine Damen und Herren! Herr Zuber, ich möchte eine Sache noch einmal klarstellen. Wir haben natürlich die Probleme, die der erste Entwurf zur bayerischen Bürgerbeteiligung mit sich brachte, sehr genau studiert und uns damit beschäftigt. Wir haben auch sehr genau das Urteil des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs studiert, in dem ein Zusammenhang hergestellt wird zwischen keinem Quorum und kürzerer bzw. längerer Bindungswirkung. Gerade deshalb sind wir zu der in unserem Gesetzentwurf enthaltenen Entscheidung gekommen, die Quoren nicht abzuschaffen, sondern sie zu senken, damit aber auch die längere Bindungswirkung eines Bürgerentscheids zu verbinden. Wir haben also sehr genau auf rechtliche und verfassungsrechtliche Fragen Rücksicht genommen. Das als erster Punkt.
Im zweiten Punkt möchte ich auf den Negativkatalog eingehen, was nicht für einen Bürgerentscheid zur Verfügung steht. Sie wissen sehr genau, dass all die Punkte, die die Haushaltsgesetzgebung der Kommunen betreffen, auch von uns nicht für einen Bürgerentscheid vorgesehen sind. Es sollte also nicht so getan werden, als ob die GRÜNEN die repräsentative Demokratie abschaffen wollten.
Wir wollen sie vielmehr ergänzen. Wenn Sie auf Bayern hinweisen, dass das dort so nötig wäre, scheint das auch in manchen Fällen in Rheinland-Pfalz notwendig zu sein. Das sollte man sich dabei überlegen. Deshalb ist
Weitere Wortmeldungen liegt nicht vor. Es wird vorgeschlagen, den Gesetzentwurf federführend an den Innenausschuss und an den Rechtsausschuss zu überweisen. – Dem wird nicht widersprochen. Dann ist das so beschlossen. Damit ist dieser Tagesordnungspunkt abgeschlossen.
Ich begrüße zunächst weitere Gäste im Landtag, und zwar Schülerinnen und Schüler der Höheren Berufsfachschule der Berufsbildenden Schule I in Mainz, dazu Mitglieder des Vereins für Naturfreunde Rheinland-Pfalz, Ortsgruppe Hochstadt, sowie Mitglieder der Katholischen Arbeitnehmer-Bewegung aus dem Ortsverband Brücken. Ihnen allen ein herzliches Willkommen im Landtag!
Einsetzung eines Untersuchungsausschusses im Zusammenhang mit der Konzeption und Umsetzung des Projekts „Heimunterbringung zur Vermeidung von Untersuchungshaft“ Antrag der Fraktionen der SPD, CDU, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 14/3117 –
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Unsere Anteilnahme galt und gilt auch heute vor allem den Eltern und Freunden der Getöteten.
Als wir am 21. November vergangenen Jahres vom Tod der 26-jährigen Betreuerin im Jugendheim Mühlkopf erfuhren, waren wir alle geschockt. Geschockt, obwohl wir wissen, dass es eine 100%ige Sicherheit für die Mitarbeiter einer solchen Institution nicht gibt. Gefordert werden muss aber eine größtmögliche Sicherheit.
Weshalb setzen wir heute einen Untersuchungsausschuss ein? Wir setzen ihn deshalb ein, weil je intensiver wir den Vorfall hinterfragten und je mehr wir über die
Umstände und den Hergang des Todes erfuhren, sich umso mehr neue Fragen stellten, die bis heute niemand beantworten wollte. Bis in die vergangenen Tage hinein gab es keine widerspruchsfreie und vollständige Information. Als Beispiele von gestern seien die Heimaufsicht, von der wir vorher etwas anderes gehört haben, oder die Frage der verschlossenen oder geöffneten Tür nachts genannt. Eine weitere Frage ist, weshalb den Personen, die über eine Aufnahme zu entscheiden hatten, nicht alle notwendigen Informationen über die Jugendlichen vorlagen.
Trotz aller Erklärungsversuche ist es uns unverständlich, weshalb es überhaupt kein Sicherheitskonzept für das Heimpersonal gab. Schließlich kann man ein Telefon, das im Betreuerzimmer steht, nicht als Sicherheitskonzept oder Notrufsystem bezeichnen. Wäre dem so, wären alle unsere Abgeordnetenbüros mit einem Notrufsystem ausgestattet.
Nach dem Übergriff der drei jugendlichen Täter auf die junge zierliche Frau hat diese wahrscheinlich noch bis zu drei Stunden gelebt und ist langsam verblutet, ohne dass jemand etwas bemerkte oder ihr zur Hilfe kommen konnte. Erst der Frühdienst fand sie sieben bis acht Stunden nach dem Übergriff auf dem Flur liegend vor. Sie hatte also überhaupt keine Chance.
Es gibt eine Vielzahl von Arbeitsschutzrichtlinien. Wir alle wissen, wie vorsichtig man an anderer Stelle mit Klienten umgeht, die so zu betreuen sind. Es ist uns nach wie vor unverständlich, dass die Voraussetzungen vor Ort im Jugendheim Mühlkopf ganz andere waren.
Wir möchten herausfinden, weshalb dort die Sicherungskonzepte, die anderswo gelten, nicht angewandt wurden. Sicherheit und Pädagogik müssen sich nicht grundsätzlich ausschließen.
Warum wurde das Projekt „Heimerziehung statt Untersuchungshaft“ im Oktober 2003 unter diesen Umständen überhaupt gestartet? Diese Auffälligkeiten möchten wir mithilfe des Mittels des Untersuchungsausschusses von Anfang an gründlich untersuchen und klären; denn die Untersuchung der Arbeitsgruppe des Justiz- und Sozialministeriums ist nach unserer Auffassung unzureichend. Immerhin haben genau diese Personen, die in der Arbeitsgruppe mitarbeiteten, auch das vorhergehende Konzept zu verantworten. Gleichzeitig muss man die Frage stellen, warum die jetzt erarbeiteten Maßnahmen nicht schon vorher erarbeitet worden sind.
Ist das ein Hinweis auf vielleicht unzureichende Vorbereitung? Eine gründliche Aufklärung der Umstände, welche die Tötung der Erzieherin erst möglich machten, obliegt jetzt dem Parlament, und zwar zum einen, um die Vergangenheit einwandfrei aufzuarbeiten und zum anderen für die Zukunft weitere schlimme Vorkommnisse möglichst zu verhindern.
Deshalb begrüßen wir, dass nun alle vier Fraktionen diesen Einsetzungsbeschluss gerade im Hinblick darauf
mittragen, dass die Forderung der CDU-Fraktion, einen Untersuchungsausschuss einzusetzen, zunächst zu heftigen Auseinandersetzungen führte. Wir möchten uns im Untersuchungsausschuss auf die Durchleuchtung des Gesamtkonzepts, aber auch auf einzelne Entscheidungen im Rahmen der Entstehung des Projekts „Heimerziehung statt Untersuchungshaft“ konzentrieren.
Warum wurde zum Beispiel bereits in der Betriebserlaubnis festgelegt, dass für die sechs Heimplätze eine personelle Mindestbesetzung von 8,5 Stellen Erziehungsdienst vorzuhalten ist? Bei 8,5 Stellen ist offensichtlich, dass es keine Doppelbesetzung in der Nacht geben kann, wie es bei vergleichbaren Einrichtungen, zum Beispiel Stutensee, von Anfang an üblich war.
Die Ministerien haben die Besetzung der Nachwache bewusst mit einer Person gewählt. Wie kann es zur Konzeption des Projekts passen, dass man eine junge, zierliche Berufsanfängerin nachts allein mit drei fast ausgewachsenen jugendlichen Straftätern ohne jegliche Absicherung arbeiten lässt? Inzwischen ist bekannt, dass die junge Frau durch ein effizientes Sicherungssystem wahrscheinlich hätte gerettet werden können.
Wer hat nach heutigem Kenntnisstand diese offensichtlichen Versäumnisse zu verantworten? Hier stehen Vorwürfe im Raum, wie die des Kriminologen Christian Pfeiffer, ehemaliger Justizminister von Niedersachsen, den ich mit Erlaubnis der Präsidentin zitieren darf: „Es sei naiv und grob fahrlässig zu glauben, dass man bei Heimen wie dem in Rodalben auf Sicherheitsmaßnahmen wie im Gefängnis verzichten könne. Das Personal müsse genauso ausgebildet sein und über die gleichen Alarmierungsmöglichkeiten verfügen wie Gefängnisangestellte. Vor allem die Nachtüberwachung müsse genauso professionell sein wie in einer Haftanstalt. Auch in einem Heim für kriminelle Jugendliche dürfe es nicht vorkommen, dass eine Aufsicht allein in ein Zimmer gehe oder allein den Insassen gegenübertrete. Man müsse immer mit Gewaltausbrüchen rechnen.“ In der Zeitung heißt es weiter: „Für Pfeiffer ist klar: Die Träger der Einrichtungen – das Justiz- und Sozialministerium in Mainz – sind verantwortlich für den Tod der 26-jährigen Erzieherin.“