Protokoll der Sitzung vom 14.09.2005

Ich will die Redezeit nicht ganz ausnutzen

(Dr. Weiland, CDU: Bravo!)

und kurz zusammenfassen, dass die unterbreiteten Angebote nicht greifen. Ich wiederhole: Lassen Sie uns darüber nachdenken, ein Unterrichtsfach Gesundheitserziehung – nicht heute, aber vielleicht morgen – einzuführen.

Lassen Sie uns heute Abend alle beim Parlamentarischen Abend der Landwirtschaft daran denken, sich nicht fehlzuernähren. Wer dies dennoch tut, den lade ich morgen früh um 7:30 Uhr zum Joggen ein.

Vielen Dank.

(Beifall der CDU)

Ich erteile Herrn Abgeordneten Dr. Schmitz das Wort.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat das Thema „Übergewichtigkeit und Untergewichtigkeit bei Jugendlichen“ aufrufen lassen. Die Erwachsenen sollte man eigentlich bei dieser Geschichte nicht ausschließen. Ich fände es auch spannend, über anderes Ernährungsfehlverhalten und andere Süchte zu sprechen. Das wären unter anderem Alkohol und Nikotin sowie zunehmende

psychiatrische Auffälligkeiten wegen des Missbrauchs weicher Drogen, Frau Kiltz. Die Medikamentenabhängigkeit ist auch ein spannendes Thema, über das wir auch einmal sprechen könnten.

Jetzt wurde eine Große Anfrage zu dem zur Diskussion stehenden Thema eingebracht. Aus meiner Sicht waren die Antworten der Landesregierung durchaus erschöpfend. Man kann natürlich immer noch mehr Statistiken fordern, wie Cholesterinregister Südpfalz usw. Wir werden irgendwann in der Datenmenge so untergehen, so wie wir jetzt schon mit den vielfältigen Informations- und Aufklärungsangeboten unsere Probleme haben, Frau Kiltz.

Ich habe persönlich nicht das Gefühl, dass das Problem zunimmt, weil es nicht genügend Information und Aufklärung gibt. Im Gegenteil, ich habe das Gefühl, dass im gleichen Maß, wie das Problem steigt, auch die Informations- und Aufklärungsmaßnahmen steigen. Dies reicht vom illustrierten Käseblättchen bis zu sehr, sehr seriösen Bemühungen. Da wird sehr viel getan. Das zumindest weisen die Antworten aus.

Frau Kiltz, ich bin der Meinung – das ist wichtig –, dass man auch darauf hinweisen muss – alles andere wurde schon gesagt –, dass man nicht in die Falle tappen darf, all diejenigen, die nicht mit Idealgewicht antreten, zu diskriminieren; denn Herr Kollege Enders hat bereits darauf hingewiesen, dass es eine sehr starke genetische Disposition bei diesen Dingen gibt. Ich habe acht Jahre lang ein Internat besucht. Wir haben alle das gleiche Essen bekommen – über die Qualität möchte ich schweigen –, und wir haben alle den gleichen Sport betrieben, aber wir hatten sehr, sehr unterschiedliche Figuren, Frau Kiltz.

(Zuruf der Abg. Frau Kiltz, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das sehen Sie auch in Ihrer Fraktion.

Über die schlimmen Konsequenzen des Übergewichts und der Adipositas wurde schon gesprochen. Auch ich will das Thema nicht so sehr auswalzen. Ich frage mich, was der Staat noch mehr tun soll als das, was er tut. Er soll etwas genauer darauf schauen, welche Maßnahmen etwas bringen. Das konstatieren wir alle. Vom direkten staatlichen Investment her sind Grenzen gesetzt.

Wenn ich mir in der Antwort anschaue, wie viel Geld in die Hand genommen und für Sportförderung ausgegeben wird und wie viel das Sozial- und das Landwirtschaftsministerium tun, um gesunde Ernährung herbeizuführen, dann greift es etwas zu kurz, hier vom ÖkoGroßküchentraum zu sprechen.

Frau Kiltz, das löst das Problem nicht. Eine große Portion Öko-Bratkartoffeln ist sicherlich genauso fett wie viele andere Dinge, die zum Beispiel von den bösen amerikanischen Food-Designern präsentiert werden.

Ich bin überzeugt davon, dass es Beispiele dafür gibt, dass Informationen und Aufklärungen greifen. Wir haben alle aus unserem Nähkästchen geplaudert. Für den Bereich der Zahnärzte verweise ich darauf – das war

hier schon häufig Thema –, dass über ehrenamtliches Engagement unterstützt durch den Staat die Karies – das ist auch eine schlimme Volkskrankheit mit hohen Kosten und vielfach schlimmen Schmerzen bei Kindern – nicht auf 65 %, sondern um 65 % reduziert werden konnte. Das ist ein Ergebnis, das wir uns in dem Bereich, über den wir heute sprechen, nur wünschen können.

Meine Damen und Herren, um zum Ende zu kommen, darf ich noch auf einen Spruch verweisen. Das soll der Ernsthaftigkeit der Behandlung des Themas keinen Abbruch tun. Diesen hat mir mein Kollege Edmund Geisen zugeflüstert. Er hat mir Bezug nehmend darauf, dass trotz vieler Informationsmaßnahmen das Problem eher zunimmt, gesagt: Ich kann essen, was ich will, ich nehme nicht ab.

Ich danke Ihnen.

(Vereinzelt Beifall bei FDP und SPD)

Für die Landesregierung erteile ich Frau Staatsministerin Dreyer das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Herren und Damen! Vor einigen Jahren haben die Europäer noch über die Amerikaner gelächelt, weil sie so dick sind. Irgendwann hat Harald Schmidt von „den dicken Kindern aus Landau“ gesprochen. Frau Ebli hat dies schon angesprochen. Plötzlich haben die Deutschen festgestellt, dass viele dick sind, und zwar nicht nur diejenigen in Landau. Das ist leider eine Realität.

Es gibt weltweit rund eine Milliarde Menschen, die übergewichtig sind. In Deutschland sind rund 20 % der Bevölkerung nicht nur dick, sondern fettleibig. Das heißt, das ist ein Krankheitsbild. Man nennt es adipös. Adipositas ist das große Stichwort, wenn wir über dieses Phänomen in Deutschland sprechen.

Auch wenn wir in dieser Sitzung viel zum Lachen haben, ist es eigentlich nicht zum Lachen; denn Kinder, die adipös, also fettleibig sind, haben es ganz schön schwer. Sie leben sehr ungesund, und es wird der Grundstock dafür gelegt, dass es später zu ernsthaften und schweren Erkrankungen kommen kann. Diabetes mellitus ist nur ein Punkt. Wenn man sich vorstellt, was das für unser Gesundheitssystem bedeutet. Wenn diese 20 % tatsächlich auf Dauer ernsthaft krank werden, ist das ein Drama.

Außerdem werden die Kinder sehr stark stigmatisiert. Sie sind dick und bewegungslos. Sie werden ausgelacht und gehänselt. Sie haben es schwer, in Sportvereinen Fuß zu fassen, weil sie nicht mithalten können. Alles, was für sie gut wäre, ist eine zusätzliche Schwierigkeit.

Deshalb ist es wichtig, dass wir als Landesregierung das Thema sehr ernst nehmen. Wir halten es für ein gewichtiges Problem im wahrsten Sinn des Wortes. Ich denke, dass wir uns sehr umfassend um dieses Thema kümmern.

Ich vernachlässige den Punkt Magersucht. Er ist kurz angesprochen worden. Er ist auch ein Thema, vor allem bei Mädchen, die diesem völlig übertriebenen Körperkult anheim fallen. Ich denke, weil der Schwerpunkt auf den dicken Kindern lag, möchte ich dazu noch ein paar Worte sagen.

Ich komme zunächst zur Datengrundlage. Mit den Daten ist es nicht so einfach. Wir beziehen uns wie andere Bundesländer auf die Schuleingangsuntersuchungen. Wir nehmen auch regional punktuelle Auswertungen vor, wo wir vor allem in der Zukunft einen starken Fokus auf dieses Thema legen werden.

Die Gesundheitsminister und -ministerinnen haben sich mit dem Thema befasst, sodass das Robert-KochInstitut inzwischen für das gesamte Bundesgebiet eine Studie in Auftrag gegeben hat. Das heißt, im Jahr 2006 werden uns detaillierte Daten vorliegen, auf deren Grundlage wir weiterarbeiten können und die wir für Rheinland-Pfalz entsprechend umsetzen werden. Aus meiner Sicht macht es keinen Sinn, parallel dazu noch 16 Länderstudien vorzunehmen. Wir werden die RobertKoch-Studie auswerten und auch in den Schuleingangsuntersuchungen verstärkt darauf achten.

Liebe Frau Abgeordnete Kiltz, ich muss Ihnen einfach widersprechen, so Leid es mir tut. Im Land gibt es einen bunten Strauß von Projekten und Maßnahmen und kein unkoordiniertes Vorgehen, sondern eine große Kontinuität in unserem Vorgehen. In Rheinland-Pfalz gibt es von der Landeszentrale für Gesundheitsförderung ein Netzwerk, und zwar „Gesundheit braucht Partner“. Von dort gehen viele Aktivitäten aus, die in der Großen Anfrage beantwortet worden sind, und dort werden auch die Dinge koordiniert.

Besonders im Blickpunkt haben wir die sozial benachteiligten Kinder und die ausländischen Kinder in städtischen Regionen, weil dort Adipositas das größte Thema schlechthin ist. Wir versuchen, vor allem auch über die Kinder an die Eltern zu kommen und diesen letztendlich beizubringen, was gesunde Ernährung bedeutet. Die gute Zusammenarbeit der LZG bewährt sich insofern, dass sie mit Kindertagesstätten und mit Schulen zusammenarbeitet.

Verehrte Frau Abgeordnete Kiltz, jetzt müssen Sie aber auch zuhören. Das Netzwerk LZG zeichnet sich dadurch aus, dass es gerade mit Kindertagesstätten, Schulen, Praktikern, Ärzten, der Verbraucherzentrale, Krankenkassen und anderen zusammenarbeitet und Impulse im ganzen Land setzt und entsprechende Aktionen initiiert.

(Beifall der Abg. Frau Ebli, SPD)

Hier ist zum Beispiel die Elternschule zu nennen, die in Rheinhessen beispielsweise mit den Kindertagesstätten durchgeführt wird. Außerdem gibt es das große Programm „Gesunde Ernährung in Kindertagesstätten“. Es

gibt viele andere Beispiele. Es gibt ein koordiniertes Vorgehen in diesem Land zu diesem Thema. Da es uns ein großes Anliegen ist, haben wir über die LZG auch die Adipositas-Netzwerke initiiert. Sie entstehen landesweit, und zwar immer unter Einbeziehung unterschiedlicher Partner aufgrund von Aktivitäten vor Ort.

Zu den Kindertagesstätten möchte ich sagen, dass auch die Erzieher und Erzieherinnen entsprechend geschult sind und regelmäßig – sofern gewünscht – Fort- und Weiterbildungen in diesem Bereich erhalten, sodass man auch davon ausgehen kann, dass die Fachkräfte genau wissen, wovon sie reden und gezielt in ihren Einrichtungen dieses Thema aufgreifen und umsetzen.

Ich habe kein Problem damit, mir die Empfehlungen von Frau Ministerin Künast noch einmal anzusehen und zu reflektieren, inwieweit man in Einrichtungen diese Empfehlungen weitergeben kann. Das nehme ich gern als Beitrag dieser Debatte mit.

Herr Abgeordneter Dr. Enders, Sie hatten den Bereich Gesundheitserziehung angesprochen. Wir haben das in unserer Anfrage kurz beantwortet. Natürlich stehen auch Konzepte dahinter. Ich habe bereits angesprochen, dass auch Lehrkräfte mit diesem Thema in Fort- und Weiterbildungen zu tun haben. Wir gehen von einem ganzheitlichen Lernen aus. Es ist nicht mehr an der Zeit, wo man für alle Bereiche, die von hoher Relevanz sind, eigene Studienfächer oder Schulfächer einrichtet.

(Beifall der SPD)

Ein letztes Wort. Es ist nicht nur die Ernährung. Die Fachleute weisen darauf hin, dass es sich zu 70 % um die mangelnde Bewegung handelt. Kinder bewegen sich heutzutage zu wenig. Deshalb ist es wichtig, darauf hinzuweisen, dass wir nicht nur auf das Essen, sondern auch auf die Frage schauen müssen, inwieweit sich Kinder im Alltag noch bewegen. Es gibt viele Ansätze,

vor allem über die Sportvereine und auch über den Sportunterricht in den Schulen. Auch die Ganztagsschulen kooperieren in einem sehr starken Maß gerade mit Sportvereinen, um das Thema „Bewegung“ noch einmal stärker aufzugreifen.

(Vereinzelt Beifall bei der SPD)

Im Übrigen gibt es eine sehr schöne Entwicklung. Die Sportvereine tun sehr viel für Kinder und Jugendliche. So hat sich in den letzten Jahren die Mitgliederzahl bei Kindern erhöht. Inzwischen gehören mehr Kinder den Sportvereinen an. Welcher Verein oder welche Vereinigung kann das heutzutage noch von sich behaupten?

Ich denke, dass wir im Land das Thema durchaus erkannt haben und ihm die entsprechende Relevanz einräumen. Wir werden weiterhin an diesem Thema arbeiten, weil wir wissen, dass die Krankheit eine Gefährdung für die Zukunft ist und vor allem für die Kinder ein sehr großes Problem darstellt. In diesem Sinn werden wir mit geballter Energie auch in Zukunft weiter voranschreiten und koordiniert Maßnahmen anbieten.

Vielen herzlichen Dank.

(Beifall der SPD und der FDP)

Mit dieser Besprechung ist der Tagesordnungspunkt erledigt.

Wir sind damit am Ende der heutigen Tagesordnung. Ich lade Sie für morgen zur 100. Plenarsitzung um 09:30 Uhr ein.

Die Sitzung ist geschlossen.