Ein Start für Kinder, die in die Schule kommen, der früher sein soll, wenn ihr Geburtstag vor dem 1. September liegt, ist auch vorgesehen. Dies ist eine Fortschreibung unserer bisherigen bestehenden Kann-Regelungen.
Wenn ich mir das Programm anschaue, bin ich froh, dass es Weiterentwicklungschancen in sich birgt. Ich möchte deswegen der Ministerin und ihren Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen ganz herzlich für den Mut danken, den es bedeutet, so schnell so früh nach Beschlussfassung über das TAG ein eigenes Landesprogramm vorzulegen. (Beifall der SPD)
Das Programm „Zukunftschance Kinder – Bildung von Anfang an“ zieht die richtigen Lehren aus den Tests, meine Damen und Herren. Früher bilden, mehr fördern, nicht mehr die Grenze mit dem Geld ziehen. Wir wissen, dass dies alles Landesgeld kosten wird. Wir wissen, dass millionenschwere Sprachförderprogramme, Programme der Fortbildung von Erzieherinnen und Erziehern, Programme der Entlastung von Trägern und Kommunen sehr viel Landesgeld kosten werden. Wir sagen, wir wollen all die genannten Gruppen, also Eltern, Träger und Kommunen, entlasten. Wir wollen für unsere Kinder einen wesentlich verbesserten Start durch frühe Förderung, und wir wollen, dass unser rheinlandpfälzisches Bildungssystem weiterentwickelt wird. Wir haben dies heute gehört, und ich sage für meine Fraktion, wir freuen uns über dieses Programm.
Meine Damen und Herren! Keine Zukunft vermag gut zu machen, was wir in der Gegenwart versäumen. Das ist ein Satz von Albert Schweitzer, den ich an den Anfang dieses Debattenbeitrags stellen will, weil Albert Schweitzer damit sehr zutreffend beschrieben hat – ich übertrage das nun auf die Situation in diesem Land –, dass wir uns keine weiteren Versäumnisse im Bildungs- und Betreuungsangebot für Kinder mehr leisten können. In unserer Gesellschaft entscheidet Bildung oft über die Möglichkeit der Gestaltung des eigenen Lebens und über die gesellschaftliche Teilhabe, und deswegen ist jeder Euro und jedes Engagement gut angelegt.
Die offensichtlichen Defizite in den Angeboten in Rheinland-Pfalz waren für uns in den vergangenen Jahren handlungsleitend, und deswegen möchte ich gleich auf eine weitere Alltagsweisheit zurückgreifen, nämlich: Was du heute kannst besorgen, das verschiebe nicht auf morgen. – Das war unsere Leitlinie in dieser ganzen Diskussion, und das vielleicht mit Blick darauf, was Finanzminister Mittler heute Morgen gesagt hat. Herr Mittler, dies war für einen Finanzminister schon blam abel. Sie haben eigentlich dargestellt: Finanzielle Vorsorge ist nicht getroffen, wir wissen eigentlich auch nicht genau, wie es zu finanzieren ist. Das ist im weiteren Verlauf noch zu klären. – Vor diesem Hintergrund vonseiten der SPD von einer soliden Finanzierung zu sprechen, ist schon mehr als gesundgebetet, liebe Kollegin Brede-Hoffmann.
Was du heute kannst besorgen, das verschiebe nicht auf morgen. Deswegen haben wir von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN unsere Initiative „Betreuungsgarantie für die Kleinsten auf den Weg bringen“ bereits im Septem
ber 2004 in die Debatte eingebracht und damit auch die landespolitische Diskussion über den Ausbau der Kleinkinderbetreuung eröffnet und Drive hineingebracht. Das sehen wir heute.
Deshalb haben wir auch unser Sonderprogramm für einen bedarfsgerechten Ausbau von Betreuungsplätzen für Kinder unter drei Jahren schon zu den Haushaltsberatungen des Doppelhaushalts 2005/2006 eingebracht, nämlich dort, wo es hingehört. Das ist ernsthaft, und nicht, wenn man heute sagt, ein Programm starten zu wollen, zumal der Startzeitpunkt noch sehr ungewiss ist.
Nach unseren Vorschlägen würden die finanziellen Mittel für einen Ausbau von Kinderkrippenplätzen oder für eine Umwandlung von Kindertagesstättenplätzen in Krippenplätze schon in diesem Jahr zur Verfügung stehen. Wir haben heute Morgen von Herrn Mittler gehört, dass in diesem Jahr für das gesamte Programm und die Maßnahmen des Programms 2 Millionen Euro zur Verfügung stehen. Mit diesem Mitteleinsatz werden Sie das nicht wuppen können, was wir uns als Ziele gesetzt haben.
Frau Ministerin Ahnen, meine Damen und Herren von den Regierungsfraktionen, wenn Sie für sich in Anspruch nehmen, in der Bildungspolitik und in der Kinderfreundlichkeit spitze zu sein, müssen Sie sich schon sagen lassen, dass Ihnen unsere Fraktion dabei immer mehr als eine Nasenlänge voraus war und bereits Maßstäbe gesetzt hat, beispielsweise beim Ausbau der Betreuungsangebote, bei der Befreiung vom Elternbeitrag für Kindertagesstätten, bei der Sprachförderung in Kindertagesstätten und in der Grundschule oder bei einer flexiblen Schuleingangsphase, wo das individuelle Lerntempo entscheidet, wie schnell ein Kind die Grundschule absolvieren kann.
Ich nenne es wirksame Oppositionsarbeit, wenn das Kabinett zwei Tage vor der Beratung unserer aktuellen Anträge im Ausschuss ein Programm verkündet, das einen großen Teil unserer Vorschläge bereits aufgenommen hat.
Unsere Fraktion – ihr voran mein Kollege Nils Wiechmann – hat in den vergangenen Jahren immer wieder deutlich gemacht, dass Politik für Kinder und Kinderpolitik für uns im Zentrum stehen. Nils Wiechmann hat das immer sehr sympathisch auf einen Nenner gebracht, nämlich für die Kleinsten das Feinste, nicht im Sinn von Luxus, sondern im Sinn von Qualität, ob es um Qualität bei Bildung und Betreuung geht, bei der Qualifizierung von Erzieherinnen oder bei Unterstützungsangeboten beim Spracherwerb. Wir bleiben dabei: Für die Kleinsten das Feinste. Das ist unsere Marschrichtung.
Wir wissen, dass es in diesem ganzen Themenkomplex um zentrale gesellschaftspolitische, um zentrale familienpolitische, um zentrale bildungspolitische Themen
stellungen geht und damit auch letztlich ökonomische Fragestellungen berührt und Entwicklungen in Gang gebracht werden. Meine Damen und Herren von der CDU, ich sage Ihnen, da ist es mir egal, welches jetzt hier vorn steht. Ich glaube, hier wird deutlich, es ist ein zentrales Projekt auf Landesebene, das umgesetzt werden muss.
Wir streiten deshalb heute nicht um die Herausforderungen im Kern mit Ihnen, ob es also jetzt um die Reaktion auf die demografische Entwicklung geht, ob es um die Behebung offensichtlicher bildungspolitischer Defizite oder darum geht, dass wir Bedürfnisse von Frauen und Männern, die Erwerbsarbeit und Familienaufgaben besser vereinbaren wollen, geht. Um diese Herausforderungen streiten wir uns nicht, wobei ich in einem Punkt noch einmal eine rheinland-pfälzische Besonderheit deutlich machen möchte.
Wir wissen, dass sich vor allem jüngere Frauen und Männer mit jüngeren Kindern in der Mehrheit die Aufnahme einer Erwerbsarbeit wünschen, wenn sie in der Familienarbeit stecken. Die im Ländervergleich geringe Erwerbsquote in Rheinland-Pfalz – das wissen wir auch – geht darauf zurück, dass deutlich weniger Frauen als in anderen Bundesländern erwerbstätig sind. Das ist für uns auch ein klares Zeichen, dass Handlungsdruck besteht, dies seit langem. Deswegen machen wir auch seit langem Druck.
Ich sage Ihnen an der Stelle, ich bin auch nicht mehr damit einverstanden – ich mache auch Kommunalpolitik –, dass nach jahrzehntelangem Kampf der Frauen für Gleichberechtigung oder in Zeiten des Gender Mainstreaming nach wie vor in Kommunen und bei manchen auch auf Landesebene falsche Prioritäten gesetzt werden. Ich nenne nur Bürgerhäuser, Mehrzweckhallen und anderes. Heute wird dann darauf verwiesen, dass nicht genügend Mittel vorhanden sind, um Kinderbetreuungsangebote auszubauen.
Dass sich ein Tag vor dem Programmbeschluss im rheinland-pfälzischen Kabinett der Parteirat der GRÜNEN in Berlin auch für einen beitragsfreien Kindertagesstättenbesuch ausgesprochen hat, und zwar im ersten Schritt für das letzte Jahr in der Kindertagesstätte, zeigt, dass wir uns in diesem Handlungsschritt einig sind. Auch die gemeinsamen Initiativen in der rotgrünen Bundesregierung, ob es jetzt um den nationalen Plan für ein kindergerechtes Deutschland oder die Vorlage des Kindertagesstättenausbaugesetzes geht, zeigen, dass wir in den Ausrichtungen und in den Hauptmaßnahmen nicht weit auseinander liegen.
Zu Ihren Vorschlägen zum Ausbau der Betreuungsangebote für Kinder unter drei Jahren möchte ich sagen, unsere Vorschläge, bereits dieses Jahr in ein Sonderprogramm einzusteigen, haben Sie gerade im Ausschuss abgelehnt. Deshalb haben wir uns in diesem Punkt das, was Sie vorhaben, besonders genau angeschaut. Da kommen wir zu dem Urteil, dass Ihre Vor
Warum sind sie unzureichend und kommen zu spät? Wenn Sie sich die aktuellen Entwicklungen im Land anschauen, dann wissen Sie, dass wir keine Zeit verlieren dürfen. Wir müssen Voraussetzungen dafür schaffen, dass Kinder unter drei Jahren, aber auch unter zwei Jahren unter Kindern heranwachsen können und wir dafür eine kinderfreundliche und fördernde Umgebung schaffen.
Ich möchte nur ein Beispiel nennen. Ich habe am Wochenende erfahren, dass im Kreis Ahrweiler von den Trägern geplant ist, allein 28 Gruppen in Kindertagesstätten zu schließen. Ich habe mir sagen lassen, dass diese Entwicklung nicht außergewöhnlich ist, sondern uns das in anderen Kreisen auch ins Haus steht. Bis Sie Ihr Programm starten, wird das Kindergartengruppenauflösungsprogramm schon voll im Gang sein. Statt mit Angebotserweiterungen werden wir zunächst einmal mit einem Angebotsabbau konfrontiert werden. Deswegen sind Sie mit Ihrem Programm zu spät.
Ich möchte um Ruhe bitten. Es sind so viele kleine Einzelgespräche im Gang, dass sich dies zu einer ziemlichen Lärmbelastung aufbaut. Diejenigen, die unbedingt miteinander sprechen möchten, sollten das bitte draußen machen.
Sie sind also mit Ihrem Programm zu spät. Sie wollen zweitens die Anforderungen des Kindertagesstättengesetzes vor allen Dingen dadurch abdecken, dass Sie die Angebote für die zweijährigen Kinder erweitern wollen und bis 2010 für diese Kindergruppe einen Rechtsanspruch anstreben.
Meine Damen und Herren, mit einem solchen Angebot gehen Sie an den Bedürfnissen vieler Eltern und vieler Frauen vorbei, die bereits in früheren Lebensjahren zumindest für bestimmte Zeiten ein besseres Betreuungsangebot wünschen und sich heute zum Beispiel unter riesigem Organisationsaufwand mit Großeltern, anderen Anverwandten, Nachbarn usw. behelfen müssen.
Wir sollten uns nicht damit begnügen, die Trennlinie von drei auf zwei Jahre zu verschieben und damit zufrieden zu sein. Unser Ziel muss es vielmehr sein, mit einem deutlichen Aufwuchs an Krippenplätzen und in der Kindertagespflege den Eltern wirklich Wahlfreiheit zu geben, ob sie ihr Kind in einem staatlichen oder freien Angebot, einer kirchlichen Einrichtung, bei einer Elterninitiative oder selbst betreuen wollen. Für diese freie
Entscheidungsmöglichkeit brauchen wir einen deutlichen Aufwuchs der Krippenplätze und der Tagespflegeangebote in Rheinland-Pfalz, auch für Kinder unter zwei Jahren, da dort der Bedarf vorhanden ist.
Manche Eltern und Mütter brauchen diese Angebote, um ihr Leben mit Kind überhaupt meistern zu können. Viele andere wünschen sich einen Erfahrungs- und Lernort für ihr Kind mit anderen Kindern, weil sie ihnen das selbst nicht bieten können. An diesen Bedürfnissen und an diesen Wünschen dieser jungen Frauen und Familien dürfen wir nicht vorbei agieren.
Im Gegensatz zu den Vorgaben im TAG kommt bei Ihren Planungen die Kindertagespflege als Angebot ebenfalls zu kurz. Ich empfehle Ihnen in diesem Zusammenhang, sich einmal mit den Ergebnissen der Studie des Deutschen Instituts für Jugend zu beschäftigen, die dies im Auftrag der Bundesregierung bearbeitet hat und deutlich macht, dass Kindertagespflege entsprechend qualifiziert, finanziell abgesichert und in ein öffentliches Betreuungssystem integriert werden muss, weil wir nur so in der Fläche, aber auch mit hoher Flexibilität und hoher individueller Einstellung ein entsprechendes Betreuungsprogramm in diesem Land aufbauen können.
Wir brauchen deswegen auch ein Mehr an Investitionen, aber auch an Erneuerung in der ganzen Kindertagespflege als das, was Sie vorsehen. Mit einem reinen Qualifizierungsprogramm kommen wir nicht über die Bühne und werden auch nicht diesen Anforderungen gerecht, die an die Tagespflege- und Tagesbetreuungspersonen gestellt werden und die wir auch erwarten, weil wir Erziehung, Bildung und Betreuung haben wollen.
Meine Damen und Herren, ich möchte zum Schluss die zwei zentralen Schwachstellen Ihres Programms deutlich machen. Das ist der Bereich der Krippenplätze und des Ausbaus und der Qualifizierung der Kindertagespflegeangebote in diesem Land. Wir werden hier auf Verbesserungen zugunsten und zum Wohl der Kinder, der Familien und auch der Beschäftigten drängen. Man braucht für Kinder viel Zuversicht und Optimismus. Ich glaube aber, man braucht es auch, um diese Aufgabe tatsächlich zu stemmen. Mit Zuversicht und Optimismus gehen wir aus der Opposition heraus an diese Aufgabe heran, weil wir sicher sind, dass wir Sie in diesem Punkt noch so weit bekommen, dass notwendige Verbesserungen möglich sind.
Ich möchte noch Gäste im rheinland-pfälzischen Landtag begrüßen, und zwar Schülerinnen und Schüler der
Klasse 9 a der Richard-von-Weizsäcker Realschule in Germersheim. Herzlich willkommen im rheinlandpfälzischen Landtag!