Protokoll der Sitzung vom 01.07.2004

(Beifall bei der SPD)

denn das, was sich am nächsten Tag dort öffentlich widergespiegelt hat, war doch eher lächerlich.

Frau Kollegin, Sie haben Recht. Er hat ein Thema angestoßen. Genau das war auch die Absicht. Er hat nicht gesagt, wir führen die Wahlpflicht ein.

(Frau Grützmacher, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Wir haben den Anstoß aufgenommen!)

Aber Ihre ersten Äußerungen zu diesem Thema gehen in eine ganz andere Richtung.

Natürlich müssen wir, wenn wir uns die Statistik der Wahlbeteiligung nicht nur bei Ortsvorstehern, sondern auch bei Oberbürgermeistern, zum Beispiel in Bad Kreuznach 35 %, betrachten, feststellen, das sind erschreckende Zahlen. Diese sind noch viel schlimmer bei den Stichwahlen zum Ortsvorsteher mit 11,9 %. Das ist richtig. Über diesen Bereich muss man ernsthaft nachdenken, ob man dies so lassen kann.

Bei der Frage, welchen Weg man beschreitet, wäre ich im Moment sehr vorsichtig. Ich wäre auch vorsichtig bei der Frage, ob er mehr Befugnisse bekommen soll und zu wessen Lasten eigentlich. Da wäre ich mit einer schnellen Anwort sehr vorsichtig.

Minister Zuber hat ein politisches Thema auf die Tagesordnung gebracht, das nicht nur ein rheinlandpfälzisches, sondern auch ein bundesweites, europaweites und, wenn wir wollen, sogar amerikaweites Problem ist. Sie haben zu Recht die amerikanischen Präsidentenwahlen angesprochen.

(Dr. Braun, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Weltweit!)

Ich beziehe die Demokratien in diese Frage ein. Auch die kleine Welt von Ludwigshafen ist hier einzubeziehen.

Dieses Thema betrifft nicht nur uns. Wir haben im Rahmen der Ortsvorsteherwahlen ein besonders schlimmes Ergebnis, was die Wahlbeteiligung anbelangt, festzustellen. Da fragt man sich schon, wo da die demokratische Legitimation ist, wenn ich von 5 % oder 6 % der Bevölkerung gewählt werde.

Jetzt komme ich zu Ihrem Thema. Sie haben vielleicht schon die Antwort, heute nicht, aber in Ihrer Presseerklärung. Sie haben gesagt, man müsse mehr Bürgerbeteiligung einführen, das würde zu höherer Wahlbeteiligung führen. Welch einen Trugschluss haben Sie da eigentlich gezogen. Wenn Sie mehr Bürgerbeteiligung machen, dann kann das durchaus dazu führen, dass die Beteiligung bei Wahlen noch schlechter wird.

(Frau Thomas, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Alles Spekulation!)

Ich sage nicht, dass es so ist. Wenn Sie die Schweiz als Vorbild nehmen, dann können Sie doch nicht feststellen, dass das dauernde Wählen dort zu wahnsinnig großer Beteiligung führt. Schauen Sie sich es einmal genauer an. Die packen heute Massen in diese Abstimmungen hinein, weil sie sonst befürchten, dass sie die demokratische Legitimation für ihre Entscheidung nicht mehr haben. So einfach sind die Antworten nicht.

Die Antwort, die die Kollegen von der CDU gegeben haben, halte ich auch nicht für so ganz durchschlagend. Sie kommen mit Ihrem alten Vorschlag. Ich glaube, den haben wir 1998 diskutiert.

(Zurufe von der CDU)

Sehen Sie. Deswegen wird der Vorschlag nicht besser. Das ist so wie mit anderen Themen, die dauernd auf der Tagesordnung stehen.

Sie schlagen vor, wir sollten die Wahlunterlagen den betroffenen Wählerinnen und Wählern drei Tage vor der Wahl zuschicken, dann würde die Wahlbeteiligung steigen. Das hieße zum Ersten, dass wir dies auf dem Land, wo wir eine sehr hohe Wahlbeteiligung hatten – bei uns in den Dörfern teilweise 80 % bis 90 % – nicht brauchen. In der Stadt scheint man aber nicht fähig zu sein, dies zu beherrschen. Die müssten dann die Wahlunterlagen bekommen.

Nur, wenn Sie sich Baden-Württemberg anschauen, dann müssen wir über die Fakten reden und müssen uns betrachten, was dort mit den Wahlunterlagen geschieht. Die werden dort vorher zugeschickt. Was ist mit der Wahlbeteiligung? Die ist in Baden-Württemberg beim letzten Mal schlechter gewesen als bei uns. Dieser Schluss, so, wie Sie ihn treffen, ist auch nicht so zielführend, wie Sie vorgeben.

(Vereinzelt Beifall bei der SPD)

Es mag einen Einfluss haben. Aber so, wie Sie es sagen, ist es nicht.

Zum Schluss der ersten Runde zitiere ich mit Genehm igung der Frau Präsidentin aus dem „Trierischen Volksfreund“ vom 29. Juni 2004.

(Marz, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Tierischer Volksfreund!)

Eine junge Redakteurin schreibt zum Schluss ihres Kommentars zu diesem Thema: „Liebe Politiker“ – das gilt jetzt für Sie –, „lasst die Schublade für abgelehnte Vorschläge diesmal zu. Die Zuber-Idee verdient es, diskutiert zu werden. Schließlich geht es um die Zukunft der besten Staatsform, die wir kennen.“

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD)

Ich erteile Herrn Abgeordneten Hörter das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Grützmacher, Sie haben schon Recht, Herr Zuber hat in der Tat einen Stein ins Wasser geworfen. Warum das reflexartig dazu führen muss, dass Sie hinterherspringen und versuchen, nach dem Stein zu tauchen, ist natürlich auch nicht klar.

(Beifall bei der CDU)

Lassen Sie uns zwei, drei Gedanken hierzu mit in die Diskussion einbringen.

Erstens: Unstreitig ist, dass wir allesamt die geringe Wahlbeteiligung beklagen und uns mit der Frage beschäftigen müssen, wie wir wieder zu höherer Wahlbeteiligung kommen.

(Lelle, CDU: Eine entscheidende Frage!)

Unstrittig ist auch, dass vorschnelle Antworten nicht helfen, wie auch keine Schwarz-Weiß-Malerei.

Sie haben in der Presseerklärung – es ist eben schon einmal angesprochen worden – auf mehr Bürgerbeteiligung hingewiesen. Eine der letzten Erweiterungen der Bürgerbeteiligung im Zusammenhang mit den Wahlen war die Einführung der Urwahl. Das Ergebnis ist, dass wir zum Teil Wahlbeteiligungen haben, die bei 30 % liegen.

Wenn man dies als Maßstab annimmt, kann man nicht gerade davon sprechen, dass das das alleinige Erfolgsrezept sein kann.

(Beifall der CDU)

Ich glaube auch nicht, dass das mit einer einzigen Antwort zu beantworten ist, weder mit dem Nachdenken über Wahlpflicht noch nur mit irgendeiner Form der Bürgerbeteiligung. Von Herrn Kollegen Pörksen habe ich überhaupt keine Antwort gehört. Es wird darum gehen, in einer vernünftigen, zielführenden Diskussion ein Maßnahmenbündel zu erarbeiten.

Herr Kollege Pörksen, ich wäre froh gewesen, wenn Sie die Chance genutzt hätten, nicht wieder aus relativ alten Klamotten, nämlich Ihren Reden zu unserem Vorschlag von 1998 zu zitieren. Sie haben damals die Zahlen von Baden-Württemberg gehabt. Die sind mittlerweile auch überholt. Wenn man über Baden-Württemberg diskutiert, dann muss man dazusagen, dass das Kommunalwahlrecht dort wesentlich komplizierter ist als bei uns.

Ich wäre froh, es würde einmal gelingen, etwa im Innenausschuss, in aller Ruhe und ohne jede geistige Blockade solche Vorschläge miteinander zu beraten.

Es gibt eine Menge guter Gründe, die für unseren Vorschlag sprechen. Ich sage auch nicht, dass man diesen 1 zu 1 so übernehmen muss. Aber man sollte in Ruhe darüber nachdenken, ob dies ein Mosaikstein dazu sein kann, Bürger leichter an die Wahlurne zu bringen.

(Beifall bei der CDU)

Zweitens: Die zweite Bemerkung zielt in Richtung der Ortsvorsteher. Es ist unstreitig, dass die Ortsvorsteher fast nichts zu sagen haben. Wenn Sie aber an dieser Schraube drehen, schränken Sie die rechtlichen Möglichkeiten des Gemeinderats oder des Stadtrats ein. Ob das zur Akzeptanzerhöhung des gewählten Gremiums Stadtrat führt, wage ich zu bezweifeln.

Das heißt, so einfach, dass man einfach nur sagt, man müsse dem Ortsvorsteher mehr Gestaltungsspielraum

geben, als wäre er ein selbstständiger Ortsbürgermeister, kann man es sich auch nicht machen.

(Beifall bei der CDU)

Lassen Sie mich zusammenfassen: – –

(Pörksen, SPD: Sie haben auch nichts gesagt!) – Doch! – – Negativ kommentiert ist das Thema der Wahlpflicht die falsche Antwort. Die erweiterten Beteiligungsmöglichkeiten sind mit Sicherheit – wenn man es so platt sagt – genauso die falsche Antwort. Was wir brauchen ist eine Vielzahl von Antworten. Einen Vorschlag haben wir gemacht. Lassen Sie uns gemeinsam versuchen, weitere Vorschläge zu erarbeiten. (Beifall bei der CDU)

Ich erteile Herrn Abgeordneten Hohn das Wort.

(Frau Thomas, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Aus dem Leben eines Bürgermeisters!)

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich bin dankbar für den Anstoß, den Herr Minister Zuber gegeben hat. Ferner bin ich dankbar, dass die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN diesen Anstoß zum Thema der heutigen Aktuellen Stunde gemacht hat.

(Frau Thomas, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Wenigstens einer, der dankbar ist!)