Protokoll der Sitzung vom 25.02.2005

„Haltung der Landesregierung zur Höhe der Bezüge und sonstiger Leistungen der Vorstandsmitglieder der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) in Rheinland-Pfalz“ auf Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 14/3857 –

Das Wort hat Herr Kollege Marz für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn wir heute über die Vorstandsgehälter der Kassenärztlichen Vereinigung Rheinland-Pfalz sprechen, dann machen wir das vor dem Hintergrund einer seit langem andauernden Diskussion über die Finanzierung unseres Gesundheitssystems. Wir tun das vor dem Hintergrund, dass wir seit langem Versicherten abverlangen müssen, dass sie sich in einem wesentlich stärkeren Maß, als das früher der Fall war, an den Kosten für Medikamente beteiligen. Wir tun das vor dem Hintergrund von Phänomenen wie der Praxisgebühr. Wir tun das vor dem Hintergrund, dass Ärzte in Krankenhäusern ebenso wie das andere medizinische Personal unter sehr schwierigen Bedingungen arbeiten müssen. Dieses Thema hatten wir schon häufiger.

Vor diesem Hintergrund sind nun in der Presse, aber nicht nur dort, Zahlen aufgetaucht, dass die vier Vorstände der Kassenärztlichen Vereinigung RheinlandPfalz insgesamt 712.000 Euro Jahresgehalt bekommen sollen. Das ist aber noch nicht alles. Wenn man die Nebenleistungen hinzuzieht, summiert sich das auf über 1 Million Euro pro Jahr. Wo ist das Problem?

Dies hier ist ausdrücklich keine Neiddebatte. Das Problem besteht darin, dass mit diesem Geld ein Vor

standswasserkopf, der in weiten Teilen überflüssig ist, finanziert wird. Warum ist das so? Das ist deshalb so, weil wir bislang vier Kassenärztliche Vereinigungen hatten. Das war damals schon ein Anachronismus. Andere Bundesländer, die wesentlich größer als RheinlandPfalz sind, kamen mit einer oder zwei aus. Wir hatten vier und haben das damals schon kritisiert. Nun sind diese vier fusioniert worden. Das ist der einzige Grund, warum wir vier Vorstandsmitglieder haben müssen, vier Vorstandsmitglieder, die jährlich 1 Million Euro und mehr kosten.

Um zu sehen, ob das angemessen ist, muss man das vergleichen. Die Kassenärztliche Vereinigung Bayern, die mehr als dreimal so viele Ärzte wie die rheinlandpfälzische Kassenärztliche Vereinigung zu vertreten hat, kommt mit einem Vorstandsvorsitzenden und einem Stellvertreter aus. Ich möchte nicht so sehr auf die Höhe der einzelnen Vorstandsbezüge abheben, ich möchte aber darauf aufmerksam machen, dass der Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Vereinigung Rheinland-Pfalz, der 6.000 Kassenärzte zu vertreten hat, mehr als der Ministerpräsident des Landes Rheinland-Pfalz verdient und sein Stellvertreter bzw. die „einfachen“ Vorstandsmitglieder ungefähr in der Gehaltsklasse des Ministerpräsidenten liegen. Das ist so ungefähr die Dimension, in der wir uns bewegen.

(Mertes, SPD: Wem werfen Sie das jetzt vor?)

Dazu komme ich noch. Ich habe noch zwei Minuten Redezeit. Ich möchte an dieser Stelle deutlich sagen, dass es eine verantwortungsvolle Tätigkeit ist. Auch eine Kassenärztliche Vereinigung braucht Führung. Diese Führung soll selbstverständlich bezahlt werden. Aber sie braucht aber ausdrücklich keine vier Häuptlinge.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie braucht keine vier Häuptlinge, die allein aus dem Grund bestellt werden – das geht auch aus der Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage von mir hervor, die Frau Dreyer gegeben hat –, man bräuchte dieses Konstrukt, damit diese vier ehemaligen Kassenärztlichen Vereinigungen zusammenwachsen können. Mit Verlaub, das ist Unsinn. Es geht nicht um die Wiedervereinigung von Korea insgesamt, sondern es geht um vier Kassenärztliche Vereinigungen. Bleiben wir doch bitte auf dem Boden. Dafür ist ein solcher Wasserkopf nicht notwendig.

Was kann man nun tun? Es gibt zwei Möglichkeiten. Entweder, man sagt, man braucht das aus absurden Gründen doch. Dann bedeutet das für die Betroffenen natürlich Gehaltsverzicht. Die Verantwortung wird doch auch auf vier Schultern verteilt, also kann man auch im Gehalt heruntergehen. Ich würde die nächste Möglichkeit bevorzugen – das ist aber im Moment nicht der Fall –, dass man sagt, man schafft eine Struktur, in der man mit einem Vorsitzenden und einem Stellvertreter auskommt. Alles andere ist nicht zu vertreten.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Kollege Mertes, Sie fragen, was man tun kann.

(Mertes, SPD: Nein. An wen richten sich Ihre Vorwürfe in diesem Haus?)

Das möchte ich Ihnen gern sagen. Da Sie mir vielleicht nicht so viel vertrauen wie Genossinnen und Genossen von Ihnen, (Glocke der Präsidentin)

will ich Ihnen mit Genehmigung der Präsidentin ein Zitat von Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt vorlesen.

(Mertes, SPD: Das ist natürlich eine Nummer! Da kann ich nicht mithalten!)

Frau Schmidt appelliert an die Ärzte, die soziale Realität nicht aus den Augen zu verlieren, weil letztlich die Patienten die Gehälter bezahlen. Zugleich verwies sie auf Bundes- und Landesbehörden, die das Vorgehen prüfen müssen. – Da sind wir nun bei der Landesbehörde, die das Vorgehen prüfen muss.

(Glocke des Präsidenten – Mertes, SPD: Das ist ein Konstrukt wie „Der letzte Zeuge“, wenn Sie den Film kennen!)

Hier im Landtag sitzt Frau Ministerin Dreyer. Ich möchte heute von Frau Ministerin Dreyer wissen, wie sie ihre Aufsichtsbehördenfunktion in dieser Frage wahrgenommen hat. Aber wichtiger ist mir noch, wie sie das politisch bewertet.

Herzlichen Dank.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich erteile Frau Abgeordneter Ebli das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Man kann in diesem Haus über vieles reden. Ich frage mich aber in der Tat, wie es der Herr Kollege Mertes auch eingeworfen hat, an wen sich die Fragen und die Vorwürfe richten. An das Parlament? An die Regierung?

(Frau Thomas, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Wir haben doch einen Auftrag!)

Ich kann das so nicht erkennen.

(Beifall bei SPD und FDP – Kuhn, FDP: Der Adressat!)

Herr Marz, ich kann verstehen, wenn man die Bezüge der Vorstände sieht, dann kann es einem schon die Tränen in die Augen treiben.

(Marz, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das ist doch einmal eine Antwort!)

Das gestehe ich ein. Für diese Bezüge müssen niedergelassene Ärztinnen und Ärzte oder Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten richtig viele Patientinnen und Patienten behandeln. Das werden sie nicht erreichen. Wir sind uns aber doch wohl einig, es ist eine Angelegenheit der Selbstverwaltung eines demokratisch legitimierten Gremiums, das die Satzung beschließt, das den Rahmen zur Verfügung stellt, dass diese Bezüge möglich sind. Wenn die Vertreterversammlung der Berufsstände die Satzung beschließt, dann haben sie auch die Verantwortung dazu.

(Beifall bei SPD und FDP)

Das ist Teil unserer Demokratie. Dazu stehen wir. Man kann nicht nur Entscheidungen treffen, sondern man muss auch die Verantwortung übernehmen. Sie wissen doch genauso wie wir auch, bezahlen müssen es die Verbände,

(Zuruf des Abg. Marz, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

nicht die Verbände, sondern die niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte und Psychotherapeutinnen und -therapeuten. Der Verwaltungsanteil wird sich erhöhen. Das geht von ihrem Einkommen und ihren Einnahmen ab.

(Marz, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Hier steht das Zitat von Ulla Schmidt! – Mertes, SPD: Ist ja alles gut und schön, aber was hat das in diesem Landtag zu suchen?)

Wenn denen das recht ist, dann kann uns das einfach billig sein.

Herr Marz, das, was Sie vor dem Hintergrund von Selbstverwaltung, von Selbstbeteiligung, von Praxisgebühr, von Arbeitsbedingungen im Krankenhaus aufzählen, sind alles Gründe, die die Selbstverwaltung nicht zu vertreten hat. Das waren andere, die Entscheidungen getroffen haben. Von daher verstehe ich es nicht ganz.

Wir meinen, rechtlich ist das nicht zu beanstanden. Moralisch?

Danke schön für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei SPD und FDP)

Ich erteile Herrn Abgeordneten Dr. Enders das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Da ich kein Kassenarzt bin, fällt es mir relativ leicht, zu dem Thema zu sprechen. Man wird mir nicht Lobbyismus vorwerfen können.

Das sind keine astronomischen Summen – so wird der Präsident der Landesärztekammer am 21. Februar in

der „Rheinpfalz“ zitiert, angesprochen auf die hohen Bezüge und sonstigen Leistungen der Vorstandsmitglieder der Kassenärztlichen Vereinigung Rheinland-Pfalz. Dem möchte ich widersprechen. Es sind sehr hohe Summen. Für die Masse der Menschen sind es in der Tat astronomische Summen, auch im Vergleich mit den Diäten der Abgeordneten in diesem Haus.

(Frau Ebli, SPD: Aber doch keine Neiddiskussion, Herr Kollege!)

Ich vergleiche doch nur. 712.000 Euro machen die Bezüge aus.

Ich möchte nicht wie der DGB-Landesvorsitzende von „Raffgier ohne Ende“ sprechen, aber andererseits halte ich diese Gehaltsstruktur der Ärztefunktionäre in der Tat angesichts der Belastungen der Patienten im Gesundheitswesen nicht für besonders sensibel und nicht für besonders instinktvoll, auch wenn sich die Gesamtsumme der Ausgaben für Bezüge durch die unserer Ansicht nach unnötige Zusammenlegung der Bezirkskassenärztlichen Vereinigungen kaum geändert hat und auch unter dem Gesichtspunkt, dass die Zahl der Vorstandsmitglieder nach der ersten Wahlperiode um mindestens einen, vielleicht sogar um zwei reduziert werden kann. Andererseits geht es hier bei der Bezahlung um die Bezahlung von Ärzten in Managementfunktionen. In anderen Branchen – im öffentlichen Leben, in der Wirtschaft – werden diese Beträge natürlich auch gezahlt, teilweise viel höhere.

Nur hier bei den Gehältern der Ärztefunktionäre ist die Gefahr gegeben, dass in der öffentlichen Wahrnehmung der falsche Eindruck entstehen könnte, als wenn die große Masse der Mediziner solche Einnahmen hätte. Das ist völlig falsch. Das kann jeder anhand von Statistiken nachlesen.

Ein weiterer Aspekt darf aber nicht vergessen werden. Das hat der Kollege Marz etwas unterschlagen. Frau Ebli hat es erwähnt. Da sind wir hier einmal einer Meinung mit der SPD-Fraktion. Diese Gehälter werden aufgebracht aus Einkommen der Kassenärzte für medizinische Leistungen, die sie erbracht haben. Das ist ihr privates Geld, das sie verdient haben. Es wird nicht zusätzlich von den Patienten und auch nicht direkt von den Patienten aufgebracht. Es schmälert ihr Einkommen – so muss man das einfach einmal sehen – im Unterschied zu den ähnlich hohen Gehältern von Vorstandsvorsitzenden von großen Krankenkassen in Deutschland; denn diese Gehälter werden explizit sofort direkt aus den Kassenbeiträgen der Mitglieder bezahlt. Das muss man unterscheiden. Das ist ein ganz großer Unterschied.

(Itzek, SPD: Die kriegen auch das Geld von den Kassen! – Ebli, SPD: Die haben auch nicht so viel!)