Protokoll der Sitzung vom 11.11.2004

Herr Staatssekretär, ist es nach Ihrer Auffassung richtig, dass der Bund hier wie in anderen Fällen immer wieder in die Aufgabenwahrnehmung der Kommunen eingreift und ähnlich wie bei der Grundsicherung und bei der Ganztagsschule Aufgaben wahrnimmt, die eigentlich das Land wahrzunehmen hätte?

(Schweitzer, SPD: So ein Quatsch!)

Herr Abgeordneter Schnabel, das ist eine Frage der jeweils betrachteten Ebene. Der Bund hat im vergangenen Jahr gemeinsam mit den Ländern eine Gesamtentlastung im Zusammenhang mit Hartz IV von 2,5 Milliarden Euro zugesagt. Es gab auch im Bundesrat einen entsprechenden Beschluss. Dies wird durch die Revis ionsklausel auch sichergestellt werden.

Der Bund hat nie einen Zweifel daran gelassen, dass von diesen 2,5 Milliarden Euro 1,5 Milliarden Euro Finanzierungsbeitrag des Bundes für die Kommunen sind; denn diese 2,5 Milliarden Euro werden insgesamt durch den Bund aufgebracht.

Zumindest für die Länder, die wie Rheinland-Pfalz ihre Minderausgaben eins zu eins weitergeben, war die Hartz-IV-Reform ein Nullsummenspiel, sodass die 2,5 Milliarden Euro schlicht und ergreifend vom Bund aufgebracht werden und den Kommunen netto gegeben werden, aber – das ist das Problem – die Entlastungen von 2,5 Milliarden Euro oder genauer gesagt der 1,5 Milliarden Euro, die rechnerisch als Gegenfinanzierung für das Tagesbetreuungsausbaugesetz angesehen werden, verteilen sich eben nicht nach dem Maßstab der

Inanspruchnahme im Bereich des Tagesbetreuungsausbaugesetzes bzw. der Notwendigkeit in diesem Bereich.

Das führt dazu, dass einige Länder, zum Beispiel unser Nachbarland Hessen, erheblich mehr Entlastungen im kommunalen Bereich bekommen, als an Kosten für den Tagesbetreuungsausbaubereich entstehen. Andererseits bekommen Länder, die eine gute und erfolgreiche Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik wie Rheinland-Pfalz betrieben haben, selbstverständlich im Bereich Entlastung bei der Sozialhilfe weniger als der Durchschnitt, wie gesagt, also zum Beispiel Länder wie Hessen oder nehmen wir einmal den Extremfall Bremen, die erheblich mit Sozialhilfe belastet waren und deshalb in der Entlastung eine Überfinanzierung haben.

Wir haben immer darauf hingewiesen, dass es diese Korrespondenz auf der Ebene der Länder zwischen Entlastung Hartz IV und Belastung Tagesbetreuungsausbaugesetz nicht gibt. Sie gibt es natürlich erst recht nicht, wenn man noch weiter auf die einzelnen Kommunen herunterbricht. Das ist unstrittig so. Wie gesagt, wir haben dem Bund sehr frühzeitig und sehr deutlich mitgeteilt, dass in Rheinland-Pfalz von den 1,5 Milliarden Euro keine Anteile zur Entlastung ankommen.

Dennoch, aus der Sicht des Bundes geht die Rechnung auf, aus der Sicht der einzelnen erfolgreichen Länder wie Rheinland-Pfalz geht sie nicht auf. Aber das ist auch kein Wunder. Wer keine hohen Sozialhilfeausgaben hat, kann natürlich auch nicht so hoch wie die Länder entlastet werden, die hohe Sozialhilfeausgaben haben.

Gibt es weitere Fragen? – Bitte schön, Herr Dr. Rosenbauer.

Herr Staatssekretär, Sie haben eben gesagt, es wird zweimal geprüft, ob die Entlastung in den kommenden Jahren so stattfindet. Dann frage ich mich, warum im Gesetzentwurf der Landesregierung die Summe von 18,6 Millionen Euro festgeschrieben ist, wenn sie doch auf der anderen Seite nicht wissen, um wie viel Geld tatsächlich entlastet wird.

(Mertes, SPD: Jetzt hat er es nicht begriffen!)

Es gibt im Bereich der Entlastung unterschiedliche Daten. Es gibt die Bundesrechnung, die von etwa 58 Millionen Euro Gesamtentlastung in Rheinland-Pfalz für Kommunen und Land zusammen ausgeht. Wir haben aufgrund der uns vorliegenden zeitnäheren Daten genau gerechnet, und zwar wirklich sehr genau, und sind zu dem Ergebnis gekommen, dass die Kommunen unmittelbar um 14,83 Millionen Euro entlastet werden. Das sind Gelder, die bei den Kommunen per saldo im Jahr 2005 weniger ausgegeben werden. Beim Land haben

wir eine Entlastung von 18,64 Millionen Euro. Diese ist eins zu eins im Einzelplan 6 im Entwurf des Haushalts eingestellt. Ich gehe nicht davon aus, dass diese Zahl im Verfahren des Landtags verändert wird, weil sie genau der Entlastung des Landes entspricht.

Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Rosenbauer.

Habe ich Sie richtig verstanden, Sie gehen davon aus, dass die Berechnungen vom Bund mit 58 Millionen Euro und die Berechnungen vom Landkreistag und Städtetag zum Beispiel falsch sind, weil sie auf wesentlich höhere Zahlen kommen?

Die Bundeszahlen von 58 Millionen Euro beruhen darauf, dass eine ganze Reihe von Ausgaben und Ausgabenentlastungen sehr pauschaliert eingestellt worden ist, während wir im Landeshaushalt und natürlich auch bei den Kommunen sehr viel genauer feststellen können, welche der Annahmen in der Realität in welchem Umfang zutreffen.

Deswegen gibt es diese Diskrepanz, die wir übrigens in fast allen Ländern haben. Genau weil das so ist, weil die rechnerischen Zahlen, die bei der Gesetzgebung zugrunde gelegt worden sind, sowohl von kommunaler Seite wie von Länderseite mit einer gewissen Skepsis betrachtet werden, gibt es im nächsten Jahr die beiden Revisionsverfahren, wo noch einmal genau nachgerechnet wird, wie hoch tatsächlich die Entlastung ist. Kommt dann heraus, es sind bundesweit nicht 2,5 Milliarden Euro, sondern 2 Milliarden Euro, dann wird eine halbe Milliarde Euro nachgesteuert.

Das geschieht technisch so, dass der Anteil des Bundes an den Unterkunftskosten von 29,1 % so weit erhöht wird, dass diese in meinem Modell halbe Milliarde Euro dann zusätzlich finanziert wird. Das ist ein ganz klarer verabredeter Weg, der auch nicht irgendwo im stillen Kämmerlein stattfindet, sondern wo Bund und Länder – natürlich unter Hinzuziehung des kommunalen Sachverstands – diese Überprüfung vornehmen werden.

Wir haben selten ein Gesetzgebungsverfahren gehabt, das so weitgehend spätere Revisionen der anfänglichen Verteilung noch einmal vornimmt. Normalerweise wird abgeschätzt, wie die Verteilungswirkungen sind. Dann wird im Gesetz festgelegt, dass vielleicht die Mehrwertsteuer oder anderes entsprechend verändert wird. Dabei bleibt es dann in aller Regel. Aber diese Revisionsklausel ist ungewöhnlich und zeigt, dass es natürlich auch durch die Arbeit im Vermittlungsausschuss möglich ist, zwischen Bund und Ländern eine faire und nachprüfbare Lösung hinzubekommen.

Ich sehe keine weiteren Fragen. Die Mündliche Anfrage ist beantwortet.

(Beifall der SPD und bei der FDP)

Ich rufe nun die Mündliche Anfrage der Abgeordneten Elke Kiltz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN), Verseuchtes Viehfutter durch dioxinhaltigen Kaolinit-Ton aus einer Tongrube in Rheinland-Pfalz – Nummer 3 der Drucksache 14/3558 – betreffend, auf.

Bitte schön, Frau Kiltz.

Ich frage die Landesregierung:

1. Werden die Tongruben im Westerwald seit dem Futtermittelskandal 1999 regelmäßig auf Dioxingehalte der Tone untersucht? Wenn ja, mit welchen Ergebnissen, wenn nein, warum nicht?

2. Wie werden die Abnehmer des Tones auf den möglichen oder tatsächlich gemessenen Dioxingehalt des Tones aufmerksam gemacht?

3. Welche Maßnahmen unternimmt die Landesregierung, um zu verhindern, dass dioxinhaltige Tone als Hilfsstoffe für die Lebens- und Futtermittelindustrie vermarktet werden?

4. Für welchen Zweck können dioxinhaltige Tone verwendet werden, ohne dass gesundheitliche Risiken für Menschen und Tiere entstehen?

Für die Landesregierung antwortet der Herr Landwirtschaftsminister.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Im Jahr 1999 wurden im Rahmen von Untersuchungen des Geologischen Landesamtes festgestellt, dass in Kaolinit-Tonen aus den Gruben des Westerwaldes Dioxine enthalten sein können. Damals waren die KaolinitTone als Futtermittelzusatzstoffe in Verkehr gebracht worden. Wie sich herausstellte, sind die Dioxine geogenen Ursprungs, also nicht durch menschlichen Einfluss in die Tone gelangt.

Aufgrund der Untersuchungsergebnisse wurde den Tongrubenbetreibern das In-Verkehr-Bringen von Kaolinit-Tonen als Futtermittel untersagt. EU-rechtlich wurde ein Höchstwert für Dioxine in Kaolinit-Tonen, die bei der Futtermittelherstellung eingesetzt werden, festgeschrieben.

In der vergangenen Woche wurde bekannt, dass ein Kartoffel verarbeitendes Unternehmen in den Niederlanden Kaolinit-Ton aus dem Westerwald bezogen und als technischen Hilfsstoff zur Kartoffelsortierung eingesetzt hat. Kaolinit-Ton wurde im August 2002 anstelle von Salz eingesetzt. Mit beiden Zusätzen kann eine Sortierung von Kartoffeln im Wasserbad erzielt werden. Das Lebensmittelunternehmen hat die anfallenden Kartoffelschalen und andere Kartoffelprodukte anschließend als Viehfutter verkauft.

So weit bisher bekannt, hat der Lebensmittelhersteller in den Niederlanden den Kaolinit-Ton verwendet, ihn hinterher aber nicht, wie für technische Hilfsstoffe vorgeschrieben, in ausreichendem Maße aus der Produktionskette entfernt. Daher gelangte der Ton in die Futtermittel bzw. hat diese mit Dioxin kontaminiert. Es kam in der Folge zu einer Kontamination der von Tieren gewonnenen Lebensmittel. Derzeit wird von den zuständigen Behörden geprüft, inwieweit Sorgfaltspflichten beim In-Verkehr-Bringen von Kaolinit-Ton bzw. der Lebensmittel- oder Futtermittelherstellung vernachlässigt wurden.

Grundsätzlich ist festzuhalten, dass die primäre rechtliche Verantwortung für die Gewährleistung der Futterund Lebensmittelsicherheit vom jeweiligen Unternehmer zu tragen ist. Dies vorausgeschickt beantworte ich die Fragen wie folgt:

Zu Frage 1: Die Untersuchung des von rheinlandpfälzischen Tongruben in Verkehr gebrachten KaolinitTons obliegt in erster Linie dem Inverkehrbringer, zumal diesem bekannt war, dass das von ihm gelieferte Erzeugnis mit Dioxin belastet sein kann. Aus Gründen des vorbeugenden gesundheitlichen Verbraucherschutzes wurden 1999 im damaligen Chemischen Unters uchungsamt Speyer jedoch Untersuchungen durchgeführt, die sich nicht auf den Ton, sondern auf Lebensmittel, Bedarfsgegenstände und Arzneimittel bezogen, die im Lauf ihres Erzeugungs- oder Verbreitungsprozesses mit diesem Ton in Berührung gekommen waren oder diesen Ton enthalten konnten.

Alle Untersuchungen zeigen, dass die geprüften Erzeugnisse in Bezug auf ihren Dioxingehalt nicht zu beanstanden waren. Wegen des Verbots des In-VerkehrBringens als Futtermittel sowie des festgesetzten Höchstgehalts von Dioxin besteht aus Sicht der Futtermittelüberwachung keine Veranlassung für behördliche Analysen von Kaolinit-Tonen aus den betroffenen rheinland-pfälzischen Tongruben.

Nach den Ergebnissen der Untersuchungen im Jahr 1999 ergaben sich keine Auffälligkeiten bei Emissionsmessungen und thermischer Behandlung belasteter Tone in der keramischen Industrie und als Rohstoff für die Feuerfestindustrie. Auch in keramischen Bedarfsgegenständen wurden im Endprodukt Dioxine nicht oder an der Erfassungsgrenze festgestellt, selbst bei hohen Dioxingehalten in der ungebrannten Form. Daher ist auch in diesem Anwendungsbereich eine regelmäßige behördliche Kontrolle nicht erforderlich.

Zu Frage 2: Nach heutigem Kenntnisstand wurden die Abnehmer des Tones vom In-Verkehr-Bringer nicht über

mögliche Dioxingehalte aufmerksam gemacht. Es wird geprüft, inwieweit es sich hierbei um eine Verletzung der Sorgfaltspflicht handelt.

Zu Frage 3: Nach derzeitiger Rechtslage kann die Verwendung von dioxinhaltigem Ton als Verarbeitungshilfsstoff bei der Herstellung und Behandlung von Lebensmitteln nicht untersagt werden, sofern sichergestellt ist, dass diese Stoffe aus dem Lebensmittel vollständig entfernt werden oder so weit entfernt werden, dass sie oder ihre Umwandlungsprodukte in den zur Abgabe an den Verbraucher bestimmten Erzeugnissen nur als technisch unvermeidbare und technologisch unwirksame Reste in gesundheitlich, geruchlich oder geschmacklich unbedenklichen Anteilen enthalten sind. Insofern liegt die Verantwortung für die Futtermittelkontamination in diesem Fall bei dem betroffenen Unternehmen, das Lebensmittel und Futtermittel in den Verkehr bringt, und damit nicht bei dem Lieferanten des Tons.

Frau Kollegin Conrad hat die Bundesregierung gebeten, von den ihr zur Verfügung stehenden Möglichkeiten Gebrauch zu machen und sich bei der EU für eine Änderung der Richtlinien zur Festlegung spezifischer Reinheitskriterien für bestimmte Lebensmittelzusatzstoffe einzusetzen, um die Verwendung von dioxinhaltigen Tonen in der Lebensmittel- und letztlich der Futtermittelproduktion zu unterbinden.

Hinsichtlich der Futtermittel sind derzeit keine Änderungen der Rechtsvorschriften erforderlich, da bereits Höchstgehalte für Dioxin festgelegt sind. Die auch von Rheinland-Pfalz befürwortete Positivliste für Futtermittel hat bisher keine Zustimmung auf EU-Ebene gefunden. Diese auf freiwilliger Basis national geführte Liste stellt ein Verzeichnis aller Futtermittel dar, die ausschließlich verwendet werden sollen. Sie wird derzeit durch Datenblätter ergänzt, in denen kritische Herstellungsverfahren einzelner Futtermittel erläutert werden.

Man sollte sich daher darüber im Klaren sein, dass die Positivliste in letzter Konsequenz auch nicht alle Risiken komplexer Herstellungsverfahren in der Lebensmittelund Futtermittelwirtschaft vermeiden kann. Auch menschliches Versagen und grob fahrlässiges oder kriminelles Handeln sind nicht mit letzter Sicherheit auszuschließen.

Zu Frage 4: Tone aus Gruben in Rheinland-Pfalz können – wie bereits erwähnt – ohne Einschränkung in der keramischen Industrie und als Rohstoffe für die Feuerfestindustrie eingesetzt werden.

So weit die Beantwortung der Fragen.

Eine Zusatzfrage der Frau Abgeordneten Kiltz.

Herr Minister, Sie haben von Untersuchungen gesprochen, von denen ich den Eindruck hatte, wenngleich es sein kann, dass ich es akustisch nicht vollständig ver

standen habe, dass sie von 1999 stammten. Ich wollte aber wissen, wie viele und bis wann Sie Untersuchungen seit 1999 gemacht haben. Können Sie mir das noch einmal beantworten?

Herr Staatsminister Bauckhage.

Wir haben 1999 die Konsequenzen bei den Futtermitteln gezogen. Das wissen Sie. Jetzt muss man sehen, dass diese mit Kaolinit kontaminierten Tone nicht nur für die Futtermittelindustrie und die Lebensmittelindustrie, sondern auch in anderen Fällen verwendet werden. Von daher braucht man dieses Tonbergwerk nicht ständig zu untersuchen, sondern man muss immer das Produkt untersuchen.