Protokoll der Sitzung vom 19.09.2001

auch über enteignungsrechtliche Vorfragen bis hin zur vorläufigen Besitzeinweisung auf das Oberverwaltungsgericht, sodass die Entscheidung zukünftig in einer Hand getroffen und damit der beabsichtigte Beschleunigungseffekt auch hinsichtlich dieser Fragen erreicht werden kann.

Bei dieser Gelegenheit wird auch die Prüfung enteignungsrechtlicher Vorfragen im Übrigen – also außerhalb von Großvorhaben – auf die Verwaltungsgerichte übertragen. Auch dies ist sinnvoll, weil die Vewaltungsgerichte heute schon häufig über planungsrechtliche Vorfragen, die wiederum für die Enteignung von Bedeutung sind, entscheiden und auch insoweit die Entscheidung bei einer Gerichtsbarkeit, soweit es zulässig ist, konzentriert wird. Ich betone „soweit es zulässig ist“, weil wir durch Bundesrecht und auch durch unsere Landesverfassung gehindert sind, alle Fragen, die im Zusammenhang mit der Enteignung zu entscheiden sind, auf die Verwaltungsgerichtsbarkeit zu übertragen. So dürfen wir aufgrund von Regelungen im Grundgesetz und in uns erer Landesverfassung nicht die Entscheidung über die zu treffende Entschädigung im Fall einer Enteignung übertragen, weil diese Vorfrage durch unsere Verfassung ausdrücklich der ordentlichen Gerichtsbarkeit zugewiesen ist.

Trotzdem ist es sinnvoll, diese kleine noch verbleibende Rechtswegaufspaltung beizubehalten und die übrigen Fragen im Zusammenhang mit einer Enteignung auf die Verwaltungsgerichtsbarkeit zu übertragen, weil sie dort sachnäher angesiedelt sind, beim Oberverwaltungsgericht bei Großvorhaben auch der Beschleunigungseffekt erreicht werden kann und die Entscheidung über die zu treffende Entschädigung auch nach der Enteignung dann im Nachhinein bei der ordentlichen Gerichtsbarkeit getroffen werden kann, ohne dass die Verzögerungen, die hier behoben werden sollen, eintreten können. Insofern will die Landesregierung mit dem vorliegenden Gesetzentwurf einen Beitrag zur Verbesserung des Standorts Rheinland-Pfalz leisten.

(Beifall bei FDP und SPD)

Vielen Dank, Herr Minister Mertin.

Für die CDU-Fraktion erteile ich Herrn Kollegen Schneiders das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Nachdem die Redezeit auf fünf Minuten verkürzt worden ist, will ich mich auf einige Anmerkungen beschränken. Wir haben sicher auch Gelegenheit, uns im Rechtsausschuss und in zweiter Lesung ausführlicher mit diesem Gesetzesvorhaben zu befassen. Der Entwurf der Landesregierung eines Gesetzes zur Beschleunigung und Konzentration von Großverfahren erscheint zumindest bei erster Durchsicht im Ergebnis nur begrüßenswert.

Herr Minister Mertin hat bei der Einbringung eben vorgetragen, dass die Bestrebungen der Reform in der Verwaltungsgerichtsordnung hier fortgesetzt werden. Ich denke, das ist auch konsequent, wobei wir es bei diesem Gesetzentwurf im Wesentlichen mit drei Vorschriften zu tun haben, im Kern diese Änderung in § 48 des Landesenteignungsgesetzes, dem gleich lautenden § 48 in der Verwaltungsgerichtsordnung und den §§ 2 und 4 im Ausführungsgesetz zur Verwaltungsgerichtsordnung.

Ich erspare mir, auf die weiteren Änderungen fast nur redaktioneller Art im Landesenteignungsgesetz einzugehen.

Herr Minister Mertin, die Änderung scheint mir auf Erfahrungen zu beruhen, die man in der Praxis machen musste, nachdem die Eingangszuständigkeit nach bisheriger Verwaltungsgerichtsordnung bereits beim Oberverwaltungsgericht angesiedelt ist, dass sich das Oberverwaltungsgericht in umfangreichen Verfahren mit einem Planfeststellungsbeschluss befasst und zum Ergebns kommt, dass er rechtmäßig ist.

Man muss feststellen, dass es bei der Besitzeinweisung zu erneuten Streitigkeiten kommt, die dann beim Zivilgericht angesiedelt sind, wo Zivilrichter sich zum ersten Mal mit der Materie befassen, während die Richter beim OVG bereits umfänglich diese Materie geprüft haben. Wenn man allerdings auch noch bedenkt, dass in der Kammer für Baulandsachen auch Verwaltungsrichter mit eingesetzt sind, stellt sich die Frage, warum die öffentlich-rechtliche Streitigkeit – denn eine solche ist es letztendlich – nicht auch beim Verwaltungsgericht angesiedelt bleibt.

Es soll gebündelt werden mit der Neufassung des § 48 des Landesenteignungsgesetzes, und bei den Kammern für Baulandsachen am Landgericht soll letztlich nur noch die Entscheidung über die Höhe der Entschädigung, Ausgleichszahlung oder Erstattung von Aufwendungen und Kosten verbleiben. Ich muss zugeben, das ist und bleibt ein Schönheitsfehler, weil es nicht die optimale Lösung darstellt, leider aber auch – dies muss ich zugestehen – nicht sein kann, weil die Verfassung des Landes und das Grundgesetz in Artikel 14 dem entgegenstehen.

Aber es ist eine enteignungsrechtliche Folgeentscheidung, die in engem sachlichen Zusammenhang mit der ersten Entscheidung steht, und so ist es nur konsequent, dass die Besitzeinweisung jetzt erstinstanzlich zum Oberverwaltungsgericht kommt. Es ist auch wichtig, dass der Antrag auf gerichtliche Entscheidung durch das Landgericht, der Kammer für Baulandsachen, erst gestellt werden muss, wenn zuvor alle, die eigentlichen Enteignungsmaßnahmen betreffenden Entscheidungen bestands- und rechtskräftig geworden sind.

Letztendlich will ich festhalten, dass der Trend bzw. das Ziel sein müsste, öffentlich-rechtliche Streitigkeiten auch bei den öffentlich-rechtlichen Gerichten, sprich im Verwaltungsrechtsweg, anzusiedeln.

Herr Minister, hier ist der Punkt, bei dem ich eine kritische Anmerkung anbringen will. Das Problem ist richtig erkannt, in diesem Einzelfall einer Lösung zugeführt,

aber warum nicht konsequent in anderen Bereichen, deren es welche gibt? – Ich nenne nur beispielhaft die Asylverfahren. Diese haben wir beim Verwaltungsgericht. Wenn es um die Abschiebehaft geht, sind wir wieder beim Amtsgericht.

Ich könnte auch einen Antrag erwähnen, den wir in der Vergangenheit als CDU-Fraktion schon einmal gestellt haben: „Bündeln im Bereich Kataster- und Grundbuchwesen“. Auch dort war die Argumentation für Ihre Ablehnung, dass es verschiedenen Rechtszweigen und Zuständigkeitsebenen zugewiesen und in diesen angesiedelt sei. Ich denke, dieses Vorgehen mit dem heutigen Gesetzentwurf zeigt, dass es möglich sein könnte, dort, wo ein Wille ist, auch einen Weg zu finden. Dazu will ich abschließend aufrufen, nämlich dass Sie konsequent sind, auch in anderen Bereichen, nicht nur bei diesem Gesetzentwurf, der uns heute in erster Lesung vorliegt.

Ich denke, wir werden im Rechtsausschuss und in der zweiten Lesung weiter beraten und zu dem Ergebnis kommen, dass wir diesem Gesetzentwurf zustimmen. Aber lassen Sie uns konsequent sein in anderen Fragen, die eigentlich in den öffentlich-rechtlichen Bereich gehören.

Danke schön.

(Beifall der CDU)

Herr Schneiders, vielen Dank.

Ich erteile Herrn Abgeordneten Pörksen das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Kollege Schneiders, wenn Sie am Ende nicht gesagt hätten, wir wollen auch noch ein bisschen Kritik üben, dann hätte ich gern einen Beitrag zur Beschleunigung der heutigen Sitzung geleistet und gesagt, ich schließe mich Ihren Worten an. Das haben Sie mir jetzt leider verdorben. Also muss ich doch etwas zu dem Gesetzentwurf der Landesregierung s agen.

Ich denke, man muss auf das hinweisen, um was es geht, was eigentlich Großverfahren sind. Da schaut man in den § 48 der Verwaltungsgerichtsordnung hinein. Dann kommt man zu folgenden Verfahren: Einmal geht es um Anlagen im Sinne des Atomgesetzes, es geht um Wiederaufbereitungsanlagen – wollen wir das eigentlich? –, es geht um Kraftwerke mit einer Leistung von über 300 Megawatt, es geht um Freileitungen mit mehr als 100.000 Volt, es geht um Müllverbrennungsanlagen – dies ist schon interessanter – mit einem Durchsatz von mehr als 100.000 Tonnen, es geht um Flughäfen, – –

(Zuruf des Abg. Mertes, SPD)

Herr Kollege, das kennen Sie noch.

Straßen- und Eisenbahnlinien, Bundesfernstraßen – –

(Zuruf der Abg. Frau Grützmacher, BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN)

Frau Kollegin, jawohl, ich habe Sie nicht vergessen. Ich weiß schon, worauf Sie nachher aus sind.

und Binnenwasserstraßen, also Maßnahmen, die in unserem Land Rheinland-Pfalz nicht allzu häufig vorkommen werden, aber vorgekommen sind und natürlich auch – in der Erinnerung – zu sehr langen Verfahren geführt haben, die es im Rahmen der Änderung der Verwaltungsgerichtsordnung im Jahr 1991 – ich glaube, 1991 war es – abzuändern galt.

Herr Kollege Schneiders, ich glaube, in § 48 Absatz 3 war ausdrücklich darauf hingewiesen, dass Länder, die andere Bestimmungen hatten was die Frage des Enteignungsverfahrens betrifft, ihre Gesetze dahin gehend ändern können. Es war ausdrücklich die Befugnis vorhanden, dass sie die Gesetze in dem Sinn ändern können, dass sie das OVG als einzige Tatsacheninstanz einsetzen können. Dies genau wollen wir jetzt machen, weil die Erfahrungen dahin gegangen sind, dass von bestimmten Personen Verfahren auch ausgenutzt werden können. Wir wissen, wie lange Planfeststellungsverfahren dauern. Wenn sie dann noch über zwei Instanzenwege geschleppt werden, weiß jeder, dass zu einem Zeitpunkt die Verwirklichung erfolgt, zu dem die Pläne im Grunde schon oftmals veraltet sind, ganz abgesehen von den Kosten, die entstehen, die Mehrkosten, wenn ich für eine Durchsetzung fünf Jahre, zehn Jahre, elf Jahre bis fünfzehn Jahre benötige.

(Zuruf der Abg. Frau Grützmacher, BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich weiß, dass Sie genau aus diesem Grund dagegen sind, weil Sie möglichst lange Verfahren für die Verschleppung haben wollen. Das haben wir doch in vielen Bereichen erfahren. Herr Kollege Mertes hat dezent auf den Flughafen Hahn verwiesen. Das Ganze haben wir noch gut in Erinnerung.

Wir halten es für total richtig, dass eine Instanz über die Grundfragen des Planfeststellungsverfahrens und des Enteignungsverfahrens entscheidet und dass dann – das lässt sich gar nicht anders machen, das ist für mich kein Schönheitsfehler, das ist von der Verfassung vorgegeben; ich glaube, das ist ein Unterschied –, eher die Frage der Höhe der Entschädigung vor dem Landgericht, Baulandkammern, und nachher dann vor den Oberlandesgerichten, wenn in die Berufung gegangen wird, entschieden wird. Das ist ein völlig richtiger Weg; denn wir wissen auch, oftmals geht es nur um die Finanzen. Oftmals geht es gar nicht um den Widerstand gegen ein Vorhaben selbst, sondern es geht darum, wie hoch kann ich die Entschädigung treiben, die ich gern haben möchte. Das darf erst am Schluss stehen, das Verfahren selbst nicht abbremsen und dazu führen, dass wir über Jahre, man kann sogar in Teilen sagen Jahrzehnte, auf die Umsetzung warten.

Wir werden deshalb diesem Gesetzesvorhaben – nicht überraschend – unsere Zustimmung erteilen. Natürlich beraten wir weiter in den Ausschüssen und werden in der zweiten und dritten Lesung noch einmal darauf zurückkommen.

Vielen Dank.

(Beifall der SPD und der FDP)

Herr Pörksen, vielen Dank.

Ich erteile der Abgeordneten Frau Grützmacher das Wort.

Meine Damen und Herren! Der Entwurf eines Landesgesetzes zur Beschleunigung und Konzentration von Großverfahren der Landesregierung soll eben – dies ist allgemein schon gesagt worden – der Verfahrensbeschleunigung bei der Realisierung von Großverfahren dienen. So steht es auch in der Begründung der Landesregierung.

Wir wissen aus Erfahrung, wenn es um Beschleunigung geht, dass dann meistens auch etwas auf der Strecke bleibt. So ist es hier auch.

(Zuruf des Abg. Pörksen, SPD)

Es ist auch gar nicht zu bestreiten, es hat auch niemand bestritten, dass in diesem Gesetzentwurf bezüglich der Enteignung und der so genannten vorzeitigen Besitzeinweisung eine Tatsacheninstanz abgeschafft wird, also eine Rechtswegverkürzung normiert wird. Das ist Fakt. Das ist ganz deutlich.

Meine Damen und Herren, unserer Ansicht nach ist diese Verkürzung problematisch, weil sie die Interessen der Großinvestoren bevorzugt und den Eigentumsschutz einschränkt.

(Zuruf des Abg. Pörksen, SPD)

Bisher ist es so, dass Enteignungsverfahren von Zivilrichterinnen an Landgerichten entschieden werden. In Zukunft sollen das nur noch Verwaltungsrichterinnen sein. Aber es ist doch wohl klar, dass Zivilrichterinnen das anders sehen, mit einer anderen Brille und in der Abwägung vielleicht und im Zweifel, dem Individualinteresse einen anderen Stellenwert zuschreiben als Verwaltungsrichterinnen.

(Zuruf des Abg. Pörksen, SPD)

Das soll in Zukunft nicht mehr so sein.

Meine Damen und Herren, der Abbau einer Instanz im Enteignungsverfahren zeigt auch, dass diese Reform von dem Gedanken der Prioritätensetzung bei dem Großinvestor oder bei der enteignenden Behörde gelei

tet ist, was auf der anderen Seite den Abbau des individuellen Rechtsschutzes bedeutet.

(Zuruf des Abg. Pörksen, SPD)