Ich fasse zusammen: Wenn ich mir allein anschaue, wie die Altersfluktuation in den nächsten zehn Jahren aussieht, wie die Wegbewegung von vielen ausgebildeten Ärzten und Ärztinnen aus dem ärztlichen Beruf aussieht, wie es mit den Ärzten aussieht, die ins Ausland gehen – ich will nicht sagen, die ins Ausland flüchten –, um dort unter besseren Bedingungen zu arbeiten, wenn ich mir allein diese drei Faktoren anschaue, dann sage ich Ihnen, dass Handlungsbedarf besteht. Das Fazit in der Beantwortung der Großen Anfrage ist mir angesichts dieser Tatsachen entschieden zu passiv. Sie müssen da mehr tun.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Herren und Damen! Ich bin froh, dass zumindest Einigkeit an dieser Stelle hier im Hause herrscht, dass wir zurzeit in Rheinland-Pfalz die ärztliche Versorgung sichergestellt haben. Ich finde, das ist eine wichtige Botschaft. Die Bürgerinnen und Bürger sollten wissen, dass sie zurzeit nicht in der Situation sind, dass es irgendwo eine ärztliche Unterversorgung geben könnte. Sowohl im ambulanten als auch im stationären Bereich ist in den letzten zehn Jahren die Anzahl der berufstätigen Ärzte und Ärztinnen regelmäßig gestiegen. Nach der neuesten Statistik der Landesärztekammer waren im Jahr 2004 mit 17.099 Ärzten und Ärztinnen 1,7 % mehr Ärzte und Ärztinnen registriert als im Jahr zuvor.
Man kann damit einfach auch zusammenfassen, dass das, was die Kassenärztliche Bundesvereinigung prognostiziert hat, nämlich einen starken Rückgang der Vertrags- bzw. Facharztzahlen, hier in Rheinland-Pfalz nicht festzustellen ist, sondern wir in allen Bereichen der vertragsärztlichen Versorgung erkennbar einen Zuwachs haben.
Herr Dr. Altherr, ich komme gleich darauf zu sprechen. Ich habe das auch in der Großen Anfrage nicht beschönigt, aber ich finde es schon wichtig, den Bürgern auch deutlich zu sagen, wir haben im Moment keine Krisensituation hier in Rheinland-Pfalz. Die Verschiebung der Altersstruktur ist hier klar angesprochen worden. Das muss man auch zur Kenntnis nehmen. Während 1994 das Durchschnittsalter der Vertragsärztinnen und -ärzte noch 47,42 Jahre betrug, liegt es heute immerhin schon
bei 49,87 Jahren. Das lässt einfach prognostizieren, wie sich die Altersstruktur weiterentwickeln wird.
Zur Zahl der Studierenden ist mir wichtig, auch noch einmal die Zahl zu erklären, weil es offensichtlich Irritationen gegeben hat. Seit dem Jahr 2001 ist mit 2.800 Studierenden die Anzahl weitgehend konstant geblieben. Das gilt auch für die Zahl der Studienabschlüsse mit durchschnittlich 157. Sie war im letzten Herbst etwas heruntergegangen, im Frühjahr 2005 beträgt sie aber wiederum 157. Man kann also schon davon sprechen, dass in den letzten Jahren diese Zahlen konstant geblieben sind.
Ich denke, unser Bestreben müsste eigentlich sein, den Arztberuf weiterhin an Attraktivität zu steigern, weil unser Problem im Moment nicht unbedingt die Anzahl der Studierenden ist, sondern vielmehr das Problem, dass ganz viele – Frau Ebli hat es gesagt – nicht mehr den Arztberuf als ihren Beruf wählen. Daran müssen wir natürlich arbeiten.
In Rheinland-Pfalz ist also im Vergleich zu anderen Ländern eine relativ entspannte Situation. Ich glaube, dass das Problembewusstsein inzwischen so groß ist, dass das, was Sie, Herr Dr. Altherr, angedeutet haben, nicht unbedingt eintreten muss, dass wir nämlich in Zukunft nicht unbedingt in die Situation anderer Bundesländer kommen müssen. Das bedeutet aber natürlich, dass wir alle gemeinsam daran arbeiten, dass diese Situation bleibt, wie wir sie wollen, dass wir nämlich in Rheinland-Pfalz eine qualitativ hochwertige und auch flächendeckende Versorgung auch in Zukunft sicherstellen können.
Es ist interessant, das Bundesministerium für Gesundheit und soziale Sicherung hat eine Studie in Auftrag gegeben, die der aktuellen Situation und den Gründen für den Ausstieg aus der kurativen ärztlichen Berufstätigkeit in Deutschland nachgegangen ist, und zwar durch Befragung von Ärzten und Ärztinnen höchstpersönlich.
Herausgekommen ist, dass die maßgeblichen Gründe vor allem die hohe Arbeitsbelastung, die Arbeitsbedingungen, das Thema „Vereinbarkeit von Familie und Beruf“ sowie auch Probleme beim Wiedereinstieg nach einer Unterbrechung der ärztlichen Tätigkeit sind, die den Arztberuf außerordentlich unattraktiv erscheinen lassen. Wenn wir diese Problemanalyse zur Verfügung haben, sind wir auch in der Situation zu handeln.
Einige Beispiele – vieles ist schon genannt worden – wo wir Handlungsmöglichkeiten haben: Auf das große Repertoire, das den Kassenärztlichen Vereinigungen und den Krankenkassen zur Verfügung steht, hat Frau Ebli ausreichend hingewiesen. Natürlich ist die Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung Aufgabe der Kassenärztlichen Vereinigung. Das erkennt sie auch an. Die Kassenärztliche Vereinigung hat nie von uns verlangt, dass wir in Zukunft die Sicherstellung gewährleisten müssen, sondern sie nimmt es auch als eigenverantwortliche Aufgabe natürlich in Anspruch.
Natürlich ist es möglich, dass die Kassenärztliche Vereinigung auch Anreize für Vertragsärzte und -ärztinnen bietet, vor allem auch im ländlichen Bereich, sich in
diesen Regionen niederzulassen, zum Beispiel durch Umsatzgarantien, durch die Errichtung von Eigeneinrichtungen und durch Sicherstellungsgremien. All das ist vorhin aufgezählt worden.
Herr Dr. Altherr, wenn Sie heute sagen, dass dafür die Kassenärztlichen Vereinigungen kein Geld haben, sage ich nur, es gibt Bundesländer, wo der Ärztemangel bereits eingetreten ist, wo Kassenärztliche Vereinigungen gemeinsam mit den Kassen auch Lösungen in diesem Sinn gefunden haben, und zurzeit diese Debatte überhaupt nicht ansteht, weil wir die Situation nicht haben. Aber natürlich müssen die Kassenärztliche Vereinigung und die Krankenkassen selbstverständlich – – –
Selbstverständlich. Aber zu finanzieren sind die Sicherstellungsaufträge nach dem Gesetz auch anteilig zwischen der Kassenärztlichen Vereinigung und den Krankenkassen. Das ist eine Selbstverständlichkeit. Die Instrumente sind da. Die Partner müssen sich perspektivisch auch miteinander darüber verständigen.
Ich denke, ein wichtiger Punkt, den die Landesregierung gemeinsam mit den Krankenkassen erreicht hat, ist das Thema „Bereitschaftsdienst“. Im ländlichen Bereich sind die Notdienste besonders unbeliebt, oder die niedergelassenen Ärzte haben eigentlich das besondere Problem, dass sie die vielen Bereitschaftsdienste und Notdienste gewährleisten müssen. Ich glaube, das rheinland-pfälzische Konzept zur Schaffung von Notfalldienstzentralen in Rheinhessen und der Pfalz hat sich durchaus bewährt. Die Landesregierung setzt sich dafür ein, dass dieses Konzept auch im Norden und Westen des Landes umgesetzt werden kann. In diesem Sinn möchte ich mich auch herzlich bei Herrn Kollegen Bruch bedanken, der maßgeblich an dieser Sache gemeinsam mit den Krankenkassen mitgewirkt hat, zumal aus seinem Ministerium auch ein Teil der Investitionsmittel herkommt.
Weitere Lösungsansätze – die spielen heute alle keine Rolle, aber damit muss man sich auseinander setzen, wenn man über die Zukunft spricht – sind natürlich auch eine differenzierte Bedarfsplanung; denn in Ballungsräumen haben wir eine Überversorgung, während im ländlichen Raum eher eine Unterversorgung zu befürchten ist. Zu nennen ist möglicherweise auch die Lockerung von Altersgrenzen in Einzelfällen oder auch eine großzügigere Zweitpraxenregelung und die Zulassung von mehr Assistenten und Assistentinnen.
Bevor mir die Zeit wegläuft, möchte ich noch einige Sätze zum stationären Sektor sagen. Auch da sind alle Gründe genannt worden, warum dieser Beruf inzwischen im Krankenhaus als unattraktiv empfunden wird. An erster Stelle steht natürlich die hohe Arbeitsbelastung, das Thema „Mangelnde Vereinbarkeit von Familie und Beruf“ und auch die hierarchischen Strukturen. Natürlich sind die Krankenhausträger wirklich an dieser Stelle gefordert. Sie haben Handlungsoptionen sowohl, was die Arbeitszeitgestaltung betrifft, als auch, was das
Thema betrifft, Organisationen zu schaffen, die zu einem Abbau von Hierarchie führen und Ärzten und Ärztinnen, die auch jünger sind, so in ihren Betrieb einzubinden, dass sie sich nicht gegängelt fühlen, sondern sich als gleichberechtigte Partner in diesem System entwickeln können und gern im Krankenhaus tätig sind. Diese Erwartung muss man an die Krankenhausträger stellen, stärker vielleicht als in der Vergangenheit. Es gibt gute Beispiele, aber wir haben noch zahlreiche Beispiele in Rheinland-Pfalz, wo man sich eine andere Entwicklung wünschen würde.
Zur Entbürokratisierung: Das ist mir selbst ein großes Anliegen. Viele Ärzte und Ärztinnen beklagen, dass sie einfach zu viel Bürokratie zu bewältigen haben. Ich habe deshalb gemeinsam mit der Kollegin aus Sachsen bei der letzten Gesundheitsministerkonferenz angeregt, eine Arbeitsgruppe einzurichten. Sie wird in der diesjährigen Gesundheitsministerkonferenz ihren Bericht vorlegen, um den Dokumentationsaufwand im Gesundheitswesen zu reduzieren, und klare konkrete Schritte vorschlagen. Wir sind sehr gespannt, wie weit diese Arbeitsgruppe gekommen ist.
Ich verweise gern auch noch einmal auf unser Modellprojekt im Krankenhaus Birkenfeld, wo wir mithilfe einer papierlosen Patientenakte ausprobieren oder erproben, wie es durch diese elektronische Patientenakte möglich ist, Dokumentationsaufwand zu reduzieren. Nach heutigem Kenntnisstand bedeutet das 30 % weniger bürokratischen Aufwand seitens der Ärzte und Ärztinnen, aber auch des Pflegepersonals. Ich denke, das sind die richtigen Zeichen für die Zukunft. Solche Dinge müssen wir weiterentwickeln, um das Thema: „Entbürokratisierung“ auch in den Griff zu bekommen.
Lassen Sie mich abschließend nochmals festhalten, die ärztliche Versorgung in Rheinland-Pfalz ist sichergestellt. Alle Beteiligten haben sich auf den Weg begeben, die einen intensiver als die anderen. Aber ich war sehr froh, auch noch einmal bei dem Sommerfest der Landesärztekammer, auch nochmals aus dem Mund des Präsidenten zu hören, dass sie sich wirklich dieses Thema auf ihr eigenes Programm geschrieben haben und dafür sorgen wollen, dass für dieses Thema vor allem für den Bürokratieabbau, für das Thema „Vereinbarkeit von Familie und Beruf“ stärkere Ansatzpunkte entwickelt werden sollen und natürlich vor allem für das Thema „Wie sichern wir in Zukunft in dem ländlichen Rheinland-Pfalz eben auch auf dem Land die niedergelassenen Hausärzte und Fachärzte?“. Ich denke, wenn wir gemeinsam diese Schritte gehen, werden wir das auch hinbekommen.
Aus diesem Grund wird das Ministerium noch in diesem Jahr mit unseren Partnern gemeinsam konkrete Handlungsmöglichkeiten in Rheinland-Pfalz im Rahmen eines zweitägigen Expertenworkshops herausarbeiten, um dann tatsächlich auch noch einmal konkrete Schritte gemeinsam zu vereinbaren.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Ich will noch einmal auf drei Punkte aufmerksam machen; denn man kann sich manchmal in einer Sicherheit fühlen, die nicht gegeben ist.
Wir haben jetzt über die offiziellen Zahlen gesprochen. Wir haben aber nicht betrachtet, wie es zurzeit in der Realität aussieht. Es gibt nämlich eine stille Verabschiedung von denjenigen, die in den Statistiken noch enthalten sind, aber früher aufhören werden und nicht bis 63, 65 oder sogar 68 arbeiten werden. Die Tendenz ist zurzeit sehr stark ausgeprägt, dass diejenigen, die schon lange im Dienst sind, diese Bürokratie nicht mehr mitmachen. Wenn wir jetzt die ersten Abrechnungen für das erste und zweite Quartal nach dem IBM 2000 plus bekommen, wird sich diese Tendenz verstärken, weil es selbstverständlich erhebliche Einschnitte und Veränderungen geben wird. Das ist der erste Punkt.
Der zweite Punkt ist, es geschieht immer zeitversetzt. Wenn in den Krankenhäusern die Assistenzärzte fehlen, fehlen fünf, sechs, acht, zehn Jahre später die Fachärzte und niedergelassenen Kollegen. Es gibt zurzeit schon erhebliche Anstrengungen. Wir haben zwar noch viele Stellen besetzt, aber es finden erhebliche Anstrengungen statt, um diese Stellen überhaupt noch zu besetzen.
Ich kann allen nur empfehlen, durch ein Krankenhaus zu gehen und zu schauen, wie viele der Assistenzarztstellen besetzt sind und mit wem sie besetzt sind. Sie haben selbst die Auskunft gegeben, von 900 ausländischen Ärzten sind über 500 im stationären Bereich tätig. Auch da muss man fragen. Man müsste überlegen, ob man eine Qualitätssicherung einführt, dass alle zumindest die Sprache beherrschen; denn die Sprache ist das Bedeutendste – – –
Nein. Es ist nicht so. Auch im Niedergelassenenbereich haben wir diese Hürden genau nicht. Deshalb müssen wir in diesem Bereich etwas tun. Die Folgen zeigen sich erst später. Das werde ich auch noch sehr deutlich sagen.
Der dritte Punkt ist, Sie reden von Entbürokratisierung. Alle Gesetze, alle Veränderungen, die wir in den letzten Jahren gemacht haben, haben mehr Bürokratie und Aufwand gebracht. Alle Dokumentationsaufgaben in den Krankenhäusern sind zusätzlich gekommen. Die Aufgaben werden zusätzlich erledigt.
Reden Sie einmal mit den niedergelassenen Kollegen. Ich nenne nur ein Stichwort „DMP“ – Desease Management Programme, die Einzelverträge. Sie müssen für jede einzelne Sache einzelne Verträge vorhalten. Diese müssen ausgefüllt und bearbeitet werden. Da liegt die ganze Crux in der Geschichte. Viele Ärzte sind nicht
mehr bereit, diesen Aufwand zu betreiben; denn diese Zeit geht letztendlich den Patientinnen verloren, und da setzt Qualität ein. Wir reden zu viel über Qualitätssicherung. Wir müssen die Qualitätssicherung wieder herstellen, indem die Ärzte wieder mehr Zeit für die Patienten haben.
Vielen Dank, Frau Präsidentin! Herr Dr. Altherr, Sie haben das verstärkte Denken der Ökonomie kritisiert. Ich denke, das dürfen wir nicht beklagen; denn die Ökonomie kann nicht außen vor bleiben, wenn unser Gesundheitssystem weiterhin finanzierbar bleiben soll.
Hier brauchen wir einfach diese vertrauensvollen Partnerschaften zwischen Versicherern, Versicherten und Leistungserbringern. Das muss so bleiben. Da darf der ökonomische Gedanke nicht hintanstehen. Ich denke, das ist selbstverständlich.
(Dr. Altherr, CDU: Das darf nicht im Vordergrund des ärztlichen Handelns stehen! Das habe ich gesagt!)