Protokoll der Sitzung vom 25.02.2005

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, nach den Ergebnissen von VERA haben wir GRÜNE – das tue ich auch heute gern noch einmal – die Landesregierung aufgefordert, schnellstmöglich ganz konkrete Maßnahmen zur Verbesserung der Lesekompetenz an rheinland-pfälzischen Grundschulen zu ergreifen. Dabei haben wir bereits vor mehr als einem Jahr vorgeschlagen, dass wir die durch den Rückgang der Schülerinnen- und Schülerzahlen – also durch den demografischen Wandel – an den Grundschulen frei werdenden Lehrerinnen- und Lehrerstellen an den Grundschulen belassen sollten, um diese Lehrerinnen und Lehrer für zusätzliche individuelle Fördermaßnahmen einsetzen zu können.

Bereits die PISA-Studie hat belegt, dass deutsche Schülerinnen und Schüler bezüglich ihrer Lesekompe

tenz im internationalen Vergleich nur durchschnittlich abschneiden. Die VERA-Ergebnisse bestätigen, dass es bei der individuellen Förderung von Kindern insbesondere auf den Anfang ankommt. Gerade die Intensivierung der Sprachförderung schon in den Kindertagesstätten und auch die Stärkung des Bildungsauftrags der Kindertagesstätten sei hier erwähnt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Ergebnisse von VERA zeigen aber – das möchte ich auch noch einmal betonen – ebenso deutlich auf, dass wir uns alle gemeinsam anstrengen müssen, auch eine verbesserte Förderung von Kindern mit Migrationshintergrund in diesem Zusammenhang auf die Beine zu stellen.

Meine Damen und Herren, VERA bewertet in erster Linie die Leistungsfähigkeit der Grundschulen und der Lehrkräfte und damit die Qualität des Unterrichts. Im Vordergrund stehen – das ist eine Auseinandersetzung, die wir immer und immer wieder auch mit der Fraktion der FDP haben – nicht die Bewertungen von Leistungen einzelner Schülerinnen und Schüler.

(Zuruf der Abg. Frau Morsblech, FDP)

Als VERA eingeführt worden ist, haben Sie das als oberstes Ziel formuliert. Diese Ergebnisse von VERA können nicht für das frühe Aussortieren der Schülerinnen und Schüler eingesetzt werden. Sie sind dafür denkbar unbrauchbar.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, als zentrale Herausforderung für die Verbesserung des Unterrichts wurden bei VERA auch die Verbesserung der diagnostischen Kompetenz der Lehrerinnen und Lehrer und die daraus folgenden Maßnahmen und Kompetenzen zur Gestaltung ganz gezielt der individuellen Fördermaßnahmen herausgestellt. Es sind als Folge von VERA alle Anstrengungen zu unternehmen, um möglichst umgehend alle Lehrkräfte, beginnend bei den Lehrerinnen und Lehrern für die Grundschulen, in dieser zentralen Kompetenz, in der Diagnosekompetenz, weiter zu qualifizieren und ihnen vernünftige Fortbildungsangebote zu machen.

Meine Damen und Herren, mit VERA war und ist ein erster Schritt unternommen worden, um die Leistungsfähigkeit unserer Grundschulen und des Bildungssystems insgesamt zu überprüfen, nämlich dann, wenn tatsächlich die Schulen die Ergebnisse der Überprüfung zur Reflexion der eigenen Arbeiten nutzen, wenn sie tatsächlich Defizite und Stärken ihrer eigenen schulischen Arbeit herausarbeiten und sie nicht als weiteren Selektionsaspekt ansehen.

Wir brauchen ohne Zweifel einen Paradigmenwechsel bei uns in der Bildungspolitik des Landes, nämlich von Leistungskontrollen hin zu motivierenden Leistungsrückmeldungen. Zu einem solchen Paradigmenwechsel können die Ergebnisse von VERA beitragen, aber dazu müssen wir die Chancen und die Ergebnisse richtig nutzen. (Glocke der Präsidentin)

Frau Präsidentin, ich komme zum Schluss.

Meine Damen und Herren, die Ergebnisse von VERA und insbesondere die aufgetretenen Defizite sind Auftrag an die Bildungspolitik in diesem Land, daraus die notwendigen Konsequenzen für eine künftige Arbeit in den einzelnen Schulen zu ziehen. VERA zeigt, dass bei uns in diesem Land noch sehr viel zu tun ist.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die FDP-Fraktion erteile ich der Frau Kollegin Morsblech das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Für die FDP-Fraktion möchte ich zunächst einmal sagen, dass wir die Aktuelle Stunde mit ihrem Titel „Aus dem Projekt VERA (Vergleichsarbeiten in der Grundschule) lernen – Grundschule verbessern“ sehr begrüßt haben. Sie wissen, dass uns die Einführung dieser Vergleichsarbeiten sehr am Herzen lag. Wir wollen und wollten in dieser Koalition die Etablierung einer externen Evaluation an Schulen, in diesem Fall an Grundschulen, die sich gleichermaßen an den neuen Rahmenlehrplänen orientieren, an den KMK-Bildungsstandards, die den Ländern, den Schulen, der einzelnen Lehrkraft und auch den Schülerinnen und Schülern und ihren Eltern eine Rückmeldung zum einen über das System Grundschule, über den fachlichen Stand der Kompetenzen in der Einzelschule und in den Klassenstärken und -schwächen und Förderbedarf und die diagnostische Kompetenz geben können, also ein ehrgeiziges Ziel. Diese Koalition entwickelt ein solches Instrument und hat dies auf den Weg gebracht und mit weiteren Ländern weiterentwickelt. Die CDU tut dies im Übrigen bundesweit nicht. Das muss man dann auch einmal sagen. (Beifall bei FDP und SPD)

Natürlich ist auch bei den formulierten Anforderungen ein solches Instrument selbst ein lernendes System. Wir sehen, dass sich auch durch eine enorme Weiterentwicklung, durch den zusätzlichen Ländervergleich, durch das Hinzukommen der Deutschtests, des neuen Rahmenlehrplans in diesem Bereich der Bildungsstandards sehr viel tut. Wenn wir uns dann die große Komplexität und die Anforderungen ansehen, dann muss man einfach an dieser Stelle einmal sagen, dass es im Sinn der Klarheit und Wahrheit dessen, was an unseren Schulen passiert und was an Qualität dort geliefert wird, sehr gut gelungen ist. Dafür möchte ich mich auch ganz herzlich bei der Ministerin bedanken.

(Beifall bei FDP und SPD)

Die Detailergebnisse konnten Sie alle lesen. Sie haben auch die kritischsten angesprochen. Es ist zunächst einmal auch wichtig, dass Schulen und Lehrkräfte sich

individuell auf Klassen- und Schulebene mit den Ergebnissen auseinander setzen, diese sorgfältig reflektieren und auch im Hinblick auf die eigene Diagnosefähigkeit hinsehen, welche Kompetenzen ihre Schülerinnen und Schüler auch unter natürlich veränderten Rahmenbedingungen während eines Tests, die man auch berücksichtigen muss, zeigen.

Wir sollten auf der politischen Ebene genau hinsehen. Diese Botschaft ist richtig. Diese Botschaft ist auch angekommen. Natürlich ist das dann nicht immer alles so bequem, was man bei einem solchen Testverfahren sieht. Vielleicht haben deshalb auch die von Ihrer Partei geführten Länder Hemmungen mitzumachen. Ich weiß das nicht. Der Befund zum Leseverständnis zeigt zum einen, denke ich – das hat Frau Kollegin BredeHoffmann sehr gut ausgeführt –, dass wir in dieser Koalition und in dieser Landesregierung auf dem richtigen Weg sind, was den massiven Ausbau der Leseförderung in dieser Legislaturperiode anbetrifft. Ich denke, da ist genau der richtige Schwerpunkt gesetzt worden.

Herr Kollege Keller, ich finde es dann auch immer sehr interessant, was Sie für Alternativen bieten. Das, was Sie eben zur Vollen Halbtagsschule gesagt haben, habe ich auch nicht verstanden. Es gibt dann Ihre Presseerklärungen; dort kann man sich das etwas genauer ans ehen. Diese fallen in der Regel kurz und knapp aus. Zum Beispiel steht dann da, dass die Ganztagsschule kein Teil einer Antwort auf diese Fragen sein kann. Dann frage ich mich schon, ob Sie auch einmal eine öffentliche Debatte verfolgen, ob Sie sich in der Tat – da haben wir öfter einmal Probleme – wissenschaftliche Erkenntnisse anschauen. Da sieht man immer wieder: Wenn im Elternhaus nicht gelesen wird, wenn kein Anreizmaterial vorhanden ist, lesen auch die Kinder nicht. Wenn Sie sich die Ganztagsschulen ansehen, auch mit dem Angebot an Bibliotheken und Leseförderung, das dort stattfindet, denke ich, es ist schon eine Antwort für Kinder aus bildungsfernen Familien, die dort verstärkt ans Lesen herangeführt werden.

(Beifall bei FDP und SPD)

Sie haben dann auch richtigerweise das Problem bei Kindern nicht deutscher Herkunftssprache angesprochen, das wir in den anderen Bundesländern auch vorfinden. Auch da kann ich Ihnen sagen: Wir haben angefangen, massiv Sprachförderkurse in Kindergärten auszubauen. Wir haben die Bildungs- und Erziehungsempfehlungen. Wir sind in der Umstrukturierung der Erzieherinnenausbildung. Hierin liegt genau die richtige Antwort, nämlich Bildung von Anfang an. Wir werden dieses Thema nachher noch im Rahmen der Regierungserklärung diskutieren können. Das ist ein Programm, das insgesamt aufeinander aufbaut. Das sind Maßnahmen, die sukzessive in dieser Legislaturperiode entwickelt worden sind, und das sind die richtigen Antworten auf diese Fragen. Herr Keller, das ist auch ein Konzept, ob Sie das jetzt abwinken oder nicht.

(Beifall bei FDP und SPD)

Um das dann auch in dieser Runde zu Ende zu bringen: Bei Ihnen sehe ich nur den Hinweis darauf, dass es ein ausgearbeitetes Modell „Neue Grundschule“ gibt.

Ich habe die CDU-Homepage, die Fraktionshomepage auf- und abgesucht nach Ihrem tollen Modell „Neue Grundschule“ und höre Ihre Reden jedes Mal aufmerksam an.

(Glocke der Präsidentin)

Ich kenne Ihr Modell „neue Grundschule“ nicht, weil es nirgendwo zu finden ist.

(Beifall des Abg. Franzmann, SPD)

Vielleicht stellen Sie es in den zweieinhalb Minuten einmal kurz vor.

(Beifall der FDP und der SPD)

Das Wort hat Frau Bildungsministerin Ahnen.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! VERA ist uns ein wichtiges Projekt der Grundschulentwicklung. Darauf ist bereits hingewiesen worden.

In Rheinland-Pfalz und in sechs weiteren Bundesländern haben im vergangenen September erstmals Vergleichsarbeiten in Mathematik und Deutsch stattgefunden, nach einem Vorlauf in Mathematik in Rheinland-Pfalz.

Wenn man sich die Ergebnisse anschaut, dann begründen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auf mindestens eineinhalb Seiten, warum man im Rahmen von VERA kein Länderranking machen kann, Herr Abgeordneter Keller.

Sie tun dies fundiert mit den besten Argumenten. Die eineinhalb Seiten haben Sie entweder überschlagen oder nicht zur Kenntnis genommen, weil Sie heute eine eigene Interpretation vorlegen wollten.

(Beifall der SPD und der FDP – Zuruf der Abg. Frau Brede-Hoffmann, SPD – Hartloff, SPD: Ein Problem des Leserverständnisses!)

Ich sage dazu, ich bin jemand, der sich immer dafür eingesetzt hat, dass Studien stattfinden und wir diese Studien für das Bildungssystem wirklich nutzen. Aber wenn ich manchen Umgang mit Studien erlebe, dann könnte ich doch noch einmal Zweifel daran bekommen.

(Beifall der SPD und der FDP – Zuruf des Abg. Lelle, CDU)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, uns sind die wichtigen Ziele von VERA, dass wir Ergebnisse bekommen. Selbstverständlich wollen wir diese auch als Stichprobe auf Landesebene, um Systemmonotoring zu machen, dass wir aber vor allen Dingen Ergebnisse in der Schule bekommen, damit sofort in der Schule eine Dis

kussion stattfinden kann, wir Ergebnisse bezogen auf die Klasse bekommen, es auch eine individuelle Rückmeldung gibt, und zwar nicht im Sinn von Selektion – da sind wir uns alle einig –, sondern ausschließlich im Sinn von Förderung.

Wenn man die Ergebnisse insgesamt betrachtet und die von Herrn Abgeordneten Wiechmann zitierte Definition der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zugrunde legt, kommt man zu den Ergebnissen, dass wir in fünf Bereichen gute Ergebnisse erzielt haben und in zwei Bereichen, bundesweit, Probleme haben – das sind das Leseverständnis und das eng damit zusammenhängende Sachrechnen – und dass diese Probleme bei Kindern mit Migrationshintergrund besonders groß sind.

Wir nehmen die Ergebnisse ernst. Dass man etwas verändern kann, sieht man auch daran, in der ersten Runde in Mathematik hatten wir zum Beispiel noch Ergebnisse bei der Geometrie, bei denen ich gesagt habe, die könnte ich mir noch etwas besser vorstellen.

Der neue Rahmenplan Mathematik betont die Geom etrie, und siehe da, wir haben leichte positive Tendenzen festgestellt. Wir können mit diesem Projekt Unterrichtsentwicklung beeinflussen. Das wollen wir auch so.

Insofern verwundert es auch nicht, dass in dem neuen Rahmenplan Deutsch noch stärker Leseverständnis und Sprache betont werden. Wir nehmen uns dieser Aufgaben an. Wir nehmen sie ernst. Wir setzen das in Unterrichtsentwicklung im Land um.

Die Schulen ziehen ebenfalls Konsequenzen. Sprachund Leseförderung sind der herausragende Schwerpunkt in den Qualitätsprogrammen der Schulen. Sie haben diese Ergebnisse nicht nur zur Kenntnis genommen, sondern sie setzen das in Handeln in der einzelnen Schule um.