Protokoll der Sitzung vom 03.06.2005

Weiterhin wird darauf verwiesen, dass das Budget der Krankenhäuser um 0,2 Prozentpunkte erhöht wurde, die die Krankenhäuser wiederum für die Vergütung der Ärzte einsetzen könnten. Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, 0,2 %, ich bitte Sie! – Was will man damit machen? Damit können Sie – pfälzisch gesprochen – keinen Hund hinter dem Ofen hervorlocken!

Fazit: Wir müssen den jungen Medizinstudenten Perspektiven bieten, sowohl was die Tätigkeit im Krankenhaus oder in der eigenen Praxis als auch in einem Verbundsystem anbelangt. Medizinische Versorgungszentren sind prinzipiell eine gute Sache. Auch die integrierte Versorgung ist ein neuer Weg. Aber ich möchte ausdrücklich darauf hinweisen, die CDU/CSU will nicht, dass über solche Versorgungszentren peu à peu die

frühere Politik in der DDR eingeführt wird. Das wollen wir nicht. Wir wollen diese Zentren in unternehmerischer Verantwortung, in freier Trägerschaft wissen, und wir wollen keine Staatsmedizin im ambulanten Versorgungsbereich.

Danke schön, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall der CDU)

Für die FDP-Fraktion hat Herr Abgeordneter Dr. Schmitz das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Thema ist zu wichtig und für die Bevölkerung auch zu gravierend, als dass man auf der einen Seite Schönrederei betreiben und auf der anderen Seite in Panikmache verfallen sollte. Ich bin deshalb dankbar, dass diese Große Anfrage so gestellt und so beantwortet wurde. Ich glaube, es war deshalb so wichtig, weil auch die Medien das Thema aufgegriffen haben und weil wir auch faktisch ein Zunehmen dieses Problems festhalten müssen: Da kommt quasi eine Wetterfront aus dem Osten, die zurzeit Rheinland-Pfalz noch nicht erreicht hat, und es wird Aufgabe der Politik sein, dafür zu sorgen, dass sie Rheinland-Pfalz auch nicht erreichen wird.

In Rheinland-Pfalz ist die Welt also fast noch in Ordnung. Ich sage deshalb „fast“, weil in der Tat ein StadtLand-Gefälle besteht. Ich möchte nun das arg strapazierte Bild von Kühlschrank und Herdplatte nicht wieder bemühen, aber das muss man sehen. Es ist ein großer Unterschied, ob ich in Mainz-Innenstadt einen Urologen suche oder in Neuerburg zwischen luxemburgischer und belgischer Grenze.

Meine Damen und Herren, man muss – das darf ich jetzt neu in die Diskussion einbringen – auch den Unterschied zwischen ambulant tätigen und niedergelassenen Ärzten sehen. Wenn wir mit der Gesamtzahl der Ärzte keine Probleme haben, so muss man dennoch feststellen, dass im Bereich der niedergelassenen Ärzte in ländlichen Gebieten langsam erste Menetekel an der Wand zu sehen sind. Dies ist nicht nur Medienberichterstattung, sondern dafür gibt es auch entsprechende Hintergründe.

Wenn Professor Hessenauer, der Präsident der Landesärztekammer, festhält, dass es in den letzten vier Jahren ein Drittel weniger junge Ärzte gegeben hat, so ist dies kein Zeichen dafür, das für die Zukunft Hoffnung macht, sondern es ist ein klares Signal, dass man sich dieser Problematik annehmen muss.

Es gibt einige Punkte, die nachdenklich stimmen und die auf Dauer Probleme bereiten können, wenn man sie nicht rechtzeitig ernst nimmt: Dies ist zum einen der Rückgang der Approbationsquote, und das ist die Zunahme der Frauenquote bei Studenten und Studentin

nen. Das sind keine schlechteren Ärztinnen als ihre männlichen Kollegen, um das klarzustellen, aber der Anteil der in Teilzeit Tätigen wird zunehmen, sodass die insgesamt leistbaren Arbeitsstunden zurückgehen. Dies ist ein klarer Hinweis auf familienpolitische Maßnahmen.

Meine Damen und Herren, aber so wichtig auch Ärzte in der Forschung sind, so nachteilig ist es dennoch, wenn Ärzte mit dieser aufwendigen und für den Steuerzahler auch extrem teuren Medizinausbildung nachher medizinferne Berufe anstreben, Frau Kollegin Ebli. Es gehen eben nicht alle in medizinnahe Berufe, und es ist auf Dauer auch nicht hinnehmbar, dass deutsche Ärzte – bundesweit immerhin 12.000 Stück – ins westliche Ausland gehen und wir dafür mit polnischen Ärzten auffüllen. Dies macht deutlich, dass etwas nicht mehr im Gleichgewicht ist. Dass Veränderungen kleiner Rahmenbedingungen große Auswirkungen haben, sieht man daran, dass per Ryanair auf dem Hahn jeden Freitag ein Notdiensttourismus nach England stattfindet, der schon bemerkenswert ist.

(Frau Ebli: Das spricht für die schlechte Versorgung in England!)

Das spricht unter anderem für die schlechte Versorgung eines staatlich gegängelten Systems in England, das kann ich nur unterstreichen.

Meine Damen und Herren, die Attraktivität des Berufsbildes ist zurückgegangen, das muss man festhalten. Vielleicht war die Attraktivität dieses Berufsbildes eine Zeit lang sogar zu hoch. Ich glaube, auch das kann man festhalten. Aber wir sind nun nicht auf dem Weg in eine solide Balance, sondern es droht etwas kaputtzugehen, das in diesem Bereich nicht kaputtgehen darf. Ich kann die Mängel, die bereits aufgezählt wurden, nur unterstreichen: ungünstige Arbeitszeiten, schlechtere Bezahlung, schwierige Fortbildungsbedingungen, schlechte Vereinbarkeit von Familie und Beruf, Gängelung durch Bürokratie. – Aber dies ist lediglich die taktische Ebene. Das ist das, was man aktiv machen muss.

Vom Grundsatz her müssen wir uns entscheiden, ob wir auf Dauer als Staat eine Notsituation verhindern wollen oder ob wir auf Dauer auf der Strategieebene das anstreben, was sich alle Parteien für die Zukunft vorgenommen haben: eine Neuaufstellung sowohl auf der Ausgabenseite als auch auf der Einnahmenseite.

Heute Morgen ist in der Fragestunde schon der Hinweis gefallen, dass eine Partei das Modell der Bürgerversicherung vorgelegt hat. Das Modell der CDU, das sehr kompliziert ist, ist uns zwischenzeitlich ebenfalls bekannt.

Ich empfehle – auch ohne Wahlkampfattitüde –, Ihre Aufmerksamkeit dringend einmal auf das Modell der FDP zu richten, von dem ich überzeugt bin, dass es ein sehr interessanter Ansatz ist, Soziales ins Zentrum zu stellen,

(Zuruf des Abg. Dr. Altherr)

Es ist ein Modell, das in der Lage ist, eine Versorgung der Bevölkerung auf Dauer sozialverantwortlich zu garantieren,

(Frau Ebli, SPD: Herr Kollege, diese Frage wird nicht in diesem Haus entschieden!)

ohne das Gesundheitssystem als einen ganz wesentlichen Teil unserer Volkswirtschaft mit 4,2 Millionen Mitarbeitern administrativ immer nur so zu beeinflussen, dass man versucht, Kosten zu dämpfen, anstatt dieses System in einen gesteuerten und von den staatlichen Rahmenbedingungen her sehr solide anzuleitenden Wettbewerb zu entlassen, von dem ich überzeugt bin – Herr Kollege Dr. Altherr, darin haben wir einen kleinen Widerspruch –, dass nur er auf Dauer in der Lage ist, das Soziale dieses wichtigen Systems zu garantieren.

Ich danke Ihnen.

(Beifall der FDP – Frau Ebli, SPD: Und das Solidarische?)

Auch das Solidarische, Frau Kollegin Ebli. Lesen Sie es einmal ganz angstfrei, das tut insgesamt sehr gut.

(Beifall der FDP)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat Herr Abgeordneter Marz das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Sollte sich jemand im Raum befinden, der die Ausführungen meines Vorredners verstanden hat, ich gehöre nicht dazu. Ich habe nur gelernt, dass die Gefahr wieder aus dem Osten kommt und dachte, das hätten wir längst hinter uns.

(Heiterkeit beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sprechen wir über die Zukunft der ärztlichen Versorgung in Rheinland-Pfalz. Die Große Anfrage der SPDAbgeordneten lautet nur „Ärztliche Versorgung in Rheinland-Pfalz“ und bezieht sich in der Hauptsache auf die Vergangenheit. Herr Kollege Dr. Altherr, ob die direkt in der Regierung geschrieben wurde, weiß ich auch nicht. Aber ich gebe Ihnen insofern Recht, als es ein bisschen so klingt, als hätte jemand angerufen und gesagt: Fragt uns einmal das, wir hätten da ein paar Antworten für euch. – Deshalb ist es nicht gerade sehr aussagekräftig, was herausgekommen ist.

Wenn man sich ein bisschen Mühe gibt, kann man allerdings einiges herauslesen. Ich habe mich über einige zart angedeutete Schlussfolgerungen gewundert. Die Altersstruktur der Ärzteschaft in Rheinland-Pfalz sieht so aus, dass das Durchschnittsalter stetig steigt und in den nächsten zehn Jahren 1.295 Ärzte die Altersgrenze erreichen werden. Dadurch scheiden altersbedingt viele

Ärzte aus. Allein dadurch droht, dass die Zahl der Ärzte absinkt. Das ist nicht der einzige Faktor. Das wird gar nicht beschönigt. Das wird nüchtern in der Antwort auf die Große Anfrage dargestellt.

Es kommt aber etwas hinzu: Das ist die Frage der Attraktivität des Arztberufes. Das ist schon angesprochen worden. Darüber muss man sehr deutlich reden. Man müsste auch darüber reden, was man daran machen kann. Das Problem ist erhoben worden. Man hat versucht herauszufinden, woran sich im Einzelnen die Unattraktivität des Arztberufes festmachen lässt. Ist es die Frage der Überstunden, der Arbeitszeiten, der zeitlichen Belastung überhaupt? In diesem Zusammenhang ist auch die Teilzeit zu nennen. Das Problem der Ärzte in den Kliniken ist nicht, dass sie Teilzeit arbeiten, sondern dass sie in Kombination mit anderen Faktoren, ohne dafür bezahlt zu werden, weit mehr arbeiten sollen, als es ihr Stundenkontingent ausmacht. Diese jungen Ärzte und Ärztinnen empfinden es neben anderen Faktoren schlicht und ergreifend zu Recht als unfair, dass sie das machen müssen.

Hinzu kommt aber, dass durch die Arbeitszeiten und die enormen Belastungen eine Vereinbarkeit von Familie und Beruf im Arztberuf enorm schwierig ist. Vor einigen Monaten gab es in Mainz dazu eine Veranstaltung. Den dort anwesenden Kolleginnen und Kollegen des Landtags wurde sehr deutlich, dass das ein sehr großes Problem für die Ärzte ist.

Es wird aber auch die steigende Bürokratie genannt. Auch das muss man ernst nehmen. Hierarchische Strukturen in den Krankenhäusern werden ebenfalls genannt. Wie sieht das aus? Ich habe nicht nur bei der Beantwortung dieser Großen Anfrage, sondern auch schon zu früheren Zeiten immer wieder Meldungen gelesen, dass von Klinikärzten die hierarchischen Strukturen beklagt werden. Es wird von einem autoritären Führungsstil gesprochen. Den scheint es zu geben. Er sorgt zum Beispiel dafür, dass sich Ärzte in Teilzeit nicht darauf verlassen können, dass ihre Teilzeit eingehalten wird. Es sieht irgendwie so aus, wenn man sich das Bild der Halbgötter in Weiß vor Augen hält, dass der Ärztehimmel mehrere Klassen umfasst und es dort auch welche gibt, die sozusagen höchstens Hilfsgötter in Weiß sind.

(Dr. Altherr, CDU: Das gibt es überall!)

Wenn ich mir eine weitere Aussage in der Beantwortung der Großen Anfrage anschaue, erinnere ich mich an eine sehr lang zurückliegende Diskussion, als es darum ging, dass Lehrlinge nicht mehr Lehrlinge, sondern Auszubildende heißen sollten. Damals hat man gesagt, das muss auch gefühlt werden, und sie sollen keine ausbildungsfremden Arbeiten wie Bier holen oder kehren. Hier habe ich gefunden, dass sich Ärzte in Kliniken stark darüber beschweren, dass sie in ganz starkem Maß arztfremde bzw. nicht ärztliche Aufgaben zu machen haben.

(Dr. Altherr, CDU: Bier mussten wir keines holen!)

Sie mussten kein Bier holen. Herr Dr. Altherr, aber ich weiß nicht, ob das heute noch so ist. Ich hoffe, dass in

den Kliniken zumindest von den Ärzten nicht so viel Bier getrunken wird.

(Zuruf des Abg. Kuhn, FDP)

Auch die Bezahlung wird beklagt. Man muss einräumen, das Bild des gut bezahlten Arztes, der gut bezahlten Ärztin, die von dem Beruf in den Kliniken oder in den Praxen reich werden kann, ist zumindest hoch differenziert. Es gibt natürlich Ärzte, die mit ihrem Beruf sehr viel Geld verdienen können. Es gibt aber auch Ärzte, die sehr viel arbeiten müssen und nicht sehr viel Geld verdienen bzw. unangemessen wenig verdienen. Im praktischen Bereich sind das zum Beispiel die Kinderärzte, die in der Regel einen guten Job machen, aber vergleichsweise wenig verdienen.

Wenn ich mir das alles anschaue, dann wundere ich mich nicht, dass neben dieser Altersfluktuation, die ich eingangs erwähnt habe, hinzu kommt, dass viele Ärztinnen und Ärzte nicht mehr im eigentlichen Arztberuf arbeiten, sondern versuchen, in Jobs unterzukommen, in denen zumindest einige dieser Nachteile des Arztberufes so nicht mehr auftauchen. Sie gehen zum Beispiel in den Medizinischen Dienst.

Es gibt auch viele Ärzte, die ins Ausland gehen, weil dort die Arbeitsbedingungen besser sind. Ich weiß nicht, ob bestimmte Maßnahmen, die sich zum Beispiel aus dem Gesundheitsmodernisierungsgesetz ergeben, ausreichen, um diesem Trend entgegenzuwirken. Ich habe da eher meine Zweifel.

Ich sehe nur, dass auf uns ein Problem in den kommenden zehn Jahren zuwächst, für das ich von der Seite der politisch Verantwortlichen keine ausreichenden Antworten sehe. Ich schaue mir die Aussage zu der Antwort auf die Große Anfrage zu der Frage der Studierendenzahl in der Humanmedizin an. Herr Dr. Altherr, diese Studierendenzahl geht tatsächlich nur sehr leicht zurück. Einen nachhaltigen Trend kann man daraus nun wirklich nicht ableiten. Aber selbst wenn sie gleich bleibt, muss man sagen, es besteht ein gewisser Handlungsbedarf, sonst kann man sich in Zukunft zurückziehen.

Sie erinnern sich, als es damals um die Klinikärzte ging. Man kann dann sagen, wir wollen, aber wir können nicht, weil es keine Ärzte gibt. So kann es auch nicht gehen. Hier sagt die Landesregierung: Wir sehen keinen Bedarf für eine Änderung. – Ich sehe einen aktuellen Bedarf für eine Änderung; denn eine Änderung in diesem Bereich wird sich sicher erst in fünf bis zehn Jahren auswirken. Genau dann muss es sich auswirken.

Wenn wir über Studierendenzahlen im Bereich der Humanmedizin sprechen, dann muss ich Sie noch einmal ansprechen, Herr Dr. Altherr. Man muss natürlich auch immer überlegen, wenn man insgesamt über Studiengebühren spricht, könnte eine Einführung von Studiengebühren natürlich auch in diesem Bereich äußerst negative Nachteile haben.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD)

Das sollten Sie vielleicht auch einmal bedenken, wenn Sie in anderen Kreisen unterwegs sind.

(Zuruf des Abg. Dr. Altherr, CDU)